Urteil des StGH Hessen vom 11.06.2008
StGH Hessen: soziales grundrecht, wirtschaftliche leistungsfähigkeit, eltern, hochschule, unechte rückwirkung, hessen, unentgeltlichkeit, beitragspflicht, schulgeld, studiendarlehen
Gericht:
Staatsgerichtshof
des Landes
Hessen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
P.St. 2133, P.St.
2158
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
Art 1 Verf HE, Art 59 Verf HE,
Art 67 Verf HE, § 19 StGHG,
Art 13 UN-Sozialpakt
Leitsatz
1. Die Aufzählung der Antragsberechtigten vor dem Staatsgerichtshof in Art. 131 Abs. 2
HV ist nicht abschließend. Der Gesetzgeber war daher befugt, den Fraktionen des
Hessischen Landtags in § 19 Abs. 2 Nr. 4 StGHG ein eigenes Antragsrecht zu verleihen.
2. Art. 59 Abs. 1 HV enthält keine Garantie der Unentgeltlichkeit des
Hochschulstudiums und damit auch kein Verbot allgemeiner Studienbeiträge.
3. Art. 59 Abs. 1 Satz 1 HV ist als soziales Grundrecht der Ausgestaltung und
Konkretisierung durch den Gesetzgeber zugänglich. Von der
Ausgestaltungsermächtigung des Art. 59 Abs. 1 Satz 1 HV ist Art. 59 Abs. 1 Satz 4 HV
zu unterscheiden. Zwischen Art. 59 Abs. 1 Satz 1 HV und Art. 59 Abs. 1 Satz 4 HV
besteht kein Regel-Ausnahme-Verhältnis. Art. 59 Abs. 1 Satz 4 HV enthält einen
qualifizierten Gesetzesvorbehalt, der die Entscheidung über die Erhebung eines
Unterrichtsentgelts dem Gesetzgeber überantwortet. Im Geltungsumfang einer solchen
gesetzlichen Anordnung ist die verfassungsunmittelbar geltende Unterrichtsgeldfreiheit
des Art. 59 Abs. 1 Satz 1 HV eingeschränkt.
4. Indem Art. 59 Abs. 1 Satz 4 HV die Anordnung eines Schulgeldes erlaubt, wenn die
wirtschaftliche Lage des Schülers, seiner Eltern oder der sonst Unterhaltspflichtigen es
gestattet, wird auf die Fähigkeit zur Zahlung des Schulgeldes zur Zeit der Ausbildung
abgestellt. Diese Feststellung ist der Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers mit
der Maßgabe überantwortet, dass die finanzielle Situation eines Studienbewerbers oder
Studierenden kein Hindernis für die Aufnahme eines Studiums darstellen darf.
5. Der Gesetzgeber darf allgemeine Studienbeiträge ohne individuelle Prüfung der
wirtschaftlichen Lage einführen, wenn er die damit verbundenen Belastungen, die von
der Aufnahme oder Fortführung eines Studiums abhalten könnten, durch die
Gewährung eines Darlehens auffängt und wenn die Darlehensbedingungen so gestaltet
sind, dass die Inanspruchnahme des Darlehens für einen Studierenden, der aufgrund
seiner wirtschaftlichen Lage die Studienbeiträge während des Studiums nicht zahlen
kann, zumutbar ist. Die Zumutbarkeit ist objektiv am Maßstab eines vernünftigen und
wirtschaftlich rational handelnden Studierenden zu bestimmen.
6. Die Verzinsungspflicht des Darlehens nach § 7 Abs. 1 Satz 2, 4 HStubeiG verstößt
nicht gegen Art. 59 Abs. 1 Satz 4 HV, da Studierenden, deren BAföG-Berechtigung
festgestellt worden ist, das Studiendarlehen zinslos gewährt und die für die Erhebung
eines Studienbeitrags erforderliche „wirtschaftliche Lage“ im Sinne des Art. 59 Abs. 1
Satz 4 HV bereits durch die Gewährung des bonitätsunabhängigen Darlehens
sichergestellt wird.
7. Es ist mit der Hessischen Verfassung vereinbar, dass § 7 Abs. 1 Satz 6 HStubeiG die
Zinsfreistellung von der Feststellung der BAföG-Berechtigung abhängig macht.
8. § 7 Abs. 1 Satz 6 HStubeiG und § 8 Abs. 2 HStubeiG enthalten dynamische
Verweisungen von Landes- auf Bundesrecht. Sie halten sich in dem hierfür geltenden
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Verweisungen von Landes- auf Bundesrecht. Sie halten sich in dem hierfür geltenden
verfassungsrechtlichen Rahmen, da das Hessische Studienbeitragsgesetz und das
BAföG wesensgleiche Rechtsmaterien betreffen und von vergleichbaren Prinzipien
getragen werden.
9. Die nach § 3 Abs. 3 HStubeiG mögliche Erhöhung des Studienbeitrags auf bis zu
1.500 Euro im Falle eines Zweitstudiums ist sachlich gerechtfertigt und durfte den
Hochschulen als autonomen Satzungsgebern übertragen werden.
10. Die nur fakultative Beitragsermäßigung für ein Teilzeitstudium ist mit Art. 1 HV
vereinbar. Die Hochschulen haben ihr Satzungsermessen am Pflichtlehrangebot
auszurichten und einer regelmäßig nur eingeschränkten Inanspruchnahme des
Lehrangebots in Ausübung ihres Satzungsermessens Rechnung zu tragen. Dies gilt im
Wege verfassungskonformer Auslegung auch für den Fall eines Teilzeitstudiums, das als
Zweitstudium absolviert wird.
11. Zweitstudiengänge und Zeiten der Überschreitung der Regelstudienzeit sind nicht
vom Schutzbereich des Art. 59 Abs. 1 Satz 1 HV erfasst (vgl. StGH, Urteil vom
01.12.1976 – P.St. 812 –, StAnz. 1977, S. 110 [115]). Daher war der Gesetzgeber nicht
verpflichtet, für entsprechende Beitragspflichtige den Zugang zum Studiendarlehen
nach § 7 HStubeiG zu eröffnen.
12. Die Zweckbindung der Beiträge in § 1 Abs. 2, 3 und 4 HStubeiG ist mit der
Hessischen Verfassung vereinbar.
13. Das Hessische Studienbeitragsgesetz entfaltet unechte Rückwirkung, die jedoch
den an sie zu stellenden verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt. Die Belange
der Studierenden, die vor dem Inkrafttreten des HStubeiG ihr Studium in Hessen
begonnen haben, überwiegen nicht das staatliche Interesse an einer allgemeinen
Erhebung der Beiträge.
14. Es ist nicht sachwidrig und daher mit Art. 1 HV vereinbar, die Höhe einer
Beitragsbefreiung im Falle von Kinderbetreuung nur von der Person des Kindes
abhängig zu machen.
15. Die Regelung über die kinderbezogene Beitragsermäßigung bei zwei gleichzeitig
studierenden Elternteilen stellt keine mittelbare Diskriminierung von Frauen dar.
16. Der UN-Sozialpakt als Bundesrecht ist nicht Prüfungsmaßstab im Verfahren der
abstrakten Normenkontrolle vor dem Staatsgerichtshof.
Tenor
Das Gesetz zur Einführung von Studienbeiträgen an den Hochschulen des Landes
und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 16. Oktober 2006 (GVBl. I S. 512) ist
mit der Verfassung des Landes Hessen vereinbar.
Gerichtskosten werden nicht erhoben, außergerichtliche Kosten nicht erstattet.
Tatbestand
A
I.
Das Gesetz zur Einführung von Studienbeiträgen an den Hochschulen des Landes
und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 16. Oktober 2006 (GVBl. I S. 512), das
dem Staatsgerichtshof zur Prüfung seiner Vereinbarkeit mit der Verfassung des
Landes Hessen - kurz: Hessische Verfassung (HV) - vorgelegt worden ist, enthält
in seinem Art. 1 das Hessische Studienbeitragsgesetz (HStubeiG). Das
Studienbeitragsgesetz regelt die Erhebung und Verwendung von Studienbeiträgen
durch die Hochschulen des Landes Hessen.
Anwendungsbereich und Zweck des Gesetzes werden wie folgt bestimmt:
§ 1 - Anwendungsbereich, Zweckbestimmung
(1) Die Hochschulen des Landes erheben Studienbeiträge nach diesem Gesetz. §
20 Abs. 4, § 21 Abs. 3 und § 64a des Hessischen Hochschulgesetzes in der
Fassung vom 31. Juli 2000 (GVBl. I S. 374), zuletzt geändert durch Gesetz vom 15.
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Fassung vom 31. Juli 2000 (GVBl. I S. 374), zuletzt geändert durch Gesetz vom 15.
Dezember 2005 (GVBl. I S. 843), bleiben unberührt.
(2) Die Einnahmen aus den Studienbeiträgen mit Ausnahme der
Langzeitstudienbeiträge nach § 4 stehen der Hochschule zu, die sie erhoben hat.
Die Höhe und Verwendung der Einnahmen unterliegen der Berichtspflicht nach §
92 des Hessischen Hochschulgesetzes. Die aus den Studienbeiträgen finanzierten
Maßnahmen bleiben bei der Ermittlung der Aufnahmekapazität außer Betracht.
(3) Die Hochschule ist verpflichtet, die Einnahmen zweckgebunden zur
Verbesserung der Qualität von Studium und Lehre einzusetzen. Sie ist
insbesondere verpflichtet, die Voraussetzungen für die Studierenden zu schaffen,
in angemessener Zeit zum Studienerfolg zu kommen, indem sie sicherstellt, dass
das in den Prüfungs- und Studienordnungen vorgesehene Lehrangebot tatsächlich
in ausreichendem Maße ohne zeitliche Verzögerung wahrgenommen werden kann.
Sie intensiviert die Beratung und Betreuung der Studierenden. Die Hochschule legt
für die einzelnen Fächergruppen Qualitätsstandards fest. Eine von der Hochschule
zu vertretende Verzögerung des Studienabschlusses führt zu einer
Beitragsbefreiung in gleichem zeitlichem Umfang. Die Studentenschaft und die
Fachschaften sind vor der Entscheidung über die Verwendung der Einnahmen
unter Darlegung der beabsichtigten Wirkung anzuhören.
(4) Die Einnahmen aus den Langzeitstudienbeiträgen nach § 4 fließen dem
Landeshaushalt zu. Die Hochschulen erhalten im Hinblick auf die durch die
Ausführung dieses Gesetzes entstehenden Kosten einen Anteil von zehn vom
Hundert der vereinnahmten Langzeitstudienbeiträge.
§ 2 Abs. 1 Satz 1 HStubeiG bestimmt:
Die Studienbeiträge werden für das Lehrangebot in allen Studiengängen nach § 20
des Hessischen Hochschulgesetzes erhoben.
Weiterhin bestehen nach § 2 HStubeiG einige Ausnahmen von der Beitragspflicht,
insbesondere für Zeiten der Beurlaubung, der Absolvierung überwiegend oder
ausschließlich berufs- oder ausbildungsbezogener Tätigkeiten oder einer
Studienzeit im Ausland.
Die Höhe der Beiträge für ein Erst- und Zweitstudium sowie Zeiten eines nach der
Definition des Gesetzgebers absolvierten Langzeitstudiums werden wie folgt
festgesetzt und sind gemäß § 5 HStubeiG grundsätzlich mit Erlass des
Beitragsbescheides fällig:
§ 3 - Grundstudienbeitrag, Zweitstudienbeitrag
(1) Für den Erwerb eines ersten berufsqualifizierenden Studienabschlusses sowie
eines weiteren berufsqualifizierenden Abschlusses im Rahmen von konsekutiven
Studiengängen beträgt der Studienbeitrag während der Regelstudienzeit zuzüglich
vier weiterer Semester 500 Euro für jedes Semester (Grundstudienbeitrag).
Studienzeiten an deutschen Hochschulen und Berufsakademien, deren
Abschlüsse den Abschlüssen von Hochschulen gleichgestellt sind, sind
anzurechnen. Studienzeiten, in denen der Studierende beurlaubt oder nach § 6
Abs. 1 und 5 von der Beitragspflicht befreit ist, werden nicht angerechnet.
(2) Bei Teilzeitstudiengängen kann die Studienordnung eine Ermäßigung des
Studienbeitrags nach Abs. 1 im Verhältnis zum Pflichtlehrangebot in einem
entsprechenden Vollzeitstudiengang vorsehen.
(3) Für einen weiteren Studiengang nach Erwerb eines ersten
berufsqualifizierenden Abschlusses außerhalb konsekutiver Masterstudiengänge
wird während seiner Regelstudienzeit ein Zweitstudienbeitrag erhoben. Der
Zweitstudienbeitrag beträgt 500 Euro für jedes Semester. Die Hochschulen
können im Wege der Satzung höhere Beiträge bis zu 1500 Euro für jedes
Semester festlegen.
§ 4 – Langzeitstudienbeitrag
(1) Wird das Studium über die in § 3 Abs. 1 und Abs. 3 genannten Studienzeiten
hinaus fortgesetzt, erheben die Hochschulen Langzeitstudienbeiträge. Die Höhe
des Langzeitstudienbeitrags entspricht für das erste folgende Semester der Höhe
des Grund- oder Zweitstudienbeitrags. Für das zweite und dritte folgende
Semester erhöht sich der Beitrag um jeweils weitere 200 Euro. Eine weitere
Erhöhung findet nicht statt. Von der Erhebung ausgenommen sind Studierende,
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Erhöhung findet nicht statt. Von der Erhebung ausgenommen sind Studierende,
die Leistungen nach dem Bundesausbildungsausförderungsgesetz (BAföG) in der
Fassung vom 6. Juni 1983 (BGBl. I S. 646, 1680), zuletzt geändert durch Gesetz
vom 22. September 2005 (BGBl. I S. 2809), erhalten. Sie entrichten weiterhin den
Grund- oder Zweitstudienbeitrag.
(2) Bei einem Doppelstudium ist der Langzeitstudienbeitrag zu entrichten, wenn in
einem der beiden Studiengänge der in § 3 Abs. 1 festgelegte Zeitraum des
Studiengangs, für den der Beitrag nach § 2 Abs. 1 Satz 2 erhoben wird,
überschritten ist. Ist für die Ausübung des angestrebten Berufs der Abschluss
zweier Studiengänge erforderlich, verlängert sich im Falle des Doppelstudiums der
in § 3 Abs. 1 festgelegte Zeitraum um die Regelstudienzeit des anderen
Studienganges.
(3) Bei Aufnahme eines Zweitstudiums verschiebt sich der Beginn der
Beitragspflicht nach Abs. 1 um nicht in Anspruch genommene Studienzeiten nach
§ 3 Abs. 1 Satz 1, sofern der Abschluss beider Studiengänge für die Ausübung des
angestrebten Berufes rechtlich erforderlich ist. Gleiches gilt bei Aufnahme eines
Studiums mit dem Ziel, eine weitere Qualifikation durch eine Erweiterungs- oder
Zusatzprüfung nach dem Hessischen Lehrerbildungsgesetz vom 29. November
2004 (GVBl. I S. 330) in den Fächern zu erwerben, für die ein Bedarf durch die für
Lehrerausbildung zuständige Stelle festgestellt worden ist.
Eine Befreiung von der Beitragspflicht und deren Ermäßigung im Einzelfall kann nur
unter den in § 6 HStubeiG normierten Voraussetzungen erfolgen:
§ 6 - Beitragsbefreiung und Beitragsermäßigung
(1) Studierende, die Elternteil eines eigenen Kindes oder eines Kindes im Sinne
von § 25 Abs. 5 Nr. 1 und 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes sind, das
zu Beginn des jeweiligen Semesters das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hat,
werden für den Grundstudienbeitrag nach § 3 und den Langzeitstudienbeitrag im
Anschluss an ein Studium nach § 3 Abs. 1 von der Beitragspflicht nach § 2 Abs. 1
befreit. Der Anspruch auf Befreiung besteht für jedes Kind für höchstens sechs
Semester. Sind beide Elternteile an einer Hochschule des Landes immatrikuliert,
können die Freisemester frei verteilt werden. Bei Antragstellung ist zu versichern,
dass die Anzahl der Freisemester noch nicht ausgeschöpft ist. Sofern der andere
Elternteil sorgeberechtigt ist, ist in der Regel dessen Einverständnis zu versichern.
Bei unberechtigter Inanspruchnahme von Freisemestern kann der Studienbeitrag
nachgefordert werden.
(2) Ausländische Studierende, die im Rahmen von zwischenstaatlichen und
übernationalen Vereinbarungen oder Hochschulpartnerschaften, die gegenseitige
Abgabenfreiheit garantieren, immatrikuliert sind, sind von der Beitragspflicht nach
§ 2 Abs. 1 befreit. Andere ausländische Studierende, die keinen Anspruch auf
Gewährung eines Darlehens nach § 7 Abs. 1 oder § 12 haben, können durch die
Hochschule von der Beitragspflicht befreit werden, wenn ein besonderes
entwicklungspolitisches oder ein besonderes Interesse der Hochschule an der
Zusammenarbeit mit dem Herkunftsland besteht.
(3) Die Hochschulen befreien in der Regel zehn vom Hundert der Studierenden von
der Beitragspflicht, wenn weit überdurchschnittliche schulische Leistungen
nachgewiesen oder weit überdurchschnittliche Leistungen im Studium erbracht
werden.
(4) Die Voraussetzungen und das Verfahren für eine Befreiung nach Abs. 2 Satz 2
und Abs. 3 sowie nach § 1 Abs. 3 Satz 5 regeln die Hochschulen durch Satzung.
(5) Die Hochschulen befreien darüber hinaus Studierende von der Beitragspflicht
oder ermäßigen die Höhe des Studienbeitrages, wenn die Erhebung des Beitrages
aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls eine unbillige Härte darstellen
würde. Eine unbillige Härte liegt in der Regel vor bei
1. die Studienzeit verlängernden Auswirkungen einer Behinderung nach § 2 des
Neunten Buches Sozialgesetzbuch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter
Menschen - vom 19. Juni 2001 (BGBl. I S. 1046), zuletzt geändert durch Gesetz
vom 24. April 2006 (BGBl. I S. 926), oder einer schweren Krankheit, 2. 3.
nachweislicher Pflege eines nach einem Gutachten des Medizinischen Dienstes der
Krankenversicherung pflegebedürftigen nahen Angehörigen mit Zuordnung zu
einer Pflegestufe nach § 15 Abs. 1 des Elften Buches Sozialgesetzbuch - Soziale
Pflegeversicherung - vom 26. Mai 1994 (BGBl. I S. 1014), zuletzt geändert durch
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Pflegeversicherung - vom 26. Mai 1994 (BGBl. I S. 1014), zuletzt geändert durch
Gesetz vom 29. Juni 2006 (BGBl. I S. 1402). 4. (6) Über die Befreiung von der
Beitragspflicht und die Ermäßigung entscheiden die Hochschulen auf Antrag. Der
Antrag ist in der Regel vor Beginn der Vorlesungszeit zu stellen.
Zur Finanzierung der Studienbeiträge haben Studienbewerber und Studierende,
die bei Beginn des Erststudiums das 45. Lebensjahr noch nicht vollendet haben,
Anspruch auf Gewährung eines privatrechtlichen Darlehens nach Maßgabe des § 7
HStubeiG:
§ 7 - Anspruch auf Darlehensgewährung
(1) Studienbewerber und Studierende haben nach Maßgabe der folgenden
Absätze einen Anspruch gegen die Landestreuhandstelle auf Gewährung eines
privatrechtlichen Studiendarlehens zur Finanzierung des Studienbeitrages nach § 2
Abs. 1, soweit nicht vorbehaltlich des Abs. 4 Zweistudienbeiträge nach § 3 Abs. 3
und Langzeitstudienbeiträge nach § 4 zu entrichten sind. Die Landestreuhandstelle
ist verpflichtet, den Studienbewerbern und Studierenden ein verzinsliches
Darlehen ohne Bonitätsprüfung und Sicherheiten nach Satz 1 zu gewähren, wenn
die Hochschule die Darlehensberechtigung festgestellt hat. Die Auszahlung des
Darlehens erfolgt unmittelbar an die immatrikulierende Hochschule. Der Zinssatz
darf nur aus den Kosten der Geldbeschaffung und den Verwaltungskosten
berechnet werden und 7,5 vom Hundert im Jahr nicht übersteigen. Soweit die
Berechnung des Zinssatzes zu einem diese Festlegung übersteigenden
Vomhundertsatz führt, übernimmt der Studienfonds nach § 9 hierfür die
Zahlungsverpflichtung. Für Studierende, deren Berechtigung, Leistungen nach
dem Bundesausbildungsförderungsgesetz zu erhalten, während des Studiums
festgestellt worden ist, übernimmt der Studienfonds die Zinsen für die Beiträge,
die für die förderfähigen Semester entrichtet wurden.
(2) Einen Anspruch nach Abs. 1 haben
1. Deutsche im Sinne von Art. 116 des Grundgesetzes,
2. 3. Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union
oder eines anderen Vertragstaates des Abkommens über den Europäischen
Wirtschaftsraum,
4. …
(3) …
(4) Ein Anspruch auf Gewährung des Studiendarlehens nach Abs. 1 besteht nur für
ein Studium an einer Hochschule des Landes innerhalb des in § 3 Abs. 1 und § 4
Abs. 2 und 3 festgelegten Zeitraums. Für darüber hinausgehende Studienzeiten
besteht ein Darlehensanspruch nur, wenn der Studierende Leistungen nach dem
Bundesausbildungsförderungsgesetz erhält.
Die Voraussetzungen und Modalitäten der Darlehenstilgung einschließlich etwaiger
Zinszahlungen regelt § 8 HStubeiG:
§ 8 - Rückzahlung des Studiendarlehens
(1) Die Rückzahlung des Studiendarlehens einschließlich der Zinsen beginnt zwei
Jahre nach erfolgreichem Abschluss des Studiums, spätestens elf Jahre nach der
Aufnahme des Studiums in regelmäßigen monatlichen Raten von wahlweise 50,
100 oder 150 Euro. Nach Aufforderung durch die Landestreuhandstelle sind fällige
Raten für jeweils drei aufeinander folgende Monate in einer Summe zu entrichten.
Das Darlehen kann jederzeit mit einer Frist von drei Monaten gekündigt und ohne
Vorfälligkeitsentschädigung zurückgezahlt werden. Sonderrückzahlungen sind in
einer Mindestsumme von 100 Euro zu halbjährlichen Stichtagen möglich. Der
Rückzahlungsanspruch erlischt 25 Jahre nach Beginn der Rückzahlungspflicht oder
im Falle des Todes des Darlehensnehmers.
(2) Dem Darlehensnehmer ist auf Antrag Stundung des Rückzahlungsanspruchs
einschließlich der Zinsen zu gewähren, solange sein monatliches Einkommen
einen Betrag nach § 18a Abs. 1 Satz 1 bis 3 des
Bundesausbildungsförderungsgesetzes zuzüglich 300 Euro nicht übersteigt.
(3) Überschreiten das Studiendarlehen einschließlich der Zinsen und eine
Darlehensschuld nach § 17 Abs. 2 Satz 1 des
Bundesausbildungsförderungsgesetzes zusammen die Höchstgrenze von 15000
Euro, ist der Darlehensnehmer auf Antrag von der Rückzahlungspflicht des die
Höchstgrenze überschreitenden Anteils des Studiendarlehens zu befreien.
(4) Über die Anträge nach Abs. 2 und 3 entscheidet die Landestreuhandstelle
Hessen.
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Zugleich wird ein Sondervermögen des Landes mit der Bezeichnung
„Studienfonds“ geschaffen, das mögliche Rückzahlungs- und Zinsausfälle
absichert. Bis zum 31. Dezember 2010 wird der Studienfonds durch allgemeine
Landesmittel finanziert, danach durch Leistungen der Hochschulen in Abhängigkeit
von ihren Einnahmen aus den Studienbeiträgen. Im Einzelnen trifft das Gesetz
hierzu die folgenden Bestimmungen:
§ 9 – Studienfonds
(1) Zur Absicherung der Studiendarlehen wird ein Studienfonds als
Sondervermögen des Landes errichtet. Der Studienfonds hat die Aufgabe, den
Ausfall bei der Rückzahlung und den Ausfall durch die Befreiung von der
Rückzahlung zu übernehmen und die dafür an ihn abgetretenen
Rückzahlungsansprüche zu verwalten und beizutreiben. Darüber hinaus tritt er in
die Zahlungsverpflichtung in den Fällen des § 7 Abs. 1 Satz 5 und Satz 6 sowie § 8
Abs. 1 Satz 5 ein.
(2) Zur Erfüllung seiner Aufgaben erhält der Studienfonds ab dem 1. Januar 2011
von den Hochschulen einen Betrag, der zunächst zehn vom Hundert der jeweiligen
Einnahmen der Hochschule aus den Studienbeiträgen mit Ausnahme der
Langzeitstudiengebühren nach § 4 entspricht. Der Vomhundertsatz ist in
regelmäßigen Abständen an den tatsächlichen Bedarf anzupassen, um eine
ausreichende Ausstattung des Fonds zu gewährleisten. Bis zum 31. Dezember
2010 werden die sich aus der Verpflichtung des Abs. 1 Satz 2 und 3 ergebenden
Aufwendungen durch das Land getragen. Die für Hochschulen des Landes
zuständige Ministerin oder der hierfür zuständige Minister wird ermächtigt, das
Nähere, insbesondere die Verwaltung des Fonds, die Voraussetzungen und das
Verfahren für dessen Inanspruchnahme, das Verfahren zur Anpassung des
Vomhundertsatzes sowie die Auskunfts- und Mitteilungspflichten der
Darlehensnehmer durch Rechtsverordnung im Einvernehmen mit der Ministerin
oder dem Minister der Finanzen zu regeln.
§ 10 HStubeiG verpflichtet Studienbewerber und Studierende, über ihre
persönlichen Verhältnisse Auskunft zu geben, soweit Auskünfte für die
Durchführung des Gesetzes erforderlich sind; außerdem ermächtigt er zur
Datenübermittlung durch die Hochschulen und die Landestreuhandstelle.
Gemäß § 13 Abs. 1 HStubeiG werden die Studienbeiträge erstmals für das
Wintersemester 2007/2008 erhoben. Nach § 12 HStubeiG haben auch
Studierende, die nicht nach § 7 Abs. 2 und 3 HStubeiG berechtigt sind, Anspruch
auf Gewährung eines Studiendarlehens nach § 7 Abs. 1 HStubeiG, wenn sie zum
Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes mindestens seit dem
Sommersemester 2006 ununterbrochen an einer Hochschule des Landes
immatrikuliert waren, höchstens jedoch für den Zeitraum von vier Semestern.
Das Studienbeitragsgesetz ist gem. § 13 Abs. 2 Satz 2 HStubeiG bis zum 31.
Dezember 2011 befristet.
Durch Art. 2 des zur Überprüfung gestellten Gesetzes erhält § 7 des Hessischen
Studienguthabengesetzes (StuGuG) vom 18. Dezember 2003 (GVBl. I S. 513, 516)
folgende Fassung:
§ 7 - Wirksamkeit, Außerkrafttreten
(1) Dieses Gesetz findet letztmals für das Sommersemester 2007 Anwendung.
Studienguthaben und Restguthaben können letztmals im Sommersemester 2007
in Anspruch genommen werden. Studierende, denen vor dem Sommersemester
2007 ein Studienguthaben gewährt wurde, entrichten für die Anzahl der Semester,
für die nach dem Sommersemester 2007 ein Studienguthaben noch bestehen
würde, den Grundstudienbeitrag oder den Zweitstudienbeitrag nach § 3 des
Hessischen Studienbeitragsgesetzes vom 16. Oktober 2006 (GVBl. I S. 512).(2) (3)
Das Gesetz tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2009 außer Kraft.(4)
Durch Art. 3 wird dem die Gasthörer betreffenden § 64 Abs. 2 des Hessischen
Hochschulgesetzes (HHG) als Satz 3 angefügt:
Die Hochschule erhebt je nach Inanspruchnahme von Lehrveranstaltungen
Gebühren in Höhe von 50 bis 500 Euro für jedes Semester.
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Mit Antrag vom 14. Februar 2007 haben die Antragsteller zu 1 bis 3 ein
Normenkontrollverfahren eingeleitet. Sie halten das Gesetz zur Einführung von
Studienbeiträgen an den Hochschulen des Landes und zur Änderung weiterer
Vorschriften für unvereinbar mit der Hessischen Verfassung und tragen zur
Begründung zusammengefasst Folgendes vor:
Die Gewährleistung der Unentgeltlichkeit des Hochschulunterrichts in Art. 59 Abs.
1 Satz 1 HV schließe es aus, allgemeine Studienentgelte von allen Studierenden
ungeachtet ihrer wirtschaftlichen Lage zu erheben. Diese Verfassungsnorm
garantiere nach der Rechtsprechung des Staatsgerichtshofs jedenfalls die
Unterrichtsgeldfreiheit für ein Studium in angemessener Zeit. Dies stelle ihren
Mindestgehalt dar, der nach ihrem Wortlaut sowie Sinn und Zweck nicht weiter
eingeschränkt werden könne. Damit stehe Art. 59 Abs. 1 Satz 1 HV der
allgemeinen Erhebung des Grundstudienbeitrags von 500 Euro gemäß § 3 Abs. 1
HStubeiG für jedes Semester als dem Kernbestand des Studienbeitragsgesetzes
entgegen.
Das Studienbeitragsgesetz ersetze die Verfassungsregel der Unentgeltlichkeit
durch eine Regel der Entgeltlichkeit. Unentgeltlich sei das Studium nach § 6
HStubeiG nur in wenigen atypischen Sonderfällen, die zudem als Ausnahmen
gestaltet seien. Dies gelte auch für die Tüchtigen und Begabten. Indem ein
Erststudium in angemessener Zeit nicht mehr grundsätzlich unentgeltlich sei,
werde der Kern der Verfassungsnorm außer Kraft gesetzt.
Die Erhebung des Grundstudienbeitrags nach dem Studienbeitragsgesetz werde
auch von Art. 59 Abs. 1 Satz 4 HV nicht gedeckt, wonach durch Gesetz - auch für
den Hochschulunterricht - angeordnet werden kann, dass ein angemessenes
Schulgeld zu zahlen ist, wenn die wirtschaftliche Lage des Schülers, seiner Eltern
oder der sonst Unterhaltspflichtigen es gestattet. Eine Auslegung, die in Art. 59
Abs. 1 Satz 1 und 4 HV im Ergebnis nur den Ausdruck eines mit frei wählbaren
Mitteln erfüllbaren allgemeinen Gedankens sozialer Ausgewogenheit sähe, würde
diesem differenzierten Wortlaut nicht gerecht werden und den Rang der
Verfassungsnorm gegenüber dem einfachen Gesetz entwerten. Art. 59 Abs. 1
Satz 1 und 4 HV eröffne dem Gesetzgeber zwar Spielraum für bestimmte
Entgelte, begrenze diese aber hinsichtlich der Auswahl der Mittel und Konzepte.
Art. 59 Abs. 1 Satz 4 HV sei systematisch und funktional ein qualifizierter
Gesetzesvorbehalt zu dem sozialen Grundrecht aus Satz 1. Die Regelung enthalte
differenzierte Tatbestandsmerkmale, denen ein Gesetz, das ein Unterrichtsentgelt
erhebe, gerecht werden müsse. Art. 59 Abs. 1 Satz 4 HV sei somit eine
Spezialregelung zur Einschränkung des Satzes 1 mit abschließendem Charakter.
Nach seiner Grundstruktur stelle Art. 59 Abs. 1 Satz 1 und Satz 4 HV ein Regel-
Ausnahme-Verhältnis dar: Grundsätzlich müsse der Unterricht an öffentlichen
Hochschulen unentgeltlich sein, wie aus Art. 59 Abs. 1 Satz 1 HV hervorgehe. Das
Parlament könne als Ausnahme hiervon ein „angemessenes“ Schulgeld anordnen,
wenn die in Art. 59 Abs. 1 Satz 4 HV ausdrücklich genannten Voraussetzungen
gegeben seien. Es müsse also nach der Verfassung definitiv für diejenigen, deren
wirtschaftliche Lage die Zahlung eines Schulgeldes nicht gestatte, eine Zone ohne
Schulgeld bestehen. Würde Art. 59 Abs. 1 Satz 4 HV die Heranziehung prinzipiell
aller erlauben und den sozialen Ausgleich anderen Regelungen überlassen, liefe
Art. 59 Abs. 1 Satz 1 HV leer.
Dem Sinn und Zweck von Art. 59 Abs. 1 Satz 4 HV genüge zudem nicht jede
Regelung zur Verbesserung der Sozialverträglichkeit der Auferlegung von
Studienabgaben. Nach dem Gedanken von Art. 59 Abs. 1 Satz 1 und Satz 4 HV
dürfe eine wirtschaftliche Belastung durch Abgaben aus Anlass des Unterrichts
vielmehr erst dann einsetzen, wenn sie von vornherein keinerlei Einfluss sowohl auf
die Aufnahme als auch auf die erfolgreiche Durchführung eines
Hochschulstudiums habe. Die Grenze, ab der die Intention der Verfassung nicht
mehr gewahrt sei, liege also nicht erst dort, wo die Schwelle zu einem Zwang zum
Verzicht auf das Studium überschritten, sondern bereits dort, wo die
Chancengleichheit beeinträchtigt werde.
Sowohl eine durch die Zahlung von Abgaben ausgelöste Verschuldung als auch die
durch ihre Zahlung eintretende Vermögensminderung beeinträchtigten überdies
die berufliche und familiäre Existenzgründungssituation nach dem
Studienabschluss sowie die Chancen einer Höherqualifikation.
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Nach Wortlaut, Sinn und Zweck sowie Systematik des Art. 59 Abs. 1 HV dürfe ein
Schulgeld nur verlangt werden, wenn der Zahlungspflichtige sich zur Zeit der
Schulgelderhebung in einer wirtschaftlichen Lage befinde, welche die Zahlung
eines angemessenen Schulgeldes gestatte. Die Verfassung erlaube es nicht, ein
Schulgeld im Hinblick auf eine noch gar nicht bestehende, aber in der Zukunft
möglicherweise entstehende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu erheben.
Die Entstehungsgeschichte der Hessischen Verfassung untermauere, dass die
Schulgeldklausel gerade nur in ihrer Beschränkung auf die vergleichsweise
bessergestellten Schüler und als Gegenstück zu der gleichzeitig verbürgten
allgemeinen Unentgeltlichkeit des Hochschulunterrichts in einem
zusammenhängenden Kompromiss in die Verfassung aufgenommen worden sei.
Die Pflicht zur Zahlung des Grundstudienbeitrags nach dem Studienbeitragsgesetz
entspräche selbst dann nicht den Anforderungen des Art. 59 Abs. 1 Satz 4 HV,
wenn neben dem Entgelttatbestand auch die Verschuldungsmöglichkeit der
Studierenden nach §§ 7, 8 HStubeiG einschließlich ihrer sämtlichen Modalitäten in
die Betrachtung einbezogen würde.
Die Verfassungsmäßigkeit einer Abgabe sei grundsätzlich ohne Rücksicht darauf
zu prüfen, ob der Abgabenschuldner die Möglichkeit habe, die erforderliche
Zahlungsfähigkeit durch Kreditaufnahme oder staatliche Transferleistungen zu
decken. Könnte bei der grundrechtlichen Prüfung von Abgabentatbeständen
rechtfertigend das Argument herangezogen werden, dass der Einzelne seine
aktuelle Zahlungsfähigkeit durch die Aufnahme von Schulden herstellen könne, so
wären dem Abgabenrecht keine greifbaren verfassungsrechtlichen Grenzen mehr
gezogen. Das gelte gerade auch für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, von
deren gegenwärtigem und nicht etwa erst künftigem Vorliegen Art. 59 Abs. 1 Satz
4 HV die Möglichkeit der Erhebung von Studienentgelten abhängig mache. Eine
Darlehensauszahlung könne Zahlungsfähigkeit, infolge der gleichzeitig zu
übernehmenden Darlehensschuld aber keine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit
erzeugen. Die Schulgeldklausel wolle aber nur eine Eigenbeteiligung von
vergleichsweise besser Gestellten ermöglichen. Abgaben könnten danach nur von
denjenigen erhoben werden, deren wirtschaftliche Lage es unnötig mache,
Unterstützung zur Finanzierung des Schulgeldes in Anspruch zu nehmen.
Darauf, ob Darlehen eine allgemeine soziale Ausgewogenheit in demselben Maße
herstellen könnten wie die von der Verfassung vorgesehene Unentgeltlichkeit,
komme es im Zusammenhang des Art. 59 Abs. 1 Satz 4 HV nicht an. Darlehen
bildeten im Übrigen faktisch kein funktionales Äquivalent zu dem von der
Verfassung für den sozialen Förderungszweck vorgesehenen Mittel der
Unentgeltlichkeit und ersetzten dieses daher auch tatsächlich nicht gleichwertig.
Wegen der Geltung von Art. 59 Abs. 1 Satz 4 HV bedürfte es des Nachweises, dass
sie die soziale Chancengleichheit bei denjenigen, deren wirtschaftliche Situation
die Schulgeldzahlung nicht erlaube, mindestens genauso gut förderten wie das
von der Verfassung hierfür ausdrücklich vorgesehene Instrument der
Unentgeltlichkeit. Die Belastung mit einem Darlehen wiege jedoch schwerer als die
Alternative der Abgabenfreiheit.
Ihre negativen Auswirkungen auf den Studienzugang zeigten sich gerade aus der
Entscheidungsperspektive des Studieninteressenten. Insbesondere für
Studienberechtigte aus einkommensschwachen Familien sei die
studiendarlehensbedingte Verschuldung in Anbetracht der Risiken eines
ungünstigen oder erfolglosen Studienverlaufs, einer ungünstigen
Arbeitsmarktentwicklung sowie künftiger familiär und beruflich bedingter
finanzieller Belastungen eine Zugangshürde.
Dass die Erhebung von Studienbeiträgen das einzige Mittel sei, um eine
Wanderungsbewegung ausländischer Studierender nach Hessen zu vermeiden, sei
eine unzureichend belegte Behauptung. Sie stehe überdies in vollständigem
Widerspruch zu der Behauptung, dass die Studienbeiträge keine abschreckende
Wirkung auf einkommensschwache Studieninteressenten hätten.
Würde unterstellt, die Studienbeitragserhebung nach dem „Darlehensmodell“
könne potentiell einem Schulgeld im Sinne des Art. 59 Abs. 1 Satz 4 HV
entsprechen, führte auch dies nicht zur Verfassungsmäßigkeit der Regelung. Es sei
mit Art. 59 Abs. 1 Satz 4 HV nicht vereinbar, eine die Kosten der Geldbeschaffung
wiedergebende und damit am Kapitalmarkt orientierte Verzinsung nach § 7 Abs. 1
Satz 4 HStubeiG zu verlangen.
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Mit jeder über einen Inflationsausgleich hinausgehenden Verzinsung des Darlehens
wirke das gezahlte Schulgeld regressiv. Die wirtschaftlich vergleichsweise weniger
Leistungsfähigen, die ihre Bedürftigkeit durch die Inanspruchnahme des Darlehens
zum Ausdruck brächten, würden im Ergebnis stärker belastet als die
vergleichsweise Leistungsfähigeren, die das Darlehen nicht in Anspruch nähmen.
Art. 59 Abs. 1 Satz 4 HV verbiete aber eine Mehrbelastung der weniger
Leistungsfähigen im Vergleich zu den Leistungsfähigeren.
Gegen dieses Verbot verstoße das Studienbeitragsgesetz auch dadurch, dass es
in Zeiten, in denen mangels Zahlungsfähigkeit die Rückzahlung des Darlehens
nach § 8 Abs. 2 HStubeiG gestundet werde, keine Aussetzung eines Anwachsens
der Zinslast vorsehe. Dies wiege umso schwerer, als von der Stundung angesichts
der dafür geltenden niedrigen Einkommensgrenzen des § 8 Abs. 2 HStubeiG nur
wirklich einkommensschwache Personen Gebrauch machen könnten. Wer finanziell
leistungsfähiger sei, zahle nach alledem im Ergebnis weniger als die finanziell
Unterstützungsbedürftigen, da entweder mangels Darlehensaufnahme keine
Zinsen anfielen oder die Zinsen wegen der schnelleren Rückzahlung weniger hoch
ausfielen.
Studierende aus einkommensschwachen Familien, die aus diesen Gründen von
der Aufnahme eines Studiendarlehens absähen, würden durch die Studienbeiträge
in höherem Maße zur Aufnahme studienbegleitender Erwerbstätigkeiten sowie
dazu veranlasst, die Wahl des Studienfachs aus Kostengründen weniger von der
Eignung und Neigung abhängig zu machen. Dies werde durch Erfahrungen im
Ausland bestätigt.
Die Darlehensbedingungen des Studienbeitragsgesetzes bewirkten zugleich eine
mittelbare Diskriminierung von Frauen und Eltern: Wer nach dem Studium
Einkommenseinbußen insbesondere infolge der Erziehung von Kindern habe,
erleide Nachteile gegenüber anderen Schuldnern, da mit dem notwendigen
Hinausschieben der Schuldentilgung infolge der anwachsenden Zinsbelastung die
Rückzahlungslast weiter ansteige.
Es sei weiterhin mit Art. 59 Abs. 1 Satz 4 HV in Verbindung mit dem
Wesentlichkeitsgrundsatz nicht vereinbar, dass der hessische Gesetzgeber die
Einkommensgrenzen für eine Zinsentlastung nach § 7 Abs. 1 Satz 6 HStubeiG und
für die Stundung der Darlehensrückzahlung in § 8 Abs. 2 HStubeiG nicht selbst
geregelt, sondern auf die jeweils geltende Fassung des
Bundesausbildungsförderungsgesetzes, insbesondere die Einkommensgrenzen
von § 25 und § 18a BAföG, verwiesen habe. Der hessische Gesetzgeber müsse im
Rahmen von Art. 59 Abs. 1 Satz 1 und Satz 4 HV die wesentlichen Entscheidungen
selbst treffen und sicherstellen, dass die Ziele der Verfassungsnorm erreicht
würden.
Das Studienbeitragsgesetz sehe in § 9 Abs. 2 Satz 1 vor, dass ab dem Jahre 2011
ein prozentualer Anteil des Aufkommens aus den Grund- und
Zweitstudienbeiträgen an ein neues, „Studienfonds“ genanntes Sondervermögen
des Landes abgeführt werde, welches die von den Studiendarlehen ausgelösten
Ausfallrisiken und Zinsermäßigungskosten trage (§ 9 Abs. 1 HStubeiG). Insoweit
stünden die Abgabenzahlungen abweichend von der Grundregel des § 1 Abs. 3
HStubeiG nicht für Aufgaben in Studium und Lehre zur Verfügung.
Die Verfassungsmäßigkeit nicht-steuerlicher Abgaben setze einen besonderen,
sachbezogenen Rechtfertigungsgrund voraus, da solche Abgaben nicht wie die
Steuer allein von einem Finanzierungszweck getragen würden. Die Finanzierung
der staatlichen Aufgaben in Bund und Ländern einschließlich der Gemeinden habe
in erster Linie aus dem Ertrag der Steuern zu erfolgen. Dies folge aus dem
notwendigen Schutz der grundgesetzlichen Regelungen über die Finanzverteilung
zwischen Bund und Ländern, aus dem Prinzip der Belastungsgleichheit der
Abgabepflichtigen und dem Prinzip der Vollständigkeit des Haushaltsplans.
Jedenfalls diese beiden Prinzipien verlangten als Ausprägungen des
Gleichheitssatzes (Art. 1 HV) und als ausdrücklicher Verfassungsgrundsatz des
Finanzwesens (Art. 139 Abs. 2 HV) auch im Landesverfassungsrecht Geltung.
Daraus folge, dass nicht-steuerliche Abgaben wie das Schulgeld einer besonderen
Rechtfertigungsprüfung ihres Erhebungsgrundes zu unterziehen seien. Da Art. 59
Abs. 1 Satz 4 HV lediglich ein „Schulgeld“ erlaube, würden als Belastungsgründe
für diese Abgabe nur solche zugelassen, die unmittelbar auf den individuellen
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für diese Abgabe nur solche zugelassen, die unmittelbar auf den individuellen
Schulbesuch zurückgingen. Ein Schulgeld liege dagegen nicht vor, soweit die
Abgabe zur Übernahme von Lasten der Allgemeinheit erhoben würde, die nicht mit
der Ausbildung verbunden seien.
Rechtlich seien der Grund- und der Zweitstudienbeitrag zu diesem Teil als
Sonderabgaben zu qualifizieren, da es sich insoweit um nicht-steuerliche
öffentliche Abgaben mit einer Aufkommensbindung zugunsten eines Sonderfonds
zur Finanzierung einer bestimmten öffentlichen Aufgabe handele.
Hinsichtlich dieses auf den Studienfonds entfallenden Anteils genügten die
Abgaben nach dem Studienbeitragsgesetz den Anforderungen an Sonderabgaben
indes nicht. Es fehle jedenfalls an der durch eine besondere Sachnähe der
Zahlergruppe zu der zu erfüllenden Aufgabe begründeten Verantwortung der
Gruppe für die zu erfüllende Aufgabe und an der Gruppennützigkeit der
Verwendung des Aufkommens. Für die in dem Darlehenssystem eingeplanten
Darlehens- und Zinsausfälle seitens eines Teils der Studierenden seien die
anderen Studierenden weder verantwortlich noch erwüchse ihnen daraus ein
Nutzen.
§ 3 Abs. 3 HStubeiG, der zur Erhebung von Zweitstudienbeiträgen bis zur Höhe
von 1500 Euro für jedes Semester ermächtigt, stehe im Widerspruch zu Art. 59
Abs. 1 Satz 4 HV und zum allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 1 HV, indem er zur
finanziellen Ungleichbehandlung von Erst- und Zweitstudierenden ermächtige,
ohne dass diese Differenzierung einen Angemessenheitsaspekt nach Art. 59 Abs.
1 Satz 4 HV darstelle. Denn das Lehrangebot und seine Inanspruchnahme seien
identisch.
§ 3 Abs. 3 Satz 3 HStubeiG verstoße zudem gegen die aus dem
Rechtsstaatsprinzip folgenden Anforderungen an die Klarheit und Bestimmtheit
von Abgabentatbeständen, indem er die Erhöhung von Zweistudienbeiträgen
ermögliche, ohne Kriterien hierfür kenntlich zu machen.
§ 3 Abs. 2 HStubeiG, wonach bei Teilzeitstudiengängen die Studienordnung eine
Ermäßigung des Grundstudienbeitrags vorsehen kann, sei schon deshalb mit dem
allgemeinen Gleichheitssatz unvereinbar, weil er lediglich eine Ermächtigung zur
Ermessensausübung an die Hochschulen erteile, statt die Ermäßigung verbindlich
vorzuschreiben. Der Studienbeitrag sei nach § 2 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1 und 3
HStubeiG auf das Lehrangebot je Semester bezogen. Der Bemessungsmaßstab
sei somit für den dort normierten Regelfall jeweils die Wahrnehmung des
Lehrangebots in einem Vollzeitstudium. Das Wesen des Lehrangebots eines
Teilzeitstudiengangs liege jedoch darin, dass das Pflichtlehrangebot im Verhältnis
zu einem Vollzeitstudiengang reduziert sei. Daher werde wesentlich Ungleiches
unausweichlich gleich behandelt, wenn im Teilzeitstudiengang derselbe Beitrag pro
Semester wie in einem Vollzeitstudiengang erhoben werde. Hierfür sei kein
sachlicher Grund ersichtlich. Das Studienbeitragsgesetz verstoße ferner gegen
den allgemeinen Gleichheitssatz, indem es in § 3 Abs. 2 eine Anpassung der
Abgabenhöhe an die Bedingungen des Teilzeitstudiengangs nur für den
Grundstudienbeitrag, aber nicht im Falle des Zweitstudiums und des
Langzeitstudiums vorsehe.
Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 HStubeiG bestehe bei einem Zweitstudium oder
beim Erreichen der Schwelle zu den Langzeitstudienbeiträgen kein
Darlehensanspruch. Nur Fälle der Berechtigung auf Leistungen nach dem
Bundesausbildungsförderungsgesetz bildeten nach § 7 Abs. 4 Satz 2 HStubeiG
eine Ausnahme. Der Ausschluss dieser beiden Gruppen verstoße gegen den
allgemeinen Gleichheitssatz, da es an einem hinreichenden sachlichen Grund für
die Ungleichbehandlung mit Erststudierenden in der Regelstudienzeit fehle.
Die unterschiedliche Verwendung des Aufkommens aus Langzeitstudienbeiträgen
einerseits, das im Wesentlichen dem Landeshaushalt zufließe, und des
Aufkommens aus Grund- und Zweitstudienbeiträgen andererseits, das der die
Studienbeiträge erhebenden Hochschule zustehe, führe zu weiteren
Ungleichbehandlungen zwischen den Studierenden. Den die
Langzeitstudienbeiträge zahlenden Studierenden werde es im Gegensatz zu den
anderen verwehrt, von den Aufkommenseffekten der eigenen Beitragszahlungen
hinsichtlich der Studienbedingungen zu profitieren. Die Grund- und
Zweitstudienbeitragszahler finanzierten umgekehrt die Leistungen an die
Langzeitstudierenden und gingen in dem entsprechenden Ausmaß der positiven
Wirkungen ihrer Beitragszahlungen verlustig. Dafür gebe es keinen
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Wirkungen ihrer Beitragszahlungen verlustig. Dafür gebe es keinen
rechtfertigenden Grund.
Ungleich würden dadurch auch die Hochschulen untereinander behandelt, da der
Mittelzufluss bei gleichem Beitragsaufkommen und gleicher Studierendenzahl
unterschiedlich je nach der Quote der Langzeitstudienbeiträge zahlenden
Studierenden ausfalle. Hierfür fehle es ebenfalls an einem hinreichenden
sachlichen Grund, der die Ungleichbehandlung vor dem Gleichheitssatz des Art. 1
HV rechtfertige, auf den die Hochschulen sich jedenfalls in Anbetracht ihres
Selbstverwaltungsrechts aus Art. 60 HV berufen könnten. Die Begründung des
Gesetzes ziehe primär Erwägungen des Finanzbedarfs des Landes selbst heran,
indem darauf abgestellt werde, dass die Langzeitstudienbeiträge wie bisher in den
Landeshaushalt flössen und auf diese Weise den Hochschulpakt sicherten. Dies
genüge als rein fiskalischer Grund nicht für die inhaltsbezogene Rechtfertigung von
Ungleichbehandlungen. Materielle, sachliche Gründe dafür lägen nicht vor.
Indem das Studienbeitragsgesetz die Abgaben einerseits „für das Lehrangebot“ (§
2 Abs. 1 Satz 1 HStubeiG) und hierbei „für den Erwerb eines ersten (…)
berufsqualifizierenden Abschlusses“ (§ 3 Abs. 1 Satz 1 HStubeiG) bzw. „für einen
weiteren Studiengang“ (§ 3 Abs. 3 Satz 1 HStubeiG) erhebe und das Aufkommen
der Grund- und Zweitstudienbeiträge an den Zweck der Verbesserung der Qualität
von Studium und Lehre binde (§ 1 Abs. 3 HStubeiG), werde sowohl die eigentliche
Abgabenrechtfertigung als auch die Rechtfertigung der Aufkommensverwendung
an das jeweils verfolgte Studium gebunden. Die Zweckbindung sei in das Gesetz
aufgenommen worden und damit auch der rechtlichen, nicht bloß politischen
Beurteilung unterworfen.
Die vorliegende Zweckbindungsregelung genüge insoweit aber auch minimalen
Anforderungen nicht, da die Aufkommensverwendung vollständig unabhängig
davon gesehen werde, in welchem Bereich einer Hochschule das Aufkommen
entstanden sei. Es sei in keiner Weise gesichert, dass die Studierenden eines
Studiengangs irgendeinen Nutzen von ihren Studienbeiträgen hätten. Die
Zweckbindungsregelung verhindere nicht einmal extreme Umverteilungen
zwischen Zahlerbereichen einerseits und Nutznießerbereichen andererseits.
Das Studienbeitragsgesetz sei auch mit dem Internationalen Pakt über
wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte - UN-Sozialpakt - unvereinbar, der in
das Recht der Bundesrepublik Deutschland inkorporiert worden sei und aufgrund
Art. 67 HV in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip Bindungswirkung für den
Hessischen Landtag entfalte. Der UN-Sozialpakt verlange ausdrücklich, dass „der
Hochschulunterricht auf jede geeignete Weise, insbesondere durch allmähliche
Einführung der Unentgeltlichkeit, jedermann gleichermaßen entsprechend seinen
Fähigkeiten zugänglich gemacht werden muss“. Der Landesgesetzgeber sei
danach jedenfalls verpflichtet, Regelungen über die Entgeltlichkeit des
Hochschulstudiums so zu gestalten, dass ein gleichmäßiger, diskriminierungsfreier
Zugang zur Hochschulbildung und dessen chancengleiche Durchführung für
jedermann entsprechend seinen Fähigkeiten gewährleistet seien. Dem werde das
Studienbeitragsgesetz nicht gerecht, da es durch die Einführung der generellen
Entgeltlichkeit des Studiums den Studienzugang und die Studienbedingungen
unterschiedlicher sozialer Gruppen und Schichten unterschiedlich stark
beeinträchtige, ohne zugleich eine ausreichende Regelung zum Ausgleich dieser
diskriminierenden Wirkungen zu treffen. Nicht zuletzt die kapitalmarktbezogene
Verzinsung der Studiendarlehen benachteilige Studierende aus
einkommensschwachen Familien in einer dem Ziel der Diskriminierungsfreiheit
widersprechenden und nicht gerechtfertigten Weise.
§ 13 Abs. 1 HStubeiG und Art. 2 des Gesetzes zur Einführung von
Studienbeiträgen an den Hochschulen des Landes und zur Änderung weiterer
Vorschriften, mit denen die erstmalige Erhebung der Studienbeiträge für das
Wintersemester 2007/2008 und das Auslaufen des Studienguthabengesetzes mit
dem Sommersemester 2007 angeordnet werden, verstießen schließlich gegen das
grundrechtlich und rechtsstaatlich begründete Prinzip des Vertrauensschutzes und
der Kontinuitätsgewähr bei rückanknüpfenden Gesetzen. Die bloße Übergangszeit
von knapp einem Jahr trage dem Vertrauensschutzprinzip nicht ausreichend
Rechnung, zumal bisher durch das Studienguthabengesetz Entgeltfreiheit des
zügigen Studiums positiv verbürgt worden sei.
Die Antragsteller zu 1 bis 3 beantragen, wie folgt zu erkennen:
Das Gesetz zur Einführung von Studienbeiträgen an den Hochschulen des Landes
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Das Gesetz zur Einführung von Studienbeiträgen an den Hochschulen des Landes
und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 16.10.2006 (GVBl. I, S. 512 - 517) wird
für nichtig erklärt.
III.
Am 22. Juni 2007 wurden 71.510 Erklärungen von Stimmberechtigten bei dem
Staatsgerichtshof eingereicht mit dem Antrag, im Wege eines Verfahrens nach §
39 Abs. 1 StGHG festzustellen, dass das Gesetz zur Einführung von
Studienbeiträgen an den Hochschulen des Landes und zur Änderung weiterer
Vorschriften vom 16. Oktober 2006 (GVBl. I S. 512) mit Art. 59 HV unvereinbar und
nichtig ist. Zur Begründung tragen die Antragsteller im Wesentlichen vor, die
Einführung allgemeiner Studiengebühren sei nicht von der
Ausgestaltungskompetenz des Gesetzgebers im Rahmen des Art. 59 Abs. 1 Satz
1 HV gedeckt. Darüber hinaus seien die Voraussetzungen für die Einführung eines
Schulgeldes nach Art. 59 Abs. 1 Satz 4 HV nicht erfüllt.
Art. 59 Abs. 1 Satz 1 HV gewähre - jedenfalls für die Dauer eines
zeitangemessenen Studiums - auch für die Hochschulen Unterrichtsgeldfreiheit.
Bei dieser Verfassungsnorm handele es sich um ein soziales Grundrecht, das die
Teilhabe an den vorhandenen Einrichtungen des Bildungswesens garantiere.
Dagegen sei es kein auf Bereitstellung neuer oder auf Beibehaltung bestehender
Einrichtungen zielendes Leistungsrecht. Art. 59 Abs. 1 HV sei kein allgemeines
Grundrecht auf Bildung. Anzahl, Kapazität und Ausstattung öffentlicher Schulen
und Hochschulen gehörten nicht zum Gewährleistungsbereich der Norm. Schon
aufgrund dieser Qualifizierung sei es nicht möglich, die vom
Bundesverfassungsgericht zu den Leistungsrechten aus Art. 12 GG entwickelte
Schranke vom “Vorbehalt des Möglichen” heranzuziehen, um in diesem Rahmen
eine finanzielle Eigenbeteiligung mit der staatlichen Leistungsfähigkeit zu
begründen. Art. 59 Abs. 1 HV beinhalte im Vergleich mit dem Grundgesetz und
anderen Landesverfassungen eine besondere, einmalige Regelung, die es gebiete,
den Wortlaut der Norm in seiner Besonderheit genau zu analysieren und
vorschnelle Parallelen in Form des Rückgriffs auf allgemeine Lehren, die für das
Bundesverfassungsrecht entwickelt worden seien, zu vermeiden.
Die staatliche Leistungsfähigkeit könne als Argument nur dann berücksichtigt
werden, wenn der Verfassungstext dieses Kriterium erwähne oder zulasse. Art. 63
HV enthalte eine generelle Regelung für Einschränkungen aller in der Hessischen
Verfassung enthaltenen Grundrechte und unterscheide zwischen der
Ausgestaltung und der Beschränkung von Grundrechten. Daran anknüpfend
müsse ermittelt werden, welche Schranken Art. 59 Abs. 1 HV enthalte. Einschlägig
sei der qualifizierte Gesetzesvorbehalt des Art. 59 Abs. 1 Satz 4 HV. Die
Einführung allgemeiner Studienbeiträge beseitige die Unterrichtsgeldfreiheit für
einen großen Teil der Studierenden. Die Unentgeltlichkeitsgarantie des Art. 59
Abs. 1 Satz 1 HV werde dadurch in ihrem zentralen Inhalt betroffen. Da die
Entgeltpflichtigkeit das genaue Gegenteil der Entgeltfreiheit darstelle, handele es
sich nicht um eine Ausgestaltung, sondern um eine Beschränkung. Art. 59 Abs. 1
Satz 4 HV nenne als Voraussetzung für eine solche Beschränkung neben deren
Angemessenheit die Berücksichtigung der wirtschaftlichen Lage. Diese klare
Systematik der Vorschrift dürfe nicht durch ungeschriebene
Tatbestandsmerkmale, die an der allgemeinen Kategorisierung als soziales
Grundrecht ansetzten, umgangen werden. Umstände wie beispielsweise eine
Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Hochschulen, eine Schutzpflicht für
die Hochschulen oder eine schlechte finanzielle Lage des Staates seien allenfalls
politische Zielsetzungen, jedoch keine rechtlich bedeutsamen Gründe, mit denen
die Einführung von Studienbeiträgen gerechtfertigt werden könnte. Der Hinweis auf
die fehlende Leistungsfähigkeit des Staates sei überdies befremdlich, wenn man
sich die ungleich schwierigeren wirtschaftlichen Verhältnisse des Jahres 1946
vergegenwärtige.
Die Voraussetzungen des Art. 59 Abs. 1 Satz 4 HV seien nicht erfüllt, da nicht auf
die wirtschaftliche Lage des Schülers, seiner Eltern oder der sonst
Unterhaltspflichtigen abgestellt werde. Schon der Wortlaut des Art. 59 Abs. 1 Satz
4 HV lege nahe, dass die aktuelle und nicht eine mögliche zukünftige
Leistungsfähigkeit gemeint sei. Durch die Darlehensgewährung solle aber gerade
eine künftige Leistungsfähigkeit an die Stelle der aktuellen Leistungsfähigkeit
treten. Es handele sich um eine Fiktion der Leistungsfähigkeit. Das
Bundesverfassungsgericht habe in einem strukturell ähnlichen
sozialhilferechtlichen Fall - BVerfGE 113, 88 (103 ff.) - die Herstellung der
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sozialhilferechtlichen Fall - BVerfGE 113, 88 (103 ff.) - die Herstellung der
Leistungsfähigkeit durch ein Darlehen als Grundrechtsverstoß gewertet, da keine
hinreichende gesetzliche Grundlage dafür gegeben sei. Es müsse eine zeitliche
Kongruenz zwischen Bedürftigkeit und Leistungsfähigkeit bestehen. Die eigentlich
fehlende aktuelle Leistungsfähigkeit dürfe nicht erst durch ein staatliches Darlehen
hergestellt werden. Die vom Bundesverfassungsgericht im Sozialhilferecht
vermisste ausdrückliche Regelung über die Verlagerung des relevanten Zeitpunkts
in die Zukunft enthalte auch Art. 59 HV nicht. Da es nach wie vor zweifellos
wirtschaftlich weniger leistungsfähige Studierende gebe, die durch eine
Entgeltpflicht vom Hochschulstudium abgeschreckt würden, hätten sich die
gesellschaftlichen Verhältnisse, auf die sich die Verfassungsnorm beziehe, auch
nicht so grundlegend geändert, dass eine derart gravierende Einschränkung eines
sozialen Grundrechts mit einem Verfassungswandel begründbar wäre. Der Zweck
der Norm bestehe vielmehr unverändert fort.
Unstreitig sei das Ziel des Art. 59 Abs. 1 Satz 1 HV, den Zugang zu allen Stufen
des Bildungssystems unabhängig von sozialen Schranken zu ermöglichen und
damit den Grundsatz “Freie Bahn dem Tüchtigen” zu verwirklichen. Selbst wenn
man die geschilderten Bedenken gegen eine spätere individuelle
Leistungsfähigkeit als Anknüpfungspunkt für die Darlehenslösung außer Acht ließe,
sprächen gute Gründe dafür, dass die Darlehenslösung grundsätzlich ungeeignet
sei, um die erstrebte soziale Chancengerechtigkeit beim Zugang zum
Hochschulstudium zu gewährleisten. Im Rahmen seines diesbezüglich ohnehin nur
eingeschränkten Beurteilungsspielraums müsse sich der Gesetzgeber mit den
möglichen Auswirkungen seines Finanzierungssystems auseinandersetzen. Dazu
gehörten auch Erfahrungen in anderen Ländern. Aus entsprechenden
Untersuchungen gehe als gesicherte Erkenntnis hervor, dass Studiengebühren
generell die Gefahr der Abschreckung von Kindern aus einkommensschwachen
Haushalten in sich trügen. Psychologische Faktoren wie die Angst vor einem
Misserfolg im Studium oder bei der späteren Arbeitsplatzsuche spielten dabei eine
Rolle. Untersuchungen aus Großbritannien, den Niederlanden und Österreich
zeigten, dass gerade Personen aus sozial rangniedrigeren Statusgruppen eher
eine Verschuldung scheuten. Der gleiche Abschreckungseffekt sei in Deutschland
bei der Umstellung der BAföG-Leistungen auf Darlehen zu beobachten gewesen,
da Förderungsberechtigte auf die Inanspruchnahme eines Darlehens verzichtet
hätten, um keine Schulden zu machen. Nach einer aktuellen Erhebung gelte das
immerhin für 11 vom Hundert der Studienberechtigten. In den USA gehe damit
eine Verdrängung der ärmeren Studierenden aus den besseren Universitäten
einher, deren Besuch diesem Personenkreis nur mit Stipendien und sozialen
Vergünstigungen möglich sei. Da das Misserfolgsrisiko bei sozial rangniedrigeren
Statusgruppen höher sei, komme zur Verschuldung durch die Darlehenslast ein
erhöhtes Risiko hinzu, später über kein höheres Einkommen zu verfügen. Da sich
der Gesetzentwurf der CDU-Fraktion mit dieser Problematik nicht
auseinandersetze, vielmehr sogar einräume, dass die Inanspruchnahme des
Darlehens nicht abgeschätzt werden könne, fehle es an einer Grundlage zur
Ausübung des gesetzgeberischen Prognosespielraums. Es sei nicht zu erkennen,
dass die vom hessischen Gesetzgeber gewählte Ausgestaltung der
Studienbeiträge das Ziel des Art. 59 Abs. 1 Satz 4 HV erreichen könne, keine
geeigneten Studienbewerberinnen und Studienbewerber abzuschrecken.
Der Verwirklichung des von Art. 59 Abs. 1 Satz 4 HV bezweckten Ziels stehe
darüber hinaus die mit der gesetzlichen Regelung verbundene Rechtsunsicherheit
entgegen. So seien die Darlehensbedingungen aufgrund der Befristung des
Gesetzes (§ 13 Abs. 2 Satz 2 HStubeiG) und wegen des nach § 7 Abs. 1 Satz 4
HStubeiG variablen Zinssatzes unklar.
Die in § 9 Abs. 2 HStubeiG normierte Abführungspflicht an den Studienfonds sei
verfassungswidrig. Die von den Hochschulen abzuführenden Beträge stammten
anteilig von den Studierenden, die damit im Wege einer gleichheitswidrigen
Sonderabgabe den Studienfonds unmittelbar finanzierten.
Das Studienbeitragsgesetz sei auch mit dem UN-Sozialpakt unvereinbar, der im
Hinblick auf seine Inkorporation in das Recht der Bundesrepublik Deutschland
aufgrund des Rechtsstaatsprinzips auch bei der Auslegung hessischer
Grundrechte zu berücksichtigen sei sowie nach Art. 67 HV Bindungswirkung für den
Hessischen Landtag entfalte. Dass der UN-Sozialpakt auch im
Normenkontrollverfahren vor dem Staatsgerichtshof maßgeblich sei, gelte
jedenfalls bei Beachtung der neueren Entwicklung der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts zu dessen Prüfungskompetenz hinsichtlich der
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Bundesverfassungsgerichts zu dessen Prüfungskompetenz hinsichtlich der
Europäischen Menschenrechtskonvention. Nach Art. 13 Abs. 2 lit. c) des UN-
Sozialpakts müsse der Hochschulunterricht auf jede geeignete Weise,
insbesondere durch allmähliche Einführung der Unentgeltlichkeit, jedermann
gleichermaßen entsprechend seinen Fähigkeiten zugänglich gemacht werden.
Dem Ziel der allmählichen Einführung der Unentgeltlichkeit des
Hochschulunterrichts stehe die Neueinführung allgemeiner, im Regelfall
unterschiedslos alle Studierenden erfassender Studienbeiträge diametral
entgegen.
Die Verfahrensbevollmächtigten der Antragsteller zu 4 beantragen, wie folgt zu
erkennen:
Das Gesetz zur Einführung von Studienbeiträgen an den Hochschulen des Landes
und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 16. Oktober 2006 verstößt gegen Art.
59 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 und 63 HV sowie mit Art. 67 HV in Verbindung
mit Art. 13 des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle
Rechte (BGBl. II S. 428) und ist daher nichtig.
IV.
Die Landesregierung hat zu den Anträgen Stellung genommen und äußert
verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Antragsberechtigung der Fraktionen im
Hessischen Landtag. Denn ihnen sei aufgrund einer bewussten politischen
Entscheidung des Verfassungsgebers ein Antragsrecht in dem insoweit
abschließenden Art. 131 Abs. 2 HV vorenthalten worden. Daher sei der einfache
Gesetzgeber nicht befugt gewesen, den Kreis der Antragsberechtigten
auszuweiten.
In der Sache führt die Landesregierung im Wesentlichen aus:
Art. 59 Abs. 1 Satz 1 HV könne entgegen der Auffassung der Antragsteller nicht im
Sinne einer prinzipiellen Unentgeltlichkeit der Hochschulausbildung und nicht als
umfassende Verbotsnorm für die Einführung jeglicher Art von Studienbeiträgen
gedeutet werden, die nur ausnahmsweise Einschränkungen unter den in Art. 59
Abs. 1 Satz 4 HV genannten Voraussetzungen eines qualifizierten
Gesetzesvorbehalts zulasse. Art. 59 Abs. 1 Satz 1 und Art. 59 Abs. 1 Sätze 3 und
4 HV seien nicht in einem solchen Regel-Ausnahme-Verhältnis zu sehen, dass nur
unter den Voraussetzungen des Satzes 4 eine Regelungskompetenz des
Gesetzgebers gegeben sei. Art. 59 Abs. 1 HV sei vielmehr in seiner Gesamtheit als
gemeinschaftsgebundenes soziales Grundrecht zu verstehen, dessen Verständnis
von wechselnden Umständen abhängig und das deshalb der Konkretisierung und
Ausgestaltung durch den einfachen Gesetzgeber in den durch Art. 59 HV
insgesamt gezogenen Grenzen zugänglich sei. Dabei müsse der Gesetzgeber die
Bedeutung des Grundrechts der Unterrichtsgeldfreiheit in der sozialen Ordnung
zum Ausgangspunkt seiner Regelung nehmen. Daraus ergäben sich
verfassungsrechtliche Maßstäbe für die Reichweite gesetzgeberischer
Regelungsbefugnisse nicht nur bei der Konkretisierung immanenter Schranken der
Unterrichtsgeldfreiheit nach Art. 59 Abs. 1 Satz 1 HV, sondern auch bei der
Auslegung der Regelungskompetenz zur Einführung von Schulgeld nach Art. 59
Abs. 1 Satz 4 HV. Diese sei als Befugnis zur Erhebung „sozialverträglicher
Beiträge“ zu verstehen.
Wortlaut, Entstehungsgeschichte und Zweck des Art. 59 Abs. 1 HV räumten dem
Gesetzgeber die Befugnis ein, zum Zweck der Qualitätssteigerung und
Beschleunigung der Hochschulausbildung zweckgebundene Studienbeiträge
einzuführen und die in Satz 4 enthaltene Regelungsbefugnis des Gesetzgebers zur
Einführung von „Schulgeld“ auch auf eine nachgelagerte Betrachtung
wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit auszudehnen, sofern dadurch der mit der
Unterrichtsgeldfreiheit verfolgte Zweck, allen geeigneten Studienbewerbern ohne
Rücksicht auf ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse eine
Hochschulausbildung zu ermöglichen, nicht beeinträchtigt werde.
Aus dem Wortlaut wie der Entstehungsgeschichte von Art. 59 Abs. 1 HV ließen sich
für die Frage der Zulässigkeit von Grundstudienbeiträgen keine eindeutigen
Schlüsse ableiten. Ausschlaggebende Bedeutung komme dem Sinn und Zweck
der Vorschrift zu. Art. 59 Abs. 1 HV sei das Ergebnis einer in der Literatur als
„historischer Kompromiss“ bezeichneten Einigung in der Frage der
Unterrichtsgeldfreiheit und der Unentgeltlichkeit von Lernmitteln. Wesentlich für
das Verständnis dieses Kompromisses sei die gemeinsame Überzeugung der
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das Verständnis dieses Kompromisses sei die gemeinsame Überzeugung der
Fraktionen von SPD und CDU gewesen, dass der Zugang zum Hochschulunterricht
allen Begabten ohne Rücksicht auf die Vermögens- und Einkommenslage der
Eltern eröffnet sein müsse. Darauf gründe sich die Feststellung des
Staatsgerichtshofs, Zweck des Art. 59 HV sei es, „freie Bahn dem Tüchtigen“ zu
gewähren. Dementsprechend habe der Staatsgerichtshof aus der Funktion des
Art. 59 Abs. 1 HV als „soziales Grundrecht und als staatspolitische Aufgabe von
besonderer Bedeutung“ abgeleitet, dass dem einfachen Gesetzgeber eine
Befugnis zur beschränkenden Ausgestaltung im Hinblick auf wechselnde
Umstände übertragen worden sei, und habe er nicht nur Beschränkungen des
persönlichen Anwendungsbereichs der Unterrichtsgeldfreiheit auf die in Hessen
wohnhaften deutschen Staatsangehörigen, sondern auch sachliche
Einschränkungen der Unterrichtsgeldfreiheit als mit Art. 59 Abs. 1 HV vereinbar
angesehen.
Sei Art. 59 Abs. 1 HV als soziales Grundrecht und zugleich als staatspolitischer
Auftrag zu verstehen, so habe sich die Auslegung entscheidend an der Frage zu
orientieren, wie das Anliegen, das der hessische Verfassungsgeber im Jahre 1946
verfolgt habe, sich unter den heutigen Gegebenheiten einer Ausbildung an den
hessischen Hochschulen verwirklichen lasse. Zu berücksichtigen seien dabei die
Einbindung der hessischen Hochschulen in eine bundesweit veränderte
Hochschullandschaft mit zahlreichen studienbeitragspflichtigen Hochschulen,
ferner der Grundsatz des bundesweit gleichen Zugangs aller Studierenden zu den
Hochschulen, die Funktion von Studienbeiträgen als Bestandteil einer auf
Wettbewerb und Diversifizierung des Studienangebots ausgerichteten
Hochschulstruktur, die sozialen Rahmenbedingungen eines Hochschulstudiums
auf Darlehensbasis sowie die Geltung des Inländergleichbehandlungsgrundsatzes
für den freien Zugang aller ausländischen Studienbewerber aus den
Mitgliedstaaten der Europäischen Union.
Neben dem Sozialstaatsprinzip habe der hessische Gesetzgeber auch zu
berücksichtigen, dass Art. 60 Abs. 1 HV dem Staat eine Schutzpflicht zugunsten
der staatlichen Hochschulen auferlege. Daraus ergebe sich zwar kein konkreter
Gestaltungsauftrag. Die Schutzpflicht beinhalte aber, dass der hessische
Gesetzgeber gegenüber europa- und bundesweiten Veränderungen der
Hochschulstrukturen, die sich auf die Qualität und Aufgabenerfüllung der
hessischen Hochschulen und ihre Standards in Forschung und Lehre auswirken
könnten, nicht gleichgültig bleiben dürfe. Der hessische Gesetzgeber habe die
Pflicht, derartigen faktischen und rechtlichen Einwirkungen, die für die
Gewährleistung eines freien Hochschulzugangs an den hessischen Hochschulen
Bedeutung entfalten könnten, Rechnung zu tragen. Für die Regelungsbefugnis des
Gesetzgebers folge daraus, dass er den gemeinschaftsgebundenen Charakter des
Art. 59 Abs. 1 HV durch konkretisierende Gesetzgebung deutlich machen könne.
Hierbei müsse er sich von dem Zweck des Art. 59 HV leiten lassen, jedem
Begabten ohne Rücksicht auf seine wirtschaftlichen Verhältnisse die Möglichkeit zu
einer Ausbildung zu geben. Zugleich ergebe sich aus Art. 59 Abs. 1 Satz 4 HV eine
Ermächtigung des Gesetzgebers, wirtschaftlich leistungsfähige Personen zu einem
Beitrag zu den Kosten des Unterrichtswesens zu verpflichten und damit einen
sozialen Ausgleich zu schaffen.
Maßgebliches Kriterium für die Vereinbarkeit des Studienbeitragsgesetzes mit Art.
59 Abs. 1 HV sei daher, ob die generelle Einführung von Grundstudienbeiträgen in
Verbindung mit einem Darlehensfinanzierungsmodell zum einen der Zielsetzung
gerecht werde, allen geeigneten Studienbewerbern ohne Rücksicht auf die
finanziellen Verhältnisse das Studium zu ermöglichen, zum anderen, ob die
Verpflichtung zur Zahlung von Grundstudienbeiträgen als „angemessenes
Schulgeld“, das im Hinblick auf die wirtschaftliche Lage im Sinne von Art. 59 Abs. 1
Satz 4 HV gestattet sei, qualifiziert werden könne.
Für die verfassungsrechtliche Beurteilung des Gesetzes sei davon auszugehen,
dass dem Gesetzgeber eine Einschätzungsprärogative im Hinblick auf die
bildungs- und sozialpolitischen Auswirkungen des Studienbeitragsgesetzes
zukomme. Insbesondere auf dem Gebiet der Arbeitsmarkt-, Sozial- und
Wirtschaftsordnung sei nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts eine besonders weite Gestaltungsfreiheit des
Gesetzgebers anzunehmen und dessen Einschätzungs- und Prognosevorrang zu
beachten. Der Staatsgerichtshof habe in seiner früheren Rechtsprechung die
Notwendigkeit der Flexibilität der Auslegung von Art. 59 Abs. 1 HV betont, „um
dem gewöhnlichen Gesetzgeber bei der Ausgestaltung, die immer von
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dem gewöhnlichen Gesetzgeber bei der Ausgestaltung, die immer von
wechselnden Umständen abhängig ist, nicht über Gebühr die Hände zu binden“.
Der Gesetzgeber sei nach Ausschöpfung des vorhandenen Expertenwissens in
einem bildungs- und sozialpolitisch höchst komplexen Bereich zu dem Ergebnis
gekommen, dass die vorgeschlagene Einführung von Studienbeiträgen in
Verbindung mit einem bonitätsprüfungsunabhängigen Darlehensmodell geeignet
sei, das verfassungsrechtliche Ziel eines offenen und zugleich sozial gerechten
Studienzugangs für alle geeigneten Studienbewerber zu verwirklichen. Die
Einführung von Grundstudienbeiträgen werde zu einer Erhöhung der Qualität der
Lehre, einer Verminderung der Abbrecherquote und einer Verkürzung der
durchschnittlichen Studienzeiten beitragen. Nahezu sämtliche neueren
Hochschulmodelle im nationalen und internationalen Bereich gingen davon aus,
dass Studienbeiträge eine wesentliche Voraussetzung für die geplante
Umgestaltung der Hochschulstruktur in Richtung Profilbildung, Wettbewerb und
Autonomie seien. Die Prognose des Gesetzgebers, die Einführung bescheidener
Studienbeiträge in Verbindung mit einem umfassenden Darlehensmodell werde
auch für sozial schwächere Studierende keine Abschreckungswirkung entfalten,
könne nicht als fehlerhaft beanstandet werden. Gleiches gelte für die
Einschätzung, mögliche negative Effekte würden durch die Aussicht auf die
Reduzierung der Gesamtkosten einer Ausbildung kompensiert, so dass
Studienbeiträge nicht geeignet seien, die Offenheit des Hochschulzugangs im
Sinne von Art. 59 Abs. 1 HV zu beeinträchtigen.
Neuen Untersuchungen zufolge könne eine unerwünschte soziale Selektion von
Hochschulabsolventen nach den Einkommensverhältnissen weder im
internationalen Vergleich noch innerhalb der Bundesrepublik Deutschland auf die
Einführung von Studienbeiträgen zurückgeführt werden, sondern auf andere
Ursachen, wie z.B. die unterschiedliche Förderung während des Kindesalters.
Welche Bedeutung der Übernahme einer Darlehensverpflichtung zur Finanzierung
von Studienbeiträgen in einer durchschnittlichen Höhe von 5.000 Euro bis 6.000
Euro neben der Aussicht einer geringeren Studiendauer, höheren
Einkommenserwartungen und geringerem Arbeitslosenrisiko nach Abschluss einer
Hochschulausbildung für die Motivationslage eines Studienanfängers aus finanziell
schwachen Verhältnissen zukomme, sei bislang allerdings kaum hinreichend
geklärt. Von wirtschaftswissenschaftlicher Seite werde darauf hingewiesen, dass
durch die Einführung von bescheidenen Studienbeiträgen entstandene Mehrkosten
mehr als kompensiert würden durch die zukünftige Rendite einer erfolgreichen
Hochschulausbildung in Verbindung mit kürzeren Studiendauern und einem
früheren Eintritt ins Berufsleben. Die Einschätzung des Gesetzgebers, ohne die
Einführung von Studienbeiträgen ließen sich negative bildungs- und
finanzpolitische Wirkungen nicht vermeiden, beziehe sich auf die beabsichtigte
bzw. bereits beschlossene Einführung von Studienbeiträgen in den benachbarten
Bundesländern und die sich daraus ergebende Befürchtung, dass es zu einer
Wanderungsbewegung zu den hessischen Hochschulen komme.
Entgegen der Auffassung der Antragsteller führe das Konzept der nachgelagerten
Studienbeiträge nicht zu einem Verstoß gegen Art. 59 Abs. 1 HV. Dieses soziale
Grundrecht stehe nach der Rechtsprechung des Staatsgerichtshofs unter dem
Vorbehalt dessen, was der Einzelne vernünftigerweise von der Gesellschaft
beanspruchen könne. Die in Art. 59 Abs.1 Satz 4 HV vorgesehene Möglichkeit,
Schulgeldzahlungen derjenigen Personen anzuordnen, deren wirtschaftliche Lage
einen eigenen finanziellen Beitrag zu den Gesamtkosten einer Ausbildung
gestatte, sei, wie der Staatsgerichtshof festgestellt habe, nicht als eine restriktiv
auszulegende Ausnahme vom Grundsatz unentgeltlicher Hochschulausbildung zu
interpretieren, sondern als Konkretisierung eines Prinzips sozialverträglicher
Beteiligung Studierender an den Ausbildungskosten durch ein „angemessenes
Schulgeld“. Gestalte der Gesetzgeber die „wirtschaftliche Lage“ dergestalt, dass
im Regelfall jedem Studierenden die Übernahme eines bescheidenen
Kostenanteils zugemutet werden könne, so erlaube Art. 59 Abs. 1 Satz 4 HV auch
die flächendeckende Beitragspflicht. Angesichts der hohen Kosten einer
Hochschulausbildung und der Knappheit der öffentlichen Mittel sowie der vom
Gesetzgeber anderweitig zu berücksichtigenden sozialstaatlichen Anforderungen
erscheine es sachgerecht, in gleicher Weise wie die aktuelle finanzielle
Leistungsfähigkeit bei Beginn des Studiums diejenige, die im Regelfall auf Grund
der zu finanzierenden staatlichen Ausbildungsleistungen geschaffen werde, in den
sozialen Ausgleich einzubeziehen. Die mit der Verschuldung eintretende
wirtschaftliche Belastung, die an die Stelle der unmittelbaren Zahlungspflicht trete,
könne andererseits nicht unabhängig von den Rückzahlungsmodalitäten
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könne andererseits nicht unabhängig von den Rückzahlungsmodalitäten
interpretiert werden. Die Rückzahlungspflicht realisiere sich erst dann, wenn die
wirtschaftliche Lage es gestatte.
Ein Verbot der Darlehensverzinsung lasse sich Wortlaut und Zweck des Art. 59
Abs. 1 Satz 4 HV nicht entnehmen. Der Gesetzgeber habe einen Anspruch auf
Gewährung eines Studiendarlehens ohne Rücksicht auf die Prüfung der
Vermögensverhältnisse vorgesehen. Damit hätten bewusst neue, aufwändige
administrative Prüfungsverfahren vermieden werden sollen. Die grundsätzliche
Entscheidung für eine Verzinsung der Darlehensgewährung beseitige lediglich
einen anderenfalls aus der Unverzinslichkeit des Darlehens resultierenden
geldwerten Vorteil. Die sich aus der Verzinsung ergebende höhere Belastung der
weniger Leistungsfähigen im Vergleich zu Studierenden, die entweder auf ein
Darlehen aus finanziellen Gründen von vornherein nicht angewiesen oder wegen
ihrer höheren Leistungskraft zu einer raschen Rückzahlung des Darlehens in der
Lage seien, ergebe sich als Konsequenz einer in der Ausgangslage ungleichen
finanziellen Situation. Es sei nicht die Funktion von Art. 59 Abs. 1 HV, diese
Ungleichheit als solche zu beseitigen; er verlange die Eröffnung des
Hochschulzugangs für jeden geeigneten Studienbewerber ohne Rücksicht auf
dessen wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Gestatte die „wirtschaftliche Lage“ die
Heranziehung zu den Kosten der Ausbildung, so sei die Erhebung eines
angemessenen Schulgeldes verfassungsrechtlich zulässig ohne Rücksicht darauf,
ob finanziell leistungsfähigere Personen eher in der Lage seien, eine Verschuldung
und eine damit verbundene Zinsbelastung rasch zu reduzieren bzw.
Studienbeiträge ohne Darlehen zu finanzieren, als Studierende, deren
wirtschaftliche Lage lediglich die Rückzahlung nach Maßgabe der im
Studienbeitragsgesetz vorgesehenen Mindestbeträge gestatte. Für die Beurteilung
der finanziellen Belastungen der Studierenden, die auf die Inanspruchnahme von
Studiendarlehen angewiesen seien, sei von wesentlicher Bedeutung, dass
Empfänger von Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz
keinerlei Zinsbelastungen für die förderfähigen Semester zu tragen hätten,
sondern ausschließlich zur Rückzahlung in Höhe der Studienbeiträge bei
entsprechender wirtschaftlicher Lage verpflichtet seien. Hinzu kämen die
gesetzlichen Befreiungs- und Ermäßigungstatbestände im Falle der
Kindererziehung oder unbilliger Härten. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen,
dass die Festsetzung der Höchstgrenze der Verschuldung auf 15000 Euro neben
den Studiendarlehen auch die Zinsen berücksichtige.
Die Koppelung der Zinsentlastung und der Rückzahlungsstundung mit den
jeweiligen Einkommensgrenzen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes sei
sinnvoll und stehe mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen an
rechtsstaatliche Bestimmtheit im Einklang. Es liege ein enger sachlicher
Zusammenhang dergestalt vor, dass die Voraussetzungen für die
Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz
auf den gleichen sozialen Erwägungen beruhten, die der hessische Gesetzgeber
bei der Festlegung der Einkommensgrenzen für die Zinsentlastung und die
Stundung der Darlehensrückzahlung zulässigerweise als maßgeblich ansehe.
Die Verwendung eines Teils der Einnahmen aus den Studienbeiträgen zur Deckung
der Ausfallrisiken ab dem Jahr 2011 führe entgegen der Auffassung der
Antragsteller nicht dazu, dass ein Teil der Studienbeiträge rechtlich als
zwangsweise „Sonderabgabe“ zur Deckung einer vom Zweck der Beitragsregelung
grundsätzlich unterschiedenen öffentlich-rechtlichen Aufgabe der Gewährleistung
des Hochschulzugangs für wirtschaftlich leistungsschwächere Personen diene, und
verstoße nicht gegen verfassungsrechtliche Grundsätze der Abgabengerechtigkeit
und des Gleichbehandlungsgebots der Hessischen Verfassung. Die
Darlehensregelung stehe in einem untrennbaren Zusammenhang mit der
Beitragserhebung. Die Verwaltungskosten, Ausfallrisiken und
Zinsfreistellungskosten seien, auch wenn sie tatsächlich regelmäßig nur einen
wirtschaftlich leistungsschwächeren Personenkreis beträfen, gemeinsamer
Bestandteil eines einheitlichen Konzepts sozialverträglicher Kostenbelastung, das
im Grundsatz allen Studierenden zugute komme, denen die Beitragspflicht
obliege.
Die Beitragsregelung des Studienbeitragsgesetzes für das Zweit- und
Langzeitstudium sei wegen der unterschiedlichen Situation der Studierenden
sachlich gerechtfertigt. Der Gesetzgeber habe für Zweitstudiengänge keine
gesetzliche Beitragserhöhung angeordnet, sondern die Hochschulen lediglich
ermächtigt, in einer Satzung höhere Studienbeiträge unter Berücksichtigung der
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ermächtigt, in einer Satzung höhere Studienbeiträge unter Berücksichtigung der
Gegebenheiten des einzelnen Studiengangs vorzusehen. Die hiergegen
erhobenen Einwände im Hinblick auf die fehlende Bestimmtheit des
Abgabentatbestands berücksichtigten nicht, dass Art. 60 Abs. 1 Satz 2 HV den
hessischen Hochschulen das Recht der Selbstverwaltung einräume und dass unter
Berücksichtigung der Satzungsautonomie der Hochschulen auch die
Notwendigkeit von Beitragssatzungen eine hinreichende Normenklarheit und
Bestimmtheit bei der Festlegung der Beiträge für Zweitstudien sicherstelle.
Die Einräumung eines Ermessens der Hochschule zur Beitragsreduzierung im
Teilzeitstudium sei im Hinblick auf die Notwendigkeit einer flexiblen Regelung des
entstandenen Aufwandes gerechtfertigt und ermögliche der Hochschule auch
insoweit eine Perspektive des Wettbewerbs und der Profilbildung.
Sachlich gerechtfertigt sei auch die Beschränkung des Ermessens der
Hochschulen zur Beitragsreduzierung bei Teilzeitstudiengängen nur bezüglich des
Grundstudienbeitrags. Der Studierende, der einen ersten berufsqualifizierenden
Abschluss im Teilzeitstudium anstrebe, und derjenige Studierende, der ein
Teilzeitstudium zum Erwerb eines weiteren berufsqualifizierenden Abschlusses
absolviere, seien typischerweise in einer unterschiedlichen wirtschaftlichen
Situation.
Der Ausschluss des Darlehensanspruchs für Zweit- und Langzeitstudienbeiträge
mit Ausnahme der nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz geförderten
Studienzeiten sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Es sei weiterhin mit
dem Gleichbehandlungsgrundsatz der Hessischen Verfassung vereinbar,
Langzeitstudienbeiträge anders als die allgemeinen Studienbeiträge grundsätzlich
dem Landeshaushalt zuzuweisen und nicht in die Zweckbindung des § 1 Abs. 3
HStubeiG einzubeziehen.
Eine unzulässige Ungleichbehandlung könne ferner nicht darin gesehen werden,
dass wegen der Zweckbindung der allgemeinen Studienbeiträge die
„gewöhnlichen“ Beitragszahler höhere Ausbildungsleistungen für
Langzeitstudierende finanzierten, während deren Beiträge dem allgemeinen
Landeshaushalt zuflössen. Die Zweckbindung der Studienbeiträge zur
Qualitätsförderung der Ausbildung ändere nichts an der Finanzierung der
Hochschulausbildung durch staatliche Leistungen. Darin liege keine „fremdnützige
Sonderabgabe“ und auch keine unzulässige Ungleichbehandlung. Aus den
gleichen Gründen könne eine Verletzung des Gleichheitssatzes auch nicht daraus
hergeleitet werden, dass die Verwendung der der Hochschule zufließenden Mittel
durch den Gesetzgeber nicht detailliert geregelt werde und damit „Umverteilungen
zwischen Zahlerbereichen einerseits und Nutznießerbereichen“ nicht verhindert
würden.
Die Übergangsregelung zum Studienguthabengesetz sei mit dem Grundsatz des
Vertrauensschutzes und dem Rechtsstaatsprinzip, die auch als ungeschriebene
Bestandteile der Hessischen Verfassung angesehen werden könnten, in vollem
Umfang vereinbar. Im vorliegenden Fall sei keine rückwirkende Anknüpfung an
bereits abgeschlossene Sachverhalte gegeben, da die Übergangsregelung keine
Erhebung von Studienbeiträgen für zurückliegende Semester vorsehe, sondern
den Beginn der Studienbeitragspflicht auf etwa ein Jahr nach Inkrafttreten des
Gesetzes begrenze. Zudem habe ein Vertrauen auf den Fortbestand der
Entgeltfreiheit spätestens seit der Entscheidung der Landesregierung, ein
Studienbeitragsgesetz in den Landtag einzubringen, nicht mehr entstehen
können. Dabei könne auch aus dem Studienguthabengesetz keine weitergehende
verfassungsrechtlich geschützte Rechtsposition abgeleitet werden. Die Einführung
des Studienguthabenmodells habe keine neuen Rechtspositionen auf Absolvierung
eines studienbeitragsfreien Hochschulstudiums begründet. Die mögliche Annahme
Studierender, auf der Grundlage des Studienguthabensgesetzes ihr Studium
beitragsfrei fortsetzen zu können, stelle sich verfassungsrechtlich als bloße
Entziehung der Hoffnung auf eine unveränderte Gesetzeslage dar, die als solche
keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz genieße.
Schließlich liege auch keine Ungleichbehandlung darin, dass die Beitragsbefreiung
wegen Kindererziehung pro Kind, nicht aber pro Elternteil gewährt werde. Die
beschränkte Beitragsbefreiung solle die finanzielle und zeitliche Belastung durch
Kinder zumindest teilweise ausgleichen. Diese bestünde aber nicht je Elternteil,
sondern nur pro Kind, unabhängig davon, ob beide Elternteil studierten. Dabei
stehe es den Eltern gänzlich frei, wie sie die beitragsfreien Semester
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stehe es den Eltern gänzlich frei, wie sie die beitragsfreien Semester
untereinander aufteilten. Aufgrund dieser Wahlfreiheit der Eltern sei auch nicht
ersichtlich, warum die Inanspruchnahme der Freisemester typischerweise zu
Ungunsten von Frauen erfolgen sollte, so dass auch eine mittelbare
Diskriminierung von Frauen aufgrund ihres Geschlechts nicht erkennbar sei.
Art. 67 HV rechtfertige nicht die Heranziehung der Bestimmungen des
Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte als
unmittelbaren Prüfungsmaßstab für die Verfassungsmäßigkeit des
Studienbeitragsgesetzes. Zudem werde nach dem eindeutigen Wortlaut des Art.
13 Abs. 2 lit. c des UN-Sozialpaktes keine Verpflichtung der Vertragsstaaten
begründet, im innerstaatlichen Recht die unentgeltliche Inanspruchnahme des
Hochschulunterrichts vorzusehen. Wortlaut und Zweck der Vorschrift lasse
unmissverständlich erkennen, dass die Verpflichtungen der Vertragsstaaten aus
Art. 13 des UN-Sozialpaktes lediglich programmatischen Charakter aufwiesen.
Dies bedeute, dass die Vertragsstaaten lediglich eine allgemeine, auf die
Herbeiführung gewisser Ziele umschriebene Verpflichtung eingegangen seien,
ihnen aber gleichzeitig ein großer Spielraum bei der Verwirklichung dieser
Zielsetzung bleibe. Es bestehe daher lediglich die Verpflichtung der
Vertragsstaaten, ihre Hochschulpolitik darauf einzurichten, dass das Recht auf
freien Hochschulzugang nach Eignung und Befähigung gewährleistet werde.
Die Landesregierung hat keinen Antrag gestellt.
V.
Die Landesanwaltschaft hat mit Schriftsatz vom 19. Juli 2007 ihre Beteiligung an
dem Verfahren P.St. 2133 gemäß § 21 StGHG erklärt und mit Schriftsatz vom 8.
November 2007 zum Verfahren P.St. 2158 Stellung genommen. Sie hält die
angegriffenen Vorschriften des Studienbeitragsgesetzes für unvereinbar mit Art.
59 Abs. 1 HV sowie teilweise auch mit Art. 1 HV.
Sozialverträgliche Studiengebühren könnten zwar grundsätzlich ein vernünftiges
Steuerungsinstrument sein. Empirische Untersuchungen deuteten darauf hin,
dass das bisherige auf Steuern basierende System der Hochschulfinanzierung
unter Verteilungsaspekten zumindest als fragwürdig anzusehen sei. Aus Gründen
sozialer Gerechtigkeit könnten Studiengebühren unter Umständen als wesentlich
sozialer angesehen werden, handele es sich bei der unentgeltlichen Nutzung von
Hochschulen doch um eine Umverteilung von „unten nach oben“.
Sozialverträgliche Studiengebühren verstießen daher nicht gegen allgemeine
Grundsätze der Verfassung, wie etwa das Sozialstaatsprinzip oder Grundrechte.
Die Hessische Verfassung weise jedoch eine Besonderheit auf. Anders als viele
andere Landesverfassungen enthalte sie in Art. 59 Abs. 1 HV eine spezifische
Vorschrift, die die Unentgeltlichkeit des Studiums verfassungskräftig vorschreibe.
Zwischen Art. 59 Abs. 1 Satz 1 HV und Art. 59 Abs. 1 Satz 4 HV bestehe kein
strenges Regel-Ausnahme-Verhältnis. Vielmehr stehe dem Gesetzgeber zum
einen nach Art. 59 Abs. 1 Satz 1 HV die Möglichkeit offen, Art und Umfang des
unentgeltlichen Unterrichts an den Hochschulen zu begrenzen; zum anderen
bestehe die Option, nach Satz 4 ein angemessenes Schulgeld zu erheben. Dabei
handele es sich um zwei streng zu unterscheidende Instrumente des
Gesetzgebers zur Gewährleistung staatlichen Handlungsspielraums
beziehungsweise zur Schaffung eines sozialen Ausgleichs im Rahmen von Art. 59
Abs. 1 HV. Die Erhebung eines Entgelts für den Unterricht, die zunächst der
Garantie des Art. 59 Abs. 1 Satz 1 HV zuwiderlaufe, könne nur in den Grenzen des
Art. 59 Abs. 1 Satz 4 HV erfolgen. Dieser Einschätzung stehe nicht der Charakter
des Art. 59 Abs. 1 HV als soziales Grundrecht entgegen. Der hessische
Gesetzgeber sei durch Art. 59 Abs. 1 Satz 1 HV nicht auf eine bestimmte
staatliche Aktivität, auf ein Mindestmaß staatlicher Verschaffung verpflichtet.
Allerdings gebiete Art. 59 Abs. 1 Satz 1 HV dem Gesetzgeber, das nach Maßgabe
des Möglichen zu ermittelnde, öffentlich finanzierte staatliche Leistungsangebot
unentgeltlich zur Verfügung zu stellen. Inwiefern und von welchen
Personengruppen ergänzend ein Schulgeld zur Herstellung eines sozialen
Ausgleichs erhoben werden könne, regele Art. 59 Abs. 1 Satz 4 HV. Dieses
Regelungskonzept könne nicht in seiner Gesamtheit unter Hinweis auf den
Vorbehalt des Möglichen in Frage gestellt werden, denn das würde bedeuten, die
im Verfassungsgefüge bestehende Konzeption durch einfaches Recht
auszuhebeln.
Die Erhebung eines Grundstudienbeitrags durch das Studienbeitragsgesetz
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Die Erhebung eines Grundstudienbeitrags durch das Studienbeitragsgesetz
verstoße gegen die in Art. 59 Abs. 1 Satz 1 und Satz 4 enthaltene Garantie, indem
eine Entgeltzahlungspflicht unabhängig von der Leistungsfähigkeit der
Studierenden oder der ihrer Unterhaltsverpflichteten konstituiert werde. Diese
allgemeine Entgeltzahlungspflicht könnte nur dann mit der
Ausgestaltungsbefugnis des Art. 59 Abs. 1 Satz 4 HV als vereinbar angesehen
werden, wenn alle betroffenen Studierenden wirtschaftlich leistungsfähig wären.
Davon sei aber selbst der Gesetzgeber nicht ausgegangen, denn er habe eine
fehlende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zumindest der Studierenden
angenommen, die zum Erhalt von Leistungen nach dem
Bundesausbildungsförderungsgesetz berechtigt sind.
Der Gesetzgeber habe die ihm nach Art. 59 Abs. 1 Satz 4 HV zukommende
Ausgestaltungsbefugnis auch nicht deswegen rechtmäßig ausgeübt, weil er die
wirtschaftliche Leistungsfähigkeit aller Studierenden durch Darlehen im Sinne des
§ 7 HStubeiG bewerkstelligt habe. Die fehlende Leistungsfähigkeit könne nicht
durch ein Darlehen hergestellt werden. Ebenso wenig wie zivilrechtlich nicht
gegebene Unterhaltsansprüche durch ein vom Sozialhilfeträger gewährtes
Darlehen begründet werden könnten, ändere die Gewährung eines Darlehens nach
§ 7 HStubeiG etwas an dem Umstand fehlender Leistungsfähigkeit vor dessen
Aufnahme.
Telos des Art. 59 Abs. 1 HV sei nach übereinstimmender Auffassung von Literatur
und Rechtsprechung die Gewährung einer von wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit
unabhängigen Bildungschancengleichheit. Die Vorschrift verfolge das Ziel, „freie
Bahn dem Tüchtigen“ zu gewähren. Dem sozial Schwächeren solle eine
akademische Ausbildung nicht deshalb verschlossen bleiben, weil er die Mittel für
das Unterrichtsgeld nicht aufbringen könne. Dies habe gleichwohl nicht zur Folge,
dass dem Gesetzgeber ein besonders weiter Beurteilungsspielraum im Hinblick auf
die bildungs- und sozialpolitischen Auswirkungen des Studienbeitragsgesetzes
zustehe, der nur dann überschritten wäre, wenn die diesbezüglichen
gesetzgeberischen Erwägungen offensichtlich keine Grundlage für eine vernünftige
gesetzgeberische Maßnahme bilden könnten. Der besondere Aussagegehalt des
Art. 59 Abs. 1 Satz 4 HV liege darin, die intendierte Bildungsgleichheit von der
aktuellen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit abzukoppeln. Das bonitätsunabhängig
zu gewährende Darlehen ermögliche zwar grundsätzlich jedem Studierenden die
Aufnahme und Durchführung eines Studiums. Eine sichere Grundlage für die
Einschätzung, dass der freie Zugang zum Studium und die
Bildungschancengleichheit infolge der Darlehensoption nicht gefährdet seien, sei
damit jedoch nicht verbunden.
Ausweislich der 18. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks zur sozialen
und wirtschaftlichen Lage der Studierenden in der Bundesrepublik Deutschland
2006 sagten immerhin 25 % der teilnehmenden Studierenden aus, sie würden
keine Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz beziehen, weil
sie keine Schulden machen wollten. Dies könne zumindest ein Indiz dafür sein,
dass „Schuldenangst“ einen nicht außer Acht zu lassenden Gesichtspunkt der
Bildungsplanung darstelle. Zu berücksichtigen seien auch die
Ausweichbewegungen wenig Verschuldungsbereiter etwa in studienbegleitende
Erwerbstätigkeit. Da 60 % der befragten Studierenden ohnehin schon zumindest
einen Teil ihres Lebensunterhaltes durch Erwerbsarbeit finanzierten, könne nicht
ausgeschlossen werden, dass bei einem relevanten Teil von Studierenden die
dann zu leistende Erwerbsarbeit ein Ausmaß erreiche, welches entweder die
Studienleistungen signifikant senke oder aber die Studiendauer steigere.
In Anbetracht dieser empirischen Befunde habe der Landesgesetzgeber nicht mit
Sicherheit davon ausgehen können, die Erhebung eines Grundstudienbeitrags
werde nicht zu einer Beeinträchtigung des freien Zugangs zum Studium führen
sowie die Bildungschancengleichheit nicht beeinträchtigen.
Indem das Studienbeitragsgesetz in § 6 Abs. 1 den Anspruch auf Befreiung von
der Beitragspflicht an das Vorhandensein eines Kindes knüpfe und in dessen Satz
3 eine frei gestaltbare Verteilung auf die Eltern vorsehe, verstoße der Gesetzgeber
gegen das Willkürverbot. Grundsätzlich würden Studierende in ihrer
Studienleistung - unabhängig davon, in welcher Beziehungsform sie lebten - durch
ein Kind in gleicher Weise beeinträchtigt. Diesem Umstand trage der Gesetzgeber
nicht hinreichend Rechnung, wenn er die Befreiung von der Beitragspflicht je Kind
statt je Elternteil gewähre. Bei zwei studierenden Elternteilen hätten Studierende
die beitragsfreien Semester unter sich zu verteilen, erhielten also im Schnitt nur
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die beitragsfreien Semester unter sich zu verteilen, erhielten also im Schnitt nur
für drei Semester eine Befreiung. Demgegenüber könnten Studierende, die mit
einem nicht studierenden Partner zusammenlebten, sechs Freisemester in
Anspruch nehmen. Diese Ungleichbehandlung Studierender lasse sich nicht auf
sachliche Gründe stützen und sei deswegen willkürlich.
Weiterhin stehe zu erwarten, dass sich § 6 Abs. 1 HStubeiG ganz überwiegend zum
Nachteil von Frauen auswirke. Die Vorschrift erfülle damit auch den Tatbestand der
mittelbaren Benachteiligung. Bei studierenden Paaren mit Kindern würden häufig
weibliche Studierende zum Zeitpunkt der Geburt und in den Folgemonaten ihr
Studium unterbrechen, während Väter überwiegend ihr Studium zu Ende brächten.
Mithin sei davon auszugehen, dass überwiegend männliche Studierende die nach §
6 Abs. 1 Satz 3 HStubeiG frei zu verteilenden Freisemester in Anspruch nehmen
werden. Zu dem Zeitpunkt, in dem Mütter ihr Studium wieder aufnehmen wollten,
seien die Freisemester verbraucht. Weibliche Studierende würden deswegen ihr
Studium entweder beenden oder aber nur unter - gegenüber männlichen
Studierenden - erschwerten Bedingungen fortsetzen können.
Weitere Vorschriften des angegriffenen Gesetzes verstießen indes für sich
genommen nicht gegen die Hessische Verfassung. Dies gelte für die
Darlehensverzinsung, die die ökonomisch konsequente Folge der Erhebung
flächendeckender Studienabgaben sei. Gleiches gelte im Ergebnis für die
vorgesehenen dynamischen Verweisungen, die Studienfondsregelung sowie die
Zweckbindungsregelungen. Allerdings handele es sich entgegen der in § 1 Abs. 1
Satz 1 HStubeiG gewählten Bezeichnung bei den von den Studierenden zu
entrichtenden Abgaben nicht um Beiträge, sondern um Gebühren. Denn die
Abgaben dienten der Abgeltung eines Vorteils, der mit der Immatrikulation oder
Rückmeldung verbunden sei, nämlich der Inanspruchnahme des Lehrangebots
sowie der Lehrmittel der Hochschule und der sonstigen Einrichtungen. Dieser
Vorteil stehe allen Studierenden gleichermaßen zur Verfügung, so dass insoweit
eine Verletzung des Art. 1 HV nicht gegeben sei. Die Einnahmen aus Gebühren
unterlägen traditionell und unbestritten keiner Zweckbindung, sondern flössen in
den allgemeinen Haushalt. Insoweit stehe das Gebührenaufkommen durchaus für
die Finanzierung allgemeiner Staatsaufgaben zur Verfügung. Unter
Gleichheitsaspekten seien daher an die Verwendung der Gebühren keine
konkreten Anforderungen zu stellen.
Die Abgabenregelungen zu Zweitstudium und Teilzeitstudium sowie der
Ausschluss der Darlehensberechtigung für Zweitstudien- und
Langzeitstudienbeiträge beinhalteten keinen Verstoß gegen Art. 1 HV. Der
allgemeine Gleichheitssatz verlange, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich
Ungleiches ungleich zu behandeln. Bezogen auf das Abgabenrecht folge aus
diesem Grundsatz insbesondere, dass bei gleichartig beschaffenen Leistungen, die
rechnerisch und finanziell in Leistungseinheiten erfasst werden könnten, die
Gebührenmaßstäbe und Gebührensätze so zu wählen und zu staffeln seien, dass
sie unterschiedlichen Ausmaßen in der erbrachten Leistung Rechnung trügen,
damit die verhältnismäßige Gleichheit unter den Gebührenschuldnern gewahrt
bleibe. Dies bedeute jedoch nicht, dass Gebührenpflichtige immer dann
unterschiedlich stark zu belasten seien, wenn eine Gruppe der Begünstigten aus
der Leistung einen größeren Vorteil ziehe oder ihr sonst näher stehe als andere.
Abweichungen seien nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Typisierung aus
Gründen der Praktikabilität und Vereinfachung möglich. Es reiche, wenn für eine
Gleich- oder Ungleichbehandlung im Abgabenrecht jeweils tragfähige Gründe
gegeben seien.
Dies beachtend sei der Gesetzgeber nicht zwingend gehalten gewesen, die Höhe
der Studiengebühr für ein Zweitstudium in gleicher Weise wie bei einem
Grundstudium zu gestalten bzw. die Gebühr für ein Teilzeitstudium zu reduzieren.
Zudem sei der Gesetzgeber nicht verpflichtet gewesen, auch im Rahmen eines
Zweitstudiums einen Anspruch auf ein Studiendarlehen zu gewähren.
Da die Studiengebühren die Kosten für ein Studium bei Weitem nicht abdeckten,
komme dem Gesetzgeber ein weiter Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Frage
zu, in welcher Höhe und in welcher Art und Weise ein Zweitstudium absolviert
werden solle. Soweit § 3 Abs. 3 Satz 3 HStubeiG insofern auf eine Gestaltung
durch die Hochschulen verweise und § 7 Abs. 1 Satz 1 HStubeiG den Ausschluss
der Darlehensgewährung für ein Zweitstudium anordne, sei dies sachgerecht und
trage der Universitäts- und Hochschulautonomie nach Art. 60 Abs. 1 HV
Rechnung. Letzteres gelte auch für die Regelung zum Teilzeitstudium nach § 3
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Rechnung. Letzteres gelte auch für die Regelung zum Teilzeitstudium nach § 3
Abs. 2 HStubeiG. Denn das Angebot eines Teilzeitstudiums könne für die
Universitäten infolge - im Vergleich zu üblichen Studiengängen - besonderer
Veranstaltungszeiten durchaus erhöhte Aufwendungen zur Folge haben.
Im Übrigen lasse sich der Ausschluss einer Darlehensberechtigung für
Langzeitstudierende nach § 7 Abs. 1 Satz 1 HStubeiG auf einen tragfähigen Grund
stützen. Der Gesetzgeber verfolge mit dieser Maßnahme die Intention, eine
Lenkungswirkung auf Studierende zu erzeugen, die den Abschluss ihres Studiums
unangemessen hinauszögerten. Dieses Ziel sei verfassungsrechtlich nicht zu
beanstanden.
Die in § 13 Abs. 1 HStubeiG, § 7 Abs. 1 StuGuG enthaltene Übergangsregelung
verstoße nicht gegen das in der Hessischen Verfassung enthaltene Prinzip der
Rechtssicherheit in der Form des Vertrauensschutzes (Rückwirkungsverbot).
Allerdings sei der Gesetzgeber auch dann, wenn eine Regelung in ihrer Rechtsfolge
nur auf gegenwärtige oder zukünftige Sachverhalte bezogen sei, verpflichtet, ein
möglicherweise gegebenes schutzwürdiges Vertrauen des Normadressaten in den
Fortbestand der alten Rechtslage zu beachten. Sei dieses Vertrauen in Anbetracht
getroffener Dispositionen so schutzwürdig, dass es das Interesse des
Gesetzgebers an der Neugestaltung der Rechtslage auch in Bezug auf diese Fälle
überwiege, sei ausnahmsweise von der Einbeziehung der Betroffenen in das
Gesetz abzusehen oder eine solche durch eine angemessene Übergangsregelung
verhältnismäßig zu gestalten. Solche gewichtigen Einzelinteressen der bereits
immatrikulierten Studierenden seien vorliegend jedoch nicht gegeben. Denn ein
Bürger könne grundsätzlich nicht darauf vertrauen, dass der Gesetzgeber eine für
ihn günstige Gesetzeslage jederzeit aufrechterhalte. Der verfassungsrechtliche
Vertrauensschutz gehe nicht so weit, den Begünstigten einer Regelung vor jeder
„Enttäuschung“ zu bewahren. Andernfalls würde der zum Ausgleich zu bringende
Widerstreit zwischen den Prinzipien der Rechtssicherheit und des
Vertrauensschutzes auf der einen Seite mit der unabweisbaren Notwendigkeit, die
Rechtsordnung verändern zu können, auf der anderen Seite in nicht mehr
vertretbarer Weise zu Lasten der Anpassungsfähigkeit der Rechtsordnung gelöst.
Die maßgeblichen Bestimmungen des UN-Sozialpakts könnten nicht als
unmittelbarer Prüfungsmaßstab für die Verfassungsmäßigkeit des
Studienbeitragsgesetzes herangezogen werden. Im Übrigen wiesen die darin
begründeten Verpflichtungen der Vertragsstaaten nur programmatischen
Charakter auf. Eine Verpflichtung der Vertragsstaaten, im innerstaatlichen Recht
die Unentgeltlichkeit des Hochschulunterrichts zu garantieren, gehe damit nicht
einher. Da die Regelungen des UN-Sozialpaktes insofern hinter den
Anforderungen, die die Hessische Verfassung in Art. 59 Abs. 1 HV an die
Einführung von Studiengebühren stelle, zurückblieben, hätten sie keine
eigenständige Bedeutung für deren Auslegung.
Die Landesanwaltschaft beantragt, wie folgt zu erkennen:
Es wird festgestellt, dass das Gesetz zur Einführung von Studienbeiträgen an
den Hochschulen des Landes und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 16.
Oktober 2006 gegen Art. 59 Abs. 1 und Art. 1 der Verfassung des Landes Hessen
verstößt. Es wird für nichtig erklärt.
VI.
Der Hessische Landtag hat mit Schreiben seines Präsidenten vom 6. November
2007 und 4. Dezember 2007 mitgeteilt, dass von einer Stellungnahme abgesehen
werde.
Entscheidungsgründe
B
I.
Der Normenkontrollantrag der Antragsteller zu 1 - 3 ist zulässig.
1. Gemäß Art. 131 Abs. 1, 132 HV in Verbindung mit § 15 Nr. 3, §§ 39 ff. des
Gesetzes über den Staatsgerichtshof - kurz: Staatsgerichtshofsgesetz (StGHG) -
entscheidet der Staatsgerichtshof des Landes Hessen darüber, ob ein Gesetz mit
der Verfassung in Widerspruch steht.
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142
2. Die antragstellenden 45 Abgeordneten sind antragsberechtigt. Sie gehörten im
Zeitpunkt der Antragstellung als Abgeordnete des 16. Hessischen Landtages zum
Kreis der Antragsberechtigten, die ein Verfahren zur Prüfung der
Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen vor dem Staatsgerichtshof einleiten können.
Ihre Anzahl wahrt das erforderliche Quorum von einem Zehntel der gesetzlichen
Zahl der Mitglieder des Hessischen Landtags (Art. 131 Abs. 2 HV, § 19 Abs. 2 Nr. 3
StGHG). Diese beträgt 110 (vgl. § 1 Abs. 1 des Gesetzes über die Wahlen zum
Landtag des Landes Hessen - Landtagswahlgesetz - vom 18.09.1950 [GVBl. S.
171] in der Fassung vom 28.12.2005 [GVBl. 2006 I S. 110, ber. S. 439]).
Die Antragsberechtigung ist nicht dadurch entfallen, dass aufgrund der Wahlen
zum 17. Hessischen Landtag 13 Antragsteller nicht mehr dem Hessischen
Landtag angehören. Denn das Verfahren der abstrakten Normenkontrolle ist als
objektives Verfahren ausgestaltet, das unabhängig von der Geltendmachung
subjektiver Rechte der Antragsteller durchgeführt wird. Es dient vielmehr allein der
Klärung der Verfassungsrechtslage. Nach der Einbringung des Antrags ist die
Zulässigkeit des weiteren Verfahrens nicht vom Fortbestand einer Fraktion oder
eines Mandatsverhältnisses abhängig (vgl. BVerfGE 79, 311 [327]; Günther,
Verfassungsgerichtsbarkeit in Hessen, 2004, § 19 Rdnr. 49).
3. Die Fraktionen der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands und von
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Hessischen Landtag sind ebenfalls antragsberechtigt
gem. § 19 Abs. 2 Nr. 4 StGHG.
Zwar werden die Landtagsfraktionen nicht als Antragsberechtigte in Art. 131 Abs.
2 HV erwähnt. Doch war der parlamentarische Landesgesetzgeber berechtigt, den
Fraktionen ein eigenes Antragsrecht zu verleihen. Denn die Aufzählung der
Antragsberechtigten in Artikel 131 Abs. 2 HV ist nicht abschließend.
a) Dies entspricht der bisherigen Rechtsprechung des Staatsgerichtshofes. In einer
frühen Entscheidung wurde Artikel 131 Abs. 2 HV, ergänzt um die
Antragsberechtigung der Landesanwaltschaft, zwar zunächst als abschließend
betrachtet (StGH, Beschluss vom 12.07.1967 - P.St. 495 - , ESVGH 18, 11 [12]).
Hieran hielt der Staatsgerichtshof in der Folge jedoch nicht fest: Der Kreis der nach
Art. 131 Abs. 2 HV Antragsberechtigten, die in den Fällen des Artikels 131 Abs. 1
HV eine Entscheidung des Staatsgerichtshofs herbeiführen können, wurde
ausdrücklich als nicht abschließend bezeichnet. Denn angesichts der
Ermächtigung in Art. 131 Abs. 1 HV zur Begründung weiterer Zuständigkeiten des
Staatsgerichtshofs sei dem Gesetzgeber auch die Kompetenz zur Bestimmung
weiterer Antragsberechtigter zuzusprechen (StGH, Urteil vom 03.07.1968 - P.St.
486 - , StAnz. 1968, S. 1180 [1182]; im Ergebnis ebenso Barwinski, in: Zinn/Stein,
HV [Stand: Januar 1999], Art. 131 - 133 Anm. B III 5 a). Später bestätigte dies der
Staatsgerichtshof und führte ergänzend aus, auch umgekehrt könne nicht jeder
der in Art. 131 Abs. 2 HV genannten Antragsberechtigten jedes Verfahren vor dem
Staatsgerichtshof beantragen. Vielmehr müsse die Antragsberechtigung „im
Einzelfall vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlichen und
verfassungspolitischen Gehalts“ der jeweiligen Streitigkeit gesehen werden (StGH,
Urteil vom 26.07.1978 - P.St. 789 - , StAnz. 1978, S. 1683 [1687]).
Von dieser grundsätzlichen Auffassung ist der Staatsgerichtshof auch in jüngerer
Zeit nicht abgerückt. In seiner Entscheidung zur kommunalen Grundrechtsklage (§
46 StGHG) hat er die durch § 19 Abs. 2 Nr. 10 StGHG eingeführte
Antragsberechtigung der Gemeinden und Gemeindeverbände für zulässig
erachtet. Der Kreis der Antragsberechtigten habe in Art. 131 Abs. 2 HV nicht
abschließend bestimmt werden sollen, obwohl sich die Aufzählung auf die
Verfahrensarten des Art. 131 Abs. 1 HV beziehe. Das zeige Absatz 3, aus dem
sich ergebe, in welchen Fällen und unter welchen Voraussetzungen jedermann das
Recht habe, den Staatsgerichtshof anzurufen. Insoweit liege nur eine Ergänzung zu
Art. 131 Abs. 2 HV vor, weil dort die Antragsberechtigung für jedermann nicht
aufgenommen sei. In weiteren von der Hessischen Verfassung genannten Fällen -
etwa Art. 17, 127 Abs. 4, 147 Abs. 2 HV - sollten andere als die in Art. 131 Abs. 2
HV Genannten Anträge stellen können. Die Ermächtigung des Gesetzgebers in
Art. 131 Abs. 1 letzte Alt. HV erstrecke sich somit auch auf den Kreis derer, die
antragsberechtigt sein sollen. Das gelte zumindest insoweit, als im Rahmen der
verfassungsrechtlichen Ermächtigung eine Verfahrensart neu geschaffen werde,
die in der Verfassung bisher nicht ausdrücklich vorgesehen gewesen sei (StGH,
Urteil vom 04.05.2004 - P.St. 1713 - , StAnz. 2004, S. 2097 [2104]).
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148
b) Die gegenteilige Auffassung, die Art. 131 Abs. 2 HV als grundsätzlich
abschließende Aufzählung der Antragsberechtigten begreift, stützt sich auf die
historische Auslegung unter besonderer Berücksichtigung der ersten Schritte der
Genese des Art. 131 Abs. 1, 2 HV bezüglich der Verfassungsstreitigkeiten. Weitere
Antragsberechtigungen könne der einfache Gesetzgeber nur dann schaffen, wenn
er von der Ermächtigung in Art. 131 Abs. 1, letzte Alt. HV Gebrauch mache und
neue, andere als die vier ausdrücklich genannten Verfahren schaffe (so Günther,
a.a.O., § 19 Rdnr. 21 - 30, 37, § 42 Rdnr. 14).
Dem schließt sich der Staatsgerichtshof jedoch nicht an.
aa) Zum einen enthält der Wortlaut des Art. 131 Abs. 2 HV keinen sprachlichen
Hinweis auf eine abschließende Aufzählung der dort genannten
Antragsberechtigten, obwohl dies durch die einfache Einfügung eines
einschränkenden Begriffes möglich gewesen wäre. Hätte der Aufzählung der
Antragsberechtigten tatsächlich eine abschließende Bedeutung zukommen sollen,
wäre zu erwarten gewesen, dass dies auch sprachlich zweifelsfrei zum Ausdruck
gebracht wird. Eindeutig ist allein, dass der einfache Gesetzgeber nicht befugt ist,
den dort Genannten ihre Antragsberechtigung zu entziehen. Die Möglichkeit einer
einfachgesetzlichen Erweiterung des Kreises der Antragsberechtigten ist damit
nicht zwingend ausgeschlossen.
bb) Zum anderen erweist sich die historische Auslegung als nur beschränkt
aussagekräftig, denn sie beruht im Wesentlichen auf einer Betrachtung des
Verfahrens der „Verfassungsstreitigkeiten“. Indem diese jedoch nur (noch) eine
von vier Zuständigkeiten in Art. 131 Abs. 1 HV darstellen, verliert das Argument
des materiellen Determinationszwecks des Absatzes 2, der sich auf alle Verfahren
des Absatzes 1 bezieht, seine Überzeugungskraft. Der abschließende Charakter
des Art. 131 Abs. 2 HV für vier Zuständigkeiten in Art. 131 Abs. 1 HV kann
schwerlich aus der Entstehungsgeschichte hergeleitet werden, wenn er sich
historisch nur für eine dieser Zuständigkeiten belegen lässt.
cc) Weiterhin müsste, wenn Art. 131 Abs. 2 HV ein abschließender Charakter
zugesprochen werden sollte, dies für alle in Absatz 1 der Vorschrift genannten
Verfahren gelten, also auch für Verfassungsstreitigkeiten und damit den
Organstreit als dessen klassischer Erscheinungsform. Dies wiederum würde
bedeuten, dass die Landtagsfraktionen als typische Beteiligte eines Organstreits
(s. nur BVerfGE 106, 253 [262]) in diesem Verfahren in Hessen entgegen § 19 Abs.
2 Nr. 4, § 42 Abs. 2 Satz 1 StGHG nicht antragsberechtigt wären. Daraus folgte
dann aber eine Rechtsschutzlücke, da den Fraktionen als hergebrachten
Institutionen des Parlamentslebens die Möglichkeit vorenthalten wäre, ihre Rechte
verfassungsgerichtlich geltend zu machen. Dieses schwerwiegende
verfassungsprozessuale Rechtsschutzdefizit kann auch nicht durch das
Antragsrecht des Zehntels der Mitglieder des Landtags kompensiert werden. Denn
diesen stehen ohne Verbindung zu einer Fraktion keine materiellen Gruppenrechte
zu, die sie im Verfahren vor dem Staatsgerichtshof geltend machen könnten (s. §
42 Abs. 3 StGHG).
c) Ein Antragsrecht einer Parlamentsfraktion widerspricht auch nicht dem Prinzip
der abstrakten Normenkontrolle als solcher, wie ein Vergleich mit dem sonstigen
deutschen Verfassungsprozessrecht zeigt. Zwar verlangen sowohl Art. 93 Abs. 1
Nr. 2 GG, § 13 Nr. 6 BVerfGG wie auch einzelne Landesverfassungen und
Landesverfassungsgerichtsgesetze für eine Antragsberechtigung im abstrakten
Normenkontrollverfahren deutlich höhere Quoren von Mitgliedern der jeweiligen
Parlamente, als sie etwa eine Fraktion des Hessischen Landtags im Einzelfall
verkörpern kann (fünf Abgeordnete sind zur Erreichung des Fraktionsstatus
ausreichend gem. § 1 Abs. 3 des Hessischen Fraktionsgesetzes in Verbindung mit
§ 40 Abs. 2 Satz 1 der Geschäftsordnung des Hessischen Landtags). Doch belegt
das Antragsrecht von Fraktionen im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle
gemäß Art. 130 Abs. 1 der Verfassung für Rheinland-Pfalz und gemäß Art. 80 Abs.
1 Nr. 4 der Verfassung des Freistaats Thüringen, dass eine solche
Antragsberechtigung dem deutschen Verfassungsrecht nicht fremd ist. Zudem
weisen Art. 131 Abs. 2 HV, § 19 Abs. 2 Nr. 3 StGHG im Vergleich mit dem
Verfassungsprozessrecht des Bundes wie der Länder (mit Ausnahme Bayerns) das
niedrigste aller Quoren der Parlamentsmitglieder auf, das zur Auslösung einer
abstrakten Normenkontrolle erforderlich ist. Dies kann als Indiz gewertet werden,
dass aus Sicht des Verfassungsgebers eine Normprüfung durch den
Staatsgerichtshof tendenziell an geringere Anforderungen gebunden sein soll.
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d) Allerdings könnte das besonders niedrige Quorum von nur einem Zehntel der
Parlamentsabgeordneten in Art. 131 Abs. 2 HV auch umgekehrt darauf hindeuten,
dass insoweit durch den Verfassungsgeber bewusst eine geringe, aber deshalb
auch als absolutes Minimum anzusehende Mindestunterstützung eines
Normenkontrollantrags aus dem Parlament festgesetzt worden ist. Dieses
Minimum wird vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Mindeststärke einer
Fraktion um mehr als die Hälfte reduziert. Doch auch dies führt nicht zur
Verfassungswidrigkeit des Antragsrechts der Fraktionen aus § 19 Abs. 2 Nr. 4
StGHG.
Denn das Antragsrecht gemäß Art. 131 Abs. 2 HV, § 19 Abs. 2 Nr. 3 StGHG steht
der Minderheit von einem Zehntel der Landtagsabgeordneten unabhängig von der
Fraktionszugehörigkeit der sie bildenden Mitglieder des Hessischen Landtags zu.
Daher ist es möglich, dass sich Antragsteller aus unterschiedlichen Parteien
(gemeinsam) zur Anrufung des Staatsgerichtshofs entschließen. Vor dem
Hintergrund dieser potenziellen Heterogenität kann das Quorum von einem
Zehntel als Instrument verstanden werden, um zu gewährleisten, dass die
antragstellende Minderheit der Abgeordneten trotz ihrer etwaigen
unterschiedlichen Antragsmotivation gleichwohl einen hinreichend gewichtigen
politischen Faktor darstellt, um von der Parlamentsmehrheit oder dem
Verordnungsgeber beschlossene Normen einer Prüfung durch den
Staatsgerichtshof zuzuführen.
Hingegen dokumentiert der Normenkontrollantrag einer Fraktion regelmäßig
verfassungsrechtliche Zweifel einer (partei)politisch homogenen Gruppierung mit
einer in der Regel einheitlichen politischen Auffassung. Daher bedarf es in diesem
Fall nicht der verfahrensrechtlichen Sicherung in Form eines Quorums von
mindestens einem Zehntel des Gesamtparlaments. Daraus ergibt sich, dass das
Zehntel-Quorum gemäß Art. 131 Abs. 2 HV nicht zugleich als zwingender
Ausschluss einer sonstigen Antragsberechtigung von parlamentarischen
Minderheiten geringeren Umfangs interpretiert werden kann.
Somit war der parlamentarische Gesetzgeber verfassungsrechtlich nicht
gehindert, den Kreis der Antragsberechtigten gemäß Art. 131 Abs. 1 HV zu
erweitern und den Fraktionen des Hessischen Landtags in § 19 Abs. 2 Nr. 4 HV
auch im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle ein eigenes Antragsrecht
einzuräumen.
e) Die Neukonstituierung des Hessischen Landtags hat auch keine Auswirkungen
auf die Zulässigkeit des Antrags der Fraktionen. Denn die oben unter 2.
dargestellten Erwägungen folgen nicht aus der spezifischen Stellung der
Abgeordneten als Antragsteller, sondern aus dem objektiven Charakter des
Verfahrens der abstrakten Normenkontrolle. Daher gelten sie für alle
Antragsberechtigten.
4. Das angegriffene Gesetz zur Einführung von Studienbeiträgen an den
Hochschulen des Landes und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 16. Oktober
2006 (GVBl. I S. 512) ist als Parlamentsgesetz tauglicher Prüfungsgegenstand
einer abstrakten Normenkontrolle gemäß Art. 131 Abs. 1 HV, § 39 StGHG.
5. Das objektive Klarstellungsinteresse für die Normenkontrollanträge ist gegeben.
Es fehlt auch nicht für den Antrag der Fraktionen vor dem Hintergrund des gleich
lautenden Antrags der Mitglieder des Hessischen Landtags. Denn das Erfordernis
des Klarstellungsinteresses verlangt nur das Gebotensein einer Entscheidung über
die Verfassungsmäßigkeit der zur Prüfung gestellten Norm, wofür das Vorliegen
paralleler oder entgegengesetzter Anträge belanglos ist (vgl. Günther, a.a.O., § 39
Rdnr. 55).
6. Die durch Schriftsatz vom 19. Juli 2007 erklärte Beteiligung der
Landesanwaltschaft am Verfahren und deren eigene Antragstellung gemäß § 21
StGHG sind zulässig. Dieses allgemeine Beteiligungsrecht steht der
Landesanwaltschaft unabhängig von ihrem besonderen Anschließungs- und
Antragsrecht nach § 39 Abs. 2, § 19 Abs. 2 Nr. 7 StGHG zu (vgl. Günther, a.a.O., §
21 Rdnr. 3).
II.
Der Normenkontrollantrag der Antragsteller zu 4 ist ebenfalls zulässig.
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Das notwendige Quorum von Stimmberechtigten nach Art. 131 Abs. 2 HV in
Verbindung mit § 19 Abs. 2 Nr. 1 StGHG ist nach den Ermittlungen des
Staatsgerichtshofs erreicht. Nach der Bekanntmachung des Landeswahlleiters
gemäß § 19 Abs. 3 Satz 1 StGHG vom 14. Februar 2003 (StAnz. 2003, S. 831) war
im Antragszeitpunkt die Unterstützung des Normenkontrollantrags durch 43.308
Stimmberechtigte erforderlich, um das Quorum von einem Hundertstel aller
Stimmberechtigten des Volkes zu erfüllen.
Die Bevollmächtigten der antragstellenden Stimmberechtigten nach § 20 Abs. 3
StGHG haben 71.510 Anträge vorgelegt. Der Staatsgerichtshof hat sich durch eine
repräsentative Teilzählung der Anträge die Gewissheit verschafft, dass eine
ausreichende Anzahl von Anträgen einschließlich der Bescheinigungen der
Stimmberechtigung den Erfordernissen des § 19 Abs. 3 Sätze 2, 3 StGHG genügt.
Im Übrigen wird auf die Ausführungen zu B I. verwiesen.
C
Die Normenkontrollanträge sind nicht begründet. Das Gesetz zur Einführung von
Studienbeiträgen an den Hochschulen des Landes und zur Änderung weiterer
Vorschriften vom 16. Oktober 2006 ist mit der Hessischen Verfassung vereinbar.
I.
1. Der Gesetzgeber ist im Grundsatz durch Art. 59 HV nicht gehindert, eine
allgemeine Beitragspflicht einzuführen. Das Studienbeitragsgesetz unterwirft das
Studium in allen Studiengängen an hessischen Hochschulen der
Grundstudienbeitragspflicht. Diese allgemeine Beitragspflicht ist unter
Berücksichtigung des in § 7 HStubeiG verankerten Darlehensanspruchs sowie der
in § 8 HStubeiG geregelten Rückzahlungsbedingungen von dem
Gesetzesvorbehalt in Art. 59 Abs. 1 Satz 4 HV gedeckt.
Das Studienbeitragsgesetz regelt seit dem Wintersemester 2007/2008 die
Verpflichtung der Hochschulen des Landes Hessen, von ihren Studierenden einen
Grundstudienbeitrag von 500 Euro je Semester zu verlangen. Der
Grundstudienbeitrag wird für das Lehrangebot in allen Studiengängen erhoben, die
Studierenden die Möglichkeit eröffnen, einen ersten berufsqualifizierenden
Studienabschluss oder einen weiteren berufsqualifizierenden Studienabschluss im
Rahmen von konsekutiven (Master )Studiengängen zu erlangen; dies gilt für die
Dauer der jeweiligen Regelstudienzeit zuzüglich weiterer vier Semester (§§ 1 Abs.
1, 2 Abs. 1 Satz 1, 3 Abs. 1 Satz 1 HStubeiG). Beitragsermäßigung oder
Beitragsbefreiung sind an besondere Voraussetzungen gebunden - u.a. für
Studierende mit Kindern - oder für Fälle unbilliger Härte im Einzelfall vorgesehen (§
6 HStubeiG).
Zur Finanzierung des Grundstudienbeitrags steht Studienbewerbern oder
Studierenden ein Anspruch auf Gewährung eines privatrechtlichen
Studiendarlehens zu, das bonitätsunabhängig und ohne Sicherheit gewährt wird
und grundsätzlich der Verzinsung - im Umfang von maximal 7,5 vom Hundert
jährlich - unterliegt (§ 7 HStubeiG). Studierende, deren Berechtigung, Leistungen
nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) zu erhalten, während des
Studiums festgestellt worden ist, müssen keine Zinsen zahlen und können
Befreiung von der Darlehensrückzahlung erlangen, wenn im Zusammentreffen mit
einem BAföG-Darlehen die Höchstgrenze von 15000 Euro überschritten wird (§§ 7
Abs. 1 Satz 6, 8 Abs. 3 HStubeiG). Die Pflicht zur Rückzahlung des
Studiendarlehens einschließlich der Zinsen beginnt zwei Jahre nach erfolgreichem
Abschluss des Studiums, spätestens elf Jahre nach dessen Aufnahme; sie erlischt
25 Jahre nach Beginn der Rückzahlungspflicht oder im Falle des Todes des
Darlehensnehmers (§ 8 Abs. 1 Sätze 1 und 5 HStubeiG). Unterschreitet das
monatliche Einkommen des Darlehensnehmers den für die Rückzahlung von
Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz maßgeblichen Betrag
zuzüglich eines Betrages von 300 Euro, besteht ein Anspruch auf Stundung der
Rückzahlung einschließlich der Zinsen (§ 8 Abs. 2 HStubeiG). Die Rückzahlung des
Darlehens einschließlich angefallener Zinsen kann ratenweise erfolgen. Die
monatliche Mindestrate beträgt 50 Euro (§ 8 Abs. 1 Satz 1 HStubeiG).
2. Art. 59 Abs. 1 HV lautet:
In allen öffentlichen Grund-, Mittel-, höheren und Hochschulen ist der Unterricht
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In allen öffentlichen Grund-, Mittel-, höheren und Hochschulen ist der Unterricht
unentgeltlich. Unentgeltlich sind auch die Lernmittel mit Ausnahme der an den
Hochschulen gebrauchten. Das Gesetz muss vorsehen, dass für begabte Kinder
sozial Schwächergestellter Erziehungsbeihilfen zu leisten sind. Es kann anordnen,
dass ein angemessenes Schulgeld zu zahlen ist, wenn die wirtschaftliche Lage des
Schülers, seiner Eltern oder der sonst Unterhaltspflichtigen es gestattet.
a) Der Grundstudienbeitrag nach dem Studienbeitragsgesetz ist „Schulgeld“ im
Sinne des Art. 59 Abs. 1 Satz 4 HV. Art. 59 Abs. 1 Satz 4 HV enthält die
Ermächtigung, unter den dort genannten Voraussetzungen für den Unterricht, d.h.
den damit unmittelbar und mittelbar verbundenen Verwaltungs-, Sach- und
Personalaufwand, ein Entgelt zu erheben. Der Begriff des Schulgeldes wird dabei in
einem umfassenden Sinn verwandt, der Schulen wie Hochschulen gleichermaßen
einbezieht; dies wird auch aus dem systematischen Zusammenhang mit Art. 59
Abs. 1 Satz 1 HV deutlich, der die Hochschulen in die grundsätzliche
Unterrichtsgeldfreiheit einbezieht (vgl. Pestalozza, Landesverfassungsrechtliche
Fragen eines Hochschulgeldes in Hessen, 2006, Rdnr. 125; Schmehl, NVwZ 2006,
S. 883 [887]; Steinberg/Deimann, WissR 35 [2002], S. 113 [114]).
b) Die allgemeine Erhebung des Grundstudienbeitrags durch das
Studienbeitragsgesetz ist mit Art. 59 Abs. 1 HV vereinbar.
Die Möglichkeit der Schulgeldpflichtigkeit ist unmittelbar in Art. 59 Abs. 1 Satz 4
HV verankert. Art. 59 Abs. 1 Satz 4 HV beinhaltet einen qualifizierten
Gesetzesvorbehalt, der die Entscheidung über die Erhebung einer Zahlung für den
Unterricht der Entscheidung des Gesetzgebers überantwortet. Davon hat der
Gesetzgeber mit dem Studienbeitragsgesetz ohne Verfassungsverstoß Gebrauch
gemacht.
aa) Art. 59 Abs. 1 HV beruht auf einem Verfassungskompromiss bei
Zustandekommen der Hessischen Verfassung. Der Regelungsgehalt von Art. 59
HV zählte in der Verfassungsberatenden Landesversammlung zu den heftig
umstrittenen Bestimmungen der neuen Verfassung. Während die SPD für eine
grundsätzliche und umfassende Unterrichtsgeldfreiheit und Lernmittelfreiheit
eintrat, stand die CDU für eine Entgeltlichkeit der Lernmittel und die Erhebung
eines Schulgeldes bei höheren Schulen und Universitäten mit der Möglichkeit der
Begabtenförderung aus öffentlichen Mitteln (vgl. Berding, Die Entstehung der
Hessischen Verfassung von 1946 - Eine Dokumentation, 1996, S. 194, 202;
Steinberg/Deimann, WissR 35 [2002], S. 113 [115]). Art. 59 Abs. 1 HV in seiner
heutigen Fassung ist das Ergebnis direkter Verhandlungen zwischen SPD und CDU
vor der zweiten Lesung des Verfassungsentwurfs und Gegenstand des historischen
„großen“ Verfassungskompromisses, der nicht mehr die pauschale Lehr- und
Lernmittelfreiheit vorschrieb, sondern die Hochschulen ausdrücklich von der
Lernmittelfreiheit ausnahm und in Satz 4 den Gesetzgeber ermächtigte, die
Zahlung eines Schulgeldes anzuordnen (Mühlhausen, Der Kompromiss von SPD
und CDU - Zur Entstehung der Hessischen Verfassung 1946, in: Recht und
Verfassung in Hessen - Vom Reichskammergericht zur Landesverfassung - , 1995,
S. 61 [65 ff.]; Steinberg/Deimann, WissR 35 [2002], S. 113 [116]).
bb) Der personale Geltungsbereich der Unterrichtsgeldfreiheit unterlag in der
Vergangenheit zahlreichen Ausgestaltungen und Konkretisierungen des
Gesetzgebers, die nicht dem Gesetzesvorbehalt des Art. 59 Abs. 1 Satz 4
unterfielen. Bald nach Inkrafttreten der Hessischen Verfassung am 1. Dezember
1946 wurde der Staatsgerichtshof mit dem Geltungsbereich von Art. 59 HV
befasst und entschied, dass Art. 59 Abs. 1 Satz 1 HV grundlegend und
verfassungsunmittelbar die Unentgeltlichkeit des Unterrichts in allen öffentlichen
Schulen und Hochschulen regelt und seit Inkrafttreten der Hessischen Verfassung
am 1. Dezember 1946 unmittelbar geltendes Recht ist (Urteil vom 27. Mai 1949 -
P.St. 22 - , StAnz. 1949, S. 348). Anlass hierfür bot die Erhebung von
Vorlesungsgebühren vor Inkrafttreten des Gesetzes über Unterrichtsgeld- und
Lernmittelfreiheit und Erziehungsbeihilfen vom 16. Februar 1949 (GVBl. S. 18) und
die Regelung dieses Gesetzes, dass bereits gezahlte Unterrichtsgelder nicht
zurückerstattet werden. Mit dem vorgenannten Urteil stellte der Staatsgerichtshof
die Verfassungswidrigkeit dieser gesetzlichen Regelung fest und entschied, dass
Art. 59 HV seit dem 1. Dezember 1946 unmittelbar geltendes Recht ist und jede
Einziehung von Schulgeld für einen Zeitraum nach diesem Tag der Verfassung
widerspricht, solange nicht etwa durch Gesetz für bestimmte Personenkreise
Schulgeldzahlung angeordnet ist. Es unterlag damit keinem Zweifel, dass eine
Schulgeldzahlung gesetzlich vorgegeben werden konnte. Im Übrigen unterschied
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Schulgeldzahlung gesetzlich vorgegeben werden konnte. Im Übrigen unterschied
sich der personale Geltungsbereich der verfassungsunmittelbar geltenden
Schulgeldfreiheit deutlich von den heutigen rechtlichen Vorgaben.
Das Gesetz über Unterrichtsgeld- und Lernmittelfreiheit und Erziehungsbeihilfen
vom 16. Februar 1949 (GVBl. S. 18) und die Verordnung über
Unterrichtsgeldfreiheit und Erziehungsbeihilfen vom 13. August 1950 (GVBl. S.
157) begrenzten die Unterrichtsgeldfreiheit auf Schüler und Studierende mit
deutscher Staatsangehörigkeit und mit Wohnsitz in Hessen oder in einem Land
mit verbürgter Gegenseitigkeit. Das entsprach dem einmütigen Ergebnis der
Verfassungsberatungen. Die Verfassungsmäßigkeit dieser personalen
Beschränkung bestätigte der Staatsgerichtshof durch Urteile vom 11. Mai 1956 -
P.St. 191 - , StAnz. 1956, S. 552, und vom 13. Juli 1956 - P.St. 204 - , StAnz. 1956,
S. 780, und führte zur Begründung aus, die Verfassung eines Gliedstaates sei „im
Zweifel nur für diejenigen bestimmt, die zu dem Lande eine enge, auf die Dauer
gerichtete räumliche Beziehung haben, so dass das Grundrecht der
Unterrichtsgeldfreiheit grundsätzlich nur solchen Personen gewährt ist, bei denen
diese Verbundenheit besteht. Das können aber mangels eines anderen, die
Abgrenzung sicher ermöglichenden Anknüpfungspunktes nur die Deutschen sein,
die in Hessen ihren Wohnsitz haben“ (Urteil vom 11.05.1956, a.a.O., S. 554; Urteil
vom 13.07.1956, a.a.O., S. 781). Diese Rechtsprechung wurde bestätigt im Urteil
vom 1. Dezember 1976 - P.St. 812 - , StAnz. 1977, S. 110, in dem der
Staatsgerichtshof lediglich billigte, dass der einfache Gesetzgeber über Art. 59
Abs. 1 HV hinaus nicht nur Hessen, sondern auch anderen Deutschen und
Ausländern Unterrichtsgeldfreiheit zukommen lassen konnte. Eine entsprechende
Änderung der einfachgesetzlichen Vorgaben war durch Art. 1 Nr. 1 des Zweiten
Änderungsgesetzes zum Gesetz über Unterrichtsgeld- und Lernmittelfreiheit und
Erziehungsbeihilfen vom 23. September 1974 (GVBl. I S. 456) erfolgt.
cc) Der Staatsgerichtshof entschied in ständiger Rechtsprechung, dass Art. 59
Abs. 1 Satz 1 HV ein soziales Grundrecht und der Ausgestaltung und
Konkretisierung durch den Gesetzgeber zugänglich ist. Bereits 1956 hat der
Staatsgerichtshof betont, dass Art. 59 Abs. 1 Satz 1 HV nicht zu den klassischen
Grundrechten gehört, die den Grundsatz der Freiheit des Einzelnen vom Staat zu
verwirklichen suchen und daher in weitem Umfange allen Menschen zustehen. Es
handelt sich vielmehr um ein soziales Grundrecht, das in viel höherem Maße als
die meisten klassischen Grundrechte der Differenzierung zugänglich ist. Solche
Grundrechte sind danach „einschränkend zu interpretieren, um dem gewöhnlichen
Gesetzgeber bei der Ausgestaltung, die immer von wechselnden Umständen
abhängig sein wird, nicht über Gebühr die Hände zu binden“ (StGH, Urteil vom 11.
Mai 1956 - P.St. 191 - , StAnz. 1956, S. 552 [554]). Dies bestätigte der
Staatsgerichtshof im Urteil vom 1. Dezember 1976 und stellte dieses Grundrecht
unter Bezugnahme auf die numerus-clausus-Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 33, 303 [333]) unter den „Vorbehalt des
Möglichen im Sinne dessen, was der einzelne vernünftigerweise von der
Gesellschaft beanspruchen kann“. Gegenstand des Urteils des Staatsgerichtshofs
vom 1. Dezember 1976 war die Begrenzung der Unterrichtsgeldfreiheit im Falle
eines Zweitstudiums sowie für Langzeitstudierende durch das Gesetz über
Unterrichtsgeld- und Lernmittelfreiheit und Erziehungsbeihilfen, das teilweise durch
eine Ausführungsverordnung konkretisiert wurde. Insoweit entschied der
Staatsgerichtshof, dass der Gesetzgeber mit der Verdeutlichung der sozialen
Gebundenheit einer gesetzlichen Vorschrift in das Wesen des Grundrechtes aus
Art. 59 Abs. 1 Satz 1 HV nicht eingegriffen habe. Soweit die Begrenzung der
Unterrichtsgeldfreiheit nicht durch Gesetz, sondern (nur) durch die
konkretisierende Verordnung erfolgt sei, liege kein Verstoß gegen Art. 63 HV vor,
weil Art. 59 HV keinen echten Gesetzesvorbehalt enthalte - P.St. 812 - , StAnz.
1977, S. 110 (116). Der Staatsgerichtshof hat damit eine allgemeine
Beschränkung des Teilhaberechts an der Unterrichtsgeldfreiheit als sozialem
Grundrecht für verfassungsmäßig erachtet und entschieden, dass nicht nur die
wirtschaftliche Lage des Studierenden, seiner Eltern oder der sonst
Unterhaltsverpflichteten der Grund dafür sein darf, die Unterrichtsgeldfreiheit
entfallen zu lassen. Diese Auslegung erfolgte ausdrücklich unter Anerkennung der
Befugnis des einfachen Gesetzgebers, in eigener Verantwortung und unter
Rücksichtnahme auf die Haushaltswirtschaft und andere Gemeinschaftsbelange
Begrenzungen der Teilhaberechte vorzunehmen (a.a.O., S. 115).
dd) Von der Ausgestaltungsermächtigung des Art. 59 Abs. 1 Satz 1 HV ist Art. 59
Abs. 1 Satz 4 HV zu unterscheiden. Art. 59 Abs. 1 Satz 4 HV enthält einen
qualifizierten Gesetzesvorbehalt. Dem Gesetzgeber wird die Möglichkeit eröffnet,
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qualifizierten Gesetzesvorbehalt. Dem Gesetzgeber wird die Möglichkeit eröffnet,
ein angemessenes Schulgeld anzuordnen, wenn die wirtschaftliche Lage des
Schülers, seiner Eltern oder der sonst Unterhaltspflichtigen es gestattet. Im
Geltungsumfang einer solchen gesetzlichen Anordnung ist die
verfassungsunmittelbar geltende Unterrichtsgeldfreiheit des Art. 59 Abs. 1 Satz 1
HV eingeschränkt. Mit einer solchen gesetzlichen Regelung war der
Staatsgerichtshof noch nicht befasst. Sie ist erstmals durch das
Studienbeitragsgesetz erfolgt. Der Staatsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung
den eigenständigen Regelungsgehalt des Art. 59 Abs. 1 Satz 4 HV betont und
bereits 1976 entschieden, dass zwischen Art. 59 Abs. 1 Satz 1 HV und Art. 59 Abs.
1 Satz 4 HV kein Regel-Ausnahme-Verhältnis besteht (Urteil vom 01.12.1976,
a.a.O., S. 114). Daran wird festgehalten. Art. 59 Abs. 1 HV enthält damit auch kein
Regel-Ausnahme-Verhältnis dergestalt, dass infolge der Garantie der
Unentgeltlichkeit in Art. 59 Abs. 1 Satz 1 HV stets eine Gruppe von Studierenden
von einer Abgabenpflicht ausgenommen bleiben müsste. Eine generelle
Unentgeltlichkeit des Schulbesuchs wurde aufgrund des
Verfassungskompromisses gerade nicht angeordnet. Unter den Voraussetzungen
des Art. 59 Abs. 1 Satz 4 HV darf ein Schulgeld erhoben werden. Weitergehende
Vorgaben sind Art. 59 Abs. 1 HV nicht zu entnehmen. Art. 59 Abs. 1 HV enthält
keine Garantie der Unentgeltlichkeit des Hochschulstudiums und damit auch kein
Verbot allgemeiner Studienbeiträge.
Nicht Unentgeltlichkeit als solche ist die in Art. 59 Abs. 1 HV zum Ausdruck
kommende objektiv-rechtliche Wertentscheidung, sondern
Bildungschancengleichheit, unabhängig von der wirtschaftlichen Situation des
Studierenden oder Studienbewerbers. Bei der Entstehung der Hessischen
Verfassung wurde der Erziehung der Jugend besondere Bedeutung beigemessen.
Leitlinie für die Ausgestaltung des Bildungswesens war danach eine Verbesserung
der Chancengleichheit. Bildung wurde als Mittel zur Herstellung von
Gleichberechtigung und Gleichbehandlung gesehen. Die Hessische Verfassung ist
von den Prinzipien der Chancengleichheit und Bildungsgerechtigkeit geprägt
(Schultze, in: Festschrift 30 Jahre Hessische Verfassung, 1976, S. 230 [240, 256]).
Sinn und Zweck der Regelung in Art. 59 Abs. 1 Satz 1 HV liegen darin, jedem ohne
Rücksicht auf seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse eine akademische
Ausbildung zu ermöglichen. Durch die Erhebung von Kosten soll niemand vom
Studium abgehalten werden. Dem „Tüchtigen“, d.h. dem im Sinne von Art. 59
Abs. 2 HV Geeigneten, soll „freie Bahn“ vermittelt werden (so ausdrücklich StGH,
Urteil vom 11.05.1956 - P.St. 191 - , StAnz. 1956, S. 552 [554]). Auch dem sozial
Schwächeren soll eine akademische Ausbildung nicht deshalb verschlossen sein,
weil er die Mittel für das Unterrichtsgeld nicht aufbringen kann (StGH, Urteil vom
01.12.1976 - P.St. 812 - , StAnz. 1977, S. 110 [115]).
Leitlinie für die Auslegung des Art. 59 Abs. 1 Satz 4 HV ist entgegen der
Auffassung der Antragsteller nicht etwa eine Entscheidung des Verfassungsgebers
für die generelle Unentgeltlichkeit des Zugangs zu öffentlichen Schulen und
Hochschulen. Dies wird durch die Ermächtigung in Art. 59 Abs. 1 Satz 4 HV gerade
ausgeschlossen, die dem Gesetzgeber die Anordnung der Zahlung eines
angemessenen Schulgeldes allein unter der Voraussetzung ermöglicht, dass es
die wirtschaftliche Lage des Schülers, seiner Eltern oder der sonst
Unterhaltspflichtigen gestattet.
ee) Entgegen der Auffassung der Antragsteller ist dem Gesetzgeber die
Einführung einer allgemeinen flächendeckenden Grundstudienbeitragspflicht nicht
deshalb verwehrt, weil kein beitragsfreier Bereich verbleibt. Denn dies schreibt Art.
59 Abs. 1 HV nicht zwingend vor.
Eine Differenzierung dahingehend, dass unabhängig von der individuellen
Betrachtung des jeweiligen Grundrechtsträgers stets zwei Gruppen von
Studierenden existieren müssten - einerseits Studierende, deren wirtschaftliche
Lage die Schulgeldzahlung gestattet, und andererseits Studierende, bei denen
dies nicht der Fall ist - , ist entgegen der Auffassung der Antragsteller in der
Regelungsbefugnis des Art. 59 Abs. 1 Satz 4 HV nicht angelegt. Die Hessische
Verfassung enthält kein Verbot der Erhebung allgemeiner, flächendeckender
Studienbeiträge, sondern ermächtigt den Gesetzgeber zur Regelung allein nach
Maßgabe von Art. 59 Abs. 1 Satz 4 HV. Wenn die wirtschaftliche Lage aller
Studierenden die Schulgelderhebung gestattet, können auch alle Studierenden -
wie in § 2 Abs. 1, § 3 Abs. 1 HStubeiG vorgesehen - zur Zahlung eines
Studienbeitrags herangezogen werden.
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Dagegen kann nicht aus gesetzessystematischen Erwägungen eingewandt
werden, Art. 59 Abs. 1 HV gebe in Satz 1 über die Zweckrichtung der
Bildungschancengleichheit hinaus auch das Mittel zu deren Erreichung vor, so dass
stets auch die Unentgeltlichkeit zur Geltung kommen müsse (so Lübbe, DÖV
2007, S. 423 [424]). Denn der Gewährleistungsgehalt des Art. 59 Abs. 1 Satz 1 HV
findet seine Grenze an der durch Art. 59 Abs. 1 Satz 4 HV eröffneten
gesetzgeberischen Entscheidung zur Einführung eines Schulgeldes. Hält sich der
Gesetzgeber an die gezogenen Grenzen, braucht er das Mittel der
Unentgeltlichkeit zur Sicherung eines einkommens- und vermögensunabhängigen
Hochschulzugangs nicht einzusetzen.
ff) Die Erhebung allgemeiner Studienbeiträge verstößt auch nicht deshalb gegen
die Hessische Verfassung, weil die Erhebung nicht von einer individuellen
Feststellung der wirtschaftlichen Lage der Studierenden abhängig gemacht wird,
sondern den Studierenden ein bonitätsunabhängiger Darlehensanspruch zur
Finanzierung des Studienbeitrags gewährt wird.
Indem Art. 59 Abs. 1 Satz 4 HV die Anordnung eines Schulgeldes erlaubt, „wenn
die wirtschaftliche Lage des Schülers, seiner Eltern oder der sonst
Unterhaltspflichtigen es gestattet“, wird allein auf die Fähigkeit zur Zahlung des
Schulgeldes zur Zeit der Ausbildung abgestellt. Maßgeblich ist, dass dem
Studierenden der Zugang zu dem Studium nicht deshalb verwehrt ist, weil er das
Schulgeld nicht zahlen kann.
Durch die Verwendung des Wortes „gestattet“ setzt Art. 59 Abs. 1 Satz 4 HV die
Anordnung der Zahlung eines Schulgeldes und die wirtschaftliche Lage des
Pflichtigen in Beziehung zueinander und bringt sie in ein Abhängigkeitsverhältnis:
Eine hinreichende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ist Voraussetzung dafür, dass
die Zahlung eines Schulgeldes überhaupt angeordnet werden darf. Die Hessische
Verfassung macht keine Vorgaben, unter welchen Voraussetzungen ein Fall
vorliegt, der im Hinblick auf die wirtschaftliche Lage die Erhebung eines
Schulgeldes rechtfertigt. Eine Aussage darüber, wie die wirtschaftliche Lage der
Referenzpersonen im Einzelnen beschaffen sein muss, damit der Gesetzgeber
eine Schulgeldpflicht normieren darf, enthält Art. 59 Abs. 1 Satz 4 HV nicht.
Ebenso wenig ist dem Wortlaut zu entnehmen, wie die Leistungsfähigkeit, die die
Erhebung eines Schulgeldes erlaubt, zu ermitteln ist. Es fehlt auch an jeglicher
verfassungsrechtlichen Konkretisierung dahingehend, worauf sich die erforderliche
wirtschaftliche Lage gründen muss. Es ist nicht bestimmt, ob sie auf laufenden
Einkünften beruhen muss oder ob auch ein Vermögensbestand ausreichend ist,
aus dem der Studierende erst noch liquide Mittel beschaffen muss (vgl.
Pestalozza, a.a.O., Rdnr. 197). Die Verfassung hat dies der
Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers überantwortet.
gg) Die Darlehenslösung des Studienbeitragsgesetzes hält sich im Bereich der
Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers und ist verfassungsrechtlich nicht zu
beanstanden.
Denkbar wäre es gewesen, eine Einkommensgrenze oder einen
Vermögensbestand zur Zeit des Studiums zu definieren, ab dem die
wirtschaftliche Lage des Schülers, seiner Eltern oder der sonstigen
Unterhaltspflichtigen als ausreichend anzusehen ist, um finanziellen Spielraum für
die Zahlung eines Schulgeldes zu haben. Diese Methode lag etwa dem Entwurf
eines Gesetzes zur Unterrichtsgeld- und Lernmittelfreiheit vom 18. September
1947 (Hessischer Landtag, I. Wahlperiode, Drucks. Abt. I Nr. 475, S. 559)
zugrunde, nach dem das Erreichen einer bestimmten Einkommensgrenze oder ein
vorhandener Vermögensbestand die Schulgeldpflicht auslösen sollte.
Der Gesetzgeber des Studienbeitragsgesetzes hat sich bewusst gegen eine
individuelle Feststellung der wirtschaftlichen Lage entschieden. Durch die
Gewährung eines bonitätsunabhängigen Studiendarlehens sollte der für die
Ermittlung der individuellen wirtschaftlichen Lage erforderliche Verwaltungsaufwand
vermieden werden, um die Studienbeiträge von 500 Euro pro Semester möglichst
ungeschmälert für die beabsichtigte Verbesserung der Lehre zur Verfügung zu
stellen. Dies ist mit der Verfassung vereinbar.
hh) Auf dieses gesetzliche Modell der darlehensbewirkten wirtschaftlichen
Leistungsfähigkeit konzentriert sich die Kritik der Antragsteller und der
Landesanwaltschaft, die den maßgeblichen Anknüpfungspunkt für die Beurteilung
der „wirtschaftlichen Lage“ im Sinne von Art. 59 Abs. 1 Satz 4 HV allein in der
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der „wirtschaftlichen Lage“ im Sinne von Art. 59 Abs. 1 Satz 4 HV allein in der
Gegenwart, im Zeitpunkt der Zahlungspflicht des Grundstudienbeitrags, sehen
und die Möglichkeit einer darlehensbewirkten gegenwärtigen Leistungsfähigkeit
verneinen (ebenso VG Gießen, Beschluss vom 30.10.2007 - 3 G 3758/07 - ;
Schmehl, NVwZ 2006, S. 883 [888]; Lübbe, DÖV 2007, S. 423 [424]; Wieland,
Schriftliche Stellungnahme vom 29.08.2006 zu den Gesetzentwürfen der
Fraktionen von CDU und von FDP - AV WAK/16/74 - Teil 6, S. 371). Dagegen
vertreten Steinberg/Deimann (WissR 35 [2002], S. 113) und Pestalozza (a.a.O.) die
Auffassung, dass Art. 59 Abs. 1 Satz 4 HV zwar an die gegenwärtige Leistungskraft
anknüpfe. Dies beruhe aber erkennbar nur darauf, dass ein Darlehensmodell
damals nicht diskutiert wurde. Dem Sinn und Zweck der Vorschrift wie auch ihrem
Wortlaut widerspreche das Darlehensmodell, das Leistungskraft und Belastung in
die Zukunft verlagere, nicht. Auch dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof
(Beschluss vom 26.03.2008 - 8 TG 2493/07 - ) erscheint die Darlehenslösung des
Studienbeitragsgesetzes verfassungsrechtlich nicht von vornherein als unzulässig.
jj) Der Gesetzgeber durfte sich für eine Erhebung allgemeiner Studienbeiträge
entscheiden, weil er aufgrund der Bereitstellung eines für jeden Studierenden
verfügbaren Studiendarlehens unter den vom Gesetz geregelten Konditionen
davon ausgehen durfte, dass die wirtschaftliche Lage aller Studierenden im Sinne
des Art. 59 Abs. 1 Satz 4 HV die Zahlung des Studienbeitrags erlaubt. Als
Konsequenz hieraus bedurfte es auch keiner individuellen
Leistungsfähigkeitsprüfung der Studierenden mehr.
Entscheidend ist, dass die finanzielle Situation eines Studienbewerbers oder
Studierenden kein Hindernis für die Aufnahme eines Studiums darstellen darf. Auf
welche Art und Weise dies der Gesetzgeber sicherstellt, wenn er die Erhebung von
Studienbeiträgen vorschreibt, ist im Hinblick auf Sinn und Zweck der
Verfassungsnorm ohne Bedeutung. Der Gesetzgeber darf deshalb Studienbeiträge
einführen, wenn er die damit verbundenen finanziellen Belastungen, die von der
Aufnahme oder Fortführung eines Studiums abhalten könnten, durch die
Gewährung eines Darlehens auffängt. Die Kompensation (im vorliegenden Fall: die
Darlehensoption) muss in ihrer Ausgestaltung dem Zweck der Unentgeltlichkeit
gleichkommen. Denn entsprechend dem Zweck des Art. 59 Abs. 1 HV, dem
Tüchtigen „freie Bahn“ beim Zugang zum Studium zu gewährleisten, hat der
Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Erhebung des Studienbeitrags
sicherzustellen, dass niemand aus wirtschaftlichen Gründen an der Aufnahme des
Studiums gehindert wird. Wird die wirtschaftliche Lage im Sinne von Art. 59 Abs. 1
Satz 4 HV durch ein Darlehen bewirkt, müssen die Darlehensbedingungen so
gestaltet sein, dass die Inanspruchnahme des Darlehens für einen Studierenden,
der aufgrund seiner wirtschaftlichen Lage die Studienbeiträge während des
Studiums nicht zahlen kann, zumutbar ist. Dabei ist die Zumutbarkeit objektiv am
Maßstab eines vernünftigen und wirtschaftlich rational handelnden Studierenden
zu bestimmen.
(1.) Diesen Anforderungen tragen die in §§ 7, 8 HStubeiG geregelten
Darlehensbedingungen Rechnung.
Ausgangspunkt der gesetzlichen Regelung ist die Zusage des Staates: Auch ohne
eigene Mittel kann jeder studieren. Da Studierende gemäß § 7 Abs.1 Satz 2
HStubeiG weder ihre Bonität nachzuweisen noch Sicherheiten zu leisten haben,
stellt sich das Darlehen für sie voraussetzungslos dar. Insbesondere spielt ihre
wirtschaftliche Lage oder Leistungsfähigkeit keine Rolle, sie müssen also weder
besonders geartete Vermögensvoraussetzungen erfüllen noch irgendwelche
Sicherheiten nachweisen. Der Zugang zu dem Darlehen ist daher auch für völlig
mittellose Studierende gesichert. Während des Studiums tritt lediglich die rein
rechnerische Belastung durch die Verschuldung als solche ein. Insbesondere sind
während des Studiums keine Tilgungsleistungen zu erbringen und keine Zinsen zu
zahlen. Für wirtschaftlich Schwächergestellte, ausgewiesen durch ihren
nachgewiesenen Anspruch auf Leistungen nach dem
Bundesausbildungsförderungsgesetz, treten keine Zinsbelastungen hinzu, da
ihnen das Darlehen zinslos gewährt wird. Es verbleibt bei der reinen
Darlehensschuld (§ 7 Abs. 1 Satz 6 HStubeiG). Die Pflicht zur Rückzahlung von
Darlehens- und Zinsschuld setzt frühestens zwei Jahre nach Abschluss des
Studiums, spätestens elf Jahre nach dessen Aufnahme ein und ist abhängig von
dem dann erzielten Einkommen. Solange nicht die Einkommensgrenzen nach §
18a BAföG zuzüglich weiterer 300 Euro erreicht werden, besteht ein Anspruch auf
Stundung des Darlehens (§ 8 Abs. 1, 2 HStubeiG). Bei Eintritt der Tilgungs- und
Zinszahlungspflicht ist die Mindestzahlung des Darlehensnehmers auf 50 Euro
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Zinszahlungspflicht ist die Mindestzahlung des Darlehensnehmers auf 50 Euro
monatlich beschränkt (§ 8 Abs. 1 Satz 1 HStubeiG). Die Rückzahlungspflicht ist
unter den Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 HStubeiG auf 15000 Euro beschränkt
und endet in jedem Fall 25 Jahre nach Beginn der Rückzahlungspflicht (§ 8 Abs. 1
Satz 5 HStubeiG).
Diese vielgestaltige soziale Abfederung im Falle der Inanspruchnahme des
Studiendarlehens bewirkt, dass auch wirtschaftlich Schwächergestellten der
Verweis auf das Darlehen zugemutet werden kann.
(2.) Die Inkaufnahme der finanziellen Belastung durch die Darlehensaufnahme
erweist sich aus Sicht eines rational handelnden Studierenden auch in
wirtschaftlicher Hinsicht als zumutbar und sinnvoll. Denn mit einem
Hochschulabschluss wird typischerweise eine ökonomisch privilegierte Position auf
dem Arbeitsmarkt erreicht.
Der finanziellen Belastung, die sich für Studierende ergibt, die das Darlehen in
Anspruch nehmen, steht im Regelfall eine deutlich höhere Einkommenserwartung
gegenüber. Diese realisiert sich angesichts der geringen Arbeitslosenquote unter
Akademikern auch mit hoher Wahrscheinlichkeit. Fällen, in denen sich diese
Einkommenserwartung nicht realisiert, ist mit den Mindesteinkommensgrenzen für
die Rückzahlbarkeit, der vorgesehenen Stundung sowie der zeitlichen Begrenzung
der Rückzahlbarkeit Rechnung getragen.
Dabei ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass die
Darlehensgewährung nach § 7 HStubeiG die finanzielle Situation ansonsten nicht
genügend leistungsfähiger Studierender ausschließlich insoweit verbessert, dass
sie nunmehr die Studienbeiträge bezahlen können, während ihre wirtschaftliche
Lage im Übrigen nicht positiv gestaltet wird. Denn die gemäß Art. 59 Abs. 1 Satz 4
HV für die Schulgelderhebung vorausgesetzte „wirtschaftliche Lage“ bezieht sich
allein auf die Fähigkeit, das Schulgeld aufbringen zu können.
kk) Die Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts in seinem Urteil vom 7. Juni
2005 (BVerfGE 113, 88) führen zu keinem anderen Ergebnis. Das
Bundesverfassungsgericht erklärte es darin mit dem Sozialhilferecht für
unvereinbar, mit Hilfe eines vom Sozialhilfeträger gewährten Darlehens einen
zivilrechtlich nicht gegebenen Unterhaltsanspruch sozialhilferechtlich begründen
zu wollen. Diese Überlegungen können auf die Auslegung des Art. 59 Abs. 1 Satz 4
HV nicht übertragen werden. Die Begründung beruht im Wesentlichen auf den
einfachgesetzlichen Vorschriften des Sozialhilferechts sowie der nur relativ
schwachen Rechtsposition, die der Anspruch auf Elternunterhalt vermittelt. Diese
Erwägungen lassen sich auf die Problematik der verfassungsrechtlichen
Zulässigkeit der Entgeltlichkeit des Hochschulzugangs indes nicht übertragen. Es
fehlt bereits an der grundlegenden Vergleichbarkeit, da mit dem
Studienbeitragsdarlehen den gegenwärtigen wirtschaftlichen Verhältnissen der
Studierenden Rechnung getragen und nicht - wie in dem vom
Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fall - ein Anspruch, für den keine
gesetzliche Grundlage besteht, fingiert wird.
Weiterhin zeigen die Vorschriften über die Prozesskostenhilfe nach der
Zivilprozessordnung, dass die Berücksichtigung einer nachträglichen
Verbesserung der Vermögenssituation eines staatlichen Leistungsempfängers der
Rechtsordnung keineswegs fremd ist. Dabei beruht das Institut der
Prozesskostenhilfe nicht nur auf sozialstaatlichen Erwägungen, sondern auch auf
dem Gleichheitssatz sowie dem Rechtsstaatsprinzip (vgl. BVerfGE 81, 347 [356];
BVerfG (1. Kammer des Zweiten Senats), NVwZ 2005, S. 323). Gleichwohl gebietet
§ 120 Abs. 4 ZPO, auch nach der gerichtlichen Gewährung von Prozesskostenhilfe
Ratenzahlungen nach § 115 Abs. 2 ZPO anzuordnen oder den Betrag der
monatlichen Zahlungen zu erhöhen, wenn sich die Leistungsfähigkeit der
unbemittelten Partei geändert hat. Daraus wird deutlich, dass selbst ein sozial-
und rechtsstaatlich fundiertes wie auch grundrechtlich garantiertes Teilhaberecht
an staatlichen Leistungen noch der nachträglichen Überprüfung unterliegen kann.
ll) Soweit eingewandt wird, die historische Betrachtung lasse den Schluss zu, dass
Studierende mittels Art. 59 HV schon davor bewahrt werden sollten, den Staat um
Unterstützung zur Finanzierung ihres Studiums angehen zu müssen (so Wieland,
a.a.O., S. 381 f.), ergeben sich dafür keine hinreichenden Anhaltspunkte aus der
Entstehungsgeschichte der Hessischen Verfassung. Da das bonitätsunabhängige
Studiendarlehen für jedermann ohne Sicherheitsprüfung zur Verfügung steht,
müssen sich Studierende nicht in eine Bittstellerposition begeben und steht der
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müssen sich Studierende nicht in eine Bittstellerposition begeben und steht der
Zumutbarkeit der Inanspruchnahme des Darlehens nichts entgegen.
mm) Im Übrigen war der Gesetzgeber nicht verpflichtet, bei der Festlegung der
Beitragspflicht wie auch der Zins- und Tilgungsbedingungen neben der
wirtschaftlichen Lage des Studierenden auch die Berücksichtigung der
wirtschaftlichen Lage seiner Eltern oder sonstigen Unterhaltspflichtigen
anzuordnen. Nach Art. 59 Abs. 1 Satz 4 HV reicht es aus, wenn die
Voraussetzungen der Schulgelderhebung in einer der dort alternativ genannten
Personen vorliegen, so dass allein auf die wirtschaftliche Lage des Studierenden
abgestellt werden durfte.
3. Soweit das Studienbeitragsgesetz neben dem Grundstudienbeitrag gemäß § 3
Abs. 3 und § 4 HStubeiG die Erhebung von Langzeit- und Zweitstudienbeiträgen
vorschreibt, unterliegen diese nicht den verfassungsrechtlichen Beschränkungen
des Art. 59 Abs. 1 HV. Nach der Rechtsprechung des Staatsgerichtshofs verbürgt
Art. 59 Abs. 1 Satz 1 HV nur die Unterrichtsgeldfreiheit für ein Erststudium im
Rahmen der Regelstudienzeit (StGH, Urteil vom 01.12.1976 - P.St. 812 - , StAnz.
1977, S. 110 [115]). Hieran ist festzuhalten. Daher ist der Gesetzgeber frei, die
Beitragspflicht für ein Zweitstudium oder nach Überschreiten der Regelstudienzeit
ohne Rücksicht auf Art. 59 Abs. 1 Satz 4 HV zu bestimmen.
4. Aufgrund der zuvor angestellten Erwägungen kommt eine Verletzung des Art.
59 Abs. 2 HV, wonach der Zugang zu den Hochschulen nur von der Eignung
abhängig gemacht werden darf, ebenfalls nicht in Betracht. Dabei kann offen
bleiben, ob diese Norm über Art. 59 Abs. 1 HV hinausgehende Anforderungen an
die Offenheit des Hochschulzugangs stellt. Denn jedenfalls wird der Zugang zu den
hessischen Hochschulen infolge der Zumutbarkeit der Darlehensaufnahme zur
Finanzierung der Studienbeiträge (vgl. zuvor 2. b) jj) durch die Erhebung des
Grundstudienbeitrags nicht in einer Weise erschwert, die mit Art. 59 Abs. 2 HV
unvereinbar wäre.
II.
Die Verzinsung des Studiendarlehens nach § 7 Abs. 1 Satz 2, 4 HStubeiG und die
Regelung zur Freistellung von der Verzinsung nach § 7 Abs. 1 Satz 6 HStubeiG
unterliegen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
Die Landestreuhandstelle ist verpflichtet, Studienbewerbern und Studierenden ein
verzinsliches Darlehen ohne Bonitätsprüfung und Sicherheiten zu gewähren, wenn
die Hochschule die Darlehensberechtigung festgestellt hat (§ 7 Abs. 1 Satz 3
HStubeiG). Der Zinssatz für dieses Darlehen darf nur aus den Geldbeschaffungs-
und Verwaltungskosten berechnet werden und ist auf höchstens 7,5 vom Hundert
jährlich begrenzt (§ 7 Abs. 1 Satz 4 HStubeiG). Von der Zinszahlung befreit sind
Studierende, deren Berechtigung, Leistungen nach dem BAföG zu erhalten,
festgestellt worden ist (§ 7 Abs. 1 Satz 6 HStubeiG).
1. Die Zinsen stellen kein Schulgeld im Sinne von Art. 59 Abs. 1 Satz 4 HV dar. Art.
59 Abs. 1 Satz 4 HV enthält die Ermächtigung, unter den dort genannten
Voraussetzungen für den Unterricht, d.h. den damit unmittelbar und mittelbar
verbundenen Verwaltungs-, Sach- und Personalaufwand ein Entgelt zu erheben.
Dazu gehören die für das Darlehen anfallenden Zinsen nicht (Pestalozza,
Landesverfassungsrechtliche Fragen eines Hochschulgeldes in Hessen, 2006,
Rdnr. 127, 143). Sie werden nicht als Schulgeld erhoben, sondern sind nur
mittelbare Folge der Erhebung eines Schulgeldes. Sie entstehen nur dann, wenn
der zur Leistung des Studienbeitrags verpflichtete Studierende das
bonitätsunabhängige Darlehen tatsächlich in Anspruch nimmt. Die Zinsen sind
erst mit der Rückzahlung des Studiendarlehens zu entrichten und fließen nicht den
Hochschulen oder dem Land zu, sondern der darlehensgebenden
Landestreuhandstelle (§ 8 Abs. 1 HStubeiG).
2. Die grundsätzliche Verzinslichkeit der Studiendarlehen verstößt auch in ihrer
mittelbaren Wirkung nicht gegen Art. 59 Abs. 1 Satz 4 HV.
a) Die Entscheidung des Landesgesetzgebers, bonitätsunabhängige Darlehen zur
Verfügung zu stellen, nicht aber einen zusätzlichen geldwerten Vorteil, der mit der
Unverzinslichkeit der Darlehen einherginge, ist verfassungsrechtlich nicht zu
beanstanden. Würde das Darlehen zinsfrei gewährt, stünde, wie die
Landesanwaltschaft zutreffend darlegt, zu erwarten, dass selbst wirtschaftlich
Leistungsfähige stets ein Darlehen in Anspruch nähmen, um in den Genuss des
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Leistungsfähige stets ein Darlehen in Anspruch nähmen, um in den Genuss des
damit verbundenen Vorteils zu gelangen.
Mit der Verzinsung des Studiendarlehens nach § 7 Abs. 2 Satz 4 HStubeiG
entstehen Belastungsunterschiede zwischen den Studierenden, die ein Darlehen in
Anspruch nehmen und es mit Zinsen zurückzahlen müssen, gegenüber den
Studierenden, die kein Darlehen in Anspruch nehmen. Den sachlichen
Anknüpfungspunkt dieses Belastungsunterschieds bilden die Inanspruchnahme
des Darlehens und damit die Erlangung eines finanziellen Vorteils, über den die
studienbeitragspflichtigen Studierenden, die kein Darlehen in Anspruch nehmen,
nicht verfügen.
b) Entgegen der Auffassung der Antragsteller verstößt die Zinsregelung nicht
deshalb gegen Art. 59 Abs. 1 Satz 4 HV, weil nach § 7 Abs. 1 Satz 6 HStubeiG nur
diejenigen Darlehensnehmer von der Zinspflicht ausgenommen sind, deren
Berechtigung, Leistungen nach dem BAföG zu erhalten, festgestellt worden ist.
Die von diesen Studierenden ansonsten zu leistenden Zinsen übernimmt der
Studienfonds nach § 9 HStubeiG. Diese Zinsfreistellung dauert auch nach Ende
des Studiums an. Mit dem gesetzlichen Ausschluss der Verzinsung eines
Studienbeitragsdarlehens für diesen Personenkreis wurde im
Gesetzgebungsverfahren in Abkehr von der zunächst vorgesehenen generellen
Verzinsungspflicht im Anhörungsverfahren geäußerten Bedenken entsprochen,
dass eine Gleichbehandlung aller Darlehensnehmer ohne Rücksicht darauf, ob sie
das Darlehen nehmen, weil sie es sich aus wirtschaftlichen Gründen nicht leisten
können, aus eigenen Mitteln die Studienbeiträge zu zahlen, oder ob sie ihre Mittel
anderswo binden wollen und deswegen auf das zinsgünstige Darlehen
zurückgreifen, gegen Art. 59 Abs. 1 Satz 4 HV verstoße (vgl. Pestalozza,
Stellungnahme vom 25. August 2006 zum Gesetzentwurf der CDU-Fraktion, AV
WKA/16/74, S. 301 [301 f.]). Aufgrund des Änderungsantrags der CDU-Fraktion
vom 19. September 2006 (LT-Drucks. 16/6018, S. 4, 6) wurde die in § 7 Abs. 1
Satz 6 HStubeiG normierte Zinsbefreiung aufgenommen.
Die Zinsbefreiung von Studierenden, deren BAföG-Berechtigung festgestellt
worden ist, stellt sicher, dass dieser Personenkreis durch die Inanspruchnahme
des Darlehens finanziell nicht stärker belastet wird als diejenigen Studierenden, die
die Studienbeiträge aus eigenen Mitteln bezahlen. Diese sozialverträgliche
Darlehensgestaltung trägt somit dem in Art. 59 Abs. 1 HV selbst nicht unmittelbar
verankerten Grundsatz der Gleichbehandlung in besonderer Weise Rechnung, weil
sie insoweit den gleichen Zugang zur akademischen Bildung ermöglicht.
c) Die Beschränkung der Befreiung von der Verzinsung des Darlehens auf diesen
Personenkreis ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Begünstigung
von BAföG-Berechtigten ist sachgerecht und geeignet, der von Art. 59 Abs. 1 HV
intendierten Bildungschancengleichheit Rechnung zu tragen.
Das Bundesausbildungsförderungsgesetz begründet einen Anspruch auf
Ausbildungsförderung für Studierende, die aus eigener wirtschaftlicher
Leistungskraft oder der ihrer Angehörigen die Kosten für ein Studium nicht selbst
aufbringen können. Es regelt den Bedarf für die jeweilige Ausbildung der Höhe
nach und enthält genaue Vorgaben für die Berücksichtigung der wirtschaftlichen
Lage des Studierenden, seiner Eltern oder der sonst Unterhaltspflichtigen. Der
Bundesgesetzgeber hat damit eine bedarfsbegründende wie bedarfsbemessende
Regelung für die staatliche Förderung von Studierenden getroffen, die bestimmt
und geeignet ist, ein Studium auch für wirtschaftlich nicht ausreichend
Leistungsfähige zu ermöglichen. Daran durfte der hessische Gesetzgeber bei der
Bestimmung desjenigen Personenkreises anknüpfen, für den eine weitere soziale
Abfederung der Darlehenskonditionen vorgesehen wurde. Es war zudem das
Anliegen des Gesetzgebers, den Verwaltungsaufwand für die Erhebung der
Studienbeiträge wie für die Feststellung der Zinsbefreiung möglichst gering zu
halten.
d) Der Gesetzgeber durfte eine Feststellung der Berechtigung zu Leistungen nach
dem Bundesausbildungsförderungsgesetz zur Voraussetzung der Zinsbefreiung
erklären.
Dabei braucht nicht entschieden zu werden, ob § 7 Abs.1 Satz 6 HStubeiG die
Erteilung eines Bescheides nach § 50 Abs. 1 Satz 1 BAföG voraussetzt. Ebenso
kann offen bleiben, ob ein Studierender über die Fälle des § 46 Abs. 5 BAföG
hinaus einen Anspruch auf Erteilung eines isolierten Feststellungsbescheides
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hinaus einen Anspruch auf Erteilung eines isolierten Feststellungsbescheides
zwecks Nachweises seiner Berechtigung zur Zinsbefreiung gemäß § 7 Abs. 1 Satz
6 HStubeiG hat. Denn selbst wenn ein Studierender zur Erlangung der
Zinsbefreiung gezwungen wäre, einen Förderungsbescheid nach § 50 Abs. 1 Satz 1
BAföG zu erwirken und in der Folge Leistungen nach dem
Bundesausbildungsförderungsgesetz tatsächlich in Anspruch zu nehmen, wäre
dies mit Art. 59 Abs. 1 Satz 4 HV vereinbar.
Es kann von Verfassungs wegen nicht beanstandet werden, dass der
Landesgesetzgeber sich aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität nicht für ein
eigenständiges Verfahren zur Feststellung der Zinsbefreiung entschieden hat. Mit
der festgestellten Berechtigung zum Erhalt von Leistungen nach dem
Bundesausbildungsförderungsgesetz verbindet sich eine gesicherte Annahme der
Angewiesenheit auf solche Leistungen und damit einer wirtschaftlichen Lage, die
der hessische Gesetzgeber zur Grundlage seiner Entscheidung einer Zinsbefreiung
für Studierende machen durfte, die das Studiendarlehen in Anspruch nehmen.
Eine eigenständige Prüfung allein für die nicht unmittelbar als Schulgeld
anzusehende Verzinsungspflicht, die sich erst bei der Rückzahlung des
Studiendarlehens realisiert, hätte im Zusammenhang mit der Darlehensvergabe
zu einem hohen Verwaltungsaufwand geführt, den der Gesetzgeber gerade
vermeiden wollte.
Der Gesetzgeber war deshalb auch nicht verpflichtet, eine Möglichkeit zur
Erlangung der Zinsbefreiung ohne Durchführung des Verfahrens nach dem
Bundesausbildungsförderungsgesetz für solche Studierende zur Verfügung zu
stellen, die entsprechende Leistungen nach dem
Bundesausbildungsförderungsgesetz bewusst nicht in Anspruch nehmen wollen,
obwohl sie die hierfür geltenden Voraussetzungen erfüllen.
3. Es begegnet auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass das
Studiendarlehen auch während der Dauer einer Stundung nach § 8 Abs. 2
HStubeiG zu verzinsen ist. Die wahlweise monatliche Mindestrate von 50 Euro in
Verbindung mit dem Erlöschen des Rückzahlungsanspruchs 25 Jahre nach Beginn
der Rückzahlungspflicht oder im Falle des Todes des Darlehensnehmers
gewährleisten die soziale Abfederung der Darlehensabwicklung in ausreichender
Weise. Eine übermäßige Inanspruchnahme der Darlehensnehmer, deren
Zinspflicht nicht von vornherein wegen Feststellung der Leistungsberechtigung
nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz entfällt, ist danach nicht zu
besorgen.
III.
Die Studienbeiträge unterliegen nicht den für Sonderabgaben geltenden speziellen
verfassungsrechtlichen Anforderungen. § 9 Abs. 2 HStubeiG ist
verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
1. Gem. § 2 Abs. 1 HStubeiG werden die Studienbeiträge für das „Lehrangebot in
allen Studiengängen nach § 20 des Hessischen Hochschulgesetzes erhoben“.
Indem die Abgabenpflicht für das den Studierenden zur Verfügung gestellte
Lehrangebot aller Studiengänge insgesamt und unabhängig von der individuellen
Inanspruchnahme durch den einzelnen Studierenden statuiert wird, stellen sich die
Beiträge nach dem Studienbeitragsgesetz als Gegenleistung für den
staatlicherseits finanzierten personellen und materiellen Aufwand für die Lehre in
den Studiengängen der hessischen Hochschulen dar. Gleichzeitig löst schon die
Möglichkeit der Inanspruchnahme des Lehrangebots, die durch die Immatrikulation
besteht, die Zahlungspflicht aus.
Sind die Studienbeiträge nach dem Studienbeitragsgesetz daher als Beiträge im
Rechtssinne anzusehen (BVerfGE 92, 91 [115]; 108, 1 [26: „Eine Gebühr wird für
die tatsächliche, ein Beitrag für die potentielle Inanspruchnahme einer staatlichen
Einrichtung oder Leistung erhoben“]), unterliegen sie als solche nicht den
besonderen verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Zulässigkeit von
Sonderabgaben. Vielmehr bestehen gegen ihre Erhebung keine grundsätzlichen
Bedenken, denn sie sind dem Grunde nach durch ihre Ausgleichsfunktion sachlich
besonders gerechtfertigt. Zwar kann ihre konkrete gesetzliche Ausgestaltung,
insbesondere ihre Bemessung, mit der Begrenzungs- und Schutzfunktion der
bundesstaatlichen Finanzverfassung kollidieren (so BVerfGE 108, 1 [17]). Hierfür
sind jedoch im Falle des Studienbeitragsgesetzes keine Anhaltspunkte ersichtlich,
da die Studienbeiträge die Kosten auch eher günstigerer Studiengänge bei Weitem
nicht abdecken. Das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst beziffert im
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nicht abdecken. Das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst beziffert im
April 2008 die Aufwendungen des Landes für Studierende auf der Basis der
Förderung der staatlichen Hochschulen im Jahr 2007 mit einer Summe von 1,192
Milliarden Euro auf durchschnittlich 11.000 Euro pro Studierenden in der
Regelstudienzeit (www.studienbeitraege.hessen.de). Der Umfang der Zahlungen
des Landes pro Studienplatz und Jahr auf der Basis von 111.850 Studierenden
während der Regelstudienzeit im Wintersemester 2006/2007 pro Studienplatz und
Jahr reicht von 5.025 Euro für Studierende der Betriebswirtschaftslehre bis zu
23.597 Euro für Medizin-Studierende. Die Kosten des Landes für einen dieser
Studienplätze auf der Basis der Regelstudienzeit werden mit 25.125 Euro für
Studierende der Betriebswirtschaftslehre bis zu 153.381 Euro für Medizin-
Studierende angegeben. Angesichts der in Relation zu den staatlich zu
finanzierenden Kosten eines Studienplatzes geringen Höhe der Grund- wie der
Langzeitstudienbeiträge, aber auch der höchstmöglichen Zweitstudienbeiträge
bestehen insbesondere hinsichtlich der Beitragshöhe keine verfassungsrechtlichen
Bedenken.
Die rechtliche Qualifizierung der Abgaben nach dem Studienbeitragsgesetz als
Beiträge wird durch die Verwendung des Beitragsaufkommens nicht in Frage
gestellt. Denn Letzteres muss nach allgemeinen Abgabegrundsätzen nicht
zwingend zweckgebunden zur speziellen Kostendeckung der beitragspflichtigen
Leistungen verwendet werden. Vielmehr dienen nach dem Prinzip der
Nonaffektation grundsätzlich alle Einnahmen als Deckungsmittel für alle Ausgaben
(Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band V, 3. Aufl. 2007,
§ 119 Rdnr. 57).
2. Die Finanzierung des Studienfonds ab dem 1. Januar 2011 führt nicht zu der
Beurteilung der Studienbeiträge als Sonderabgabe. Der Studienfonds erhält ab
dem 1. Januar 2011 gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 HStubeiG von den Hochschulen
einen Betrag, der zunächst zehn vom Hundert der jeweiligen Einnahmen der
Hochschule aus den Studienbeiträgen mit Ausnahme der Langzeitstudienbeiträge
entspricht. Damit werden, anders als die Antragsteller annehmen, nicht die von
den Studierenden zu zahlenden Studienbeiträge an den Studienfonds
weitergeleitet und zu dessen Finanzierung verwandt. Die Beitragszahlungen
werden lediglich zu der Finanzierung des Studienfonds in Bezug gesetzt. Das
Beitragsaufkommen der jeweiligen Hochschule (ohne Langzeitstudienbeiträge)
stellt nur eine Bemessungsgrundlage dar, nach der der Umfang der von den
Hochschulen, nicht aber von den beitragspflichtigen Studierenden an den
Studienfonds zu entrichtenden Zahlungen bestimmt wird. Nach dem insoweit
eindeutigen Wortlaut des Gesetzes erhält der Studienfonds „von den
Hochschulen“ einen Betrag, der nicht aus dem Studienbeitragsaufkommen selbst
entnommen wird, sondern allein der Höhe nach „zehn vom Hundert der jeweiligen
Einnahmen der Hochschule aus den Studienbeiträgen (…) entspricht“. Die den
Hochschulen zustehenden Einnahmen aus den Studienbeiträgen unterliegen
vollumfänglich der Zweckbindung nach § 1 Abs. 3 Sätze 1 - 3 HStubeiG und sind
daher für die Verbesserung der Qualität von Studium und Lehre zu verwenden.
Eine Qualifizierung der Studienbeiträge als besonders rechtfertigungsbedürftige
Sonderabgaben im Hinblick auf die Finanzierung des Studienfonds kommt von
daher nicht in Betracht.
IV.
Die Zweckbindungsregelungen in § 1 Abs. 2, 3 und 4 HStubeiG sind mit der
Hessischen Verfassung vereinbar.
1. Die Studienbeiträge nach dem Studienbeitragsgesetz werden mit Ausnahme
der Langzeitstudienbeiträge gem. § 1 Abs. 2 Satz 1 HStubeiG der Hochschule, die
die Beitragspflichtigen besuchen, zugewiesen. Sie ist verpflichtet, „die Einnahmen
zweckgebunden zur Verbesserung der Qualität von Studium und Lehre“ zu
verwenden. Die Langzeitstudienbeiträge nach § 4 HStubeiG fließen gemäß § 1 Abs.
4 HStubeiG direkt dem Landeshaushalt zu; von ihnen erhalten die Hochschulen
nur einen Anteil von 10 % zur Abdeckung ihrer Verwaltungskosten. Dies hat zur
Folge, dass die Langzeitstudienbeiträge den Hochschulen nicht zur Verbesserung
der Qualität von Studium und Lehre zur Verfügung stehen. Entsprechend
profitieren die Langzeitstudienbeiträge zahlenden Studierenden nicht unmittelbar
von ihren Beitragsleistungen. Gleichzeitig finanzieren die sonstigen Beitragszahler
die qualitätsverbessernden Maßnahmen der Hochschulen für die
Langzeitstudierenden mit.
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2. Diese unterschiedliche Mittelzuweisung begründet entgegen der Auffassung der
Antragsteller keine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes des Art. 1 HV. Es fehlt
an einer im Hinblick auf Art. 1 HV relevanten Ungleichbehandlung. Denn die
Beitragserhebung erfolgt bei den Beitragspflichtigen für die Möglichkeit der
Inanspruchnahme der Leistungen der Hochschulen. Sowohl Langzeitstudierende
als auch sonstige Beitragspflichtige sind in gleicher Weise berechtigt, die
Einrichtungen und Angebote der Hochschulen in Anspruch zu nehmen. Die
unterschiedliche Verwendung des Beitragsaufkommens ändert hieran nichts.
Insofern käme eine verfassungsrechtlich relevante Ungleichbehandlung nur dann
in Betracht, wenn ein Beitragszahler einen verfassungsrechtlich verbürgten
Anspruch hätte, Nutznießer der von ihm gezahlten Abgaben zu sein, er also
unmittelbar von „seinen“ Beiträgen profitieren müsste. Ein solcher Anspruch
existiert jedoch nicht. Vielmehr unterliegen Beitragseinnahmen von Verfassungs
wegen keiner Zweckbindung, so dass seitens des Beitragszahlers kein Anspruch
auf eine bestimmte (ihm nutzbringende) Verwendung der Beiträge besteht (vgl.
Kirchhof, a.a.O., § 119 Rdnr. 57).
Selbst für spezifisch nutzungsbezogene Gebührenregelungen hat das
Bundesverfassungsgericht ausgeführt, dass der Gleichheitsgrundsatz weder einer
Unterdeckung noch einer Überdeckung der Kosten durch die Gebühren von
vornherein entgegensteht (BVerfGE 50, 217 [226 f.]; 97, 332 [345]). Danach ist
also von Verfassungs wegen sogar eine Gebührenerhebung zulässig, die über die
Kosten hinausgeht, die die in Anspruch genommene Leistung verursacht. Folglich
besteht selbst bei Gebühren kein Anspruch darauf, dass die gezahlten Beträge
dem Zahler tatsächlich in vollem Umfang durch Leistungserbringung wieder
zufließen. Erst recht muss dies für die von einer konkreten Nutzung unabhängige
Beitragserhebung gelten. Der einzelne Studierende hat daher keinen Anspruch
darauf, dass die von ihm gezahlten (Langzeitstudien )Beiträge tatsächlich durch
entsprechende Qualitätsverbesserungen seitens der Hochschule ihm wieder
zugute kommen. Daher kann nichts dagegen eingewandt werden, dass die
Langzeitstudienbeiträge dem Landeshaushalt statt den Hochschulen zufließen.
3. Steht es somit dem Gesetzgeber frei, die durch Beiträge erzielten Einnahmen
zweckungebunden zu verwenden, so konnte er das Aufkommen aus den
Studienbeiträgen nach dem Studienbeitragsgesetz unterschiedlichen Zwecken
zuführen. Dies hat er getan, indem er die Langzeitstudienbeiträge dem
Landeshaushalt zur allgemeinen Verwendung (und damit auch der Sicherung des
Hochschulpaktes zugunsten der Hochschulen, vgl. die allgemeine Begründung des
CDU-Gesetzentwurfs, LT-Drucks. 16/5747, S. 2) und die übrigen Beiträge den
Hochschulen mit der Zweckbindung des § 1 Abs. 3 HStubeiG zugewiesen hat.
Unterstellte man, der Gesetzgeber hätte alle Beiträge nach dem
Studienbeitragsgesetz dem Landeshaushalt zugewiesen und dann die Mittel für
die Hochschulen im Landeshaushalt in Höhe (nur) eines Anteils der
Beitragseinnahmen erhöht, wäre keinerlei Anhaltspunkt für eine Verletzung des
Gleichheitsgrundsatzes erkennbar gewesen. Daher kann im Hinblick auf Art. 1 HV
nichts anderes gelten, wenn der Gesetzgeber die Beitragseinnahmen ohne die
Langzeitstudienbeiträge sogleich den Hochschulen zuweist.
4. Soweit die unterschiedliche Zuweisung der Beitragseinnahmen dazu führt, dass
Grund- und Zweitstudienbeitragszahler die mit den Beiträgen finanzierten
Qualitätsverbesserungen des Studiums (auch) für Langzeitstudierende
mitfinanzieren, ohne dass deren Beiträge wiederum den sonstigen Studierenden
unmittelbar zugute kommen, liegt darin keine verfassungsrechtlich relevante
Ungleichbehandlung oder eine rechtfertigungspflichtige Sonderabgabe. Vielmehr
entspricht es dem Wesen von Beiträgen, dass auch andere als der jeweilige
Beitragszahler von den mit den Beiträgen finanzierten Leistungen profitieren.
Selbst bei Gebühren, bei denen ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen
Abgabe und Inanspruchnahme von Leistungen besteht, ist es, da die Überdeckung
zulässig ist, verfassungsrechtlich unbedenklich, dass über die Kosten
hinausgehende Einnahmen seitens des Staates erzielt werden, die dann nicht dem
Gebührenzahler zugute kommen, da sie anderweitig im Haushalt verwendet
werden. Erst recht ist dies bei Beiträgen zulässig, bei denen der unmittelbare
Zusammenhang zwischen tatsächlicher Inanspruchnahme der Leistung und der
Beitragspflicht nicht besteht. Studierende zahlen „ihren“ Beitrag für die
Möglichkeit der Nutzung des Hochschullehrangebots. Dieses steht den Grund- und
Zweitstudienbeitragszahlern ebenfalls zur Verfügung. Deren
Nutzungsmöglichkeiten sind nicht etwa deshalb eingeschränkt, weil auch
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Nutzungsmöglichkeiten sind nicht etwa deshalb eingeschränkt, weil auch
Langzeitstudierende immatrikuliert sind, deren Beiträge nicht unmittelbar den
Hochschulen zufließen. Insofern steht stets eine Leistung den erhobenen
Beiträgen gegenüber. Eine Ungleichbehandlung ist daher nicht ersichtlich.
5. Selbst wenn man entgegen den vorstehenden Ausführungen eine
verfassungsrechtlich relevante Ungleichbehandlung der Beitragszahler annehmen
wollte, wäre diese sachlich gerechtfertigt. Denn der Lenkungseffekt der
Studienbeiträge hin zu einer Verkürzung des Studiums könnte gemindert werden,
wenn den Hochschulen die (zudem erhöhten) Einnahmen (auch) aus
Langzeitstudienbeiträgen unmittelbar zufließen würden. Der Gesetzgeber ist
weithin frei, die Gebühren(höhe) zur Verhaltenssteuerung zu nutzen (BVerfGE 97,
332 [345]). Wenn dabei auch die Überdeckung durch Gebühren zulässig ist, kann
dies für die hier in Rede stehenden Beiträge nur bedeuten, dass diese den
Hochschulen mit dem Ziel der Verbesserung des Studienangebots zur Einhaltung
der Regelstudienzeit vorenthalten werden dürfen. Selbst bei Vorliegen einer
verfassungsrelevanten Ungleichbehandlung wäre die unterschiedliche
Beitragsverwendung durch die gegenüber den Hochschulen beabsichtigte
Lenkungswirkung im Hinblick auf die Anforderungen des Art. 1 HV sachlich
gerechtfertigt.
6. Es fehlt auch an einer verfassungsrechtlich relevanten Ungleichbehandlung der
Hochschulen. Zwar ist es zutreffend, dass die der jeweiligen Hochschule
zufließenden Beitragsmittel von der Zahl der Langzeitstudierenden abhängen.
Diesbezüglich werden aber alle Hochschulen gleichbehandelt. Jede Hochschule
erhält für die Dauer der Regelstudienzeit - vorbehaltlich einer Beitragsbefreiung
gem. § 6 HStubeiG - die Beiträge der Studierenden. Ein weiterer Anspruch der
Hochschulen wurde durch die Zweckbindung in § 1 Abs. 3 HStubeiG nicht
begründet. Soweit damit die Einnahmen der Hochschulen umso geringer werden,
je größer der Anteil der Langzeitstudierenden ist, trifft dies ebenfalls alle
Hochschulen in gleichem Maße. Dass etwa bestimmte Hochschulen vermehrt
Langzeitstudierende aufweisen und daher strukturell durch die gesetzliche
Regelung benachteiligt werden, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
Aber selbst wenn man darin eine verfassungsrechtlich relevante
Ungleichbehandlung sehen wollte, wäre diese gerechtfertigt. Insofern kann auf die
Ausführungen zu 5. verwiesen werden.
7. Die den Hochschulen nur allgemein auferlegte Zweckbindung der ihnen nach § 1
Abs. 3 HStubeiG zustehenden Beiträge führt zu der Möglichkeit der Hochschulen,
die Beitragseinnahmen an beliebiger Stelle ihrer Gesamtorganisation einzusetzen.
Daher ist es möglich, die Verwendung des Beitragsaufkommens von ihrem
Entstehungszusammenhang abzukoppeln. Denn die Hochschulen sind nicht
verpflichtet, die Beiträge zentralen Einrichtungen, die allen Beitragszahlern zugute
kommen, zur Verfügung zu stellen oder etwa den jeweiligen Fachbereichen Mittel
genau in der Höhe der von ihren Studierenden gezahlten Beiträge zuzuweisen.
Vielmehr ist eine Umverteilung zwischen den einzelnen Einrichtungen der
Hochschulen zulässig.
Diese Umverteilungsmöglichkeit führt nicht zu einer Verfassungswidrigkeit der
Zweckbestimmung. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Zweckbindung von
Einnahmen ihrerseits nicht unbeschränkt möglich ist. Zwar wird allgemein davon
ausgegangen, dass dem Grundsatz der Gesamtdeckung des Haushalts
Verfassungsrang nicht zukommt. Eine - möglicherweise verfassungswidrige -
Einengung der Dispositionsfreiheit des Haushaltsgesetzgebers durch
Zweckbindungen könnte jedoch dann angenommen werden, wenn
Zweckbindungen in unvertretbarem Ausmaß stattfänden (BVerfGE 97, 332 [345]).
Folglich ist die Möglichkeit einer Zweckbindung eher die Ausnahme als die Regel. Je
weiter diese Zweckbindung reichte, desto rechtfertigungsbedürftiger wäre sie also.
Die konkrete Zuordnung der Verwendung einer (Beitrags-)Einnahme zum
Entstehungszusammenhang ist verfassungsrechtlich nicht zwingend, sondern
ihrerseits eine Ausnahme. Daher war es verfassungsrechtlich nicht erforderlich,
gesetzgeberisch die Verwendung der Beiträge gerade in dem Bereich
sicherzustellen, in dem sie erhoben werden. Insofern hat auch ein
Studienbeitragszahler von Verfassungs wegen keinen Anspruch darauf, dass seine
Beiträge für eine gerade ihm in besonderem Maße nützende Einrichtung der
Hochschule verwendet werden.
Dabei ist auch zu bedenken, dass die Studienbeiträge gemäß § 2 Abs. 1 HStubeiG
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Dabei ist auch zu bedenken, dass die Studienbeiträge gemäß § 2 Abs. 1 HStubeiG
für „das Lehrangebot in allen Studiengängen“ erhoben werden, also nicht (nur) für
die durch das Beitragsaufkommen gem. § 1 Abs. 3 HStubeiG zu finanzierenden
Verbesserungen der Qualität von Lehre und Studium. Da aber jeder
beitragspflichtige Studierende die Möglichkeit der Inanspruchnahme des
Lehrangebots seines Studienganges hat, kann es eine Abkopplung von
Beitragspflicht und Gegenleistung nicht geben. Selbst wenn es im äußersten Fall
also dazu kommen sollte, dass an einem Fachbereich durch die von seinen
Studierenden gezahlten Beiträge keinerlei Verbesserungen im Sinne des § 1 Abs.
3 HStubeiG erzielt werden, so wäre hiergegen verfassungsrechtlich nichts zu
erinnern.
V.
Die Verweisungen in § 7 Abs. 1 Satz 6 und § 8 Abs. 2 HStubeiG auf Regelungen
des Bundesausbildungsförderungsgesetzes verstoßen entgegen der Auffassung
der Antragsteller nicht gegen die Hessische Verfassung.
1. In § 8 Abs. 2 HStubeiG ist die Verpflichtung zur antragsgemäßen Stundung
davon abhängig gemacht, dass das monatliche Einkommen des
Darlehensnehmers einen Betrag nach § 18a Abs. 1 Satz 1 bis 3 BAföG zuzüglich
300 Euro nicht übersteigt. Damit wird die Stundung des Rückzahlungsanspruchs
nebst Zinsen ausdrücklich an den Einkommensbetrag nach § 18a Abs. 1 Satz 1 bis
3 BAföG gebunden. Die Voraussetzungen der damit in Bezug genommenen
bundesrechtlichen Vorschriften müssen vorliegen, damit der
Rückzahlungsanspruch gestundet wird; sie sind damit in ihrer jeweils geltenden
Fassung Gegenstand des Studienbeitragsgesetzes (vgl. LT-Drucks. 16/5747, S.
16).
a) Der Gesetzgeber muss die gesetzlichen Tatbestände nicht stets selbst
umschreiben, sondern darf im Wege der Verweisung auf andere Vorschriften
Bezug nehmen. Solche Verweisungen sind als vielfach übliche und notwendige
gesetzestechnische Methode anerkannt, sofern die Verweisungsnorm hinreichend
klar erkennen lässt, welche Vorschriften im Einzelnen gelten sollen, und wenn die
in Bezug genommenen Vorschriften dem Normadressaten durch eine
ordnungsgemäße Veröffentlichung zugänglich sind. Der Gesetzgeber darf auch auf
fremdes, nicht von ihm formuliertes und in Kraft gesetztes Recht eines anderen
Kompetenzbereiches verweisen. Eine solche Verweisung bedeutet rechtstechnisch
lediglich den Verzicht, den Text der in Bezug genommenen Vorschriften in vollem
Wortlaut in die Verweisungsnorm aufzunehmen (BVerfGE 47, 285 [311 f.]).
Bei einer Verweisung auf die jeweils geltende Fassung eines Gesetzes, einer
dynamischen Verweisung, kann mit einer Änderung des Verweisungsobjekts auch
zugleich eine Änderung der Verweisungsnorm verbunden sein, so dass sich
insbesondere unter dem Blickwinkel des Bestimmtheitsgebotes (Sommermann,
in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG II, 5. Aufl. 2005, Art. 20 Abs. 3 Rdnr. 290), des
Demokratieprinzips (Dreier, in: ders. [Hrsg.], GG II, 2. Aufl. 2006, Art. 20
[Demokratie] Rdnr. 121) und der bundesstaatlichen Kompetenzzuordnung (März,
in: v. Mangoldt/Klein/Starck, a.a.O., Art. 30 Rdnr. 29) die Frage eines etwa auch
landesverfassungsrechtlich unzulässigen Verzichts auf Befugnisse durch den nach
der Verfassung zuständigen Gesetzgeber stellt. Ein derartiger unzulässiger
Verzicht liegt indes nicht vor, wenn die Regelung in einem engen sachlichen
Zusammenhang mit der Verweisungsnorm steht. Dynamische Verweisungen auf
Vorschriften anderer Normgeber sind jedenfalls bei fest umrissenen
Rechtsinstituten und gleichgelagerten Regelungsmaterien grundsätzlich zulässig
(BVerfGE 26, 338 [365]; ausdrücklich offenlassend BVerfGE 47, 285 [312]).
Der Verweisung in § 8 Abs. 2 HStubeiG liegt ein enger sachlicher Zusammenhang
zugrunde, der die dynamische Verweisung rechtfertigt. Die Anforderungen, die der
Hessische Gesetzgeber für die Stundung der Darlehensrückzahlung als
maßgeblich ansieht, sind auf die gleichen sozialen Erwägungen zurückzuführen wie
die entsprechenden Kriterien nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz.
Dessen Regelungen sind in jahrzehntelanger Kontinuität ein gefestigter Bestandteil
der bundesweiten Förderung von Studierenden. Insbesondere die für die
Ausbildungsförderung wie für die Rückzahlung von Darlehen maßgeblichen
Einkommensgrenzen unterliegen ständiger sozialpolitischer Beobachtung wie
wissenschaftlicher Begleitung und sind in der Vergangenheit im Zuge der
Veränderungen der wirtschaftlichen Verhältnisse stetig angepasst worden. Für den
hessischen Landesgesetzgeber war klar zu erkennen, dass die bei Verabschiedung
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hessischen Landesgesetzgeber war klar zu erkennen, dass die bei Verabschiedung
des Studienbeitragsgesetzes als Voraussetzung einer Stundung in Bezug
genommene Einkommensgrenze des § 18a BAföG auch weiterhin der
sozialpolitischen Beobachtung und wissenschaftlichen Begleitung unterliegt und
bei einer Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse angepasst und in
zeitlichen Abständen erhöht werden wird (wie zuletzt mit Wirkung zum 1. Oktober
2008 durch Art. 15 Nr. 4 des 22. BAföGÄndG vom 23.12.2007, BGBl. I S. 3254
[3260]). Insofern zeichnet sich die Verweisung in § 8 Abs. 2 HStubeiG dadurch aus,
dass sie einen überschaubaren und für den Landesgesetzgeber in seiner
Entwicklung klar erkennbaren Inhalt hat. Zudem hat der Landesgesetzgeber sich
nicht auf die Übernahme dieser Regelungen beschränkt, sondern mit einem
weiteren Zuschlag von 300 Euro auf die maßgebliche Einkommensgrenze die
Stundung der Darlehensrückzahlung nebst Zinsen in weiterer Weise erleichtert.
Damit hat er die wesentliche Entscheidung über die Pflicht zur
Darlehensrückzahlung selbst getroffen.
b) Mit der zusätzlichen Festlegung eines Erhöhungsbetrages für das
Mindesteinkommen als Voraussetzung einer Stundung hat der Gesetzgeber
zugleich verdeutlicht, dass er sich der besonderen Verpflichtung im Hinblick auf die
Berücksichtigung sozialer und wirtschaftlicher Belange im Rahmen der
Bildungschancengleichheit bewusst war, so dass auch im Licht des Art. 59 Abs. 1
Satz 4 HV eine eigenständige, rechtsstaatlichen Anforderungen genügende
gesetzgeberische Entscheidung getroffen worden ist.
Damit bleibt es auch im Hinblick auf Art. 59 Abs. 1 Satz 4 HV dabei, dass der
hessische Landesgesetzgeber trotz der Dynamik der Verweisung wegen der
Sachnähe von Studienbeiträgen und Bundesausbildungsförderungsgesetz sowie
des eingeschränkten Verweisungsgegenstandes letztlich eine eindeutige eigene
Entscheidung getroffen hat. Das gleichwohl enthaltene dynamische Element, das
zudem aufgrund der praktischen Erfahrungen der Vergangenheit allein in der
Möglichkeit einer Erhöhung der Freibeträge zugunsten der Studierenden besteht,
ist nicht derart weitreichend, dass nicht mehr von einer eigenen Entscheidung des
hessischen Landesgesetzgebers ausgegangen werden könnte.
Hinsichtlich der von den Antragstellern geltend gemachten Bedenken, dass die
Anpassungsentscheidungen zu den Einkommensgrenzen des
Bundesausbildungsförderungsgesetzes (zukünftig) den Anforderungen des Art. 59
Abs. 1 HV nicht mehr entsprechen könnten, ist darauf zu verweisen, dass der
Gesetzgeber verpflichtet und in der Lage ist, den Regelungsgehalt des
Studienbeitragsgesetzes im Lichte der in Bezug genommenen Regelungen des
Bundesausbildungsförderungsgesetzes - wie auch sonst bei der Festlegung von
Betragsgrenzen - unter Kontrolle zu halten. Er hat sich im Übrigen selbst durch die
Befristung in § 13 Abs. 2 HStubeiG eine inhaltliche Kontrolle des gesamten
Gesetzes und damit auch der Einkommensgrenzen spätestens im Jahr 2011
auferlegt.
2. Diese Beurteilung gilt im Ergebnis auch für die Regelung in § 7 Abs. 1 Satz 6
HStubeiG, die eine während des Studiums erfolgende Feststellung der
Berechtigung, Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz zu
erhalten, zur Voraussetzung der Zinsbefreiung für ein Studienbeitragsdarlehen
macht.
Insofern ist bereits zweifelhaft, ob eine dynamische Verweisung anzunehmen ist,
weil es hier allein auf die Feststellung der Anspruchsberechtigung zum Erhalt von
Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz ankommt und nicht
unmittelbar auf das Erfüllen einzelner Anspruchsvoraussetzungen nach diesem
Gesetz.
Die Sachnähe des Bundesausbildungsförderungsgesetzes und seiner
vergleichbaren Zielsetzung zu den ausbildungsbezogenen Belangen des
Studienbeitragsgesetzes rechtfertigt jedenfalls auch im Licht des Art. 59 Abs. 1
Satz 4 HV im Hinblick auf das Rechtsstaatsprinzip die Anknüpfung an die
ausbildungsförderungsrechtliche Entscheidung.
VI.
Die angegriffenen Vorschriften sind auch im Übrigen mit den Anforderungen des
Gleichheitssatzes aus Art. 1 HV vereinbar. Dies gilt für die Ermächtigung der
Hochschulen zur Erhöhung des Zweitstudienbeitrags (1.), für die nur fakultative
Reduzierung des Teilzeitstudienbeitrags (2.), den Ausschluss der
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Reduzierung des Teilzeitstudienbeitrags (2.), den Ausschluss der
Darlehensberechtigung zur Finanzierung von Langzeit- oder Zweitstudienbeiträgen
(3.) sowie die Beitragsbefreiung studierender Eltern (4.).
1. Die Absolvierung eines weiteren Studiengangs nach Erwerb eines ersten
berufsqualifizierenden Abschlusses außerhalb konsekutiver Masterstudiengänge
wird in § 3 Abs. 3 Satz 1, 2 HStubeiG einem Zweitstudienbeitrag unterworfen, der
wie der Grundstudienbeitrag auf 500 Euro bemessen ist. Den Hochschulen wird
durch § 3 Abs. 3 Satz 3 HStubeiG die Möglichkeit eingeräumt, den
Zweitstudienbeitrag durch Satzung für Zweitstudiengänge außerhalb konsekutiver
Masterstudiengänge anstelle des gesetzlichen Regelbeitrags von 500 Euro auf
einen bis auf 1.500 Euro erhöhten Beitrag festzusetzen.
a) Dem Gesetzgeber stand es im Hinblick auf Art. 1 HV frei, ein Zweitstudium
anders als ein Erststudium zu behandeln und hierfür im vorgesehenen Umfang
erhöhte Beiträge zuzulassen.
Bei der Ausgestaltung von Abgabenpflichten steht dem Gesetzgeber ein weiter
Gestaltungsspielraum zu. Neben der Kostendeckung dürfen soziale Zwecke und
der Wert einer individuellen Leistung oder des zur Verfügung gestellten Vorteils
aus der Nutzung von Einrichtungen ebenso Berücksichtigung finden wie Planungs-
und Steuerungsintentionen des Gesetzgebers (vgl. BVerfGE 97, 332 [345]). Dem
Gesetzgeber ist unter der Geltung des allgemeinen Gleichheitssatzes nicht jede
Differenzierung verwehrt. Er darf allerdings eine Gruppe von Normadressaten im
Vergleich zu anderen Normadressaten nicht anders und nachteilig behandeln,
wenn zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem
Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können
(Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung, vgl. BVerfGE 100, 104
[127]; 103, 271 [289]). Mit einer Gebührenregelung dürfen neben der
Kostendeckung auch andere Zwecke verfolgt werden; auch der Wert einer
staatlichen Leistung für deren Empfänger kann sich in Gebührenmaßstäben
niederschlagen. Innerhalb seiner jeweiligen Regelungskompetenzen verfügt der
Gebührengesetzgeber über einen weiten Entscheidungs- und
Gestaltungsspielraum, welche individuell zurechenbaren öffentlichen Leistungen er
einer Gebührenpflicht unterwerfen, welche Gebührenmaßstäbe und
Gebührensätze er hierfür aufstellen und welche über die Kostendeckung
hinausgehenden Zwecke, etwa einer begrenzten Verhaltenssteuerung in
bestimmten Tätigkeitsbereichen, er mit einer Gebührenregelung anstreben will
(BVerfGE 97, 332 [345]; 108, 1 [18]). Für Beiträge, die nicht wie Gebühren jeweils
als Gegenleistung für eine konkrete und individuell zurechenbare öffentliche
Leistung erhoben werden, sondern allein im Hinblick auf die Möglichkeit der
Inanspruchnahme der öffentlichen Leistung, gelten im Hinblick auf den
Gleichheitssatz des Art. 1 HV, der mit den Anforderungen des Gleichheitssatzes
des Art. 3 Abs. 1 GG übereinstimmt, keine weitergehenden Anforderungen.
b) Die unterschiedliche Behandlung eines Erst- und Zweitstudiums bei der
Heranziehung zu Studienbeiträgen ist wegen der hohen Kostenbelastung der
Bereitstellung von Studienplätzen sachlich gerechtfertigt.
Die Möglichkeit, von Studierenden, die ein Zweitstudium aufnehmen, eine
Beteiligung an den Kosten ihrer Ausbildung zu verlangen, trägt der Zielsetzung
des Gesetzes, den Hochschulen erhöhte Finanzmittel zur Verfügung zu stellen,
ebenso Rechnung wie der gesetzgeberischen Erwägung, mit der Beteiligung der
Studierenden an den Kosten ihrer Ausbildung eine Gerechtigkeitslücke zu
schließen. Diese sah der Gesetzgeber darin, dass eine Vielzahl nichtakademischer
Ausbildungen den Einsatz erheblicher Eigenmittel erfordert. Studierende eines
zweiten Studienganges verfügen bereits über einen akademischen Abschluss und
damit einen hohen Bildungsgrad. Die erneute Inanspruchnahme des mit hohem
Aufwand zu finanzierenden staatlichen Bildungsangebots in Form einer weiteren
Hochschulausbildung rechtfertigt es grundsätzlich, die Begünstigten bei der
Heranziehung zu einem Studienbeitrag anders als Studierende zu behandeln,
deren Studium dem Erwerb eines ersten berufsqualifizierenden Abschlusses dient,
zumal zwei Studien regelmäßig eine erhöhte Qualifizierung und erhöhte
Einkommensperspektiven vermitteln.
Diese Wertung ist Gegenstand verschiedener Vorschriften, die in der
Rechtsprechung nicht beanstandet worden sind, wie der Regelung von
Zweitstudiengebühren (vgl. Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom
22.06.2006 - 5 UZ 2445/05 - zu § 5 Abs. 3 Satz 1 StuGuG a.F.; VG Mainz, Urteil
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22.06.2006 - 5 UZ 2445/05 - zu § 5 Abs. 3 Satz 1 StuGuG a.F.; VG Mainz, Urteil
vom 26.09.2007 - 7 K 2244/07.MZ - ) oder der verschärften
Zulassungsbedingungen für Zweitstudien in Studiengängen mit
Zulassungsbeschränkungen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom
27.03.2008 - 13 B 310/08 - ; VG Berlin, Beschluss vom 27.11.2007 - 3 LA 733.07 -
). Sie findet auch in der Beschränkung der Ausbildungsförderung für eine weitere
Ausbildung in § 7 Abs. 2 Satz 1 BAföG ihren Niederschlag.
Fälle, in denen ein Zweitstudium für die Ausübung des angestrebten Berufs
rechtlich erforderlich ist, hat der Gesetzgeber in § 4 Abs. 3 HStubeiG besonders
geregelt. Im Übrigen sind die Hochschulen gemäß § 6 Abs. 5 HStubeiG
verpflichtet, Studierende von der Beitragspflicht zu befreien oder die Höhe des
Studienbeitrags zu ermäßigen, wenn die Erhebung des Beitrages aufgrund
besonderer Umstände des Einzelfalls eine unbillige Härte darstellen würde.
c) Der Abgabentatbestand des § 3 Abs. 3 Satz 3 HStubeiG ist auch hinreichend
bestimmt. Der Gesetzgeber hat das den Hochschulen eingeräumte
Satzungsermessen durch die Festlegung eines Mindestbeitrags von 500 Euro und
eines Höchstbeitrags von 1.500 Euro ausreichend begrenzt. Die Eröffnung dieses
begrenzten hochschulautonomen Gestaltungsspielraums für weiterführende
Studienangebote wurde im Gesetzgebungsverfahren mit der beabsichtigten
Förderung des Wettbewerbs und der Profilbildung der Hochschulen bei der
Entwicklung weiterqualifizierender Studiengänge, die sich in besonderem Maß an
Absolventen einer beruflichen Erstausbildung richten, begründet (LT-Drucks.
16/5747, S. 13). Kriterien für die Notwendigkeit der Erhöhung des
Zweitstudienbeitrags können vielschichtig und von dem jeweiligen Studiengang
oder der Studiensituation an einer Hochschule abhängig sein. Es ist
verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber es den
Hochschulen als Empfängern (auch) der Zweitstudienbeiträge überantwortet hat,
die finanziellen Erfordernisse zur Verbesserung der Qualität von Studium und
Lehre für Studierende in Zweitstudiengängen selbst zu ermitteln und die Höhe der
Studienbeiträge nach § 3 Abs. 3 Satz 3 HStubeiG daran auszurichten. Die
genauere Bestimmung der Voraussetzungen einer Erhöhung des
Zweitstudienbeitrags über 500 Euro hinaus und die Festsetzung im vorgegebenen
Rahmen durfte den kraft Verfassung in Art. 60 Abs. 1 Satz 2 HV mit dem Recht der
Selbstverwaltung ausgestatteten und bei der Ausübung dieser
Regelungsermächtigung an die gesetzlichen und verfassungsrechtlichen Vorgaben
gebundenen Hochschulen als autonomen Satzungsgebern übertragen werden.
d) Die potentiell erhöhten Beiträge für ein Zweitstudium verstoßen auch im
Übrigen nicht gegen verfassungsrechtliche Grundsätze der Abgabengerechtigkeit.
Aufgrund des bereits zuvor dargelegten weiten Gestaltungsspielraums dürfen die
Anforderungen an den Beitragsgesetzgeber nicht überspannt werden. Zur
Wahrung des Entscheidungs- und Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers ist die
gerichtliche Kontrolldichte am Maßstab finanzverfassungsrechtlicher
Rechtfertigungsanforderungen eingeschränkt. Eine Beitragsbemessung ist
verfassungsrechtlich (erst) dann nicht sachlich gerechtfertigt, wenn sie in einem
„groben Missverhältnis“ zu dem verfolgten Beitragszweck steht (BVerfGE 108, 1
[19]). Das ist vorliegend offenkundig nicht der Fall.
2. Es verstößt auch nicht gegen den Gleichheitssatz aus Art. 1 HV, dass die
Hochschulen in § 3 Abs. 2 HStubeiG lediglich ermächtigt, nicht aber verpflichtet
werden, durch Studienordnung und damit Satzung den Grundstudienbeitrag im
Falle eines Teilzeitstudiums proportional zum Pflichtlehrangebot eines
Vollzeitstudiums zu reduzieren.
a) Die Beitragspflicht knüpft an die Möglichkeit der Studierenden zur
Inanspruchnahme des Lehrangebots der Hochschulen an (§ 2 Abs. 1 HStubeiG).
Teilzeitstudierende nehmen das Lehrangebot der Hochschulen zwar nicht in vollem
Umfang wahr. Teil- wie auch Vollzeitstudium können in Bezug auf besonders
kostenintensive Lehrveranstaltungen aber gleichgewichtige finanzielle
Aufwendungen erfordern, die es rechtfertigen, Teilzeitstudierende keiner
reduzierten Studienbeitragspflicht zu unterwerfen. Die durch § 3 Abs. 2 HStubeiG
gegebene Option, trotz reduzierter Pflichtstundenzahl den vollen
Grundstudienbeitrag zu erheben, verstieße nur dann gegen Art. 1 HV, wenn kein
Umstand ersichtlich wäre, der im Fall eines Teilzeitstudiums die Erhebung des
vollen Beitrags nach § 3 Abs. 1 HStubeiG rechtfertigen würde. Dies ist nicht der
Fall.
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Auch bei reduzierter Pflichtstundenzahl im Teilzeitstudium sind
Studiengestaltungen denkbar, die besonders kostenintensive Lehrveranstaltungen
der Hochschulen in vergleichbarem Umfang erfordern wie ein Vollzeitstudium. In
diesen Fällen kann es sachlich gerechtfertigt sein, von einer Ermäßigung des
Grundstudienbeitrags abzusehen. Entsprechendes wäre etwa dann anzunehmen,
wenn die mit den Studienbeiträgen nach § 1 Abs. 3 HStubeiG finanzierten
Qualitätsverbesserungen ihrer Eigenart nach gerade auch Teilzeitstudierenden
zugute kämen.
Eine unterschiedliche Behandlung von Teilzeit- und Vollzeitstudiengängen bei der
Heranziehung zum Studienbeitrag ist danach nicht zwingend, sondern unterliegt
der Bewertung im konkreten Studiengang. Es war zulässig, diese der Regelung
durch Studienordnung zu unterwerfen und damit der Satzungsautonomie der
Hochschulen zu überantworten mit der Ermächtigung, Beitragsregelungen zu
treffen, die die jeweilige Inanspruchnahme von Lehrleistungen im Verhältnis zu den
Vollzeitangeboten angemessen widerspiegeln.
b) Diesbezüglich ist jedoch besonders darauf hinzuweisen, dass das den
Hochschulen bei der Beitragsbestimmung eingeräumte Ermessen insoweit
eingeschränkt ist, als nicht jede hochschulbezogene Erwägung die Beibehaltung
des Regelgrundstudienbeitrags rechtfertigt. Wie sich aus dem Wortlaut des § 3
Abs. 2 HStubeiG ergibt, ist für die Reduzierung des Teilzeitstudienbeitrags der
Umfang des Pflichtlehrangebots im Verhältnis zu einem entsprechenden
Vollzeitstudiengang maßgebend. Daher haben die Hochschulen die Ausübung
ihres Satzungsermessens aus § 3 Abs. 2 HStubeiG insbesondere am
Pflichtlehrangebot auszurichten. Wenn sich in einem Teilzeitstudiengang insofern
ein nur eingeschränkter Umfang ergibt und daraus auch eine regelmäßig nur
eingeschränkte Inanspruchnahme des Lehrangebots (vgl. § 2 Abs. 1 HStubeiG, §
65 HHG) folgt, sind die Hochschulen gehalten, von der Ermächtigung zur
Beitragsreduzierung Gebrauch zu machen.
c) Dies gilt im Wege verfassungskonformer Auslegung auch für den Fall eines
Teilzeitstudiengangs, der nach Erwerb eines ersten berufsqualifizierenden
Abschlusses außerhalb konsekutiver Masterstudiengänge während der
Regelstudienzeit durchgeführt und für den gemäß § 3 Abs. 3 HStubeiG ein
Zweitstudienbeitrag erhoben wird. Der Gesetzgeber hat in § 2 Abs. 1 und auch in §
3 Abs. 2 HStubeiG als Grund wie als Maßstab für die Beitragserhebung den
Umfang des (Pflicht-)Lehrangebots definiert. Vor den Anforderungen des
Gleichheitssatzes kann dies auch im Falle eines Teilzeitstudiums, das als
Zweitstudium absolviert wird, nicht unberücksichtigt bleiben.
3. § 7 Abs. 1 Satz 1 HStubeiG schließt einen Anspruch auf Gewährung des
Darlehens der Landestreuhandstelle zur Finanzierung von Zweitstudienbeiträgen
(nach § 3 Abs. 3 HStubeiG) und Langzeitstudienbeiträgen (nach § 4 HStubeiG,
vorbehaltlich des § 7 Abs. 4 HStubeiG) aus. Dies stellt eine Ungleichbehandlung
gegenüber Erststudierenden in der Regelstudienzeit dar, die dem
Gleichbehandlungsgrundsatz genügt.
a) Die bonitätsunabhängige Darlehensgewährung gem. § 7 HStubeiG dient der
Sicherung der besonderen Anforderungen des Art. 59 Abs. 1 HV, die auf
Studierende eines Zweitstudiums keine Anwendung finden. Insofern rechtfertigt
schon der besondere Gewährleistungsgehalt des Art. 59 Abs. 1 HV als
Differenzierungskriterium des Verfassungsgebers die Ungleichbehandlung. Denn
der Staatsgerichtshof hat ausdrücklich festgestellt, dass das Grundrecht auf
Unterrichtsgeldfreiheit nach Art. 59 Abs. 1 Satz 1 HV sich notwendigerweise nur
auf ein Studium von angemessener Dauer erstreckt (StGH, Urteil vom 01.12.1976
- P.St. 812 - , StAnz. 1977, S. 110 [115]). Im Übrigen hat der Gesetzgeber eine
Befreiung von der Beitragspflicht oder eine Ermäßigung aus Gründen unbilliger
Härte vorgesehen (§ 6 Abs. 5 HStubeiG) und damit individuellen Besonderheiten
ausreichend Rechnung getragen.
b) Gleiches gilt für die zur Zahlung von Langzeitstudienbeiträgen verpflichteten
Studierenden. Mit der Erhöhung dieser Beiträge um bis zu 400 Euro gem. § 4 Abs.
1 Satz 3 HStubeiG wird das Ziel verfolgt, „einer Verzögerung des
Studienabschlusses und einer übermäßigen Inanspruchnahme der Leistungen der
Hochschulen“ entgegenzuwirken (so die Begründung des Gesetzentwurfs, LT-
Drucks. 16/5747, S. 14). Mit der Vorenthaltung des Darlehens wird dieses legitime
gesetzgeberische Ziel konsequent fortgeführt. Denn andernfalls würde ein
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gesetzgeberische Ziel konsequent fortgeführt. Denn andernfalls würde ein
finanzieller Anreiz für die Fortführung des Studiums über einen angemessenen
Zeitraum hinaus geschaffen und daher die mit der Erhöhung der
Langzeitstudienbeiträge bezweckte Lenkungswirkung konterkariert.
4. Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 und 2 HStubeiG werden Studierende, die Elternteil
eines Kindes unter 14 Jahren sind, bezüglich des Grundstudienbeitrags und des
Langzeitstudienbeitrags von der Beitragspflicht im Umfang von bis zu sechs
Semestern für jedes Kind befreit. Diese Freisemester können frei auf die Eltern
verteilt werden, sofern beide an einer Hochschule des Landes immatrikuliert sind
(§ 6 Abs. 1 Satz 3 HStubeiG). Darin liegt kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz
des Art. 1 HV und auch keine mittelbare Diskriminierung von Frauen.
a) Gegen den Gleichheitssatz verstößt nicht, dass der Gesetzgeber die
Befreiungsvoraussetzungen kindbezogen geregelt und nicht von der
Erziehungsleistung der Eltern abhängig gemacht hat.
Nach der Begründung des Gesetzentwurfs soll durch die Freisemester „die
besondere zeitliche und finanzielle Belastung Studierender mit Kindern bereits in
der Phase des Studiums berücksichtigt“ werden (LT-Drucks. 16/5747, S. 14). Bei
der Realisierung dieses Ziels hatte der Gesetzgeber ein weites
Gestaltungsermessen hinsichtlich des Umfangs der Freistellung wie auch der
Umsetzung. Dazu gehörte die Entscheidung, sechs Semester je Kind und nicht
etwa drei oder sechs Semester je Elternteil von der Beitragspflicht freizustellen.
Die Kindererziehung durfte im Rahmen des gesetzgeberischen
Gestaltungsermessens typisierend und pauschalierend mit dem Aufwand je
erziehungsbedürftigem Kind berücksichtigt werden. Wäre auf die individuelle
Erziehungsleistung der Eltern abgestellt worden, hätte diese im Einzelfall ermittelt
werden müssen. Dies hätte einen erhöhten Verwaltungsaufwand bedeutet, den
der Gesetzgeber im Interesse größtmöglichen Nutzens der Hochschule an den
Studienbeiträgen gerade vermeiden wollte. Für Fälle ungewöhnlichen
Erziehungsaufwands bietet die Beitragsbefreiung oder -ermäßigung aus Gründen
unbilliger Härte (§ 6 Abs. 5 HStubeiG) eine angemessene einzelfallbezogene
Berücksichtigungsmöglichkeit.
Auch die frei gestaltbare Verteilungsmöglichkeit der für jedes Kind vorgesehenen
sechs Freisemester auf die Eltern verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz. Der
Gesetzgeber war weder verpflichtet, die sechssemestrige Freistellung hälftig auf
studierende Eltern zu verteilen, noch jedem der beiden studierenden und
erziehenden Elternteilen sechs Freisemester für jedes Kind zu gewähren. Die
konkrete Prüfung des Erziehungsaufwandes sollte gerade vermieden werden. Die
Entscheidungsmöglichkeit der Eltern über die Verteilung der Freisemester trägt
dem Rechnung und ermöglicht den Eltern, ohne Verpflichtung zur Erläuterung
ihres individuellen Erziehungsaufwands gegenüber der Hochschule den
kindbezogenen Freistellungsanspruch geltend zu machen.
b) § 6 Abs. 1 Sätze 1, 2 HStubeiG verstößt ebenso wie die Rückzahlungspflicht
nach § 8 Abs. 1 HStubeiG auch unter dem Aspekt einer mittelbaren
Diskriminierung von Frauen nicht gegen Art. 1 HV. Ob Art. 1 HV eine solche
mittelbare Diskriminierung verbietet, hat der Staatsgerichtshof bisher nicht
entschieden. Diese Frage bedarf auch hier keiner Entscheidung. Denn eine
mittelbare Diskriminierung von Frauen durch die Festlegung einer Höchstgrenze
von sechs Freisemestern und die Möglichkeit für studierende Eltern, diese nach
ihrer freien Entscheidung untereinander aufzuteilen, ist ebenso wenig zu besorgen
wie durch die Modalitäten der Darlehensrückzahlung.
Eine mittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts ist dann anzunehmen,
wenn eine geschlechtsneutral formulierte Regelung im Ergebnis überwiegend
Angehörige eines Geschlechts, etwa Frauen, nachteilig betrifft und dies auf
natürliche oder gesellschaftliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern
zurückzuführen ist (vgl. BVerfGE 104, 373 [393]).
aa) Dass in Fällen, in denen beide Elternteile beitragspflichtig studieren, eine
vorrangige Inanspruchnahme der Beitragsbefreiung nach § 6 Abs. 1 HStubeiG
durch den männlichen Elternteil wahrscheinlich ist, ist nicht nachgewiesen und liegt
keineswegs auf der Hand. Auch wenn es nahe liegend erscheint, dass die Mutter
unmittelbar nach der Geburt ihr Studium unterbricht, begründet dies nicht die
Annahme, dass damit eine längere Unterbrechung eintritt, während der
studierende Vater sein Studium zu Ende bringt und die Beitragsfreiheit in
Anspruch nimmt.
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Die Beitragsbefreiung wegen Kindererziehung dient der Berücksichtigung der
finanziellen (und zeitlichen) Belastung durch ein Kind; den Unterhaltspflichtigen soll
eine Belastung im Umfang von bis zu sechs Semesterbeiträgen (in der Regel also
3.000 Euro) erspart werden. Da die Unterhaltspflicht aber beide Elternteile
gemeinsam trifft und sie pro Kind gewährt wird, ist die Beitragsbefreiung nicht eine
Vorteilsgewährung zugunsten eines Vaters oder einer Mutter, sondern zugunsten
der Eltern als von den finanziellen Lasten der Kindererziehung gemeinsam
Betroffenen. Daher kommt es nicht darauf an, welcher Elternteil sie (für sich) in
Anspruch nehmen kann, sondern auf das gesetzgeberische Ziel, die
Unterhaltspflichtigen in der gesetzlichen Höhe von insgesamt sechs
Semesterbeiträgen zu entlasten. Dieses Ziel wird aber geschlechtsunabhängig
erreicht. Denn selbst wenn eine Mutter für die Dauer von sechs Semestern ihr
Studium unterbrechen würde und der Kindesvater während der gesamten Zeit die
Beitragsbefreiung in Anspruch nähme, wäre den Unterhaltspflichtigen (Eltern) der
gesetzliche Vorteil von 3.000 Euro zugewendet. Eine Diskriminierung der Mutter ist
daher nicht gegeben.
Im Übrigen hat der Gesetzgeber die Entscheidung, ob und wie die Freisemester
unter den Eltern verteilt werden, allein den Eltern selbst und damit auch der Mutter
zugewiesen. Dadurch könnte eine mittelbare Diskriminierung allenfalls dann
entstehen, wenn der Gesetzgeber annehmen musste, dass den studierenden
Müttern nicht wirklich eine Wahlfreiheit bezüglich der Verteilung der Freisemester
zukäme. Dafür gibt es keine Anhaltspunkte.
bb) Es gibt derzeit keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Erwartung, dass sich
die Belastung mit der Darlehensschuld und den Zinsen hieraus ganz überwiegend
zum Nachteil von Frauen auswirken wird.
Die Antragsteller machen geltend, wer gleiche Tilgungen und Zinsen von Männern
und Frauen verlange, benachteilige dabei in der Gesamtbelastung typischerweise
die Frauen und insbesondere die Mütter. Wer nach dem Studium
Einkommenseinbußen insbesondere infolge der Erziehung von Kindern habe,
erleide Nachteile gegenüber anderen Schuldnern, da mit dem notwendigen
Hinausschieben der Schuldentilgung die Rückzahlungslast weiter ansteige.
Empirische Nachweise belegten, dass in Australien weibliche Absolventen ihr
Studiendarlehen im Durchschnitt erst sechs Jahre später tilgen könnten als
männliche.
Die Tilgungs- und Zinszahlungspflicht von Studiendarlehen gilt für Männer und
Frauen gleichermaßen. Sie knüpft nicht an einen Umstand an, der Frauen
typischerweise besonders trifft oder benachteiligt, sondern ist ökonomische Folge
des gewährten Studiendarlehens.
Für eine von den Antragstellern geltend gemachte Benachteiligung, die
typischerweise die Frauen und insbesondere die Mütter träfe, liegen aber auch
keine tatsächlichen Anhaltspunkte vor. Die Rückzahlungsschwierigkeiten von
Frauen in Australien lassen einen Rückschluss auf entsprechende Schwierigkeiten
bei der Rückzahlung der Studiendarlehen nach dem Studienbeitragsgesetz nicht
zu. Die Studiengebühren in Australien lagen bereits im Jahr 2002 bei ca. 3600 bis
6000 Australischen Dollar jährlich (vgl. Nagel, Studiengebühren und ihre sozialen
Auswirkungen, 2003, S. 104), so dass Empfängerinnen dieser Leistungen mit
deutlich höheren Rückzahlungen belastet sind als dies auf der Grundlage von
darlehensfinanzierten Studienbeiträgen von 500 Euro je Semester nach dem
Studienbeitragsgesetz der Fall ist.
Die Darlehenskonditionen des Studienbeitragsdarlehens sind ferner in
verschiedener Weise sozial abgefedert, so dass eine besondere Belastung, die
gerade Frauen treffen könnte, auch von daher durch die Rückzahlbarkeit und
Verzinsung von Studienbeiträgen nicht erfolgt. Darlehen nebst Zinsen - soweit
nicht der Zinsanspruch gemäß § 7 Abs. 6 HStubeiG bereits auf Grund der
Feststellung der Berechtigung zum Erhalt von Leistungen nach dem
Bundesausbildungsförderungsgesetz entfällt - können in Mindestraten von 50 Euro
monatlich zurückgezahlt werden und sind auf Antrag hin zu stunden, solange das
monatliche Einkommen den maßgeblichen Anrechnungsbetrag für die
Rückzahlung eines Darlehens nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz
zuzüglich eines Betrages von 300 Euro nicht übersteigt. Außerdem erlischt der
Rückzahlungsanspruch 25 Jahre nach Beginn der Rückzahlungspflicht (§ 8 Abs. 1
Satz 5 HStubeiG).
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VII.
1. Der Gesetzgeber hat nicht gegen die Hessische Verfassung verstoßen, indem
er auch solche Studierende der Studienbeitragspflicht unterworfen hat, die ihr
Studium vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Einführung von Studienbeiträgen des
Landes und zur Änderung weiterer Vorschriften und damit unter der Geltung des
Studienguthabengesetzes aufgenommen haben.
Zu den wesentlichen Elementen des Rechtsstaatsprinzips, das auch der
Hessischen Verfassung zu Grunde liegt, gehört die Rechtssicherheit (StGH, Urteil
vom 07.04.1976 - P.St. 798 - , StAnz. 1976, S. 815 [821]). Der Staatsbürger soll
die ihm gegenüber möglichen staatlichen Eingriffe voraussehen und sich
dementsprechend einrichten können; er muss darauf vertrauen können, dass sein
dem geltenden Recht entsprechendes Handeln von der Rechtsordnung mit allen
ursprünglich damit verbundenen Rechtsfolgen anerkannt bleibt (BVerfGE 30, 367
[386]). Nach diesem Grundsatz sind belastende Gesetze, die in schon
abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreifen und
dadurch echte Rückwirkung entfalten, wegen Verstoßes gegen das
Rechtsstaatsprinzip regelmäßig verfassungswidrig.
Wirkt eine Norm dagegen nur auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene
Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft ein und entwertet sie damit
zugleich die betroffene Rechtsposition nachträglich im Ganzen, so entfaltet sie
lediglich unechte Rückwirkung. Derartige Gesetze sind grundsätzlich zulässig. Die
Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit können aber
je nach Lage der Verhältnisse im einzelnen Fall der Regelungsbefugnis des
Gesetzgebers Schranken setzen (StGH, a.a.O., S. 821; ebenso BVerfGE 95, 64
[86]; 96, 330 [340]). Demgemäß liefert letztlich eine Abwägung der
schutzwürdigen Interessen der von der unechten Rückwirkung Betroffenen auf der
einen Seite und des öffentlichen Interesses an der Neuregelung auf der anderen
Seite den Maßstab für die Zulässigkeit einer unechten Rückwirkung
(Sommermann, a.a.O., Art. 20 Abs. 3 Rdnr. 296).
2. Das Studienbeitragsgesetz vom 16. Oktober 2006 entfaltet nach diesen
Maßstäben lediglich unechte Rückwirkung. Denn es führt die Beitragspflicht für
Studierende gem. § 13 Abs. 1 HStubeiG erst für die Zukunft, nämlich ab dem
Wintersemester 2007/2008, ein und lässt die Unentgeltlichkeit des Studiums für
die vorangegangenen Semester in dem bisher bestehenden Umfang unverändert.
Damit bleiben abgeschlossene Sachverhalte der Vergangenheit unangetastet.
Eine Abwägung der widerstreitenden Interessen ergibt nicht, dass dem
Vertrauensschutz der betroffenen Studierenden der Vorrang eingeräumt werden
muss.
a) Der verfassungsrechtlich verbürgte Vertrauensschutz gebietet nicht, den von
einer bestimmten Rechtslage Begünstigten vor jeglicher Enttäuschung seiner
Hoffnungen und Erwartungen betreffend die Dauerhaftigkeit der bestehenden
Rechtslage zu bewahren. Denn der Staat muss handlungsfähig und die
Rechtsordnung anpassungsfähig bleiben. Der Gesetzgeber muss aus Gründen des
Allgemeinwohls Neuregelungen treffen können, die den jeweiligen Erfordernissen
gerecht zu werden geeignet sind. Ein voller Schutz zugunsten des Fortbestands
der bisherigen Gesetzeslage würde den dem Gesamtwohl verpflichteten
demokratischen Gesetzgeber in wichtigen Bereichen lähmen, das Gesamtwohl
schwerwiegend gefährden und die Versteinerung der Gesetzgebung bedeuten. Es
muss dem Gesetzgeber daher grundsätzlich möglich sein, Normen, die an in der
Vergangenheit liegende Tatbestände anknüpfen, zu erlassen und unter Änderung
der künftigen Rechtsfolgen dieser Tatbestände auf veränderte Gegebenheiten mit
einer Änderung seines Normenwerkes zu reagieren (BVerfGE 76, 256 [348]).
b) Der Gesetzgeber hatte ein berechtigtes Interesse daran, die mit dem
Studienbeitragsgesetz verfolgten Ziele, insbesondere die Verbesserung der
Qualität von Studium und Lehre, möglichst zeitnah zur Geltung zu bringen. Dies
bedingte eine baldige Einführung der Beitragspflicht.
c) Die mit der Studienbeitragserhebung bewirkte Mittelerhöhung der Hochschulen
und die dadurch bezweckte Verbesserung der Qualität von Studium und Lehre
kommt sowohl denjenigen zugute, die ihr Studium vor Inkrafttreten des
Studienbeitragsgesetzes aufgenommen hatten, als auch denjenigen, die ihr
Studium erst unter der Geltung dieses Gesetzes aufnahmen.
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Profitieren aber alle Studierenden unabhängig von ihrem jeweiligen Studienbeginn
grundsätzlich in gleicher Weise von den mit dem Beitragsaufkommen finanzierten
Maßnahmen, spricht der Gleichheitssatz des Art. 1 HV für eine gleichmäßige
Heranziehung aller Studierenden. Andernfalls hätten Studierende, die ihr Studium
vor Inkrafttreten des Studienbeitragsgesetzes begonnen hatten, Vorteile aus
Qualitätsverbesserungen gezogen, ohne sich an deren Finanzierung beteiligen zu
müssen. Eine derart unterschiedliche Behandlung der Gruppe der Studierenden
hätte im Hinblick auf die sachliche Rechtfertigung Bedenken aufgeworfen (vgl. VG
Minden, Urteil vom 01.06.2007 - 9 K 489/07 - , juris, Rdnr. 38, das
dementsprechend eine unterschiedliche Beitragshöhe in Abhängigkeit von bereits
absolvierten Semestern als einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz
angesehen hat).
d) Diesen im Hinblick auf die Studierendengemeinschaft durch Art. 1 HV zusätzlich
gestützten Interessen stehen keine überwiegenden Belange der von der
Rückwirkung betroffenen Studierenden gegenüber. Ein etwaiges Vertrauen der bei
Inkrafttreten des Studienbeitragsgesetzes bereits Studierenden in den
Fortbestand der Regelung des § 1 StuGuG, wonach das gebührenfreie Studium bis
zum Erwerb eines ersten berufsqualifizierenden Studienabschlusses gewährleistet
war, überwiegt diese berechtigten Interessen des Gesetzgebers nicht.
Bereits mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Januar 2005
(BVerfGE 112, 226 ff.) zu § 27 Abs. 4 des Hochschulrahmengesetzes (HRG) und
der sich daran auch in Hessen anschließenden öffentlichen Diskussion sowie der
Entscheidung der Hessischen Landesregierung, das in Hessen geltende
Studienguthabenmodell durch die Einführung von allgemeinen Studienbeiträgen
abzulösen, war zwar erkennbar, dass die Unentgeltlichkeit des Erststudiums in
Hessen in Frage gestellt ist. Dies führte aber für sich allein noch nicht dazu, dass
ein etwaiges schutzwürdiges Vertrauen der Studierenden entfiel. Denn das
Bekanntwerden von Gesetzesinitiativen und die öffentliche Berichterstattung über
die Vorbereitung einer Neuregelung durch die gesetzgebenden Körperschaften
lassen die Schutzwürdigkeit des Vertrauens in die bisherige Rechtslage noch nicht
entfallen (vgl. BVerfGE 72, 200 [261]).
e) Der Hessische Landtag verabschiedete das Gesetz zur Einführung von
Studienbeiträgen in seiner Sitzung vom 5. Oktober 2006, so dass ein
schutzwürdiges Vertrauen allenfalls für diejenigen Studierenden in Betracht
kommt, die ihr Studium vor diesem Zeitpunkt an einer hessischen Hochschule
aufgenommen haben. Doch auch diesem Vertrauen hat der Gesetzgeber
hinreichend Rechnung getragen, indem zwischen dem Gesetzesbeschluss bzw.
dem Inkrafttreten des Studienbeitragsgesetzes und dem erstmaligen Entstehen
der Beitragspflicht im Wintersemester 2007/08 ein Zeitraum von nahezu einem
Jahr lag. Den betroffenen Studierenden wurde dadurch hinreichend Gelegenheit
gegeben, ihr Verhalten auf die künftige Gesetzeslage einzustellen und
entsprechende Dispositionen zu treffen. Dies gilt umso mehr, als die Diskussion
über die Einführung von Studienbeiträgen bereits mehrere Jahre vor
Verabschiedung des Studienbeitragsgesetzes geführt wurde, so dass die damit
einhergehenden Belange auch Studierenden bekannt waren, die ihr Studium
bereits zuvor aufgenommen hatten. Im Zusammenhang mit der Debatte über
knapper werdende öffentliche Mittel und die Zunahme der Staatsverschuldung war
die Einführung von Studienbeiträgen jedenfalls seit dem Jahr 2000 Gegenstand
politischer Auseinandersetzung. Die Bundesregierung und die Fraktionen von SPD
und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN brachten in der 14. Legislaturperiode des
Deutschen Bundestages Entwürfe eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des
Hochschulrahmengesetzes u.a. mit dem Ziel in den Bundestag ein, die - von
einigen Ländern damals bereits eingeführte oder geplante - Erhebung von
Studiengebühren für das Erststudium auszuschließen. Das
Bundesverfassungsgericht entschied im abstrakten Normenkontrollverfahren
durch Urteil vom 26. Januar 2005 (BVerfGE 112, 226), dass die den Ausschluss von
Studiengebühren regelnde Bestimmung des 6. HRGÄndG wegen fehlender
Gesetzgebungskompetenz mit dem Grundgesetz nicht vereinbar war. Danach
wurden in Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen
Studiengebühren eingeführt, auch dies unter weitreichender Thematisierung in der
Presseberichterstattung und öffentlichen Diskussion. Studierende, die ihr Studium
nach dem Jahr 2000 aufnahmen, kannten damit die Diskussion und die
Argumente, die für die Einführung von Studienbeiträgen vorgetragen wurden.
f) Die Entscheidung, ein Studium aufzunehmen, kann nicht einer langfristigen
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f) Die Entscheidung, ein Studium aufzunehmen, kann nicht einer langfristigen
Investitionsentscheidung gleichgestellt werden mit der Folge, dass eine gesetzliche
Unentgeltlichkeitsregelung für die Dauer des „Investitionszeitraums“ -
entsprechend also der Dauer des Studiums - beibehalten wird. Bei der
Entscheidung, ein Studium aufzunehmen, handelt es sich zwar um eine für die
Dauer des Studiums wirkende Entscheidung. Sie ist jedoch nicht in dem Maß
bestandsgeschützt wie dies für langfristige Investitionsentscheidungen der Fall ist.
Anders als langfristige Investitionsentscheidungen ist die Durchführung eines
Studiums kein einheitlicher Lebensvorgang, sondern unterliegt einer Reihe von
Einzelentscheidungen, die eine Anpassung an geänderte Studienbedingungen
ermöglichen. So ist vor Beginn eines jeden Semesters eine Entscheidung zu
treffen, ob der Studierende sich für das kommende Semester rückmelden und
sein Studium überhaupt und an der gewählten Universität fortsetzen will, ob die
Universität gewechselt oder ein Urlaubssemester eingelegt wird. Ein Vertrauen in
den Beibehalt einer bei Studienbeginn bestehenden Unentgeltlichkeit könnte nur
dann zu einem Überwiegen der individuellen Interessen von Studierenden führen,
die nach Aufnahme ihres Studiums von der Einführung der Studienbeitragspflicht
betroffen sind, wenn sie wegen der damit einhergehenden Kostenbelastung zum
Abbruch ihres Studiums gezwungen wären.
In einer solchen Lage befanden sich Studierende an hessischen Universitäten
nicht, da die Studienbeitragspflicht mit einer bonitätsunabhängigen
Darlehenszusage unter sozial vielfältig abgefederten Konditionen verbunden war,
so dass kein Studierender aus Gründen mangelnder wirtschaftlicher
Leistungsfähigkeit an der Fortführung eines bereits begonnenen Studiums
gehindert war und keine Belastung vorlag, die die aufgezeigten öffentlichen
Belange überwog.
g) Etwas anderes gilt auch nicht aufgrund der Regelungen des
Studienguthabengesetzes und der Verordnung über das Verfahren der
Immatrikulation und die Verarbeitung personenbezogener Daten an den
Hochschulen des Landes.
Regelungsgegenstand dieser Normen war die Begrenzung des gebührenfreien
Studiums auf eine Regelstudienzeit zuzüglich von drei bzw. vier weiteren
Semestern und die Einführung einer Studiengebühr, mit der der Gesetzgeber
neben Gesichtspunkten der Finanzierung der Hochschulen und der Vermeidung
des Missbrauchs des Studentenstatus bezweckte, die Studierenden zu einem
zügigen Studium und zum baldigen Studienabschluss anzuhalten. Auch diese
Regelung war Gegenstand politischer wie rechtlicher Auseinandersetzung. Der
Hessische Verwaltungsgerichtshof entschied bereits durch Beschluss vom 9.
November 2004 - 5 TG 2386/04 - , dass die garantierte Unterrichtsgeld- und
Lernmittelfreiheit an den Hochschulen des Landes Hessen sich lediglich auf das
erstrecke, was der Einzelne vernünftigerweise als Studienförderung erwarten und
verlangen könne, und dass der Gesetzgeber mit seiner Absicht, durch die
Einführung der Studiengebühren auf ein zügiges und zielgerichtetes
Hochschulstudium der Studierenden hinzuwirken und der missbräuchlichen
Ausnutzung der sozialen Vergünstigungen des Studentenstatus möglichst Einhalt
zu gebieten, legitime Anliegen des Gemeinwohls verfolge. Dies gelte auch
hinsichtlich des weiteren vom Gesetzgeber verfolgten Ziels, zur Finanzierung der
Hochschulen beizutragen. Angesichts der knapper werdenden öffentlichen Mittel
und der bereits seit längerem geführten politischen Diskussionen über die
Einführung von Studiengebühren könnten Studierende nicht darauf vertrauen,
dass sie ein einmal begonnenes Studium auch weit über die für dieses Studium
angesetzte Regelstudienzeit hinaus letztlich auf Kosten der Allgemeinheit und
gänzlich ohne eigenen Beitrag und ohne jede zeitliche Grenze beenden können.
Diese bereits lange vor Verabschiedung des Studienbeitragsgesetzes ergangene
und durch Urteil vom 15.11.2007 - 8 UE 1109/07 - vom Hessischen
Verwaltungsgerichtshof bestätigte Entscheidung verdeutlicht die öffentliche
Diskussion sowie den maßgeblichen Regelungsgegenstand der Erhebung von
Langzeitstudiengebühren.
Selbst wenn für Studierende nach diesen Vorschriften Studienguthaben gebildet
und ermittelt worden sind, vermittelt dies den hierdurch begünstigten
Studierenden keinen Vertrauensschutz, der die Erhebung von Studienbeiträgen
ausschließt. Auch insoweit gilt, dass der Gesetzgeber eine angemessene
Übergangsfrist eingeräumt hat, die es den Studierenden erlaubt, ihre
Dispositionen zu überdenken und unter Umständen der geänderten Rechtslage
anzupassen. Die gesetzgeberische Konstruktion des „Studienguthabens“ als
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anzupassen. Die gesetzgeberische Konstruktion des „Studienguthabens“ als
Modus zur Sicherstellung (nur) eines kostenfreien Studiengangs an hessischen
Hochschulen hat kein gesteigertes Vertrauen begründet. Auch der Fortbestand
des Studienguthabengesetzes unterlag den allgemeinen Beschränkungen in Form
der Möglichkeit einer Neuentscheidung des parlamentarischen Gesetzgebers. Die
geltenden Grenzen des verfassungsrechtlich verbürgten Vertrauensschutzes
wurden nach den vorstehenden Erwägungen eingehalten.
VIII.
1. Die Normenkontrollanträge haben auch insofern keinen Erfolg, als die
Antragsteller einen Verstoß der Studienbeitragspflicht gegen Art. 13 Abs. 1 und
Abs. 2 lit. c des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle
Rechte vom 19. Dezember 1966 (UN-Sozialpakt) geltend machen.
Die Vorschrift lautet:
(1) Die Vertragsstaaten erkennen das Recht eines jeden auf Bildung an. Sie
stimmen überein, dass die Bildung auf die volle Entfaltung der menschlichen
Persönlichkeit und des Bewusstseins ihrer Würde gerichtet sein und die Achtung
vor den Menschenrechten und Grundfreiheiten stärken muss. Sie stimmen ferner
überein, dass die Bildung es jedermann ermöglichen muss, eine nützliche Rolle in
einer freien Gesellschaft zu spielen, dass sie Verständnis, Toleranz und
Freundschaft unter allen Völkern und allen rassischen, ethnischen und religiösen
Gruppen fördern sowie die Tätigkeit der Vereinten Nationen zur Erhaltung des
Friedens unterstützen muss.
(2) Die Vertragsstaaten erkennen an, dass im Hinblick auf die volle Verwirklichung
dieses Rechts
(…)
c) der Hochschulunterricht auf jede geeignete Weise, insbesondere durch
allmähliche Einführung der Unentgeltlichkeit, jedermann gleichermaßen
entsprechend seinen Fähigkeiten zugänglich gemacht werden muss;
(…)
Mit Gesetz vom 23. November 1973 (BGBl. II S. 1569) stimmte der Deutsche
Bundestag diesem Pakt zu; er trat am 3. Januar 1976 für die Bundesrepublik
Deutschland in Kraft. Durch das Zustimmungsgesetz erlangte der Vertragsinhalt
innerstaatliche Geltung mit der Folge, dass die übernommenen Regelungen des
völkerrechtlichen Vertrags gemäß Art. 59 Abs. 2 GG zum Bestandteil des positiven
Rechts der Bundesrepublik Deutschland im Range eines einfachen
Bundesgesetzes geworden sind (vgl. BVerfGE 74, 358 [370]; Streinz, in: Sachs,
GG, 4. Aufl. 2007, Art. 59 Rdnr. 65; Pernice, in: Dreier (Hrsg.), GG, 2. Aufl. 2006,
Art. 59 Rdnr. 47).
a) Handelt es sich bei dem UN-Sozialpakt somit um einfaches Bundesrecht,
stehen seine Regelungen dem Staatsgerichtshof im Rahmen der abstrakten
Normenkontrolle nicht als Prüfungsmaßstab zur Verfügung. Denn der
Staatsgerichtshof ist gemäß Art. 131 Abs. 1 HV in Verbindung mit §§ 15 Nr. 3, 39
Abs. 1, 40 Abs. 1 StGHG allein zur Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit
der (Landes-)Gesetze berufen, misst die Vereinbarkeit hessischen Landesrechts
somit nicht an jeglichem höherrangigen Rechtssatz, sondern allein an der
Hessischen Verfassung (vgl. Günther, a.a.O., § 39 Rdnr. 34).
b) Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass insbesondere der die
Unentgeltlichkeit des Hochschulzugangs thematisierende Art. 13 Abs. 1, Abs. 2 lit.
c des UN-Sozialpakts als Bundesrecht auch in den Ländern Geltung beansprucht
(vgl. BVerfGE 112, 226 [245]). Denn damit erlangt der durch die Bundesrepublik
Deutschland abgeschlossene Vertrag in Hessen keinen Verfassungsrang und wird
deshalb auch nicht zum Prüfungsmaßstab im Normenkontrollverfahren vor dem
Staatsgerichtshof.
2. Die Regelungen des UN-Sozialpakts können auch nicht unter Berücksichtigung
des Art. 67 HV als Prüfungsmaßstab herangezogen werden.
Nach Art. 67 Satz 1 HV sind zwar die Regeln des Völkerrechts Bestandteil des
Landesrechts, ohne dass es ihrer ausdrücklichen Umformung in Landesrecht
bedarf. Kein Gesetz ist gültig, das mit solchen Regeln oder mit einem
306
bedarf. Kein Gesetz ist gültig, das mit solchen Regeln oder mit einem
Staatsvertrag in Widerspruch steht (Art. 67 Satz 2 HV). Ob der Staatsgerichtshof
im Rahmen einer Normenkontrolle die Vereinbarkeit von Landesrecht auch mit
solchen Regeln des Völkerrechts prüfen kann, braucht jedoch nicht entschieden zu
werden. Zu den Regeln des Völkerrechts im Sinne von Art. 67 HV zählen
völkerrechtliche Verträge wie der UN-Sozialpakt nicht. Dass die Hessische
Verfassung Regeln des Völkerrechts einerseits und völkerrechtliche Verträge
andererseits voneinander unterscheidet, folgt aus der gleichrangigen und
differenzierenden Aufzählung beider Rechtsquellen in Art. 67 Satz 2 HV.
Staatsverträge im Sinne dieser Vorschrift sind völkerrechtliche Verträge (Pitzer, in:
Zinn/Stein, Hessische Verfassung, Stand: Juni 1999, Art. 67 Anm. 3). Soweit in Art.
67 Satz 2 HV auch völkerrechtlichen Verträgen der Vorrang vor dem Landesgesetz
eingeräumt wird, bezieht sich dieser Geltungsvorrang nicht auf völkerrechtliche
Verträge des Bundes, sondern nur auf die vom Land Hessen selbst
abgeschlossenen Verträge (Günther, a.a.O., § 39 Rdnr. 34).
D
Die Kostenentscheidung folgt aus § 28 StGHG.
Abweichende Meinung
Abweichende Meinung der Mitglieder des Staatsgerichtshofs
Lange, Falk, Giani, Klein und von Plottnitz
zu dem Urteil des Staatsgerichtshofs vom 11. Juni 2008
- P.St. 2133, 2158 -
Die Mehrheitsentscheidung wird der Hessischen Verfassung nicht gerecht.
Insbesondere verkehrt sie Wortlaut und Sinn des für dieses
Normenkontrollverfahren zentralen Art. 59 HV geradezu in deren Gegenteil, ohne
dass es dafür eine rechtlich vertretbare Begründung gäbe.
1. a) Nach Art. 59 Abs. 1 Satz 1 HV ist ein Hochschulstudium unentgeltlich. Das
Hessische Studienbeitragsgesetz verpflichtet hingegen alle Studierenden in allen
Studiengängen zur Zahlung eines Studienbeitrags. Eine Beitragsbefreiung ist nur
ausnahmsweise vorgesehen. Das ist das Gegenteil der in Art. 59 Abs. 1 Satz 1 HV
mit einer im Verfassungsrecht seltenen Eindeutigkeit festgelegten und nur unter
den Voraussetzungen des Art. 59 Abs. 1 Satz 4 HV einschränkbaren
Unentgeltlichkeit des Hochschulstudiums, die auch vom Hessischen
Staatsgerichtshof bisher nie in Frage gestellt worden ist.
b) Die durch das Hessische Studienbeitragsgesetz eingeführte allgemeine
Studienbeitragspflicht lässt sich entgegen der Meinung der Mehrheit der Mitglieder
des Staatsgerichtshofs nicht auf Art. 59 Abs. 1 Satz 4 HV stützen. Nach Art. 59
Abs. 1 Satz 4 HV kann das Gesetz anordnen, dass ein angemessenes Schulgeld
zu zahlen ist, wenn die wirtschaftliche Lage des Schülers, seiner Eltern oder der
sonst Unterhaltspflichtigen es gestattet.
aa) Diese Bestimmung erlaubt es nicht, mit der Mehrheitsmeinung die Bedeutung
des Art. 59 HV dahingehend zu verkürzen, dass nicht Unentgeltlichkeit des
Studiums, sondern Bildungschancengleichheit unabhängig von der wirtschaftlichen
Situation des Studierenden oder Studienbewerbers die in Art. 59 Abs. 1 HV zum
Ausdruck kommende objektivrechtliche Wertentscheidung sei. Gewiss ist
Bildungschancengleichheit der Sinn des Art. 59 Abs. 1 HV, aber die Hessische
Verfassung belässt es nicht bei der Setzung eines solchen Ziels, sondern
bestimmt auch den Weg, auf dem dieses Ziel zu erreichen ist, und konkretisiert es
damit. Art. 59 Abs. 1 Satz 1 und 4 HV besagt nämlich gerade sehr viel genauer als
ein allgemein gehaltenes Ziel der Bildungschancengleichheit, dass das Studium
unentgeltlich zu sein hat, wenn nicht die wirtschaftliche Lage des Studierenden,
seiner Eltern oder der sonst Unterhaltspflichtigen es gestattet, ein angemessenes
Studienentgelt zu erheben. Art. 59 Abs. 1 HV beschränkt sich also nicht darauf,
ärmeren Studierwilligen ein Studium zu ermöglichen. Vielmehr soll nach seinem
eindeutigen Wortlaut eine durch Abgaben für Schul- oder Hochschulbesuch
bewirkte finanzielle Belastung wirtschaftlich nicht hinreichend Leistungsfähiger
überhaupt vermieden und damit auch verhindert werden, dass Studierende aus
Sorge vor einer Verschuldung von der Aufnahme eines Studiums abgehalten
werden oder deren Eltern sich „krummlegen“, um ihren Kindern die Verschuldung
werden oder deren Eltern sich „krummlegen“, um ihren Kindern die Verschuldung
zu ersparen, der sich Wohlhabendere, welche Studienentgelte mühelos zu tragen
vermögen, von vornherein entziehen können. Wenn eine Verfassungsnorm wie Art.
59 Abs. 1 HV nicht nur ein Ziel, sondern auch den Weg zu diesem Ziel vorgibt,
dann ist es unzulässig, sie im Wege der Auslegung auf ihr Ziel zu reduzieren, den
in ihr festgelegten Weg zu diesem Ziel aber zu ignorieren und durch einen anderen
zu ersetzen.
bb) Aber auch die Auffassung der Mehrheit der Mitglieder des Staatsgerichtshofs,
dass sämtliche Studierenden in eine dem Art. 59 Abs. 1 Satz 4 HV genügende
wirtschaftliche Lage versetzt worden seien, weil das Studienbeitragsgesetz ihnen
die Möglichkeit eröffne, zur Finanzierung der Studienbeiträge Kredite in Form sog.
Studiendarlehen aufzunehmen, verkennt die Bedeutung dieser Verfassungsnorm.
Studierende, die weder selbst noch mit Hilfe ihrer Unterhaltspflichtigen
Studienbeiträge aus eigenen Mitteln aufbringen können, befinden sich nicht
deshalb in einer wirtschaftlichen Lage, die ihnen die Zahlung eines angemessenen
Schulgeldes gestattet, weil sie sich dafür verschulden können. Mit dieser
wirtschaftlichen Lage meint Art. 59 Abs. 1 Satz 4 HV die Einkommens- und
Vermögensverhältnisse von Studierenden oder deren Unterhaltspflichtigen zur
Zeit des Schul- oder Hochschulbesuchs. Die Mehrheitsmeinung führt zu dem
hiermit ganz unvereinbaren Ergebnis, dass ein völlig mittelloser Studierender allein
deshalb, weil er sich für die Aufbringung des Studienbeitrags verschulden und
damit seine wirtschaftliche Lage noch weiter verschlechtern kann und muss, als
jemand angesehen wird, der im Sinne der Verfassung in einer wirtschaftlichen
Lage ist, die ihm die Zahlung eines angemessenen Schulgeldes gestattet. Eine
solche Auslegung widerspricht dem klaren Wortlaut, aber auch dem Sinn und
Zweck des Art. 59 Abs. 1 HV und lässt sich ebenso wenig aus der
Entstehungsgeschichte der Norm rechtfertigen. Sie überschreitet damit die
Grenzen einer zulässigen Normauslegung.
Das Argument der Mehrheit, dass die Eröffnung einer Darlehensmöglichkeit die
wirtschaftliche Lage des Darlehensberechtigten verbessere, greift zu kurz. Die
wirtschaftliche Lage einer Person wird dadurch jedenfalls dann nicht verbessert,
wenn diese zur Aufnahme eines solchen Darlehens gezwungen wird. Und das ist
genau die Situation derjenigen Studierenden, welche die von ihnen verlangten
Studienbeiträge nicht aus eigenen Mitteln oder mit Hilfe ihrer Unterhaltspflichtigen
finanzieren können und deshalb auf die Darlehensaufnahme angewiesen sind.
Daran, dass die wirtschaftliche Lage einer Person nicht dadurch verbessert wird,
dass sie sich verschuldet, kann kein ernsthafter Zweifel bestehen. Das gilt selbst
dann, wenn, wie bei den grundsätzlich allerdings durchaus verzinslichen und
rückzahlungsbedürftigen Studiendarlehen nach dem Studienbeitragsgesetz, unter
bestimmten Voraussetzungen die Verzinsung erlassen und die Rückzahlung bei
Unterschreitung einer bestimmten Einkommenshöhe in der Zukunft gestundet
werden kann und die Rückzahlungspflicht, falls sich die finanzielle Situation des
Schuldners noch nach Jahrzehnten nicht verbessert hat, sogar erlischt.
Dass Art. 59 Abs. 1 Satz 4 HV nicht auf die Herstellung einer konkreten
Zahlungsfähigkeit durch Darlehensgewährung, sondern auf die Einkommens- und
Vermögensverhältnisse der Studierenden oder ihrer Unterhaltspflichtigen zur Zeit
des Studiums abstellt, wird durch Art. 59 Abs. 1 Satz 3 HV bestätigt. Danach muss
das Gesetz vorsehen, dass für begabte Kinder sozial Schwächergestellter
Erziehungsbeihilfen zu leisten sind. Auch der Begriff „sozial Schwächergestellte“
bezieht sich ersichtlich auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und
jemand fällt nicht dadurch aus dem Kreis der sozial Schwächergestellten heraus,
weil ihm eine (zusätzliche) Verschuldungsmöglichkeit eröffnet wird; im Gegenteil,
wenn er von der Verschuldungsmöglichkeit Gebrauch macht - wozu
schwächergestellte Studierende nach der eigenen Einschätzung des Gesetzgebers
zur Bezahlung der Studienbeiträge gezwungen sind - , verschlechtert und
verfestigt sich regelmäßig noch die Lage wirtschaftlicher und sozialer Schwäche, in
der er sich zuvor befunden hat. Die Auslegung des Begriffs der „wirtschaftlichen
Lage“ in Art. 59 Abs. 1 Satz 4 HV durch die Mehrheit führt zu dem Ergebnis, dass
von „Schülern“ nach Art. 59 Abs. 1 Satz 4 HV abweichend von der in Satz 1 der
Norm vorgesehenen Unentgeltlichkeit des Unterrichts ein Schulgeld verlangt
werden könnte, denen zugleich nach Art. 59 Abs. 1 Satz 3 HV deshalb, weil sie
sozial schwächergestellt sind, eine Erziehungsbeihilfe zu leisten ist. Dass der
Verfassungsgeber derart widersprüchliche Regelungen hätte treffen wollen, kann
nicht unterstellt werden.
Das Hessische Studienbeitragsgesetz stellt in Wirklichkeit überhaupt nicht auf die
wirtschaftliche Lage der Studierenden, ihrer Eltern oder der sonst
Unterhaltspflichtigen ab, wie Art. 59 Abs. 1 Satz 4 HV es verlangt. Die konkrete
wirtschaftliche Lage der Studierenden und ihrer Unterhaltspflichtigen spielt nach
dem Hessischen Studienbeitragsgesetz keine Rolle. Das Kind wohlhabendster
Eltern ist ebenso studienbeitragspflichtig und hat ebenso Anspruch auf ein
Studiendarlehen wie Studierende aus den wirtschaftlich schwächsten Verhältnissen
(nur, dass Letztere - aber auch nicht alle - keine Zinsen auf das Darlehen zu
zahlen brauchen). Tatsächlich sind die Regelungen über das Studiendarlehen nur
eine Modifikation der Studienbeitragspflicht, die darin besteht, dass die
Studierenden die Studienbeiträge abzahlen dürfen. Das ändert aber nichts daran,
dass von ihnen ohne Rücksicht auf ihre wirtschaftliche Lage für ihr Studium ein
Entgelt verlangt wird. Mit Art. 59 Abs. 1 HV lässt sich dies nicht in Einklang bringen.
Wenn in der Hessischen Verfassung steht „Der Unterricht ist unentgeltlich“, dann
bedeutet das „Es kostet nichts“ und nicht „Du kannst es später abzahlen“.
c) Nach alledem ist bereits der Kern des Hessischen Studienbeitragsgesetzes,
nämlich die Erhebung von Studienbeiträgen unter gleichzeitiger Gewährung eines
Anspruchs auf Studiendarlehen, mit der Hessischen Verfassung unvereinbar.
Diese von Grund auf bestehende Verfassungswidrigkeit erfasst das Hessische
Studienbeitragsgesetz in vollem Umfang, nämlich einschließlich aller Regelungen,
die der Ausgestaltung und Umsetzung dieses Kerns dienen. Das Gleiche gilt für die
der Umsetzung des Hessischen Studienbeitragsgesetzes dienenden weiteren
Regelungen des in dem Normenkontrollverfahren angegriffenen Gesetzes zur
Einführung von Studienbeiträgen an den Hochschulen des Landes und zur
Änderung weiterer Vorschriften.
Darüber hinaus leiden die Regelungen zur Umsetzung des dem Hessischen
Studienbeitragsgesetz zugrunde liegenden Kerns aber unter weiteren Mängeln, die
ihrerseits zusätzliche Verfassungsverstöße beinhalten.
2. Solche zusätzlichen Verfassungsverletzungen weist zunächst die Regelung der
Verzinsungsbedingungen auf.
Nach § 7 Abs. 1 Satz 2, 4 HStubeiG ist das Studiendarlehen, auf welches
Studierende zur Finanzierung des Studienbeitrags grundsätzlich einen Anspruch
haben, verzinslich. Studierende, die darauf angewiesen sind, haben also nicht nur
das der Höhe ihrer Studienbeiträge entsprechende Darlehen zurückzuzahlen,
sondern zusätzlich Zinsen darauf zu entrichten. Diese Zinsen fallen auch für die
Zeit an, in welcher die Schuldner der Studiendarlehen mangels wirtschaftlicher
Leistungsfähigkeit einen Anspruch auf Stundung des Rückzahlungsanspruchs
haben. Mittellosen Studierenden wird damit das Studium nicht nur nicht
erleichtert, sondern sie werden, indem sie nicht nur die Studienbeiträge, sondern
auch noch Zinsen zu zahlen haben, sogar unter Verletzung des allgemeinen
Gleichheitssatzes des Art. 1 HV gegenüber Studierenden benachteiligt, die die
Studienbeiträge ohne Inanspruchnahme eines Darlehens zu zahlen vermögen. Mit
dem Normzweck des Art. 59 Abs. 1 HV ist das völlig unvereinbar.
Um die daraus resultierenden verfassungsrechtlichen Probleme zu beheben, ist
das Studienbeitragsgesetz im Gesetzgebungsverfahren dahingehend geändert
worden, dass nach dessen § 7 Abs. 1 Satz 6 „für Studierende, deren Berechtigung,
Leistungen nach dem Bundausbildungsförderungsgesetz zu erhalten, während des
Studiums festgestellt worden ist“, der Studienfonds die Zinsen übernimmt. Damit
sollte ausweislich der schriftlichen Begründung des einschlägigen
Änderungsantrags der Fraktion der CDU (LT-Drs. 16/6018, S. 6, Zu Nr. 6 Buchst. a)
und der mündlichen Begründung in der 113. Sitzung des Hessischen Landtags
(Hess. Landtag, Plenarprot. 16/113, S. 7785) erreicht werden, dass der BAföG-
berechtigte Personenkreis von der Verzinsung des Darlehens ausgenommen
wurde, weil jenen Studierenden, die BAföG-berechtigt und somit nicht wirtschaftlich
leistungsfähig seien, aus dieser Inanspruchnahme kein finanzieller Nachteil
gegenüber denjenigen Studierenden entstehen dürfe, die aus eigener Kraft
leistungsfähig seien. Die Absicht, den BAföG-berechtigten Personenkreis von der
Verzinsung auszunehmen, ist aber nicht verwirklicht worden, weil § 7 Abs. 1 Satz 6
HStubeiG nicht die BAföG-berechtigten Studierenden von der Pflicht zur Zahlung
von Zinsen freistellt, sondern nur diejenigen Studierenden, deren BAföG-
Berechtigung „während des Studiums festgestellt worden ist“. Eine solche
Feststellung erfolgt nicht hinsichtlich aller BAföG-berechtigten Studierenden,
sondern nach §§ 46, 50 BAföG nur auf Antrag im Rahmen einer BAföG-Bewilligung
sondern nach §§ 46, 50 BAföG nur auf Antrag im Rahmen einer BAföG-Bewilligung
durch die dafür zuständige Behörde. Zahlreiche Studierende, die die
Voraussetzungen für eine Förderung nach dem
Bundesausbildungsförderungsgesetz erfüllen, also BAföG-berechtigt und damit
nach der eigenen Einschätzung des Gesetzgebers nicht wirtschaftlich
leistungsfähig sind, stellen aber keinen Antrag auf BAföG-Bewilligung, so dass ihre
BAföG-Berechtigung gar nicht festgestellt wird.
Das liegt ganz wesentlich an der vielfach dokumentierten Angst vor einer
Verschuldung (Bundesministerium für Bildung und Forschung (Hrsg.), Die
wirtschaftliche und soziale Lage der Studierenden in der Bundesrepublik
Deutschland 2006, 2007, S. 270; Heine/Willich, Studienberechtigte 2005, HIS:
Forum Hochschule 6/2006, S. 26). Bedenkt man, dass die mit der Verpflichtung
zur Rückzahlung des Darlehens verbundene Belastung bei gleichzeitiger
Unsicherheit hinsichtlich der künftigen finanziellen Möglichkeiten vor allem die
Studienbereitschaft von Personen aus sozial schwächeren Gruppen reduziert, die
weniger bereit sind, die entsprechenden Risiken einzugehen (vgl. Bätzel,
Studienfinanzierung im Sozialstaat, 2003, S. 72 ff., 107), so ist
verfassungsrechtlich nicht nachvollziehbar, weshalb die Mehrheit der Mitglieder des
Staatsgerichtshofs meint, dass der Gesetzgeber die BAföG-Berechtigten, die die
Förderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz nicht in Anspruch
nehmen, von der Zinsbefreiung habe ausnehmen können. Im Ergebnis zwingt der
Gesetzgeber mit dem Hessischen Studienbeitragsgesetz die Studierenden, die die
Zinsbefreiung nach § 7 Abs. 1 Satz 6 HStubeiG in Anspruch nehmen wollen, sich
nicht nur nach dem Hessischen Studienbeitragsgesetz, sondern auch nach dem
Bundesausbildungsförderungsgesetz zu verschulden. Mit dieser
Zukunftsbelastung verschlechtert er die wirtschaftliche Lage wirtschaftlich
schwacher Studierender noch zusätzlich und erhöht im Widerspruch zur
Hessischen Verfassung die Barrieren, die deren Studienaufnahme
entgegenstehen.
Abgesehen davon, dass eine studienentgeltsbezogene Regelung schon dann mit
Art. 59 Abs. 1 HV unvereinbar ist, wenn sie jemanden lediglich durch ihre
psychologischen Wirkungen vom Studieren abhält, ist die Abneigung Studierender,
sich im Rahmen des Hessischen Studienbeitragsgesetzes auch noch verzinslich zu
verschulden, durchaus nachvollziehbar. Dem lässt sich nicht wie in der
Mehrheitsentscheidung entgegenhalten, dass die Darlehensrückzahlung in Raten
von 50 Euro erfolgen kann. Die Darlehensschulden können sich infolge der auch
während einer Stundung der Darlehensrückzahlung auflaufenden Zinsen auf mehr
als 15000 Euro summieren (die Kappungsgrenze von 15000 Euro nach § 8 Abs. 3
HStubeiG bezieht sich nur auf den Fall, dass eine Darlehensschuld nach dem
Hessischen Studienbeitragsgesetz und eine Darlehensschuld nach dem
Bundesausbildungsförderungsgesetz zusammenkommen), von denen selbst bei
Nutzung aller Rückzahlungserleichterungen mehr als 10000 Euro effektiv
zurückzuzahlen sind. Der Darlehensnehmer ist zur ratenweisen Abtragung dieser
Schuld verpflichtet, sobald sein monatliches Einkommen 1260 Euro übersteigt, das
ist weit weniger als die Hälfte des durchschnittlichen Netto-Einkommens deutscher
Haushalte im Jahre 2002 (vgl. Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Datenreport 2006,
S. 114). Eine jahre- oder auch jahrzehntelange Belastung dieser Art ist für
jemanden mit diesem Einkommen eine durchaus relevante Bürde, zumal sie auch
solche ehemaligen Studierenden trifft, die ihr Studium nicht mit einem
erfolgreichen Examen abgeschlossen haben.
Dass eine eigenständige Prüfung der wirtschaftlichen Lage der Studierenden, die
nicht einfach Ergebnisse des Verfahrens nach dem
Bundesausbildungsförderungsgesetz übernimmt, aufwendig wäre, rechtfertigt die
Zinsbefreiungsregelung des Studienbeitragsgesetzes nicht vor der Hessischen
Verfassung. Verfassungsrechtliche Vorgaben verlieren nicht deshalb ihre Geltung,
weil ihre Befolgung aufwendig ist.
3. Das Studienbeitragsgesetz erfasst auch diejenigen Studierenden, die ihr
Studium vor der Verkündung des Gesetzes am 19. Oktober 2006 begonnen
haben. Das dürfte die deutliche Mehrheit der gegenwärtig in Hessen Studierenden
sein. Die sog. unechte Rückwirkung, die darin liegt, dass das bei deren
Studienbeginn noch kostenfreie Studium ab dem Wintersemester 2007/2008 auch
für diese Studierenden studienbeitragspflichtig geworden ist, halten wir für einen
Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip der Hessischen Verfassung .
Das Rechtsstaatsprinzip mit den daraus folgenden Grenzen der Rückwirkung von
Das Rechtsstaatsprinzip mit den daraus folgenden Grenzen der Rückwirkung von
Gesetzen ist nicht allein durch das Grundgesetz, sondern auch durch die
Hessische Verfassung gewährleistet (Ständige Rechtsprechung des
Staatsgerichtshofs, vgl. StGH, Urteil vom 05.03.1954 - P.St. 156 - , S. 10 f. des
Urteilsumdrucks; Urteil vom 07.04.1976 - P.St. 798 - , ESVGH 26, 22 [32 f.];
Beschluss vom 23.05.1979 - P.St. 862 - , S. 19 des Entscheidungsumdrucks;
StGH, Beschluss vom 12.01.2005 - P.St. 1927 - , S. 8 des
Entscheidungsumdrucks). Es verlangt grundsätzlich, schutzwürdiges Vertrauen in
ein gesetzlich geregeltes Dauerverhältnis nicht zu enttäuschen. Für Studierende,
die ihr Studium vor dem 19. Oktober 2006 aufgenommen haben, bestand keine
Veranlassung davon auszugehen, dass ihr kostenfreies Studium im Verlauf seiner
Durchführung einer Kostenpflicht unterworfen würde. Im Gegenteil: § 1 des
Hessischen Studienguthabengesetzes (StuGuG) vom 18. Dezember 2003
bestimmte ausdrücklich, dass an den Hochschulen des Landes das gebührenfreie
Studium bis zum Erwerb eines ersten berufsqualifizierenden Studienabschlusses
sowie im Rahmen von konsekutiven Studiengängen eines weiteren
berufsqualifizierenden Abschlusses durch Studienguthaben gewährleistet werde.
Mit dieser ausdrücklichen gesetzlichen Aussage war ein besonderer
schutzwürdiger Vertrauenstatbestand gesetzt worden. Es ist kaum ein
rechtsstaatlich schutzwürdigeres Vertrauen auf den Fortbestand einer Rechtslage
denkbar, als wenn der Gesetzgeber diese Rechtslage nicht nur geschaffen,
sondern in Gesetzesform auch noch ausdrücklich deren Fortbestand zugesichert
hat. In diesem Vertrauen ist die Mehrzahl der gegenwärtig an den hessischen
Hochschulen Studierenden durch die Einbeziehung in die Studienbeitragspflicht
enttäuscht worden.
Das gesetzgeberische Anliegen, gegen welches dieses Vertrauen abzuwägen ist,
bestand lediglich darin, die mit dem Hessischen Studienbeitragsgesetz verfolgten
Ziele der Verbesserung der Qualität von Studium und Lehre möglichst bald zur
Geltung zu bringen. Nachdem das Land sich hiermit aber bis zum Jahr 2007 Zeit
gelassen hat und in Anbetracht dessen, dass die Mangellage der hessischen
Hochschulen nicht plötzlich hereingebrochen ist, sondern schon jahre-, wenn nicht
jahrzehntelang bestand, ist nicht erkennbar, dass das Ziel, eine politisch gewollte
Regelung allein „möglichst bald“ herbeizuführen, das Vertrauensinteresse von
Studierenden, die ihr Studium im - vom Gesetzgeber noch dazu ausdrücklich
verbrieften - Vertrauen auf dessen Kostenfreiheit begonnen haben, überwiegen
oder ihm auch nur gleichkommen könnte. Das gilt umso mehr, als die
Hochschulen ausweislich des vom Hessischen Ministerium für Wissenschaft und
Kunst herausgegebenen Weißbuchs zu Beginn des Wintersemesters 2007/2008
noch nicht einmal ihre Planungen zur Verwendung des
Studienbeitragsaufkommens abgeschlossen, geschweige denn sie umgesetzt
hatten (Hessisches Ministerium für Wissenschaft und Kunst [Hrsg.], Besser
Studieren in Hessen. Weißbuch zur Verwendung der Einnahmen aus
Studienbeiträgen an den Hessischen Hochschulen. Ausgabe 1. Wintersemester
2007/08, passim, beispielsweise S. 5, 7 f., 11, 23, 47).
Die Auffassung der Mehrheit, dass das Vertrauen der Studierenden deshalb
weniger schutzbedürftig als eine „langfristige Investitionsentscheidung“ sei, weil
Studierende vor Beginn eines jeden Semesters ohnehin entscheiden müssten, ob
sie ihr Studium fortsetzen, nimmt einen Studienabbruch weitaus zu leicht und
verkennt die damit verbundenen Härten. Wenn die Mehrheit die bereits vor der
Verabschiedung des Hessischen Studienbeitragsgesetzes geführten Diskussionen
um die Einführung von Studiengebühren oder Studienbeiträgen als
vertrauensschutzmindernd qualifiziert, setzt sie sich in Widerspruch zu der
ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, auf die sie sich
gleichzeitig beruft (BVerfGE 72, 200 [261]). Denn danach lässt noch nicht einmal
das Bekanntwerden von Gesetzesinitiativen und die öffentliche Berichterstattung
über die Vorbereitung einer Neuregelung durch die gesetzgebenden
Körperschaften, sondern grundsätzlich erst der endgültige Gesetzesbeschluss
über eine normative Neuregelung die Schutzwürdigkeit des Vertrauens in die
bisherige Rechtslage entfallen. Dem schutzwürdigen Vertrauen der Studierenden
kann auch nicht etwa entgegengehalten werden, dass es sachgerecht sei, nicht
nur die künftigen Studierenden, sondern auch die Gruppe der Studierenden, die
ebenfalls von den durch die Beiträge finanzierten Maßnahmen zur Verbesserung
der Qualität von Studium und Lehre profitierten, in die Beitragspflicht
einzubeziehen. Wenn die Mehrheit sich hierauf beruft, widerspricht sie dem von ihr
selbst vertretenen Standpunkt, dass Verbesserungen der Qualität von Studium
und Lehre nicht gerade den Beitragspflichtigen zugute kommen müssen. Der
vermeintlichen Sachgerechtigkeit einer solchen Heranziehung steht aber vor allem
vermeintlichen Sachgerechtigkeit einer solchen Heranziehung steht aber vor allem
das schutzwürdige Vertrauen dieser Studierenden auf Kostenfreiheit des Studiums
entgegen.
4. Die aufgezeigten verfassungsrechtlichen Anforderungen, denen das Hessische
Studienbeitragsgesetz weder in seiner Grundkonzeption noch in deren Umsetzung
genügt, bedeuten selbstverständlich keine Lähmung des politischen
Entscheidungsprozesses. Dem Land stand und steht der durch Art. 59 Abs.1 Satz
4 HV ausdrücklich eröffnete Weg frei, Studienentgelte allein von denen zu erheben,
deren wirtschaftliche Lage es gestattet. Wenn das Land sich aber nicht in diesen
von der Verfassung gezogenen Grenzen halten will, dann hat es die Möglichkeit,
Art. 59 HV zu ändern. Eine solche Verfassungsänderung setzt nach Art. 123 Abs. 2
HV allerdings voraus, dass der Landtag sie mit mehr als der Hälfte der
gesetzlichen Zahl seiner Mitglieder beschließt und das Volk mit der Mehrheit der
Abstimmenden zustimmt. Scheut der Gesetzgeber den Versuch einer
Verfassungsänderung, deren es zur Verwirklichung seiner politischen Ziele bedarf,
etwa weil die nach Art. 123 Abs. 2 HV dafür erforderliche Zustimmung des Volkes
ihm zweifelhaft erscheint, so gibt es keine Alternative zu seiner Grundpflicht, sich
an die Verfassung zu halten. Sie hat er mit dem Studienbeitragsgesetz verletzt.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.