Urteil des StGH Niedersachsen vom 17.08.2012

StGH Niedersachsen: finanzielle beteiligung, veranstaltung, niedersachsen, regierung, auskunftspflicht, verfassung, staatssekretär, nhg, organisation, fraktion

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--- kein Dokumenttitel vorhanden ---
Auskunftserteilung gemäß Art. 24 Abs. 1 der Niedersächsischen Verfassung
(NV)
Niedersächsischer Staatsgerichtshof, Urteil vom 17.08.2012, 1/12, StGH 1/12
Tenor
Die Antragsgegnerin hat durch die Antwort auf die Dringliche Anfrage der
Antragstellerin vom 16. Januar 2012 (Landtagsdrucksache 16/4383) in der
126. Plenarsitzung des Niedersächsischen Landtags vom 19. Januar 2012
ihre Antwortpflicht aus Art. 24 Abs. 1 der Niedersächsischen Verfassung (NV)
verletzt, soweit sie ihre schriftliche Antwort vom 14. April 2010 auf die zweite,
vierte und fünfte Frage der Kleinen Anfrage des Antragstellers zu 2. vom 11.
März 2010 (Landtagsdrucksache 16/2447) bestätigt hat.
Der weitergehende Antrag der Antragstellerin zu 1. wird zurückgewiesen.
Im Übrigen wird das Verfahren eingestellt.
Gründe
A.
Gegenstand des Organstreitverfahrens ist die Frage, ob die Niedersächsische
Landesregierung ihre verfassungsrechtliche Pflicht zur Beantwortung
parlamentarischer Anfragen hinreichend erfüllt hat.
Der Antrag bezieht sich auf die Antwort der Landesregierung vom 19. Januar
2012 auf die Dringliche Anfrage der SPD-Fraktion vom 16. Januar 2012
(Landtagsdrucksache 16/4383). Diese Anfrage befasste sich mit dem „Nord-
Süd-Dialog 2009“, einer Veranstaltung im Flughafengebäude des Flughafens
Hannover im Dezember 2009, die bereits im Jahr 2010 Gegenstand einer
parlamentarischen Anfrage des Antragstellers zu 2. war. Die Anfrage vom 16.
Januar 2012 hatte auszugsweise folgenden Wortlaut:
„Die im Verlauf der Affäre um den ehemaligen Ministerpräsidenten und
jetzigen Bundespräsidenten C. W. bekannt gewordenen Vorwürfe haben
viele Fragen aufgeworfen, deren Beantwortung durch den ehemaligen
Ministerpräsidenten und die Landesregierung in der öffentlichen Debatte
als unbefriedigend, unvollständig oder gar nicht bezeichnet wurde […].
Zugleich wurde durch Recherchen der Medien deutlich, dass die
ehemalige Landesregierung unter dem Ministerpräsidenten W. bei der
Beantwortung von Parlamentsfragen zu diesen Komplexen zentrale
Informationen nicht gegeben und Fragen nicht vollständig beantwortet
hat […]. Vor dem Hintergrund dieser Ausführungen fragen wir die
Landesregierung:
1. Würde die Landesregierung angesichts der schon bekannt
gewordenen Aktivitäten des ehemaligen Ministerpräsidenten und des
ehemaligen Regierungssprechers im Zusammenhang mit der
Organisation zumindest des ‚Nord-Süd-Dialogs 2009‘ heute immer noch
zu der am 14. April 2010 – vor allem auf die Fragen 5 und 7 – gegebenen
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Antwort stehen?
2. […].“
Die Dringliche Anfrage beantwortete Finanzminister M. in der 126.
Plenarsitzung des Landtages am 19. Januar 2012 wie folgt:
„Zu Frage 1: Ja, die Landesregierung steht nach wie vor zu der am 14.
April 2010 gegebenen Antwort. Ein Verstoß gegen Art. 24 Abs. 1 der
Niedersächsischen Verfassung kann schon deswegen nicht vorliegen,
weil sich der Sachverhalt auch in der heutigen Rückbetrachtung so
darstellt wie damals in der in Bezug genommenen Antwort […].
Das Land war nicht Veranstalter des Nord-Süd-Dialogs und hat sich nicht
finanziell beteiligt. …“
Die der Beantwortung vom 14. April 2010 zugrundeliegende Kleine Anfrage
zur schriftlichen Beantwortung des Abgeordneten B. vom 11. März 2010
lautete auszugsweise:
Der Nord-Süd-Dialog: Imagepflege für Niedersachsen oder Promi-
Event für den Ministerpräsidenten?
Bereits zum dritten Male hat der ‚Nord-Süd-Dialog‘ – eine Veranstaltung
der Länder Baden-Württemberg und Niedersachsen – stattgefunden. In
den offiziellen Erklärungen wird die Veranstaltung stets als Instrument zur
Vermittlung von Kontakten zwischen Entscheidern, zur Imagepflege der
beiden Länder oder gar als effektive Förderung der Wirtschaft
beschrieben. Verfolgt man die nachlaufende Presseberichterstattung, so
wird dann allerdings vor allem beschrieben, welche A- und B-Promis sich
auf der Party getummelt und sich mit den beiden Ministerpräsidenten
bzw. deren Gattinnen haben ablichten lassen.
Ich frage deshalb die Landesregierung:
1. Von wem ging die ursprüngliche Idee für diesen Dialog aus, welche
Ziele sollten damit erreicht werden, und von wem wurde das
Veranstaltungskonzept entwickelt?
2. Wer ist der Organisator und Träger dieser Veranstaltung – die
Regierungen bzw. die Staatskanzleien der beiden beteiligten Länder
oder eine Privatperson bzw. eine Privatfirma?
3. Falls die Länder selbst die Veranstalter und Träger sind: Wurde die
Veranstaltung ausgeschrieben, und warum fiel dabei die Entscheidung
auf den Partymanager Schmidt?
4. In welchem Umfang hat das Land Einfluss auf den Ablauf der
Veranstaltungen und auf die Gästeliste, und, wenn ja, wer trifft beim Land
dafür die Entscheidungen?
5. Welche Konstruktion – ob Landes- oder Privatveranstaltung – liegt
zugrunde, beteiligen sich die Länder an der Finanzierung und, wenn ja,
in welcher Höhe (Angabe getrennt nach Ländern)?
6. Ist geplant, dass sich das Land Niedersachsen zukünftig stärker
(erstmalig oder mit höherem Zuschuss) an der Finanzierung beteiligen
wird?
7. Falls das Land nicht an der Organisation und Finanzierung beteiligt ist:
Liegen trotzdem Kenntnisse über die Finanzierungsstruktur und Gewinne
bzw. Verluste vor?“
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Die Landesregierung beantwortete die Kleine Anfrage vom 14. April 2010
durch den Chef der Staatskanzlei, Staatssekretär Dr. H., schriftlich unter dem
14. April 2010 mit folgendem Wortlaut (LT-Drs. 16/2447, S. 2 f.):
„[…] Zu 1:
Der international renommierte Eventmanager M. S. hatte 2007 die
ursprüngliche Idee, er hat auch das Veranstaltungskonzept entwickelt:
‚Während der CEBIT-Messe in Hannover kam mir vor ein paar Monaten
die Idee, Menschen aus verschiedenen Ländern, unterschiedlichen
Bereichen und Branchen zusammenzubringen und besser zu vernetzen.
Das zweit- und das drittgrößte Bundesland haben viele
Gemeinsamkeiten, u.a. sind beide Länder internationale
Spitzenstandorte für Automobil- und Messewirtschaft‘ ….
Ziel der Veranstaltung ist es zu zeigen, was die Länder Niedersachsen
und Baden- Württemberg ausmacht.
Zu 2:
Organisator und Träger der Veranstaltung ist die M. S. Media S.L.
Zu 3:
Die Länder sind weder Veranstalter noch Träger.
Zu 4:
Die Entscheidung, wer eingeladen wird, liegt bei Gastgeber M. S..
Zu 5:
Es handelt sich um eine Privatveranstaltung, es gibt keine Beteiligung
oder Finanzierung durch das Land Niedersachsen.
Zu 6:
Nein.
Zu 7:
Nein.“
Nach dem 19. Januar 2012 wurde durch Presseberichte bekannt, dass die
Medizinische Hochschule Hannover (MHH) für die Veranstaltung „Nord-Süd-
Dialog 2009“ unentgeltlich 44 Servicekräfte bereitgestellt hatte. Ferner wurde
berichtet, dass sich das Niedersächsische Ministerium für Ernährung,
Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung mit einem Betrag
von 3.411,00 € an dem Ankauf von 800 Kochbüchern beteiligt hatte, die mit
einer Werbebanderole, auf der das Logo des Ministeriums neben drei
Unternehmenslogos abgebildet war, an die Gäste der Veranstaltung
verschenkt worden waren.
Aus Anlass dieser Presseberichte nahm die Landesregierung eine Abfrage bei
allen Ressorts vor, um mögliche weitere Umstände des „Nord-Süd-Dialog
2009“ aufzuklären. Schon vorher war der ehemalige Regierungssprecher G.
von der Staatskanzlei schriftlich, fernmündlich und per E-Mail um Auskunft zum
„Nord-Süd-Dialog“ ersucht worden, machte jedoch in seiner Antwort vom 3.
Januar 2012 keine Angaben zur Sache und war fernerhin nicht mehr
erreichbar. Finanzminister M. nahm am 20. Januar 2012 im Niedersächsischen
Landtag (PlenProt. 16/127, S. 16378 f.) und am 25. Januar 2012 im Ausschuss
für Rechts- und Verfassungsfragen (Protokoll der Sitzung des Ausschusses für
Rechts- und Verfassungsfragen - AfRuV Prot. - 16/107, S. 11 f.) zu den
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Erkenntnissen der Landesregierung über Organisation und Finanzierung des
„Nord-Süd-Dialog“ Stellung. Aufgrund eines Auftrags des Ausschusses für
Haushalt und Finanzen des Landtags untersuchte der Niedersächsische
Landesrechnungshof die haushaltswirtschaftlichen und haushaltsrechtlichen
Vorgänge im Zusammenhang mit dem „Nord-Süd-Dialog 2009“ und legte
hierüber am 26. Juni 2012 einen Bericht vor, den der Staatsgerichtshof
beigezogen hat.
Die Antragstellerin zu 1. ist der Ansicht, die Antwort der Antragsgegnerin vom
19. Januar 2012 auf die erste Frage der Dringlichen Anfrage verstoße gegen
Art. 24 Abs. 1 NV. Die Antwort sei ausweichend gewesen und habe
wesentliche Informationen unberücksichtigt gelassen, die mit zumutbarem
Aufwand hätten in Erfahrung gebracht werden können. Die Antwort habe sich
insbesondere nicht mit den bereits bekannten Aktivitäten des ehemaligen
Regierungssprechers G. und des ehemaligen Ministerpräsidenten W. bei der
Einwerbung von Sponsorengeldern auseinandergesetzt. Zudem hätte die
Antragsgegnerin mit zumutbarem Aufwand, nämlich mit einer frühzeitigeren
Abfrage bei den Ministerien nach finanzieller oder organisatorischer
Beteiligung am „Nord-Süd-Dialog“ und mit einer Auswertung des E-Mail-
Accounts des Herrn G., innerhalb der Antwortfrist die später festgestellte
Bereitstellung der 44 Servicekräfte durch die MHH und die Kostenbeteiligung
des Landwirtschaftsministeriums an dem Kochbuch in Erfahrung bringen
können und darüber Auskunft geben müssen.
Die Antragstellerin zu 1. beantragt festzustellen,
dass die Antragsgegnerin mit der Beantwortung der ersten Frage der
Dringlichen Anfrage Landtagsdrucksache 16/4383 durch den
Niedersächsischen Finanzminister M. in der 126. Plenarsitzung des
Niedersächsischen Landtags am 19. Januar 2012 die Antragstellerin in
ihrem Auskunftsrecht aus Art. 24 Abs. 1 NV, verfassungsmäßig
konkretisiert in § 48 Nds. GO LT, verletzt und gegen ihre Antwortpflicht
aus Art. 24 Abs. 1 NV verstoßen hat.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag als unzulässig, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.
Der Antragstellerin zu 1. fehle das Rechtsschutzbedürfnis, weil die
Landesregierung ihre Auskunftspflicht nicht in Abrede gestellt habe und das
Informationsdefizit nicht mehr bestehe, nachdem Minister M. im
Landtagsplenum vom 20. Januar 2012 und im Ausschuss für Rechts- und
Verfassungsfragen am 25. Januar 2012 weitere Auskünfte zum „Nord-Süd-
Dialog“ erteilt habe.
Der Antrag sei jedenfalls unbegründet. Die Landesregierung habe die Frage
nach bestem Wissen vollständig beantwortet. Die am 16. Januar 2012
gestellte Frage habe sie als Frage verstanden, ob sie die Antwort der
Landesregierung im Jahre 2010 als verfassungsrechtlich korrekt bewerte. Die
Frage, ob die Antwort seinerzeit nach bestem Wissen vollständig gewesen sei,
habe sie zutreffend mit „ja“ beantwortet. Dem sei dann eine kurze Erläuterung
zugefügt worden. Da in der Anfrage vom 11. März 2010 nach der
gesellschaftsrechtlichen „Konstruktion“ der Veranstaltung „Nord-Süd-Dialog“
gefragt worden sei, habe die Landesregierung eine „Beteiligung“ oder
„Finanzierung“ des Landes Niedersachsen richtigerweise verneint. Die
Bereitstellung von Servicekräften oder die Mitfinanzierung von Kochbüchern
seien davon nicht umfasst gewesen. Eine Auskunftspflicht hätte insofern nur
bei einer anders formulierten Frage bestanden. Die Verteilung eines
Kochbuchs als Werbegeschenk habe mit der Finanzierung einer
Veranstaltung nichts zu tun.
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Über den Einsatz der 44 Servicekräfte der MHH seien bei der Landesregierung
keine Informationen vorhanden gewesen. Zu neuen Erhebungen oder
vertieften Recherchen habe weder Anlass noch Verpflichtung bestanden.
Gleichwohl habe die Landesregierung durch überobligationsmäßige
Recherchearbeit über eine etwaige finanzielle Beteiligung des Landes an den
Kosten des „Nord-Süd-Dialog“ auch die weitestgehenden Anforderungen an
Informationsbemühungen einer Regierung im Vorfeld einer parlamentarischen
Anfrage erfüllt. Abfragen innerhalb der Staatskanzlei Anfang Januar 2012
hätten keine Hinweise oder Indizien erbracht. Sachakten über den „Nord-Süd-
Dialog“ seien nicht vorhanden gewesen; der frühere Regierungssprecher G.
sei trotz konkreter Versuche nicht erreichbar gewesen. Zahlreiche Versuche
der Kontaktaufnahme zu Herrn G. per Telefon, per SMS und per Post seien
erfolglos geblieben. Herr G. habe auf Anfragen vor dem 20. Januar 2012 nicht
reagiert.
Die Antragstellerin zu 1. und der Antragsteller zu 2. haben ihre zunächst
gestellten weiteren Anträge in der mündlichen Verhandlung vom 17. August
2012 zurückgenommen.
B.
I.
Der Antrag ist zulässig, insbesondere kann der Antragstellerin das
Rechtsschutzbedürfnis nicht abgesprochen werden.
Die Antragstellerin ist gemäß Art. 54 Nr. 1 NV, § 30 NStGHG i.V.m. § 63
BVerfGG antragsberechtigt. Einen Antrag im Organstreitverfahren können
hiernach mit eigenen Rechten ausgestattete Teile der genannten Organe –
hier des Landtags – stellen. Dass die antragstellende SPD-Fraktion ein mit
eigenen Rechten ausgestatteter Teil des Niedersächsischen Landtags ist,
unterliegt keinem Zweifel. Die Antragsberechtigung wird auch nicht dadurch in
Frage gestellt, dass nach Art. 24 Abs. 1 NV die Auskunftspflicht der
Landesregierung auf Anfragen von Mitgliedern des Landtags bezogen ist. Die
Besonderheit dieser Bestimmung liegt darin, dass auch einzelnen Mitgliedern
des Landtags ein Fragerecht zusteht und ihnen gegenüber eine
Auskunftspflicht besteht (vgl. Ipsen, Niedersächsische Verfassung, 2011, Art.
24 Rn. 10). Das Fragerecht der Parlamentsfraktionen ist durch diese
Erweiterung weder eingeschränkt noch gar ausgeschlossen worden. § 48 Abs.
1 GO LT sieht folgerichtig vor, dass jede Fraktion in jedem Tagungsabschnitt
eine Dringliche Anfrage an die Landesregierung richten kann. Der Status einer
Parlamentsfraktion als Zusammenschluss von Abgeordneten ist wie der Status
der Abgeordneten zu bestimmen und leitet sich im Grundgesetz aus Art. 38
Abs. 1 Satz 2 GG ab (vgl. BVerfG, Urt. v. 16.7.1991 - 2 BvE 1/91 -,
BVerfGE 84, 304, 322 f.; Urt. v. 13.6.1989 - 2 BvE 1/88 -, BVerfGE 80, 188,
219 f.; Urt. v. 14.1.1986 - 2 BvE 14/83 u.a. -, BVerfGE 70, 324, 362 f.). Die
Niedersächsische Verfassung enthält in Art. 12 eine gleichlautende
Bestimmung. Den Landtagsfraktionen (Art. 19 Abs. 1 NV) stehen daher
regelmäßig die gleichen parlamentarischen (Mitwirkungs-)Rechte wie den
einzelnen Abgeordneten zu. Auch die Antragsbefugnis der Antragstellerin ist
gegeben, weil die SPD-Fraktion geltend gemacht hat, durch die Antwort der
Landesregierung in dem ihr übertragenen Auskunftsrecht verletzt worden zu
sein (vgl. § 30 NStGHG i.V.m. § 64 Abs. 1 BVerfGG).
Das Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin ist ebenfalls zu bejahen. Es ist
nicht dadurch entfallen, dass der Finanzminister in der Plenarsitzung des
Landtags vom 20. Januar 2012 und im Ausschuss für Rechts- und
Verfassungsfragen am 25. Januar 2012 weitere Informationen zum „Nord-Süd-
Dialog“ gegeben hat. Das Rechtsschutzbedürfnis entfällt grundsätzlich nicht
durch das Nachholen einer zuvor abgelehnten Auskunftserteilung (LVerfG
Brandenburg, Beschl. v. 28.03.2001 – VfGBbg. 46/00 –, LVerfGE 12, 92 und
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vom 16.11.2000 – VfGBbg. 31/00 –, LVerfGE 11, 166). Im Organstreitverfahren
geht es nicht nur um die Durchsetzung bestimmter Auskunftsrechte des
Antragstellers, sondern um die objektive Klärung der zwischen den beteiligten
Organen streitigen verfassungsrechtlichen Fragen. Durch die Entscheidung
des Verfassungsgerichts soll in diesem Bereich Rechtsfrieden auch für die
Zukunft hergestellt werden (vgl. BayVerfGH, Entsch. v. 17.06.1993 – Vf 85-IV-
91 –, VerfGHE 46, 176 ff.). Solange über die Rechtsverletzung zwischen den
Beteiligten Streit besteht, ist das Rechtsschutzbedürfnis des Fragestellers auf
Feststellung einer Verletzung der Auskunftspflicht gegeben. Die
Antragsgegnerin hat nicht zum Ausdruck gebracht, sie sei sich bewusst, mit
ihrer Antwort vom 19. Januar 2012 gegen die Auskunftspflicht nach Art. 24
Abs. 1 NV verstoßen zu haben. Sie äußert zwar, dass keine Zweifel an ihrer
Auskunftspflicht bestünden, hält aber gleichzeitig an ihrer Auffassung fest,
dass die (erst) im weiteren Verlauf der parlamentarischen Diskussion
gegebenen zusätzlichen Informationen nicht von der Dringlichen Anfrage vom
16. Januar 2012 umfasst gewesen seien und deshalb eine Antwortpflicht in
dem von der Antragstellerin zu 1. behaupteten Umfang nicht bestanden habe.
Sie ist vielmehr der Auffassung, sie wäre zu einer umfassenderen Antwort nur
verpflichtet gewesen, wenn die Frage anders formuliert worden wäre oder
einen anderen Inhalt gehabt hätte. Damit ist der Umfang der Antwortpflicht
nach wie vor im Streit, sodass das Rechtsschutzbedürfnis weiterhin besteht.
Der Antrag ist auch fristgerecht eingegangen. Nach § 30 NStGHG i.V.m. § 64
Abs. 3 BVerfGG muss der Antrag binnen sechs Monaten, nachdem die
beanstandete Maßnahme oder Unterlassung dem Antragsteller
bekanntgeworden ist, gestellt werden. Diese Frist war bei Eingang des Antrags
beim Staatsgerichtshof am 21. Februar 2012 gewahrt.
II.
Der Antrag ist überwiegend begründet. Die Antragsgegnerin hätte
weitergehende Nachforschungen anstellen oder ihre Antwort mit einem
ausdrücklichen Vorbehalt versehen müssen.
1. Nach Art. 24 Abs. 1 NV hat die Landesregierung Anfragen von Mitgliedern
des Landtages im Landtag und in seinen Ausschüssen „nach bestem Wissen
unverzüglich und vollständig“ zu beantworten. Die Formulierung „nach bestem
Wissen“ ist an Stelle des Begriffs „wahrheitsgemäß“ verwandt worden.
Hierdurch sollte verdeutlicht werden, dass die Landesregierung ihre Antwort
grundsätzlich nur aufgrund ihres gegenwärtigen Kenntnisstandes geben und
von ihr nicht notwendigerweise eine objektiv wahrheitsgemäße Antwort
verlangt werden kann (vgl. Ipsen, Niedersächsische Verfassung, 2011, Art. 24
Rn. 4; Bogan, in: Epping/Butzer [Hrsg.], Hann. Komm. zur NV, 2012, Art. 24
Rn. 13). Bestem Wissen entspricht eine Antwort, wenn das Wissen, das bei
der Landesregierung präsent ist, offenbart wird, bezieht aber auch
Informationen ein, die innerhalb der Antwortfrist mit zumutbarem Aufwand in
den Geschäftsbereichen der Regierung eingeholt werden können (so für Art.
51 Abs. 1 SächsVerf: SächsVerfGH, Urt. v. 16.04.1998 – Vf. 19-I – 97,
LVerfGE 8, 288).
Vor Antworterteilung ist die Landesregierung bei gegebenem Anlass
verpflichtet, über den Gegenstand der Frage Nachforschungen anzustellen
und den Sachverhalt in zumutbarer Weise aufzuklären. Ohne eine solche
Aufklärung kann sich die Landesregierung nicht auf Nichtwissen berufen (so
für die BayVerf: BayVerfGH, Entsch. v. 26.07.2006 – Vf 11 - IVa - 05 –, NVwZ
2007, 204 [206]). Sie hat sich das Wissen und den Kenntnisstand jedenfalls
der ihrem Verantwortungsbereich direkt unterliegenden (unmittelbaren)
Staatsverwaltung, also der Ministerien und der ihnen nachgeordneten
Behörden, zu verschaffen (vgl. dazu BVerfG, Beschl. v. 01.07.2009 – 2BvE
5/06 –, BVerfGE 124, 161 [196]; HbgVerfG, Urt. v. 21.12.2010 – HVerfG 1/10 –,
NVwZ-RR 2011, 425 [428]; BayVerfGH, Entsch. v. 26.07.2006 – Vf 11 - IVa -
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05 –, NVwZ 2007, 204 [206]; BremStGH, Urt. v. 15.01.2002 – St 1/01 – NVwZ
2003, 81 [84 f.]). Da Art. 24 Abs. 1 NV nur an das Wissen der Landesregierung
im Sinne des Art. 28 Abs. 2 NV anknüpft – also an das Wissen des
Ministerpräsidenten und der Ministerinnen und Minister – lässt sich nur auf
diese Weise sicherstellen, dass der Informationsvorsprung der
Ministerialverwaltung und das Informationsdefizit der Abgeordneten beseitigt
und ihnen die Möglichkeit der effektiven parlamentarischen Kontrolle der
Exekutive eröffnet wird.
Eine zumutbare – und in der Staatspraxis regelmäßig vorgenommene –
Maßnahme der Informationsbeschaffung ist die Abfrage der Ressorts. Die
Landesregierung ist mithin verpflichtet, sich das Wissen der Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter der Staatskanzlei bzw. der Landesministerien zu verschaffen.
Wenn eine Frage hierzu Anlass bietet, kann auch eine Verpflichtung zur
Abfrage nachgeordneter Behörden und der der Aufsicht der Landesregierung
unterliegenden Behörden der mittelbaren Staatsverwaltung bestehen (vgl.
BayVerfGH, NVwZ 2007, 204 [206 f.]). Reicht die Aktenlage nicht aus, muss
sich die Landesregierung zusätzlich um die Beschaffung von Informationen
aus nichtaktenförmigen Quellen bemühen (vgl. dazu HbgVerfG, Urt. v.
21.12.2010 – HVerfG 1/10 –, NVwZ-RR 2011, 425 [427]).
2. Die Auslegung einer parlamentarischen Anfrage hat nach allgemeinen
Auslegungsgrundsätzen zu erfolgen. Insbesondere sind der Wortlaut, der
Zusammenhang sowie Sinn und Zweck der Anfrage zu berücksichtigen.
Abzustellen ist zunächst auf den Wortlaut der Frage (vgl. BVerfG, Beschl. v.
30.03.2004 – 2BvK 1/01 –, BVerfGE 110, 199 [213]; VerfGBbg., Urt. v.
12.06.2008 – 53/06 – Juris Rn. 82). Angesichts der hohen Bedeutung des
parlamentarischen Fragerechts kann von dem Fragesteller eine sorgfältige
Formulierung seiner Fragen erwartet werden. Allerdings ist der
Informationsvorsprung der Regierung und das häufig bestehende
Informationsdefizit des Fragestellers zu berücksichtigen, das nicht selten die
differenzierte Formulierung einer Frage erschwert (vgl. Kirschniok-Schmidt,
Das Informationsrecht des Abgeordneten nach der brandenburgischen
Landesverfassung, 2010, S. 144 f. m.w.N.). Neben dem Wortlaut ist daher
auch auf den tatsächlichen Zusammenhang, in dem die Frage gestellt war (vgl.
BVerfG, Beschl. v. 30.03.2004 – 2BvK 1/01 – BVerfGE 110, 199 [213]), und
auf die Antragsbegründung (Nds. StGH, Beschl. v. 25.11.1997 – 1/97
–, StGHE 3, 322 [327]) abzustellen. Die Bestimmung des Inhalts einer Frage
und eine gegebenenfalls erforderliche Auslegung muss naturgemäß zunächst
durch die Regierung erfolgen, soll sie die Frage beantworten können. Dabei
muss sie den wesentlichen Inhalt der Frage und deren Begründung aufgreifen,
den wirklichen Willen und das daraus erkennbare Informationsbedürfnis des
Fragestellers ermitteln und danach Art und Umfang ihrer Antwort ausrichten.
Die Auslegung ist im Zweifel so vorzunehmen, dass die Frage keinen
verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet (BayVerfGH, Entsch. v.
17.07.2001 – Vf 56 – IVa – 00 –, NVwZ 2002, 715 [717]). Verbleiben nach der
Auslegung der Frage Zweifel an deren Inhalt oder ist die Frage mehrdeutig,
kann die Regierung bei der Antwort darauf hinweisen, dass sie die Frage in
einem bestimmten Sinn versteht oder ihr zur Zeit eine Beantwortung nicht
möglich ist (vgl. ThürVerfGH, Urt. v. 19.12.2008 – 35/07 –, DVBl. 2009, 245
[249]).
Der Staatsgerichtshof ist im verfassungsgerichtlichen Verfahren jedoch nicht
an die Auslegung der zur Auskunft verpflichteten Regierung gebunden. Er hat
den Inhalt der streitgegenständlichen parlamentarischen Anfrage vielmehr
eigenständig zu bestimmen. Dabei kommt es weder auf die subjektive
Erwartung des Fragestellers noch auf das subjektive Verständnis der
Regierung an; maßgeblich ist vielmehr der objektive Inhalt der Frage (vgl.
BVerfG, Beschl. v. 30.03.2004 – 2BvK 1/01 –, BVerfGE 110, 199 [212]).
3. Bei Anwendung dieser Auslegungsgrundsätze ging die Frage der
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Antragstellerin zu 1., ob die Landesregierung noch zu der Antwort auf die
Kleine Anfrage vom 14. April 2010 „stehe“, über die Frage nach einer
verfassungsrechtlichen Bewertung der im April 2010 gegebenen Antwort
hinaus. Die Dringliche Anfrage vom 16. Januar 2012 zielte vielmehr darauf ab,
entweder eine Bestätigung der schriftlichen Antwort vom 14. April 2010 zu
erhalten oder über etwaige neuere Erkenntnisse informiert zu werden.
Nach dem Wortlaut der Dringlichen Anfrage zu 1.:
„Würde die Landesregierung angesichts der schon bekanntgewordenen
Aktivitäten des ehemaligen Ministerpräsidenten und des ehemaligen
Regierungssprechers im Zusammenhang mit der Organisation zumindest des
‚Nord-Süd-Dialogs‘ heute immer noch zu der am 14. April 2010 – vor allem auf
die Fragen 5 und 7 - gegebenen Antwort stehen?“
könnte die Frage dahingehend ausgelegt werden, dass lediglich nach einer
„Beteiligung oder Finanzierung durch das Land Niedersachsen“ gefragt war.
Mit dieser Auslegung würde allerdings vernachlässigt, dass die Kleine Anfrage
des Abgeordneten B. vom 11. März 2010 unter Ziff. 2 lautete:
„Wer ist der Organisator und Träger dieser Veranstaltung – die Regierungen
bzw. die Staatskanzleien der beiden beteiligten Länder oder eine Privatperson
bzw. eine Privatfirma?“
Auch diese Ziffer der Kleinen Anfrage ist durch die Dringliche Anfrage vom 16.
Januar in Bezug genommen worden, weil sie sich zwar „vor allem“ auf die
Fragen 5 und 7 richtete, sich aber nicht auf diese beschränkte. Bei vernünftiger
Auslegung war die Dringliche Anfrage auch darauf gerichtet, ob die
Landesregierung zwischenzeitlich Erkenntnisse gewonnen hatte, die auf eine
organisatorische Beteiligung der Regierung bzw. der Staatskanzlei des
Landes Niedersachsen hindeutete.
a) Da zum Zeitpunkt der Antwort der Landesregierung vom 19. Januar 2012
bereits bekannt geworden war, dass der ehemalige Regierungssprecher und
Staatssekretär G. eine zentrale Rolle bei der Vorbereitung des „Nord-Süd-
Dialog“ gespielt hatte – wobei die Aktivitäten hier im Einzelnen nicht
wiederzugeben sind –, konnte die Landesregierung eine organisatorische
Beteiligung der Staatskanzlei nicht – wie in ihrer Antwort vom 14. April 2010
geschehen – sinngemäß verneinen, ohne weitere Nachforschungen über den
genauen Umfang dieser Aktivitäten anzustellen. Der Umstand, dass der
ehemalige Regierungssprecher und Staatssekretär G.nicht erreichbar war und
deshalb die Erlangung der notwendigen Informationen entweder erschwert
oder tatsächlich unmöglich war, hätte die Landesregierung erst recht
veranlassen müssen, weitere Nachforschungen anzustellen, und entband sie
nicht ihrer Verpflichtung nach Art. 24 Abs. 1 NV, „nach bestem Wissen …
vollständig“ zu antworten. Entweder hätte sie sich für die weiteren
Nachforschungen eine zusätzliche Frist ausbedingen oder ihre Antwort unter
den ausdrücklichen Vorbehalt stellen müssen, dass nach dem gegenwärtigen
Stand ihrer Erkenntnisse an der in der Antwort vom 14. April 2010 gegebenen
Bewertung festgehalten werde, die zwischenzeitlich eingetretenen Umstände
aber weiterer Überprüfung bedürften. Die Ausführungen des Finanzministers
Möllring bei Beantwortung der Zusatzfragen am 19. Januar 2012 über die
Aufklärungsbemühungen der Landesregierung (PlenProt 16/126, S. 241)
können nicht als Vorbehalt in dem genannten Sinne angesehen werden.
b) Auch hinsichtlich der in der Dringlichen Anfrage vom 16. Januar 2012 in
Bezug genommenen Fragen der Ziffern 5 und 7 hätte die Landesregierung
nicht ohne weitere Nachprüfung an ihrer am 14. April 2010 gegebenen Antwort
festhalten dürfen.
Die Antragsgegnerin kann sich nicht darauf zurückziehen, sie habe die Frage
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nach der „Beteiligung“ nur im gesellschaftsrechtlichen Sinne verstanden bzw.
verstehen dürfen. Gegen eine solche Auslegung spricht bereits der Wortlaut
der Anfrage, der den Begriff der „Beteiligung“ gerade nicht isoliert, sondern im
Zusammenhang mit der Finanzierung verwendet und diese Begriffe wiederum
von der Frage nach der „Konstruktion“ der Veranstaltung getrennt hat.
Ersichtlich war hier nicht die Beteiligung des Landes Niedersachsen im
gesellschaftsrechtlichen Sinne, sondern auch in Form einer möglichen
Kostenbeteiligung gemeint. Für die Landesregierung erkennbar war Inhalt der
Dringlichen Anfrage, Aufklärung über die für Außenstehende nicht ohne
weiteres erkennbaren Gesamtumstände des „Nord-Süd-Dialog“ und damit
auch über die Frage zu erlangen, ob eine „bloße“ finanzielle Beteiligung ohne
gesellschaftsrechtliche Beteiligung des Landes an der Veranstaltung
vorgelegen habe. Ersichtlich ist die Ziffer 5 der Kleinen Anfrage vom 11. März
2010 von der Landesregierung auch in dieser Weise verstanden worden, denn
sie hat in ihrer Antwort vom 14. April 2010 bewusst zwischen der „Beteiligung“
und der „Finanzierung“ differenziert.
Wie sich nachträglich herausgestellt hat, war die auf die Dringliche Anfrage
vom 19. Januar 2012 gegebene Antwort objektiv unvollständig, weil Angaben
zu der Beteiligung des Landes an der Finanzierung des „Nord-Süd-Dialog“
fehlten. Zur Finanzierung einer derartigen Großveranstaltung gehören
regelmäßig die Aufwendungen für Raummiete, Service und Bewirtung.
Gemessen an den üblichen Kosten einer Veranstaltung ist die unentgeltliche
Bereitstellung von 44 Servicekräften durch die Medizinische Hochschule
Hannover als Beteiligung an der Finanzierung der Veranstaltung anzusehen.
Dass die MHH – wie aus dem vom Staatsgerichtshof beigezogenen Bericht
des Landesrechnungshofs hervorgeht – am 20. Januar 2012 nachträglich eine
Rechnung erstellt hat, vermag an der finanziellen Beteiligung nichts zu ändern.
Ursprünglich sollte – wie der Landesrechnungshof festgestellt hat – die
Bereitstellung der 44 Servicekräfte unentgeltlich erfolgen und damit der Bitte
des ehemaligen Regierungssprechers und Staatssekretärs G. entsprochen
werden.
Die Hochschulen in Niedersachsen sind Körperschaften des öffentlichen
Rechts mit dem Recht der Selbstverwaltung (§ 15 Satz 1 NHG); gleichzeitig
sind sie Einrichtungen des Landes, die in dieser Funktion staatliche
Angelegenheiten erfüllen (§ 47 Satz 1 NHG). Zu den staatlichen
Angelegenheiten gehören die Personalverwaltung, die Bewirtschaftung der
den Hochschulen zugewiesenen Landesmittel, landeseigenen Liegenschaften
und Vermögensgegenstände (§ 47 Satz 2 Nr. 1 NHG) sowie die Erhebung von
Beiträgen, Gebühren und Entgelten (§ 47 Satz 2 Nr. 2 NHG). Der Umstand,
dass die Hochschulen gleichzeitig als Landesbetriebe geführt werden (§ 49
NHG), ist von haushaltsrechtlicher Bedeutung, ändert aber an ihrer
Rechtsstellung nichts. Die niedersächsischen Hochschulen gehören deshalb
aufgrund ihrer Rechtsstellung zum „Land Niedersachsen“. Mit der
unentgeltlichen Bereitstellung von Servicekräften durch die Medizinische
Hochschule Hannover hat sich folglich das Land Niedersachsen an der
Finanzierung beteiligt.
c) Ob auch die Zahlung des Betrags von 3.411,00 € für die Kochbücher durch
das Landwirtschaftsministerium als Beteiligung an der Finanzierung der
Veranstaltung anzusehen ist, kann der Staatsgerichtshof dahingestellt lassen.
Die als sog. „Give-away“ verschenkten Kochbücher tragen neben dem Logo
des Landes die Logos von Firmen, die sich ebenfalls an der Finanzierung der
Kochbücher beteiligt haben. Die Kochbücher können deshalb auch als
Werbemaßnahmen der sie finanzierenden Firmen bzw. des
Niedersächsischen Landwirtschaftsministeriums begriffen werden. Ob trotz
dieser Banderole die fraglichen Kochbücher als Geschenk des Veranstalters
erscheinen mussten und das Land Niedersachsen sich durch seinen
Kostenbeitrag – mittelbar – an der Finanzierung der Veranstaltung beteiligt hat,
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kann schon deshalb offenbleiben, weil die Gestellung der Servicekräfte bereits
als Beteiligung an der Finanzierung zu verstehen ist.
4. Die von der Antragsgegnerin unternommenen Bemühungen zur
Informationsgewinnung genügen insgesamt den verfassungsrechtlichen
Anforderungen nicht.
Die geschilderten Recherchen, namentlich die Abfrage innerhalb der
Staatskanzlei, der Versuch der Kontaktaufnahme mit dem früheren
Regierungssprecher und Staatssekretär G, der Besuch des Finanzministers M.
bei Bundespräsident W., ferner die Telefonate des Finanzministers mit dem
früheren Chef der Staatskanzlei, Staatssekretär Dr. H., die Auswertung der ins
Internet gestellten Antworten des Bundespräsidenten sowie schließlich die in
der Kabinettssitzung vom 18. Januar 2012 erfolgte Umfrage bei den
anwesenden Mitgliedern der Landesregierung stellten sämtlich Bemühungen
um Informationsgewinnung dar. Aus ihrem durchweg negativen Ergebnis
konnte jedoch nicht der Schluss gezogen werden, es hätten zum Zeitpunkt der
Dringlichen Anfrage vom 16. Januar 2012 keine Anhaltspunkte bestanden, die
weitere Bemühungen zur Erlangung neuer Informationen erforderlich gemacht
oder auch nur nahegelegt hätten. Selbst wenn keine konkreten Hinweise für
eine bis dahin nicht bekannte organisatorische oder finanzielle Beteiligung des
Landes am „Nord-Süd-Dialog“ vorgelegen haben sollten, musste sich gerade
angesichts des Umstandes, dass der frühere Regierungssprecher und
Staatssekretär G. unerreichbar war, der Eindruck aufdrängen, dass die
Beteiligung des Landes am „Nord-Süd-Dialog“ nicht abschließend aufgeklärt
war. Zwar hat die Staatskanzlei auf mehreren Wegen – telefonisch, per SMS
und per Post – versucht, von dem früheren Regierungssprecher ergänzende
Auskünfte u.a. über den „Nord-Süd-Dialog“ zu erlangen. Diese Bemühungen
waren jedoch erfolglos, sodass gerade diejenige Person für Auskünfte nicht
zur Verfügung stand, die mit der Veranstaltung „Nord-Süd-Dialog 2009“ befasst
war. Die in der Kabinettssitzung vom 18. Januar 2012 erfolgte Umfrage, ob es
eine Beteiligung am „Nord-Süd-Dialog“ gegeben habe, blieb zwangsläufig
unvollständig, weil der genaue Inhalt der Aktivitäten des früheren
Regierungssprechers auch in diesem Kreis nicht bekannt war. Da in der
Dringlichen Anfrage vom 16. Januar 2012 ausdrücklich auf die „bisher schon
bekannt gewordenen Aktivitäten des …. ehemaligen Regierungssprechers“
Bezug genommen worden war, diese Informationsquelle aber nicht genutzt
werden konnte, waren Umstände eingetreten, die der Landesregierung ein
uneingeschränktes Festhalten an der am 14. April 2010 erteilten Antwort nur
unter Vorbehalt gestattet oder gänzlich verboten hätten.
Da die Landesregierung die Möglichkeit zur weiteren Erforschung des
Sachverhalts – gegebenenfalls unter Verlängerung der Antwortfrist – nicht
genutzt bzw. ihre Antwort nicht unter den Vorbehalt des Ergebnisses weiterer
Recherchen gestellt hat, ist die Antwort im Sinne des Art. 24 Abs. 1 NV nicht
„nach bestem Wissen“ vollständig erfolgt, sodass ein Verstoß gegen diese
Verfassungsvorschrift vorliegt.
III.
Der von der Antragstellerin zu 1. mit Schriftsatz vom 11. Mai 2012 erweiterte
Antrag, eine Verletzung ihres Auskunftsrechts durch die Antwort der
Landesregierung vom 14. April 2010 festzustellen, ist in der mündlichen
Verhandlung vom 17. August 2012 zurückgenommen worden. Insoweit war
das Verfahren einzustellen. Der Antrag des Antragstellers zu 2. vom 5. Juni
2012, die Verletzung seines Auskunftsrechts durch die am 14. April 2010
gegebene Antwort festzustellen, ist ebenfalls in der mündlichen Verhandlung
vom 17. August 2012 zurückgenommen worden. Auch insoweit war das
Verfahren einzustellen.
IV.
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Die Antragstellerin hat sinngemäß die Feststellung beantragt, die
Landesregierung habe in ihrer Antwort vom 19. Januar 2012 auch dadurch
gegen Art. 24 Abs. 1 NV verstoßen, dass sie sich auf die Ziffern 1, 3, und 6 der
Kleinen Anfrage vom 11. März 2010 bezogen habe. Diesbezüglich haben sich
im Verfahren keine Feststellungen ergeben, sodass der Antrag insoweit
zurückzuweisen war.
C.
Das Verfahren ist gem. § 21 Abs. 1 NStGHG kostenfrei. Auslagen werden
gem. § 21 Abs. 2 Satz 2 NStGHG nicht erstattet.