Urteil des StGH Niedersachsen vom 02.05.2011

StGH Niedersachsen: volksbegehren, niedersachsen, bekanntmachung, fristbeginn, vertreter, fristende, ausgabe, fristablauf, genehmigung, datenschutz

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--- kein Dokumenttitel vorhanden ---
Festsetzung der Einreichungsfrist nach §§ 17 Abs. 1, 20 NVAbstG
hinsichtlich des Volksbegehrens "Für gute Schulen in Niedersachsen"
Niedersächsischer Staatsgerichtshof, Beschluss vom 02.05.2011, 1/11, StGH 1/11
Tenor
Die Entscheidungen des Niedersächsischen Landeswahlleiters vom
21.01.2011 (Nds. MBl. 2011, S. 121, Ausgabe Nr. 5/2011) und vom
03.11.2010 (Nds. MBl. 2010, S. 1080) werden hinsichtlich der auf den
02.05.2011 festgesetzten Einreichungsfrist aufgehoben.
Gründe
A.
Die Antragsteller begehrten ursprünglich, unter Änderung der Entscheidung
des Landeswahlleiters vom 24.01.2011 das Fristende für das Einreichen der
Unterschriftenbögen des Volksbegehrens "Für gute Schulen in
Niedersachsen" auf den 28.06.2011 festzusetzen und den Landeswahlleiter
anzuweisen, die Bekanntmachung nach § 20 NVAbstG mit dieser geänderten
Frist vorzunehmen.
Die Antragsteller haben am 28.05.2010 die Feststellung der Zulässigkeit des
Volksbegehrens "Für gute Schulen in Niedersachsen" beantragt. Hierüber hat
die Landesregierung am 21.09.2010 entschieden und die Zulässigkeit des
Volksbegehrens mit Änderungen festgestellt. Gegen diese Entscheidung
haben die Antragsteller am 02.11.2010 Klage bei dem Staatsgerichtshof
erhoben (StGH 2/10). Der Landeswahlleiter hat die Entscheidung der
Landesregierung am 03.11.2010 bekannt gemacht und die Frist zur
Einreichung der Unterschriftenbögen auf den 02.05.2011 festgesetzt (Nds.
MBl. 2010, S. 1080).
Am 30.11.2010 hat die Niedersächsische Landesregierung eine abändernde
Entscheidung hinsichtlich der Zulässigkeit des Volksbegehrens getroffen und
zugleich ihre Entscheidung vom 21.09.2010 aufgehoben. Gegen die
Entscheidung vom 30.11.2010 haben die Antragsteller am 28.12.2010 einen
weiteren Antrag bei dem Staatsgerichtshof eingereicht. Der Staatsgerichtshof
hat mit Verfügung des Präsidenten vom 18.01.2011 diesen Antrag als
zulässige Klageänderung angesehen.
Mit Schriftsatz vom 07.01.2011 haben die Antragsteller beim Landeswahlleiter
die Anträge gestellt, 1.) die Frist zum Einreichen der Unterschriftenbögen nach
§ 17 Abs. 1 NVAbstG auf den 28.06.2011 festzusetzen und 2.) die
Bekanntmachung nach § 20 NVAbstG aufgrund der Entscheidung der
Landesregierung vom 30.11.2010 zu vollziehen.
Den Antrag zu 1.) lehnte der Landeswahlleiter mit Entscheidung vom
24.01.2011 ab. Hinsichtlich des Antrags zu 2.) kündigte er die
Bekanntmachung entsprechend seiner Entscheidung, die Frist nicht zu
verlängern, an. Diese Entscheidung ging den Antragstellern am 26.01.2011
zu. Die Bekanntmachung erfolgte im Nds. MBl. 2011, S. 121, ausgegeben am
02.02.2011 (Ausgabe Nr. 5/2011).
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Mit Schriftsatz vom 23.02.2011 haben die Antragsteller den Staatsgerichtshof
angerufen und verfolgten die eingangs dargestellten Anträge weiter.
Die Antragsteller waren der Ansicht, dass die Frist nunmehr auf den
28.06.2011 festzusetzen sei. Die Frist von sechs Monaten habe erneut zu
laufen begonnen, da die Landesregierung am 30.11.2010 erneut entschieden
und ihren Beschluss vom 21.09.2010 aufgehoben habe. Es sei damit nur ein
Beschluss existent. An diesem müsse sich die Fristberechnung ausrichten.
Gegen den vom Landeswahlleiter auf den Zeitpunkt der Klageerhebung vor
dem Staatsgerichtshof festgesetzten Beginn der Sechsmonatsfrist haben sich
die Antragsteller zunächst nicht gewandt. Mit Schriftsatz vom 26.04.2011
vertreten die Antragsteller demgegenüber die Auffassung, dass die Frist nach
§ 17 Abs. 1 Satz 1 NVAbstG erst mit der Entscheidung des Staatsgerichtshofs
zu laufen beginne und beantragen, den Bescheid des Landeswahlleiters vom
24.01.2011 aufzuheben und festzustellen, dass das Fristende für das
Einreichen der Unterschriftenbögen erst mit Ablauf von sechs Monaten nach
der Entscheidung des Niedersächsischen Staatsgerichtshofs in dem
Verfahren 2/10 eintritt.
Der Landeswahlleiter vertritt - wie bereits in seiner Entscheidung vom
24.01.2011 - die Auffassung, dass die Frist aufgrund einer materiellen
Betrachtungsweise festzusetzen sei. Die ursprüngliche
Zulassungsentscheidung und die nachfolgende Entscheidung seien
zusammen zu betrachten. Durch die Entscheidung der Landesregierung vom
30.11.2010 seien die Antragsteller nicht belastet, da sogar eine sie belastende
Einschränkung weggefallen sei. Daher sei eine Fristverlängerung nicht zu
gewähren. Die Frist beginne auch nicht erst mit einer Entscheidung des
Staatsgerichtshofs zu laufen.
B.
Der Antrag der Vertreterinnen und Vertreter des Volksbegehrens "Für gute
Schulen in Niedersachsen" ist zulässig (Art. 48 Abs. 2 Halbsatz 2, Art. 54 Nr. 2
NV; § 31 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 StGHG) und führt in der Sache zur
Aufhebung der Entscheidungen des Landeswahlleiters hinsichtlich der auf den
02.05.2011 festgesetzten Einreichungsfrist.
1. Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 NVAbstG sind die Unterschriftenbögen frühestens
am Tage nach der Bekanntmachung gemäß § 15 Abs. 4 NVAbstG, spätestens
sechs Monate nach Feststellung der Zulässigkeit des Volksbegehrens (§ 19)
bei der Gemeinde einzureichen, bei der die eingetragenen Personen ihre
Hauptwohnung haben. Der Fristbeginn mit der Entscheidung der
Landesregierung über die Zulässigkeit des Volksbegehrens (§ 19 NVAbstG)
kann nur für den Fall gelten, dass die Landesregierung das Volksbegehren für
uneingeschränkt zulässig erklärt. Hält sie es dagegen für nur eingeschränkt
zulässig und Änderungen für erforderlich (§ 21 Abs. 1 Satz 1 NVAbstG) und
rufen die Antragsteller des Volksbegehrens hiergegen den Staatsgerichtshof
an (§ 19 Abs. 4 NVAbstG), so löst die Entscheidung der Landesregierung die
Frist nach § 17 Abs. 1 Satz 1 NVAbstG nicht aus. Eine andere Auslegung
dieser Vorschrift hätte zur Folge, dass die Antragsteller ein Volksbegehren
verfolgen und für dieses werben müssten, das von ihnen nicht gewollt ist,
sondern von der Landesregierung formuliert worden ist. Es kann hierbei nicht
darauf ankommen, wie umfangreich die von der Landesregierung für
erforderlich gehaltenen Änderungen sind; entscheidend ist allein, dass das
Volksbegehren in der von den Antragstellern vorgelegten Form für unzulässig
erachtet worden ist. Unerheblich ist deshalb auch, ob der Landeswahlleiter die
bislang verwandten Unterschriftenbögen anerkennt, so dass die
eingeschränkte Zulässigkeitsentscheidung der Landesregierung zunächst
ohne nachteilige Folgen bliebe. Nach § 21 Abs. 1 Satz 2 NVAbstG ist eine
solche Anerkennung von Unterschriftenbögen nur für den Fall vorgesehen,
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dass die Unterschriften vor der Entscheidung der Landesregierung über die
Zulässigkeit geleistet worden sind.
Wird gegen die Entscheidung über die Zulässigkeit nach § 19 NVAbstG der
Staatsgerichtshof angerufen, so liegt eine – unanfechtbare – Entscheidung
noch nicht vor. Die Zulässigkeit ist gerade nicht festgestellt. Solches erfolgt erst
mit der Entscheidung des Staatsgerichtshofs. Würde gleichwohl die Frist nach
§ 17 Abs. 1 Satz 1 NVAbstG mit der Feststellung der Landesregierung
einsetzen, so bliebe die Entscheidung des Staatsgerichtshofs für das laufende
Volksbegehren ohne Wirkung, weil die Sechsmonatsfrist regelmäßig
abgelaufen wäre, bevor der Staatsgerichtshof über die von der
Landesregierung für erforderlich gehaltenen Einschränkungen oder
Änderungen zu entscheiden vermag. Sollte der Staatsgerichtshof im konkreten
Fall zu dem Ergebnis kommen, dass die Landesregierung zu Unrecht
Änderungen für erforderlich gehalten hat, so bliebe ein solches Urteil folglich
ohne Auswirkungen auf das streitgegenständliche Volksbegehren, weil die
Sechsmonatsfrist angesichts der üblichen Verfahrensdauer in jedem Fall
abgelaufen wäre. Für die Antragsteller des Volksbegehrens bliebe in diesem
Fall nur die Möglichkeit, erneut ein Volksbegehren einzuleiten.
Durch die Auslegung des § 17 Abs. 1 Satz 1 NVAbstG im Sinne einer
Unanfechtbarkeit der Feststellung der Landesregierung treten keine
Rechtsfolgen ein, die mit dem Institut des Volksbegehrens als solchem
unvereinbar wären. Volksbegehren können nach Art. 48 Abs. 1 Satz 1 NV nur
darauf gerichtet werden, ein Landesgesetz zu erlassen, zu ändern oder
aufzuheben. Sie sind deshalb grundsätzlich anderen Gesetzesinitiativen – der
Landesregierung oder aus der Mitte des Landtages – gleichzuachten. Hält die
Landesregierung im Rahmen ihrer Prüfungskompetenz nach § 19 NVAbstG
Änderungen für erforderlich und rufen die Antragsteller hiergegen den
Staatsgerichtshof an (§ 19 Abs. 4 NVAbstG), so liegt erst mit seiner
Entscheidung eine unanfechtbare Entscheidung vor. Eine
Ungleichbehandlung gegenüber für zulässig erklärten Volksbegehren ist
schon deshalb zu verneinen, weil es sich um keine vergleichbaren
Sachverhalte handelt. Erklärt nämlich die Landesregierung ein Volksbegehren
für uneingeschränkt zulässig, so steht dem Fristbeginn nach § 17 Abs. 1 Satz
1 NVAbstG schon deshalb nichts im Wege, weil die Antragsteller von einer
uneingeschränkten Zulässigkeit ausgehen und mit ihr werben können. Sofern
die Landesregierung dagegen die Zulässigkeit nicht einschränkungslos
feststellt und die Antragsteller hiergegen den Staatsgerichtshof anrufen, so
gehen sie das Risiko ein, dass der Staatsgerichtshof die Auffassung der
Landesregierung teilt und die nach der Entscheidung der Landesregierung
gesammelten Unterschriften nicht angerechnet werden. Insofern besteht bis
zur Entscheidung des Staatsgerichtshofs eine Phase der Unsicherheit. Schon
aus diesem Grund fehlt es an der Vergleichbarkeit von durch die
Landesregierung für zulässig oder für änderungsbedürftig erklärten
Volksbegehren.
Das Niedersächsische Volksabstimmungsgesetz geht auch an anderer Stelle
davon aus, dass die Unanfechtbarkeit der Feststellungsentscheidung für den
Fristablauf maßgeblich ist. Nach § 21 Abs. 1 Satz 1 NVAbstG können die
Vertreterinnen und Vertreter des Volksbegehrens binnen zwei Wochen nach
Unanfechtbarkeit der Entscheidung das Volksbegehren ändern, sofern
festgestellt worden ist, dass es nur mit Änderungen zulässig ist. Das
Volksabstimmungsgesetz liefert insofern keinen Anhaltspunkt dafür, dass die
Sechsmonatsfrist nach § 17 Abs. 1 Satz 1 NVAbstG bereits mit Klageerhebung
einsetzen könnte. Auch aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen ist ein solcher
Fristbeginn nicht abzuleiten.
2. Der Beschluss konnte sich darauf beschränken, die Entscheidungen des
Landeswahlleiters vom 21.01.2011 und 03.11.2010 hinsichtlich der auf den
02.05.2011 festgesetzten Einreichungsfrist aufzuheben. Einer besonderen
Feststellung, dass die Sechsmonatsfrist nach § 17 Abs. 1 NVAbstG erst mit
der Entscheidung des Staatsgerichtshofs in der Sache StGH 2/10 beginnt,
bedarf es angesichts der Begründung des Beschlusses nicht.