Urteil des VerfG Brandenburg vom 25.03.2003
VerfG Brandenburg: gemeinde, pachtvertrag, verfassungsbeschwerde, verfassungsgericht, wochenendhaus, beschwerdefrist, beschwerdeschrift, kündigung, persönlichkeit, eltern
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Gericht:
Verfassungsgericht
des Landes
Brandenburg
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
139/03
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
Art 12 Abs 1 Verf BB, § 47 Abs 1
VerfGG BB, § 47 Abs 2 VerfGG
BB, Art 232 § 4 Abs 1 BGBEG, §
23 SchuldRAnpG
VerfG Potsdam: Wegen offensichtlich nicht vorliegender
Verletzung von Grundrechten unzulässige
Verfassungsbeschwerde gegen Kündigung eines Pachtvertrags
über ein Grundstück mit Wochenendhaus
Gründe
A.
Die Beschwerdeführer wenden sich gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder)
vom 25. März 2003, durch das sie unter Abänderung einer gegenläufigen
amtsgerichtlichen Entscheidung verurteilt wurden, ein von ihnen als Wochenendhaus-
Aufstellplatz genutztes Grundstück an die Gemeinde S. herauszugeben und das darauf
errichtete Wochenendhaus mit Flachdach samt gepflasterter Terrasse, Zuwegungen und
Einfriedungen zu entfernen.
I.
Das Wochenendhaus haben die Beschwerdeführer von den Eltern des
Beschwerdeführers zu 2. erworben. Im Vorfeld hatten sich die Beschwerdeführer um den
Eintritt in den zwischen den Eltern des Beschwerdeführers zu 2. und der Gemeinde S.
bestehenden Pachtvertrags bemüht. Nach Angaben der Beschwerdeführer habe die
zuständige Sachbearbeiterin mündlich mitgeteilt, dass die Gemeinde mit dem Eintritt in
den bestehenden Pachtvertrag einverstanden sei. Ein entsprechender schriftlicher
Antrag der Beschwerdeführer vom 09. November 1993 konnte nicht bearbeitet werden,
da der ursprüngliche Pachtvertrag nicht mehr auffindbar war. Unter dem 10. Dezember
1993 wurde ein Pachtvertrag zwischen den Beschwerdeführern und der Gemeinde S.
geschlossen. Mit Schreiben vom 11. Oktober 1994 erhöhte die Gemeinde das
Nutzungsentgelt unter Hinweis auf die Nutzungsentgeltverordnung. Mit Schreiben vom
14. Juli 1998 kündigte sie das Pachtverhältnis zum 31. Oktober 1998. Unter dem 03. Juni
1999 erhob eine Verwaltungsgesellschaft als Vertreterin der Gemeinde Räumungsklage
gegen die Beschwerdeführer vor dem Amtsgericht.
Das Amtsgericht wies am 01. November 1999 die Klage unter Berufung auf die
Rechtsprechung des Landgerichts Frankfurt (Oder) in vergleichbaren Fällen als
unzulässig ab, da der Klageantrag zu unbestimmt sei. Die hiergegen durch die Kläger
des Ausgangsverfahrens eingelegte Berufung hatte vollumfänglich Erfolg. Das
Landgericht hielt den Klageantrag für hinreichend bestimmt und die Kündigung des
Pachtvertrages für rechtswirksam. Insbesondere könnten die Beschwerdeführer sich
nicht auf Kündigungsschutzvorschriften berufen, da der Pachtvertrag nach dem 02.
Oktober 1990 geschlossen worden und keine Fortführung des ursprünglichen
Pachtvertrags anzunehmen sei. Das Urteil des Landgerichts ging den
Beschwerdeführern am 02. April 2003 zu.
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist per Fax ohne Anlagen am 02. Juni 2003 und urschriftlich
mit Anlagen am 04. Juni 2003 bei Gericht eingegangen. Auf - dem
Verfahrensbevollmächtigten am 30. Juni 2003 zugegangen - Hinweis des Gerichts, dass
sich die Begründetheit der Verfassungsbeschwerde aus der Beschwerdeschrift allein
nicht beurteilen lasse und die Beschwerdeschrift mit den Anlagen nach Ablauf der
Beschwerdefrist eingegangen sei, beantragte der Verfahrensbevollmächtigte mit bei
Gericht am 14. Juli 2003 eingegangenem Schriftsatz unter Verweis auf einen Fehler
seiner Büroangestellten - der ihr trotz hinreichender Anleitung und Überwachung
unterlaufen sei - Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Beschwerdefrist.
Die Beschwerdeführer rügen sinngemäß die Verletzung des Willkürverbotes und der
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Die Beschwerdeführer rügen sinngemäß die Verletzung des Willkürverbotes und der
freien Entfaltung der Persönlichkeit durch das landgerichtliche Urteil. Das Landgericht sei
willkürlich von seiner bisherigen Rechtsprechung abgewichen, dass die Grundstücke
genau - nach Katasterbezeichnung und mittels beglaubigtem Lageplan - zu bezeichnen
seien. Zudem habe sich das Gericht selbst widersprochen. In der Zulässigkeitsprüfung
habe das Gericht das Nutzungsentgelterhöhungsverlangen als rechtswirksam
angesehen. Andererseits sei das Gericht für die Frage, ob auf das Pachtverhältnis das
Schuldrechtsanpassungsgesetz anzuwenden sei, von der Unwirksamkeit des
Nutzungsentgelterhöhungsverlangens ausgegangen. Schließlich sei das einfache Recht
fehlerhaft angewendet und gegen einhellige Rechtsprechung verstoßen worden.
III.
Der Präsident des Landgerichts Frankfurt (Oder) hat Gelegenheit zur Stellungnahme
erhalten. Die Verfahrensakten sind beigezogen worden.
B.
Eine Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag der Beschwerdeführer (vgl. § 47
Abs. 2 des Verfassungsgerichtsgesetzes Brandenburg - VerfGGBbg -) erübrigt sich, weil
die Verfassungsbeschwerde jedenfalls aus anderen Gründen unzulässig ist. Die
Beschwerdebefugnis ist zu verneinen. Eine Verletzung der Beschwerdeführer in von der
Landesverfassung gewährleisteten Grundrechten ist offensichtlich nicht gegeben.
I.
1. Ein Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Willkürverbot liegt ersichtlich nicht vor.
Willkürlich ist eine Entscheidung erst dann, wenn sie unter keinem rechtlichen
Gesichtspunkt vertretbar ist und sich deshalb der Schluss aufdrängt, sie beruhe auf
sachfremden Erwägungen (ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichts des
Landes
Brandenburg, vgl. etwa Beschlüsse vom 17. September 1992 - VfGBbg 18/92 -, LVerfGE
9, 95, 100; vom 16. April 1998 - VfGBbg 1/98 -, LVerfGE 8, 82, 86 f. und vom 20. Januar
1997 - VfGBbg 45/96 -, NJ 1997, 307 m.w.N.; für die entsprechende Rechtslage nach Art.
3 Abs. 1 Grundgesetz: BVerfGE 80, 48, 51). Die Entscheidung muss ganz und gar
unverständlich erscheinen und das Recht in einer Weise falsch anwenden, die jeden
Auslegungs- und Bewertungsspielraum überschreitet (vgl. Verfassungsgericht des
Landes Brandenburg, Beschlüsse vom 20. Dezember 2001 - VfGBbg 50/01 - und vom
14. August 1996 - VfGBbg 23/95 -, LVerfGE 5, 67, 72, m.w.N.). Ein derartiger Fall liegt
nicht vor.
Das Landgericht hat sich nachvollziehbar auf den Standpunkt gestellt, dass die
Beschwerdeführer unter dem 10. Dezember 1993 einen (ganz) neuen Pachtvertrag mit
der Gemeinde S. geschlossen haben und nicht in den vormals bestehenden
Pachtvertrag eingetreten sind. Dann aber kommt weder die Anwendung von § 23 des
Schuldrechtsanpassungsgesetzes (vgl. dessen § 3) noch von Art. 232 Abs. 1 des
Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (vgl. auch dessen § 1) in Betracht.
Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer hat das Landgericht in der Frage des
Nutzungsentgelterhöhungsverlangens auch nicht widersprüchlich argumentiert. Auf
Seite 3 des Urteilsabdrucks wird lediglich für den Wert des Beschwerdegegenstandes
(Berufungssumme nach § 5lla Abs. 1 der Zivilprozessordnung alter Fassung) von dem
durch die Beschwerdeführer tatsächlich gezahlten Pachtzins ausgegangen, ohne die
Rechtsgültigkeit des Erhöhungsverlangens vom 11. Oktober 1994 zu hinterfragen.
Demgegenüber kam es für die Entscheidung des Landgerichts in der Sache darauf an,
ob - und dabei handelt es sich um etwas anderes als um die Frage der Gültigkeit des
Nutzungsentgelterhöhungsverlangens - in dem Pachtvertrag vom 10. Dezember 1993
oder den nachfolgenden Schreiben der Gemeinde S. eine (konkludente)
Vertragsübernahme des früheren Pachtvertrags zu sehen sei und - für den Fall -
besondere Kündigungsschutzvorschriften anwendbar seien. Von Verfassungs wegen ist
es nicht zu beanstanden, dass das Landgericht von der Bezugnahme auf die
Nutzungsentgeltverordnung in dem Erhöhungsverlangen vom 11. Oktober 1994 nicht
auf die Anwendbarkeit der Kündigungsschutzvorschriften geschlossen hat. Eine derartige
Bewertung dieses Schreibens ist durchaus vertretbar und jedenfalls nicht willkürlich.
Für den Fall, dass das Landgericht aus Anlass des hier zugrundeliegenden Falles seine
bisherige Rechtsprechung geändert hat, ist auch das von Verfassungs wegen nicht zu
beanstanden. Ein Gericht kann nicht gehindert sein, seine Rechtsprechung zu
überprüfen und ggfls. zu anderen Ergebnissen zu kommen.
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2. Schon angesichts der Vertretbarkeit der Entscheidung des Landgerichts ist auch für
die Annahme einer Verletzung des Grundrechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit
(Art. 10 Verfassung des Landes Brandenburg) durch diese Entscheidung von vornherein
kein Raum.
II.
Soweit sich die Beschwerdeführer im übrigen kritisch mit dem Urteil des Landgerichts
auseinandersetzen, ist darauf hinzuweisen, dass es nicht die Aufgabe des
Verfassungsgerichtes ist, die Entscheidungen der Fachgerichte nach Art eines
Rechtsmittelgerichtes zu überprüfen und sich gleichsam an die Stelle des Fachgerichts
zu setzen (vgl. Verfassungsgericht des Landes Brandenburg, Beschlüsse vom 19. Juni
2003 – VfGBbg 113/02 -; vom 18. April 2002 - VfGBbg 7/02 - sowie vom 17. September
1998 - VfGBbg 18/98 -, LVerfGE 9, 95, 101 f.). Prüfungsmaßstab vor dem
Landesverfassungsgericht ist allein die Landesverfassung. Sie ist hier nicht verletzt.
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