Urteil des StGH Hessen vom 09.06.1999

StGH Hessen: fortsetzung des mietverhältnisses, hessen, verfassungsbeschwerde, herausgabe, verfassungsrecht, räumung, baurecht, willkürverbot, meinung, kündigung

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Gericht:
Staatsgerichtshof
des Landes
Hessen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
P.St. 1333
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 43 StGHG HE
Leitsatz
Das Interesse an der Beseitigung einer belastenden Kostenentscheidung reicht für die
Bejahung eines Rechtsschutzbedürfnisses nach Erledigung der Hauptsache nicht aus.
Tenor
Die Anträge werden zurückgewiesen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben, außergerichtliche Kosten nicht erstattet.
Gründe
A
I.
Die Antragstellerin wendet sich mit der Grundrechtsklage gegen ein
Berufungsurteil des Landgerichts Frankfurt am Main, durch das sie zur Räumung
und Herausgabe ihrer Mietwohnung verurteilt wurde.
Die Antragstellerin bewohnte seit 1977 eine Wohnung im Haus Q-Straße … in
Frankfurt am Main als Mieterin. Ihr Vermieter, der Kläger des Ausgangsverfahrens,
kündigte der Antragstellerin am 4. März 1998 fristlos wegen Zahlungsverzuges.
Sie wandte dagegen ein, sie habe wegen erheblicher Mängel der Mietsache den
Mietzins gemindert. Das Amtsgericht Frankfurt am Main verurteilte die
Antragstellerin zur Räumung und Herausgabe der Wohnung. Hiergegen legte sie
Berufung ein, nachdem sie unter Vorbehalt bis zur Festlegung der
Minderungsquote eine Mietnachzahlung geleistet hatte. Für März und April 1998
zahlte die Antragstellerin wiederum nur einen Teil des von ihr vertraglich
geschuldeten Mietzinses, für die Monate Mai und Juni 1998 erfolgte keine Zahlung,
was zu erneuten fristlosen Kündigungen am 27. Mai 1998 und 10. Juni 1998 führte.
Mit der Antragstellerin am 18. August 1998 zugestelltem Urteil vom 4. August
1998 wies das Landgericht Frankfurt am Main - Az.: 2/11 S 141/98 - ihre Berufung
aus den weiterhin zutreffenden Gründen des angefochtenen Urteils zurück, da das
Mietverhältnis jedenfalls durch die Kündigung vom 10. Juni 1998 wegen
Nichtzahlung der Miete für Mai und Juni 1998 aufgelöst worden sei.
Die Antragstellerin hat am 17. September 1998 beim Staatsgerichtshof gegen das
Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main Grundrechtsklage erhoben.
Sie rügt eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 1 und 20 Abs. 1 Satz 1 der
Verfassung des Landes Hessen (kurz: Hessische Verfassung - HV -) durch das
Urteil des Landgerichts. Art. 1 HV sei in seiner Ausprägung als Willkürverbot
verletzt. Das Landgericht habe bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigt, dass
ihr neben der Mietzinsminderung ein Leistungsverweigerungsrecht aus § 320 BGB
wegen nichterfüllten Vertrages zugestanden habe. Ihr Recht auf den gesetzlichen
Richter nach Art. 20 Abs. 1 Satz 1 HV habe das Landgericht Frankfurt am Main
dadurch verletzt, dass es seine von der ganz herrschenden Meinung abweichende
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dadurch verletzt, dass es seine von der ganz herrschenden Meinung abweichende
Auffassung vom Verhältnis des Minderungsrechts aus § 537 BGB zum
Leistungsverweigerungsrecht aus § 320 BGB nicht zum Anlass genommen habe,
einen Rechtsentscheidung nach § 541 ZPO einzuholen.
Am 18. Januar 1999 ist die Antragsteller aus der Wohnung in der Q-Straße … in
Frankfurt am Main ausgezogen.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
1. festzustellen, dass das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 4.
August 1998 - Az.: 2/11 S 141/98 - die Rechte der Antragstellerin aus Art. 1und 20
Abs. 1 Satz 1 der Hessischen Verfassung verletzt,
2. dieses Urteil für kraftlos zu erklären und den Rechtsstreit an eine andere
Kammer des Landgerichts Frankfurt am Main zurückzuverweisen.
II.
Die Landesregierung hält die Grundrechtsklage für unzulässig.
Der Landesanwalt hat sich am Verfahren nicht beteiligt.
III.
Die Antragstellerin hat das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main außer mit
der Grundrechtsklage zum Staatsgerichtshof auch mit der
Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht angegriffen. Das
Bundesverfassungsgericht hat diese Verfassungsbeschwerde jedoch nicht zur
Entscheidung angenommen.
IV.
Die Verfahrensakte des Landgerichts Frankfurt am Main - Az.: 2/11 S 141/98 - hat
vorgelegen.
B
I.
Die Grundrechtsklage ist mit beiden Anträgen unzulässig.
Das Rechtsschutzinteresse der Antragstellerin ist dadurch entfallen, dass sie die
Wohnung, auf die sich das mit der Grundrechtsklage angegriffene Räumungsurteil
bezieht, geräumt hat und nicht ersichtlich ist, dass ihr an einer Fortsetzung des
Mietverhältnisses liegt.
Ein hiernach noch verbleibendes Rechtsschutzbedürfnis für die Grundrechtsklage
ist nicht zu erkennen. Das Interesse an der Beseitigung einer belastenden
Kostenentscheidung reicht hierfür nicht aus (ständige Rechtsprechung des StGH,
vgl. zuletzt Urteil vom 3. Mai 1999 - P.St. 1344 -). Eine Wiederholung der
angegriffenen Maßnahme gegenüber der Antragstellerin ist nicht zu befürchten.
Einen Ersatz von Kosten, die eventuell im Zusammenhang mit dem Umzug der
Antragstellerin in eine andere Wohnung entstanden sind, könnte sie mangels
einschlägiger Anspruchsgrundlage auch im Fall einer Kraftloserklärung des
angegriffenen Urteils durch den Staatsgerichtshof nicht erlangen. Dass die
Antragstellerin durch die Entscheidung des Landgerichts Frankfurt am Main im
Übrigen eine so nachhaltige Grundrechtsbeeinträchtigung erlitten hätte, dass es
zu deren Behebung noch nach ihrem Auszug einer Entscheidung des
Staatsgerichtshofs bedürfte, ist nicht ersichtlich.
Inwieweit die Grundrechtsklage über den Schutz subjektiver Grundrechte hinaus
auch die objektive Funktion hat, das Verfassungsrecht zu wahren und seiner
Fortbildung zu dienen, und ob demgemäß trotz Wegfalls der Beschwer eine
Grundrechtsklage zur Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage von
grundsätzlicher Bedeutung zulässig bleiben kann (so die ständige Rechtsprechung
des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungsbeschwerde, vgl. zuletzt BVErfGE
96, 288 [300]), kann dahinstehen. Denn verfassungsrechtliche Fragen von
grundsätzlicher Bedeutung sind durch die Grundrechtsklage der Antragstellerin
nicht aufgeworfen.
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II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 28 StGHG.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.