Urteil des StGH Hessen vom 29.03.2017

StGH Hessen: hessen, öffentliches interesse, körperliche durchsuchung, gesetzliche frist, besuch, leiter, sicherheit, zinn, bekanntgabe, zwang

1
2
3
Gericht:
Staatsgerichtshof
des Landes
Hessen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
P.St. 838
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
Art 2 Abs 3 Verf HE, Art 131
Abs 1 Verf HE, § 48 Abs 1-3
StGHG, § 90 BVerfGG, § 23
GVGEG
Leitsatz
1. Verwaltungsvorschriften können mangels Rechtsnormcharakter im allgemeinen nicht
zum Gegenstand einer Grundrechtsklage gemacht werden. Ihre Bekanntgabe an Dritte
hat nur informatorische Bedeutung.
2. Eine Verweisung durch den Staatsgerichtshof an das zuständige Gericht nach § 48
Abs. 1 Satz 1 StGHG kommt nur in Betracht, wenn eine Grundrechtsverletzung konkret
geltend gemacht wird und die Sache noch nicht gerichtlich anhängig ist.
3. Eine Vorabentscheidung nach § 48 Abs. 1 Satz 3 StGHG kommt nur in Betracht,
wenn der Rechtsweg im Zeitpunkt der Erhebung der Grundrechtsklage noch nicht
beschritten ist, aber noch beschritten werden kann.
4. Hat sich die behauptete Grundrechtswidrigkeit auf andere Weise erledigt, so kann
über die - an sich zulässige - Grundrechtsklage nur noch entschieden werden, wenn der
Antragsteller noch ein berechtigtes Interesse hat oder ein öffentliches Interesse
besteht.
Tenor
Der Antrag wird auf Kosten des Antragstellers zurückgewiesen.
Die Gebühr wird auf 200,-- DM festgesetzt.
Gründe
A.
I.
Der Antragsteller verbüßt auf Grund des Urteil des Landgerichts... vom 22.
Oktober 1964 -...- eine lebenslange Freiheitsstrafe wegen Mordes in der
Justizvollzugsanstalt....
Nachdem im Laufe des Jahres 1975 der Anstalt mehrfach Drohungen und Hinweise
auf geplante Anschläge gegen Anstaltsbedienstete zugegangen waren, ordnete
der Leiter der Justizvollzugsanstalt... im Januar 1976 mündlich an, daß sich jeder
Gefangene nach Empfang eines Besuchers zur Kontrolle völlig zu entkleiden habe.
Durch schriftliche Anordnung vom 22. Juni 1976 wurde weiter bestimmt, daß
Gefangene vor ihrer Vorstellung bei dem Anstaltsarzt körperlich zu durchsuchen
seien. Dieser Anordnung war der Tod des Anstaltsleiters, Regierungsdirektor...,
vorausgegangen, der mit Hilfe eines Schußapparates von einem Strafgefangenen
am 2. Juni 1976 erschossen worden war.
Durch Anordnung des kommissarischen Anstaltsleiters vom 5. Juli 1976, die jeder
Gefangene in Abdruck ausgehändigt erhielt, wurde die Überprüfung der
Gefangenen nach Außenkontakten neu geregelt. Die entsprechende Regelung
lautet:
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
"1.1. Körperkontrolle:
1.1.1. Der Gefangene hat sich völlig zu entkleiden.
1.1.2. Es werden Körperkontrollen einschließlich der Körperhöhlen durchgeführt.
1.1.3. Die eigene Kleidung oder die Anstaltskleidung des Gefangenen wird
durchsucht.
4. Besuche:
4.3. Die Kontrolle des besuchten Gefangenen wird gemäß der bisherigen Praxis
und entsprechender Regelungen zu Ziffer 1. vor und nach dem Besuch
durchgeführt."
Im Hinblick auf das Strafvollzugsgesetz - StVollzG - vom 16. März 1976 (BGBl. I S.
581), inzwischen am 1. Januar 1977 in Kraft getreten, ordnete der Hessische
Minister der Justiz durch Erlaß vom 18. November 1976 an, mit sofortiger Wirkung
körperliche Durchsuchungen von Gefangenen, die mit einer Entkleidung verbunden
sind, nur noch unter den Voraussetzungen und nach Maßgabe des § 84 Abs. 2
StVollzG durchzuführen. Im Vorgriff auf diesen Erlaß hatte der Anstaltsleiter bereits
am 12. November 1976 angeordnet, daß die Entkleidung der Gefangenen vor und
nach einem Treffen mit Besuchern und vor den Vorführungen beim Anstaltsarzt
entfällt. Mit Verfügung vom 18. November 19 76 regelte er die Durchführung der
Kontrollen neu:
"....
2. Zur Durchführung ordne ich folgendes an:
Die Kontrolle der Gefangenen vor und nach jedem Besuch wird dergestalt
durchgeführt, daß der Gefangene die Jacke abzulegen und Schuhe auszuziehen
hat. Hosenbund und Gürtel sind zu öffnen. Der Verurteilte wird gründlich
abgetastet. Die abgelegten Kleidungsstücke sowie der Hosenbund werden
besonders gründlich kontrolliert. Von dieser Änderung nicht berührt wird die Ziffer
1.1. bis 1.1.4. der Verfügung vom 5.7.1976. Dies bedeutet, daß Gefangene, die in
die Anstalt kommen bzw. zurückkommen, sich nach wie vor zur Kontrolle zu
entkleiden haben.
3. Das Entkleiden vor Arztbesuchen entfällt ebenfalls bis auf weiteres. Die
Gefangenen werden vor Arzt- und Zahnarztbesuchen gründlich abgetastet (wie bei
Kontrollen zur Vorführung in die Verwaltung)."
Der Postempfang der Gefangenen war in der Anordnung des Leiters der
Justizvollzugsanstalt... vom 5. Juli 1976 näher geregelt. Die entsprechende
Bestimmung lautet:
"5. Post- und Paketempfang:
5.1. Für die Dauer der gemeinsamen Unterbringung von
Untersuchungsgefangenen und Strafgefangenen in der JVA... wird in Abänderung
der bisher geübten Praxis auch die ausgehende Post von Strafgefangenen
überwacht. Strafgefangene haben daher bis auf weiteres die ausgehende Post
offen abzugeben."
II.
Mit einer am 22. September 1976 bei der Geschäftsstelle des Staatsgerichtshofs
eingegangenen Eingabe vom 19. September 1976 hat der Antragsteller den
Staatsgerichtshof angerufen. Er wendet sich gegen die "totale Briefzensur" sowie
gegen den mit der Durchführung der geschilderten Körperkontrollen verbundenen
Zwang zum "Nackt ausziehen" und rügt die Verletzung der Art. 1, 3, 21, 22 und 26
der Verfassung des Landes Hessen (HV).
Zur Begründung führt er aus, seine ein- und ausgehenden Briefe seien zum Teil
beschlagnahmt und zu seinen Personalakten genommen worden. Der Zwang zum
Entkleiden vor und nach jedem Besuch, bei Vorführungen zum Arzt und Zahnarzt
sowie zur Verwaltung und anderen Stellen innerhalb der Anstalt verletze die
Menschenwürde. Er erhalte keinen Besuch mehr von seinen Angehörigen und
Bekannten, weil er die Kontrollmaßnahmen als unmenschlich ablehne. Vor dem
19
20
21
22
23
24
Bekannten, weil er die Kontrollmaßnahmen als unmenschlich ablehne. Vor dem
beabsichtigten Besuch seiner Angehörigen am 5. März 1976 seien ihm
Gewaltmaßnahmen angedroht worden, weil er sich geweigert habe, sich zu
entkleiden. Er habe daraufhin seine Angehörigen nicht sehen, sondern nur
telefonisch sprechen können.
III.
Der Hessische Ministerpräsident - Staatskanzlei - hält den Antrag für unzulässig.
Soweit er sich gegen einzelne Maßnahmen im Strafvollzug richte, habe der
Antragsteller den Rechtsweg nicht erschöpft, soweit mit ihm die generellen
Weisungen der Anstaltsleitung angegriffen werden sollten, fehle die unmittelbare
Betroffenheit und ein Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers.
Der Ministerpräsident hebt besonders hervor:
1. Bei den Kontrollen der Gefangenen vor ihrer Vorstellung beim Anstaltsarzt sowie
vor und nach dem Zusammentreffen mit Besuchern seien Körperkontrollen, die
eine Untersuchung der Körperhöhlen einschlössen, nicht durchgeführt worden; es
seien lediglich die abgelegten Kleidungsstücke untersucht worden. Seit dem 12.
November 1976 sei das Entkleiden ganz entfallen. Vor und nach dem Aufsuchen
des Zahnarztes, der Anstaltsverwaltung und des Sozialdienstes seien die
Gefangenen über der Kleidung abgetastet worden, um sie auf das Mitführen von
gefährlichen Gegenständen zu untersuchen. Ein Entkleiden der Gefangenen sei
hierbei weder angeordnet noch durchgeführt worden.
Briefe des Antragstellers an Empfänger außerhalb der Anstalt seien weder
beschlagnahmt noch inhaltlich geändert worden. Ein Schreiben des Antragstellers
vom 1. November 1975 an den Hessischen Rundfunk und vom 29. August 1976 an
eine beim Hessischen Rundfunk beschäftigte Journalistin seien jeweils dem
Hessischen Minister der Justiz zur Genehmigung der Weiterleitung vorgelegt
worden. Der Leiter der Justizvollzugsanstalt habe jedoch in einem Begleitvermerk
auf Unrichtigkeiten von Angaben des Antragstellers über die Anstalt und den
Strafvollzug hingewiesen. Zwei von einem früheren Mitgefangenen des
Antragstellers an ihn gerichtete Briefe vom 4. Juli und vom 11. Juli 1976 seien
wegen beleidigender und unwahrer Angaben angehalten worden, weil sie geeignet
gewesen seien, die Sicherheit und Ordnung in der Anstalt zu gefährden. Die
entsprechenden Verfügungen seien dem Antragsteller jeweils unter Angabe des
Grundes eröffnet worden.
2. Die verschiedenen Aufforderungen zu Körperkontrollen, die Verweigerung von
Besuchen, die gegen den Antragsteller durch Beschluß der Hausstrafenkonferenz
vom 26. Mai 1976 verhängte Besuchersperre für den Monat Juni 1976 und die
einzelnen Fälle der Briefkontrolle seien Justizverwaltungsakte im Sinne von § 23
Abs. 1 Satz 2 EGGVG, gegen die nach §§ 23 Abs. 2, 25 Abs. 1 EGGVG Antrag auf
Entscheidung durch das Oberlandesgericht gestellt werden könne. Solche Anträge
habe der Antragsteller jedoch nicht gestellt. Die Antragsfrist von einem Monat
nach § 26 Abs. 1 EGGVG sei für alle in der Eingabe des Antragstellers angeführten
Einzelmaßnahmen bei ihrem Eingang beim Staatsgerichtshof längst abgelaufen
gewesen. Daher sei auch für eine Entscheidung des Staatsgerichtshofs vor
Erschöpfung des Rechtsweges nach § 48 Abs. 1 Satz 3 des Gesetzes über den
Staatsgerichtshof (StGHG) kein Raum. Die Frage, ob die Bedeutung der Sache
über den Einzelfall hinausgehe, könne nur gestellt werden, wenn der Antragsteller
bei Erhebung der Grundrechtsklage entweder den Rechtsweg schon beschritten
habe oder ihn noch beschreiten könne. Darüber hinaus gehe die Bedeutung der
Sache auch nicht über den Einzelfall hinaus, da mit dem Inkrafttreten des
Strafvollzugsgesetzes am 1. Januar 1977 eine neue Rechtslage eingetreten sei, die
eine Nachwirkung der Maßnahmen aus dem Jahre 1976 oder eine
Wiederholungsgefahr ausschließe.
3. Eine Umdeutung des Antrages dahin, daß Gegenstand der Prüfung nicht die
gegen den Antragsteller getroffenen Einzelmaßnahmen, sondern die Anordnungen
und Verfügungen des Leiters der Justizvollzugsanstalt... vom 22. Juni 1976, vom 5.
Juli 1976 und vom 18. November 1976 an die Anstaltsbediensteten sein sollten,
erscheine nicht möglich. Fehlten dem Antrag hierzu schon nähere Ausführungen,
so stellten sich diese Weisungen im übrigen als interne Anweisungen der
Anstaltsleitung an das Personal der Anstalt dar. Sie hätten keine unmittelbare
Rechtswirkung gegenüber den Gefangenen. Die Gefangenen würden erst durch die
einzelne Vollzugsmaßnahme unmittelbar betroffen und könnten sich dagegen
durch Anrufung des Oberlandesgerichts (seit dem 1. Januar 1977 der
25
26
27
28
29
30
31
32
durch Anrufung des Oberlandesgerichts (seit dem 1. Januar 1977 der
Strafvollstreckungskammer nach §§ 109 ff. StVollzG) wehren.
Insoweit fehle auch ein Rechtsschutzbedürfnis für die Entscheidung. Die Weisungen
vom 22. Juni und 5. Juli 1976 seien in den entscheidenden Punkten bereits durch
die Verfügung des Anstaltsleiters vom 18. November 1976 geändert worden. Seit
dem 1. Januar 1977 gelte für diese Fragen das Strafvollzugsgesetz, das sowohl die
Durchsuchung in seinem § 84 als auch die Überwachung des Schriftwechsels in
den §§ 28 ff. eingehend regele. Ein rechtliches Interesse des Antragstellers, jetzt
noch über die überholten Anordnungen und Verfügungen aus dem Jahre 1976 zu
entscheiden, sei nicht erkennbar.
4. Die Anträge seien darüber hinaus auch unbegründet. Eingriffe in die
Grundrechte der Strafgefangenen seien auch schon vor Inkrafttreten des
Strafvollzugsgesetzes zulässig gewesen, wenn Sinn und Zweck des Strafvollzuges
sie erfordert hätten. Sowohl die angeordneten Körperkontrollen als auch die
Postüberwachung hätten sich aber in diesem Rahmen gehalten. Nur die
Körperkontrolle habe die Gewähr dafür bieten können, daß der Gefangene keine
gefährlichen Gegenstände bei sich führe. Dadurch seien weder der Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit noch die Menschenwürde verletzt worden, weil Art und Weise
der Vornahme der Kontrollen - besonderer Raum, Abwesenheit anderer
Gefangener - die Beschwer für den Gefangenen auf ein Mindestmaß beschränkt
habe. Die Überwachung des Schriftverkehrs der Gefangenen sei nach den
Bestimmungen der Nrn. 147 ff. der hessischen Dienst- und Vollzugsordnung
(DVollzO) vom 1. Dezember 1961 in der ab 1. Mai 1971 geltenden Fassung (JMBl.
S. 282) durchgeführt worden, die inhaltlich mit den entsprechenden Vorschriften
des Strafvollzugsgesetzes übereinstimmten. Die von dem Antragsteller
beanstandeten Kontrollmaßnahmen seien auch aus Gründen der Sicherheit der
Justizvollzugsanstalt und zur Durchführung eines geordneten Strafvollzugs
erforderlich gewesen.
IV.
Der Landesanwalt hält den Antrag gemäß § 48 Abs. 3 StGHG für unzulässig, weil
der Antragsteller gegen die gerügten Maßnahmen den Rechtsweg zum
Oberlandesgericht (§§ 23, 25 EGGVG) innerhalb der gesetzten Frist (§ 26 Abs. 1
EGGVG) nicht beschritten habe und ihn wegen Fristablaufs auch nicht mehr
beschreiten könne. Deshalb könne auch keine Vorabentscheidung nach § 48 Abs.
1 Satz 3 StGHG in Betracht gezogen werden, so daß sich die Frage, ob die
Bedeutung der Sache über den Einzelfall hinausgehe, nicht mehr stellen könne.
Soweit sich der Antragsteller gegen die verschiedenen Anordnungen und
Weisungen des Anstaltsleiters wenden wolle, sei sein Antrag deshalb unzulässig,
weil es sich dabei nicht um Vollzugsmaßnahmen mit individueller Rechtswirkung
gegenüber ihm selbst handele.
Wegen dieser offenkundigen Unzulässigkeit des Antrages hat der Landesanwalt
trotz gewisser verfassungsrechtlicher Bedenken gegen die getroffenen
Maßnahmen von einer weiteren Auseinandersetzung mit der Frage der
Begründetheit des Antrages abgesehen.
Der Staatsgerichtshof hat die Gefangenen-Personalakten des Antragstellers
beigezogen. Die Bände IV und V (Zeitraum vom 12. März 1972 bis zum 10.
Oktober 1976) sind Gegenstand der Beratung gewesen.
B.
Der Antrag kann keinen Erfolg haben; er ist unzulässig.
I.
Zwar kann in Hessen jedermann nach Art. 131 Abs. 1 und 3 HV in Verbindung mit
§§ 45 ff. StGHG den Staatsgerichtshof anrufen, der geltend macht, daß ein ihm
von der Verfassung des Landes Hessen gewährtes Grundrecht verletzt sei.
Indessen findet ein Verfahren vor dem Staatsgerichtshof grundsätzlich nur statt,
wenn der Antragsteller zuvor eine Entscheidung des höchsten in der Sache
zuständigen Gerichts herbeigeführt hat und innerhalb eines Monats seit Zustellung
dieser Entscheidung den Staatsgerichtshof anruft (§ 48 Abs. 3 Satz 1 StGHG).
Entgegen dieser Regel braucht der Rechtsweg ausnahmsweise nicht erschöpft zu
sein, wenn der Antragsteller eine Rechtsnorm angreift, die ihn selbst, gegenwärtig
33
34
35
36
37
sein, wenn der Antragsteller eine Rechtsnorm angreift, die ihn selbst, gegenwärtig
und unmittelbar betrifft, ohne daß eine Ausführungsnorm oder ein Vollziehungsakt
hinzutreten müßte (ständige Rechtsprechung des StGH, u.a. Urteil vom 7. Januar
1970 - P.St. 539 -, StAnz. 1970, 342 = ESVGH 20, 206 = DÖV 1970, 243 = DVBl.
1970, 524 [L]; Beschluß vom 10. September 1975 - P.St. 741 -, ESVGH 26, 18),
wenn die Erschöpfung des Rechtsweges für den Antragsteller unzumutbar ist (so
StGH, Urteil vom 28. November 1973 - P.St. 653 -, StAnz. 1973, 2322 = ESVGH
24, 1 = DÖV 1974, 128 m. Anm. Evers = NJW 1974, 791) oder wenn die
Voraussetzungen für eine Vorabentscheidung des Staatsgerichtshofs nach § 48
Abs. 1 Satz 3 StGHG vorliegen. Im übrigen hat der Antragsteller gemäß § 46
StGHG unter Angabe der Beweismittel die Tatsachen darzulegen, aus denen sich
der Mißbrauch oder die Verletzung des Grundrechts ergeben soll.
Der Antrag des Antragstellers ist jedoch unter keiner der dargelegten
Voraussetzungen zulässig.
II.
Ausdrücklich wendet sich der Antragsteller zunächst gegen die "totale Briefzensur"
und gegen den mit der Durchführung der Körperkontrollen verbundenen Zwang
zum "Nacktausziehen" vor und nach jedem Besuch sowie bei Vorführungen zum
Arzt.
Der Schriftverkehr der Gefangenen war in dem für den Antrag maßgeblichen
Zeitraum in den Nrn. 147 ff. der Dienst- und Vollzugsordnung (DVollzO) vom 1.
Dezember 1961 in der ab 1. Mai 1971 geltenden Fassung (JMBl. S. 282) geregelt,
die seit dem 1. Januar 1977 durch die §§ 28 ff. StVollzG ersetzt worden sind. Nach
Nr. 152 Abs. 1 DVollzO wurde der Schriftverkehr der Gefangenen in der Regel
überwacht; Art und Umfang der Überwachung bestimmt der Anstaltsleiter. Von
diesem Recht hat der Leiter der Justizvollzugsanstalt... in der Nr. 5 seiner
Anordnung vom 5. Juli 19 76 Gebrauch gemacht. Der Verkehr von Gefangenen mit
Vertretern von Publikationsorganen (Presse, Rundfunk, Film, Fernsehen) war nach
Nr. 11 Abs. 1 DVollzO mit Erlaubnis des Ministers der Justiz zulässig. Der
Anstaltsleiter konnte nach Nr. 155 Abs. 2 DVollzO (in der Fassung des
Runderlasses des Hessischen Ministers der Justiz vom 21. Juni 1972 [JMBl. S. 214])
Schreiben anhalten, deren Inhalt eine Gefährdung der Ziele des Strafvollzugs, der
Sicherheit oder Ordnung der Anstalt oder der öffentlichen Sicherheit befürchten
ließ, oder die unwahre Angaben über die Anstaltsverhältnisse enthielten.
Ausgehenden Schreiben der Gefangenen mit mißverständlichen Darstellungen
konnte ein erläuternder oder richtigstellender Begleitvermerk beigefügt werden.
Die Durchsuchung der Gefangenen, ihrer Sachen und ihrer Hafträume war durch
Nr. 173 DVollzO geregelt; sie ist nunmehr unter den Voraussetzungen des § 84
StVollzG zulässig. Nach Nr. 173 Abs. 2 DVollzO konnte der Anstaltsleiter nach
Bedarf eine körperliche Durchsuchung allgemein oder im Einzelfalle anordnen. Der
Leiter der Justizvollzugsanstalt... verfügte entsprechende Kontrollen durch
Anordnungen vom 22. Juni, 5. Juli, 12. November und 18. November 1976.
Soweit sich der Antragsteller mit seiner Eingabe vom 19. September 1976 gegen
die im einzelnen aufgeführten Bestimmungen der DVollzO und die daraufhin
ergangenen Anordnungen des Anstaltsleiters wenden will, ist sein Antrag im
Grundrechtsklageverfahren schon deshalb unzulässig, weil es sich bei diesen
Vorschriften weder der Form noch dem Inhalt nach um Rechtsnormen, sondern
um Verwaltungsvorschriften handelte (vgl. dazu BVerfGE 33,1 [12]; Bayer.VerfGH
in VerfGH 28, 210 [212]). Die Dienst- und Vollzugsordnung wurde auf Grund einer
Vereinbarung der Landesjustizverwaltungen von ihnen einheitlich erlassen. Für
Hessen wurde sie durch Runderlaß des Ministers der Justiz vom 1. Dezember 1961
(JMBl. S. 37) mit Wirkung vom 1. Juli 1962 in Kraft gesetzt und durch Runderlaß
vom 1. März 1971 (JMBl. S. 281) in der ab 1. Mai 1971 geltenden Fassung neu
bekanntgemacht. Ihrer Form nach, die ein wichtiges Indiz für die rechtliche Natur
ist, ist sie demnach als Verwaltungsvorschrift erlassen worden. Inhaltlich richtet sie
sich nicht an die Strafgefangenen, sondern an die Leiter und Bediensteten der
Justizvollzugsanstalten. Sie greift daher in die Rechtssphäre der Gefangenen nicht
unmittelbar ein, sondern verdeutlicht und erläutert nur den Rechtszustand, der
sich für die Art und Weise der Strafvollstreckung ergibt, die ihrerseits auf einem
richterlichen Strafurteil beruht, das nach den Vorschriften des Strafgesetzbuches
und der Strafprozeßordnung erlassen worden ist (vgl. dazu Bayer.VerfGH in
VerfGH 21, 32 [35 f.]; 23, 17 [18]). Das gleiche gilt für die erwähnten Anordnungen
des Leiters der Justizvollzugsanstalt.... Fehlt diesen Vorschriften demnach der
38
39
40
41
42
des Leiters der Justizvollzugsanstalt.... Fehlt diesen Vorschriften demnach der
Rechtsnormcharakter, so können sie auch nicht zum Gegenstand einer
Grundrechtsklage gemacht werden. Verwaltungsvorschriften unterliegen im
allgemeinen nicht der Kontrolle durch den Staatsgerichtshof, weil sie den Einzelnen
nicht unmittelbar betreffen. Sie erlangen ihm gegenüber erst dann Rechtswirkung,
wenn eine Verwaltungsbehörde im Einzelfall nach ihnen verfährt (vgl. BVerfGE 2,
237 [242 f.]; 12, 370; 18, 1 [13]). Daran vermag auch der Umstand nichts zu
ändern, daß jedenfalls die Anordnung vom 5. Juli 1976 jedem Gefangenen in
Abdruck ausgehändigt worden ist. Die Bekanntgabe verleiht der Anordnung nach
außen noch keine verbindliche Kraft, sondern hat nur informatorische Bedeutung
(so Bayer.VerfGH in VerfGH 28, 84 [86]). Auf die Frage, ob der Antragsteller die
Grundrechtsklage insoweit rechtzeitig erhoben hat, was bei Grundrechtsklagen
gegen Rechtsnormen binnen eines Jahres seit Inkrafttreten der Norm zu
geschehen hat (vgl. dazu StGH, Urteil vom 20. November 1971 - P.St. 608, 637 -,
StAnz. 1972, 112 [117] = ESVGH 22, 4 = DÖV 1972, 285), kommt es daher
ebensowenig an wie darauf, ob das Außerkrafttreten von Rechtsvorschriften eine
gegen sie gerichtete Grundrechtsklage gegenstandslos macht (vgl. dazu StGH,
Beschluß vom 7. April 1976 - P.St. 779 -).
III.
Erweist sich der Antrag gegen die erwähnten Bestimmungen der DVollzO und der
Anordnungen des Leiters der Justizvollzugsanstalt... mangels
Rechtsnormcharakters dieser Vorschriften und fehlender unmittelbarer
Selbstbetroffenheit des Antragstellers als unzulässig, so kann er sich auch nicht im
Wege der Grundrechtsklage gegen die einzelnen Vollzugsakte wenden, die gegen
ihn im Rahmen der Postüberwachung und der besonderen Kontrollmaßnahmen vor
und nach den von ihm erwarteten Besuchen oder vor den von ihm beantragten
Vorführungen zum Anstaltsarzt auf Grund der Vorschriften der DVollzO und der
Anordnungen des Leiters der Justizvollzugsanstalt... erlassen worden sind.
Das Vorbringen des Antragstellers vermag den Anforderungen des § 46 Abs. 1
StGHG nur zum Teil zu genügen, nach dem er das Grundrecht und mit der Angabe
der Beweismittel die Tatsachen darlegen muß, aus denen sich die Verletzung der
Grundrechte ergeben soll. Soweit der Antragsteller den Staatsgerichtshof ersuch
hat, alle seine Personalakten einzusehen und einer genaueren Überprüfung zu
unterziehen, genügt er nicht seiner Darlegungspflicht. Beachtlich sind jedoch die
von ihm konkret bezeichneten Vorgänge. Im einzelnen handelt es sich danach um
die Anordnungen von Kontrollmaßnahmen anläßlich der Besuche von Angehörigen
oder Bekannten des Antragstellers am 5. März, am 21. Mai und am 13. August
1976 sowie um den Beschluß der Hausstrafenkonferenz vom 26. Mai 1976, durch
den der Antragsteller mit einem Monat Besuchssperre für den Monat Juni 1976
belegt worden ist. Dieser Beschluß ist dem Antragsteller in beglaubigter Abschrift
und mit einer Rechtsmittelbelehrung am 25. Juni 1976 ausgehändigt worden.
Schließlich sind zwei von einem früheren Mitgefangenen an den Antragsteller
gerichtete Briefe vom 4. Juli und vom 11. Juli 1976 angehalten worden. Diese
Maßnahme wurde dem Antragsteller unter Angabe der Gründe und mit einer
Rechtsmittelbelehrung am 15. Juli 1976 eröffnet.
Der Antragsteller hat die Art. 1, 3, 21, 22 und 26 HV als verletzt bezeichnet, von
denen zumindest die Art. 1 und 4 HV Grundrechte gewähren.
Der Antrag ist aber auch insoweit nach § 48 Abs. 3. Satz 1 StGHG unzulässig, weil
der Antragsteller gegen die gerügten Maßnahmen den Rechtsweg zum
Oberlandesgericht nach §§ 23, 25 EGGVG innerhalb der Frist des § 26 EGGVG nicht
beschritten, geschweige denn erschöpft hat. Weder aus dem Vorbringen des
Antragstellers in seiner Eingabe vom 19. September 1976 noch aus den
beigezogenen Personalakten ergibt sich, daß er - trotz der ihm erteilten
Rechtsmittelbelehrungen - das Oberlandesgericht rechtzeitig angerufen hat bzw.
eine Entscheidung dieses Gerichts über die einzelnen Vollzugsmaßnahmen
ergangen ist.
Die von § 48 Abs. 3 Satz 1 StGHG geforderte Erschöpfung des Rechtsweges war
dem Antragsteller auch zuzumuten, jedenfalls ergeben sich weder aus dem
Vorbringen des Antragstellers noch aus den beigezogenen Personalakten
Anhaltspunkte dafür, daß es ihm nicht zuzumuten war, den Rechtsweg nach §§ 23
ff. EGGVG zu erschöpfen. Ausnahmen von dem Gebot der vorgängigen
Erschöpfung des Rechtswegs unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit sind
ohnehin eng zu begrenzen, weil die in § 48 Abs. 3 StGHG zum Ausdruck
43
44
45
ohnehin eng zu begrenzen, weil die in § 48 Abs. 3 StGHG zum Ausdruck
kommende Subsidiarität der Grundrechtsklage ein Wesensmerkmal dieses
außerordentlichen Rechtsbehelfes ist und der besonderen Funktion des
Staatsgerichtshofs als Landesverfassungsgericht in dem umfassenden
Rechtsschutzsystem der Verfassung des Landes Hessen (vgl. Art. 2 Abs. 3 HV)
entspricht. Zwar hat der Staatsgerichtshof ausgesprochen, daß es einem
Antragsteller, der behauptet, durch die Ablehnung seines Gnadengesuchs in
seinen Grundrechten verletzt worden zu sein, nicht zugemutet werden könne,
zunächst die Entscheidung des höchsten in der Sache zuständigen Gerichts
herbeizuführen, weil die Zulässigkeit der Anrufung des Oberlandesgerichts gemäß
§§ 23 ff. EGGVG umstritten war (so StGH, Urteil vom 28. November 1973 - P.St-
653 -, StAnz, 1973, 2322 [2326]). Die Zulässigkeit des Antrages auf gerichtliche
Entscheidung gegen Maßnahmen im Rahmen des Strafvollzuges, wie sie der
Antragsteller rügt, ist aber nicht umstritten. Gerade die Regelungen des Besuchs-
und Schriftverkehrs der Gefangenen sind häufig Gegenstand von Entscheidungen
der Strafsenate der Oberlandesgerichte.
IV.
Aus dem Gesagten ergibt sich zugleich, daß auch eine Entscheidung des
Staatsgerichtshofs vor Erschöpfung des Rechtsweges nach § 48 Abs. 1 Satz 3
StGHG nicht in Betracht kommt. Danach entscheidet der Staatsgerichtshof nur,
wenn die Bedeutung der Sache über den Einzelfall hinausgeht, insbesondere mit
einer Wiederholung zu rechnen ist und daher eine allgemeine Regelung erforderlich
erscheint. Eine solche Vorabentscheidung des Staatsgerichtshofs ist nur unter
bestimmten Voraussetzungen zulässig, die im vorliegenden Verfahren jedoch
nicht gegeben sind.
Grundsätzlich soll der Staatsgerichtshof nach § 48 Abs. 1 Satz 1 StGHG den
Antragsteller an das zuständige Gericht verweisen und die Sache dorthin abgeben,
wenn geltend gemacht wird, daß ein Grundrecht verletzt sei, und ein gerichtliches
Verfahren noch nicht anhängig ist. Nach Sinn und Zweck dieser Vorschrift kann die
prozessuale Verweisung durch den Staatsgerichtshof an das zuständige Gericht
nur in Frage kommen, wenn sie zur Vermeidung von Rechtsnachteilen für den
Antragsteller unerläßlich ist (vgl. Zinn-Stein, Verfassung des Landes Hessen,
Kommentar 1963 ff., Art. 131 - 133, Erl. B IV 19 i, S. 41). Das ergibt sich auch aus
§ 48 Abs. 1 Satz 2 StGHG, nach dem die Verweisung bindend ist und die
Rechtshängigkeit für den Zeitpunkt begründet, in welchem der Antrag bei dem
Staatsgerichtshof eingeht. Solche Rechtsnachteile können dem Antragsteller
jedoch nur erwachsen, wenn er den Staatsgerichtshof unmittelbar anruft, obwohl
eine gesetzliche Frist läuft, innerhalb der er in einem anderen Gerichtsverfahren
um Rechtsschutz nachsuchen könnte. Die Verweisung durch den
Staatsgerichtshof verfolgt daher ihrem Wesen nach den Zweck, dem
Rechtsuchenden den Rechtsweg - wenn auch keinen bestimmten - zu erhalten, um
ihm nach Erschöpfung dieses Rechtsweges auch noch die Möglichkeit der
Grundrechtsklage zu eröffnen (vgl. Zinn-Stein, a.a.O., S. 41). In diesem
Zusammenhang und auch nach ihrem Wortlaut ("Der Staatsgerichtshof
entscheidet nur...") stellt sich die Vorschrift des § 48 Abs. 1 Satz 3 StGHG als eine
Ausnahmevorschrift dar. Sie ermächtigt den Staatsgerichtshof nicht, von dem
Erfordernis der Erschöpfung des Rechtsweges schlechthin abzusehen, sondern
greift nur ein, wenn der Rechtsweg im Zeitpunkt der Erhebung der
Grundrechtsklage noch nicht beschritten ist, aber noch beschritten werden kann.
Ist die Frist zur Beschreitung des Rechtsweges bereits versäumt, so ist für eine
Entscheidung des Staatsgerichtshofs überhaupt kein Raum mehr, selbst wenn der
Sache allgemeine Bedeutung im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 3 StGHG
beizumessen ist (vgl. Zinn-Stein, a.a.O., Art. 131 - 133, Erl. B IV 19 1, S. 42;
BVerfGE 13, 284 [289]). Hat ein Antragsteller bei Anrufung des Staatsgerichtshofs
bereits ein gerichtliches Verfahren angestrengt, so greift § 48 Abs. 2 StGHG ein,
der als Sondervorschrift die Möglichkeit eines Verfahrens sowohl nach § 48 Abs. 1
StGHG als auch nach § 48 Abs. 3 StGHG während der Rechtshängigkeit der Sache
ausschließt (so StGH in ständiger Rechtsprechung, zuletzt Beschluß vom 11. April
1973 - P.St. 692 -).
Insoweit unterscheidet sich die Rechtslage in Hessen von der Regelung des § 90
Abs. 2 Satz 2 BVerfGG, wonach grundsätzliche Voraussetzung einer
Vorabentscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist, daß der Rechtsweg bereits
beschritten ist oder noch beschritten wird (so BVerfGE 11, 244; 22, 349 [354]), es
sei denn, der Rechtsweg ist an keine Frist gebunden (so BVerfGE 1, 332 [345]). §
48 StGHG unterscheidet - im Gegensatz zu § 90 Abs. 2 BVerfGG - eindeutig
46
47
48
48 StGHG unterscheidet - im Gegensatz zu § 90 Abs. 2 BVerfGG - eindeutig
zwischen dem einzuschlagenden Verfahren, wenn ein gerichtliches Verfahren noch
nicht anhängig ist (Abs. 1), und der Verfahrenslage, die sich ergibt, wenn ein
Gericht bereits mit der Sache befaßt ist (Abs. 2). Die dem Staatsgerichtshof
eingeräumte Verweisungsbefugnis ist spezifisches und typisches (landes-)
verfassungsgerichtliches Verfahrensrecht (so Zinn-Stein, a.a.O., Art. 131 - 133, Erl.
B IV 19 i, S. 41), das sich aus dem Nebeneinander von Bundes- und
Landesverfassungsgerichtsbarkeit ergibt (vgl. § 90 Abs.: 3: BVerfGG). Es
entspricht; dem vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundsatz, daß die
Landesverfassungsgerichte ihre Zuständigkeit und materielle Prüfungsbefugnis
aus den Landesverfassungsbestimmungen herleiten und entwickeln gönnen (vgl.
dazu BVerfGE 36, 342 [368]). Diese Auslegung des § 48 Abs. 1 StGHG wahrt auch
den Grundsatz der Subsidiarität der Grundrechtsklage. Sie soll nicht wahlweise
neben andere Rechtsmittel treten oder gar die Vereinfachung oder Umgehung
des: sonst vorgeschriebenen Rechtsweges ermöglichen; denn die
Grundrechtsklage ist ein besonderer, außerordentlicher Rechtsbehelf, der vor dem
Staatsgerichtshof ein völlig neues Verfahren unter ganz bestimmten
Voraussetzungen eröffnet. Indessen dürfen dem Antragsteller, der den
Staatsgerichtshof - aus welchem Gründen auch immer, seien es Unkenntnis,
Irrtum oder andere Motive - vorzeitig anruft, keine Rechtsnachteile entstehen,
solange der ordentliche Rechtsbehelf noch zulässig ist.
Geht man von diesen Grundsätzen aus, so ist festzustellen, daß der Antrag des
Antragstellers vom 19. September 1976 unzulässig ist.
Wegen der konkret von dem Antragsteller angeführten Maßnahmen
(Durchsuchungen vor und nach Besuchen, Hausstrafe sowie Kontrolle des übrigen
Schriftverkehrs) war die Monatsfrist für einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung
nach den §§ 23 ff. EGGVG bei Eingang seiner Eingabe an den Staatsgerichtshof
am 22. September 1976 bereits abgelaufen. Sie begann nach § 26 EGGVG -
unabhängig von einer entsprechenden Rechtsmittelbelehrung (so BGH in NJW
1974, 1335) - Jeweils mit der Zustellung oder schriftlichen Bekanntgabe der
Bescheide des Leiters der Justizvollzugsanstalt. Für eine Entscheidung des
Staatsgerichtshofs nach § 48 Abs. 1 Satz 3 StGHG ist daher kein Raum mehr, so
daß der Antrag als unzulässig zurückgewiesen werden muß.
V.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 24 StGHG.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.