Urteil des StGH Hessen vom 14.03.2017

StGH Hessen: treu und glauben, rechtssicherheit, konkrete normenkontrolle, rechtsnorm, verwirkung, grundrecht, hessen, versorgung, besoldung, bundesrat

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Gericht:
Staatsgerichtshof
des Landes
Hessen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
P.St. 730
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
Art 131 Abs 3 Verf HE
Leitsatz
1. Voraussetzung für eine Grundrechtsklage unmittelbar gegen ein Gesetz ist, dass der
Antragsteller selbst, gegenwärtig und unmittelbar durch die angefochtene Vorschrift
betroffen ist, ohne dass eine Ausführungsnorm oder ein Vollziehungsakt hinzutreten
muss.
2. Das Erfordernis der gegenwärtigen Betroffenheit ist auch schon dann erfüllt, wenn bei
Klageerhebung feststeht, dass dieser Zustand nach einer verhältnismäßig kurzen Zeit
eintreten wird.
3. Die Grundrechtsklage gegen ein Gesetz ist binnen eines Jahres nach dessen
Inkrafttreten zu erheben.
Tenor
Der Antrag wird auf Kosten der Antragsteller zurückgewiesen.
Die Gebühr wird auf DM 1.000,– festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragsteller wenden sich mit ihrer am 19. Oktober 1973 beim
Staatsgerichtshof eingegangenen Grundrechtsklage gegen die Anlage I des
hessischen Gesetzes über die Amtsbezüge der Richter und Staatsanwälte
(RiAmtsbG) vom 4. März 1970 (GVBl. I S. 201), soweit Richter am Arbeitsgericht als
ständige Vorsitzende einer Kammer der Besoldungsgruppe R 1 und nicht
spätestens von einer mittleren Altersstufe an der Besoldungsgruppe R 2
zugeordnet sind.
1. Die Gesetzeslage ist folgende:
a) Nach der Anlage I des RiAmtsbG sind in die Besoldungsgruppe R 1 eingeordnet:
Richter am Amtsgericht, Arbeitsgericht, Landgericht, soweit nicht in R 2,
Sozialgericht, Verwaltungsgericht, soweit nicht in R 2; in die Besoldungsgruppe R 2:
Richter an einem oberen Landesgericht, Landgericht oder Verwaltungsgericht, als
ständige Vorsitzende einer Kammer.
b) Durch das 28. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 18. März 1971
(BGBl. I S. 206) wurde unter entsprechender Änderung des Art. 75 als neue
Bestimmung Art. 74 a GG eingefügt. Er lautet:
(1) Die konkurrierende Gesetzgebung erstreckt sich ferner auf die Besoldung und
Versorgung der Angehörigen des öffentlichen Dienstes, die in einem öffentlich-
rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen, soweit dem Bund nicht nach
Artikel 73 Nr. 8 die ausschließliche Gesetzgebung zusteht.
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c) Nach §§ 5 Absatz 4, 31 des Bundesbesoldungsgesetzes (BBesG) in der Fassung
vom 5. August 1971 (BGBl. I S. 1281) sind eingestuft worden:
a) Richter am Bundesdisziplinarhof in Besoldungsgruppe A 13 (mit Durchstufung
nach Dienstalter bis A 15)
b) Vorsitzende Richter am Bundesdisziplinarhof in Besoldungsgruppe A 15 (mit
Durchstufung nach Dienstalter bis A 16).
Nach §§ 49, 53 BBesG sind eingestuft worden in die Gruppe a): der
Amtsgerichtsrat, der Arbeitsgerichtsrat, der Finanzgerichtsrat bis zur 13.
Dienstaltersstufe, der Landgerichtsrat, der Sozialgerichtsrat; in die Gruppe b): der
Finanzgerichtsrat von der 14. Dienstaltersstufe an, der Landessozialgerichtsrat,
der Landgerichtsdirektor als Kammervorsitzender, der Oberlandesgerichtsrat, der
Oberverwaltungsgerichtsrat.
Der Landesarbeitsgerichtsdirektor sowie der Senatspräsident beim Finanzgericht,
beim Landessozialgericht, beim Oberlandesgericht und beim
Oberverwaltungsgericht sind in die Besoldungsgruppe B 3 eingereiht.
d) Der dem Bundesrat zugeleitete Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur
Vereinheitlichung und Neuregelung des Besoldungsrechts in Bund und Ländern (2.
BesVNG) – Bundesratsdrucksache 1/74 – sieht grundsätzlich die gleiche
Zuordnung wie die Regelung unter a) vor. Lediglich die Richter am Finanzgericht –
entsprechend der hessischen Regelung – und die Richter am Amtsgericht,
Arbeitsgericht und Sozialgericht, soweit sie dienstaufsichtführende Richter oder
deren Vertreter (an Gerichten von einer bestimmten Größenordnung ab) bzw.
Vertreter eines Präsidenten der Besoldungsgruppe R 3 und R 4 sind, sollen R 2
zugewiesen werden.
2. Die Antragsteller sind bzw. waren Richter an hessischen Arbeitsgerichten. Der
Antragsteller ... war seit dem ... Richter und trat nach Erreichen der Altersgrenze
am ... in den Ruhestand. Die Antragsteller ..., geboren am ..., ..., geboren am ...,
..., geboren am ..., und ..., geboren am ..., sind noch im Richterdienst tätig.
3. Die Antragsteller fühlen sich durch die Einstufung in die Besoldungsgruppe R 1 in
ihrem Grundrecht auf Gleichbehandlung nach Artikel 1 der Hessischen Verfassung
(HV) verletzt.
Sie haben deshalb beantragt festzustellen:
Die Anlage I des Hessischen Gesetzes über die Amtsbezüge der Richter und
Staatsanwälte vom 4. 3. 1970 (GVBl. I S. 201) ist wegen Verstoßes gegen Art. 1
der Verfassung des Landes Hessen insoweit nichtig, als die Richter an einem
Arbeitsgericht als ständige Vorsitzende einer Kammer ausschließlich der
Besoldungsgruppe R 1 und nicht spätestens von einer mittleren Altersstufe an der
Besoldungsgruppe R 2 zugeordnet sind.
4. Zur Begründung haben sie ausgeführt:
Über die Zuordnung der Richterämter bestimme § 6 Abs. I RiAmtsbG: "Die
Zuordnung der Richterämter zu den Besoldungsgruppen – Anlage I – richtet sich
nach dem Amtsinhalt". In die Besoldungsgruppe R 1 seien eingestuft alle Einzel-
und beisitzenden Berufsrichter eines unteren Landesgerichts, sowie – ohne im
Gesetz als solche gekennzeichnet zu sein – die Richter an Arbeits- und
Sozialgerichten als ständige Vorsitzende einer Kammer und die
Schöffengerichtsvorsitzenden, während in die Besoldungsgruppe R 2 eingestuft
seien alle beisitzenden Berufsrichter an einem oberen Landesgericht, sowie die
Richter am Land- und Verwaltungsgericht als ständige Vorsitzende einer Kammer,
und in R 3 schließlich alle Richter an einem oberen Landesgericht als ständige
Vorsitzende eines Senats bzw. einer Kammer. Demnach würden die ständigen
Vorsitzenden eines der genannten Spruchkörper grundsätzlich nach R 2 oder R 3
besoldet, die ständigen Vorsitzenden einer Kammer am Arbeitsgericht aber nach
R 1. Für die Richter der Arbeitsgerichtsbarkeit stünden überhaupt nur die
Besoldungsgruppen R 1 und R 3, und nicht auch R 2 zur Verfügung. Der
Gleichheitsgrundsatz verlange jedoch ihre besoldungsmäßige Gleichstellung mit
den Vorsitzenden der Spruchkörper bei den entsprechenden Gerichten der
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den Vorsitzenden der Spruchkörper bei den entsprechenden Gerichten der
ordentlichen Gerichtsbarkeit, insbesondere mit den Vorsitzenden der Kammern für
Handelssachen an den Landgerichten. Zur Rechtfertigung der im Antrag zum
Ausdruck gebrachten Einschränkung, wonach die Richter an einem Arbeitsgericht
die Einordnung in die Besoldungsgruppe R 2 nicht bereits als Berufsanfänger
begehrten, nehmen die Antragsteller auf ein der Grundrechtsklage beigefügtes
Gutachten des Professors Dr. Püttner und Dr. Unger Bezug. Nach diesem
Gutachten sei eine verfassungskonforme Besoldungsregelung für die
Kammervorsitzenden an Arbeitsgerichten entweder durch die sofortige Einstufung
in die Gruppe R 2 (entsprechend der hessischen Regelung für die Richter am
Finanzgericht) denkbar, sofern als Eingangsvoraussetzung stets Berufserfahrung
gefordert werde, oder durch eine automatische Eingruppierung in R 2 zu einem
festen Zeitpunkt, der, wie bei den Richtern der Finanzgerichte gemäß § 53 Abs. 3
BBesG etwa bei der 13. Dienstaltersstufe oder dem 40. bzw. 45. Lebensjahr liegen
könnte. Gleichgültig, welche Altersstufe man als Schnittpunkt für die Zuordnung
ihres Richteramts zur Besoldungsgruppe R 2 annehme, sei bei den Antragstellern
... und ... die für die Zulässigkeit der Grundrechtsklage erforderliche
Voraussetzung der gegenwärtigen, unmittelbaren Selbstbetroffenheit durch die
angegriffene Rechtsnorm wegen ihres fortgeschrittenen Alters schon seit
Inkrafttreten des Gesetzes gegeben. Der Antragsteller ... hätte seit Beginn der 6.
Altersstufe, spätestens seit Beginn seines .... Lebensjahres, also gemäß § 6 Ziff. II
3 RiAmtsbG ab ... in die Gruppe R 2 eingestuft werden müssen. Der Antragsteller
... hingegen hätte spätestens mit Beginn seines .... Lebensjahres, also ab ... nach
R 2 besoldet werden müssen. Der Antragsteller ... hätte spätestens mit Beginn
seines .... Lebensjahres, also ab ... nach R 2 besoldet werden müssen, weil es nicht
notwendig sei, einen Kammervorsitzenden zur Erlangung der erforderlichen
Erfahrung länger als höchstens bis zur 4. Altersstufe in R 1 zu belassen. Dieser
Zeitpunkt sei zwar bei Einreichung der Grundrechtsklage noch nicht erreicht
gewesen, nach der Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts sei aber
jemand schon dann "gegenwärtig" betroffen, wenn der Zustand des Betroffenseins
"nach einer verhältnismäßig kurzen Zeit" eintrete. Diese Voraussetzung sei bei
ihm gegeben.
Die Grundrechtsklage sei auch fristgerecht erhoben, weil das Gesetz über den
Staatsgerichtshof eine Frist für die gegen ein Gesetz gerichtete Grundrechtsklage
nicht vorsehe. Man könne auch entgegen der Entscheidung des
Staatsgerichtshofs vom 8. Januar 1970 – P. St. 539 – (StAnz. 70, 342) nicht von
einer ausfüllungsbedürftigen "Lücke" des Gesetzes sprechen, wenn man davon
ausgehe, daß der hessische Gesetzgeber für die Grundrechtsklage gegen ein
Gesetz – wie das Land Bayern – bewußt keine Frist vorschreiben wollte. Für diese
Annahme spreche, daß der Gesetzgeber auch bei späteren Gesetzesänderungen
in Kenntnis der Vorschrift des § 93 Abs. 2 BVerfGG keine Fristbestimmung
eingefügt habe. Der in der Entscheidung vom 20. Dezember 1971 – P. St. 608. 637
– (StAnz. 72, 112) und der "nicht veröffentlichten" Entscheidung vom 12. Juli 1972
– P. St. 640 – vertretenen Auffassung des Staatsgerichtshofes, eine
Grundrechtsklage gegen eine Rechtsnorm sei nur innerhalb eines Jahres seit ihrem
Inkrafttreten zulässig, könne daher nicht gefolgt werden. Während in der ersteren
Entscheidung der Staatsgerichtshof die Begründung auf das Prinzip der
Rechtssicherheit abhebe, beziehe er sich in der letzteren auf das Rechtsinstitut der
prozessualen Verwirkung. Dieses sei aber dogmatisch etwas völlig anderes als das
Prinzip der Rechtssicherheit, könne auch nur nach den Umständen des Einzelfalles
entschieden werden, so daß sein Grundgedanke eine feste Begrenzung auf ein
Jahr gar nicht zulasse. Es bestehe daher gegenwärtig eine Rechtsunsicherheit, die
sich nicht zum Nachteil der Antragsteller auswirken dürfe. Bei Annahme der
Jahresfrist sei die Grundrechtsklage allerdings verspätet. Bei Anwendung des
Gedankens der prozessualen Verwirkung aber sei sie zulässig, denn die
Antragsteller hätten über den hessischen Verband der Arbeitsrichter nach
Inkrafttreten des RiAmtsbG die maßgeblichen Stellen wegen einer
Gesetzesänderung wiederholt angesprochen, so daß von einer Treuwidrigkeit bei
der Anrufung des Staatsgerichtshofes als Voraussetzung einer Verwirkung keine
Rede sein könne.
Die Fristbestimmung durch den Staatsgerichtshof verletze auch Art. 131 Abs. 3
HV. Danach habe das Gesetz zu bestimmen, in welchen Fällen und unter welchen
Voraussetzungen jedermann das Recht habe, den Staatsgerichtshof anzurufen.
Zu diesen Voraussetzungen gehöre auch eine etwaige Frist.
Die vom Staatsgerichtshof genannten Gründe der "Rechtssicherheit und ...
Tragweite der begehrten Entscheidung" seien auch nicht zwingend für eine
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Tragweite der begehrten Entscheidung" seien auch nicht zwingend für eine
Fristbegrenzung. Die Grundrechtsklage gegen ein Gesetz sei nicht die einzige
Möglichkeit, die Verfassungswidrigkeit einer Gesetzesnorm geltend zu machen,
denn das Hessische Verfassungsrecht kenne neben der Grundrechtsklage gegen
ein Gesetz auch die abstrakte und konkrete Normenkontrolle, die einen bedeutend
größeren Raum einnehme als die Grundrechtsklage gegen Gesetze. Beide seien
aber an keine Frist gebunden.
Schließlich würde eine Fristbestimmung durch den Staatsgerichtshof bei
gleichzeitiger Aufrechterhaltung der übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen selbst
das Grundrecht der Gleichberechtigung verletzen. Der Personenkreis, der
innerhalb der Jahresfrist noch nicht selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffen
sei, sei nach Eintritt dieser Voraussetzungen gezwungen, mit etwaigen
verfassungswidrigen Gesetzen zu leben, wenn diese nicht zufällig von anderen
vorher angefochten worden seien.
II.
Der Hessische Ministerpräsident hält die Grundrechtsklage für unzulässig und
unbegründet.
Der Verfassungsgrundsatz der Gewaltenteilung gebiete es, die
Zulässigkeitsvoraussetzungen bei einer Grundrechtsklage besonders streng zu
beachten. Der Antragsteller ... sei bei Klageerhebung erst ... Jahre alt gewesen.
Somit fehle bei ihm das Erfordernis der unmittelbaren Selbstbetroffenheit. Die
Antragsteller verlangten, "ab einer mittleren Altersstufe" in die Besoldungsgruppe
R 2 eingestuft zu werden. Nach dem beigefügten Gutachten, das ausdrücklich
"zum Gegenstand der Grundrechtsklage" gemacht worden sei, sei damit eine
Altersstufe zwischen dem 40. und 45. Lebensjahr gemeint. Der Antragsteller ...
vertrete zwar – entgegen der zum Vortrag aller Antragsteller gemachten
Rechtsauffassung der Gutachter – die Ansicht, er hätte bereits mit Beginn seines
.... Lebensjahres (1. 4. 1974) in die Besoldungsgruppe R 2 eingestuft werden
müssen. Bei diesem widersprüchlichen Vortrag müsse jedoch auch bei ihm von
der dem Antrag zugrunde liegenden Rechtsauffassung, eine Besoldungserhöhung
sei erst ab dem 40. Lebensjahr verfassungsrechtlich geboten, ausgegangen
werden. Dann könne aber nicht angenommen werden, daß er "in verhältnismäßig
kurzer Zeit" das 40. Lebensjahr vollenden werde.
Alle Anträge seien nicht binnen Jahresfrist seit Verkündung des RiAmtsbG
angebracht worden. Der Staatsgerichtshof habe in seinen Entscheidungen vom
20. Dezember 1971 – P. St. 608. 637 – und vom 12. Juli 1972 – P. St. 640 –,
letztere veröffentlicht in ESVGH 22, 209 – diese Ausschlußfrist für
Grundrechtsklagen gegen Rechtsnormen nicht etwa durch Richterrecht neu
begründet. Das diese Frist fordernde Prinzip der Rechtssicherheit sei vielmehr als
eine der wesentlichen Konkretisierungen des Rechtsstaatsprinzips nicht nur ein
elementarer Grundsatz der Bundesverfassung und ihrer Wertordnung, sondern
auch der Hessischen Verfassung. Mit dieser Rechtsprechung des
Staatsgerichtshofes werde daher lediglich ein immanentes Verfassungsgebot
verdeutlicht. Auch Art. 131 Abs. 3 HV sei somit nicht verletzt. Der
Staatsgerichtshof habe in seinem Beschluß vom 12. Juli 1972 – P. St. 640 – die
Rechtsinstitute der prozessualen Verwirkung und der Rechtssicherheit nicht
unzulässig vermengt. In diesem Beschluß sei das Problem der Verwirkung nur
deshalb angeführt worden, weil bei Vorliegen seiner Voraussetzungen dieses
Institut es ausgeschlossen hätte, nach abgelaufener Jahresfrist das Vertrauen des
Antragstellers auf eine fehlende gesetzliche Fristbestimmung zu schützen. Aus der
unbefristeten Zulässigkeit der abstrakten und konkreten Normenkontrolle könne
gegen die Verfassungsmäßigkeit nichts hergeleitet werden, weil für beide
Verfahren besondere Voraussetzungen gälten.
Für die Grundrechtsklage bestehe auch kein Rechtsschutzbedürfnis. Die
angestrebte Einbeziehung in die Besoldungsgruppe R 2 könne weder der
Staatsgerichtshof noch der Landesgesetzgeber erfüllen. Der Staatsgerichtshof
könne, da die vorgeschlagene Regelung nicht die einzig denkbare
verfassungskonforme Lösung darstelle, nur durch Feststellung der
Verfassungswidrigkeit der zur Prüfung gestellten Vorschrift, soweit sie sich auf
Richter an Arbeitsgerichten beziehe, den Gesetzgeber zum Erlaß einer neuen,
etwaigen verfassungsrechtlichen Beanstandungen Rechnung tragenden
Bestimmung zwingen. Einen solchen Befehl könnte der hessische Gesetzgeber
jedoch nicht befolgen. Mit der Einfügung des Artikels 74 a GG habe der Bund die
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jedoch nicht befolgen. Mit der Einfügung des Artikels 74 a GG habe der Bund die
konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit für die Besoldung und Versorgung
der Landesbeamten und Landesrichter erlangt. Von dieser Zuständigkeit habe der
Bund in einem Teilbereich auch bereits durch das Erste Gesetz zur
Vereinheitlichung und Neuregelung des Besoldungsrechts in Bund und Ländern
vom 18. März 1971 Gebrauch gemacht. Wie das Bundesverfassungsgericht
ausdrücklich anerkannt habe (BVerfGE 34, 28), könne der Bund von dieser neuen
Kompetenz auch in mehreren, zeitlich und inhaltlich aneinander anschließenden
Gesetzen Gebrauch machen, sofern er seine Zuständigkeit zügig ausnutze. Mit
dem Entwurf zum 2. BesVNG habe der Bund einen weiteren Schritt auf diesem
Wege getan. Dieser Entwurf enthalte die Zuordnung der Arbeitsrichter zur
Besoldungsgruppe R 1. Selbst wenn man dahingestellt sein lasse, ob in dem
Einbringen des Entwurfs im Bundesrat schon ein "Gebrauchmachen" im Sinne des
Art. 72 Abs. 2 GG liege, stehe jedenfalls der Grundsatz der Bundestreue einer
weiteren Ausübung der Landeskompetenz auf den in diesen Entwurf einbezogenen
Gebieten entgegen. Da der Entwurf zum 2. BesVNG eine vollständige Regelung der
Richterbesoldung in einer eigenen Besoldungsordnung R vorsehe, sei damit dem
Landesgesetzgeber nunmehr seine Kompetenz auf dem Gebiet der
Richterbesoldung genommen.
Dieser Kompetenzverlust schließe auch Gesetzesänderungen aus, die sich auf den
Zeitraum vor der Kompetenzänderung beziehen.
Schließlich sei die Grundrechtsklage auch unbegründet. Der Landesgesetzgeber
habe sich bei der Verabschiedung der Anlage I zum RiAmtsbG ohne sachwidrige
Überlegungen im Bereich seines gesetzgeberischen Ermessensspielraumes
gehalten. Das Gleichbehandlungsgebot sei nicht verletzt. Die abweichende
Einstufung der Richter an Arbeitsgerichten im Verhältnis zu vorsitzenden Richtern
anderer Gerichte sei durch das Vorliegen verschiedener Sachverhalte
gerechtfertigt. Das hat der Hessische Ministerpräsident im einzelnen näher
ausgeführt.
Der Hessische Landtag hat sich nicht geäußert.
Der Vorsitzende des Landtagsausschusses für Beamtenfragen hält die
Grundrechtsklage wegen Fristversäumung für unzulässig, im übrigen für
unbegründet, was er näher ausgeführt hat.
Der Landesanwalt hat sich den Ausführungen des Hessischen Ministerpräsidenten
angeschlossen.
III.
Die Grundrechtsklage kann keinen Erfolg haben.
1. Dem Antrag steht nicht entgegen, daß er unmittelbar gegen ein Gesetz
gerichtet ist. Das hat der Staatsgerichtshof wiederholt entschieden, zuletzt im
Urteil vom 6. Februar 1974 – P. St. 651 – (StAnz. 1974, 452). Voraussetzung ist
allerdings, daß die Antragsteller durch die Anlage I des RiAmtsbG vom 4. März
1970 bei Klageerhebung selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffen waren,
ohne daß eine Ausführungsnorm oder ein Vollziehungsakt hinzutreten mußte (vgl.
Urteil des StGH vom 7. Januar 1970). Das ist nicht bei allen Antragstellern der Fall.
Nur bei den Antragstellern ..., ... und ... ist das Erfordernis der Selbstbetroffenheit
ohne weiteres gegeben. Alle Antragsteller verlangen, ab "einer mittleren
Altersstufe" in die Besoldungsgruppe R 2 eingestuft zu werden. Nach dem von
ihnen vorgelegten Gutachten, das "zum Gegenstand der Grundrechtsklage"
gemacht wurde, ist damit eine Altersstufe zwischen dem 40. und 45. Lebensjahr
gemeint. Bis auf ... sind die Antragsteller aktive Richter ... und haben mit
Ausnahme des Richters ... inzwischen das 40. Lebensjahr überschritten. Der
Antragsteller ... trat zwar am ... in den Ruhestand; seine Versorgungsbezüge
würden sich aber bei der von allen Antragstellern angestrebten Neuregelung aus
den ruhegehaltsfähigen Dienstbezügen der Besoldungsgruppe R 2 ergeben.
Der Antragsteller ... indessen war im Zeitpunkt der Klageerhebung noch keine 40
Jahre alt, sondern ist es erst am ... geworden. Der Staatsgerichtshof sieht aber in
Übereinstimmung mit dem Bundesverfassungsgericht das Erfordernis des
gegenwärtigen Betroffenseins auch schon dann als erfüllt an, wenn bei
Klageerhebung feststeht, daß dieser Zustand nach einer verhältnismäßig kurzen
Zeit eintreten wird (BVerfGE 26, 246 (251 f); 34, 165 (179); StGH – P. St. 608. 637
= StAnz. 1972, 112 (117)). Dies ist inzwischen beim Antragsteller Beck
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= StAnz. 1972, 112 (117)). Dies ist inzwischen beim Antragsteller Beck
geschehen.
Der Antragsteller ... war bei Klageerhebung erst ... Jahre alt. Zwar vertritt er –
entgegen der zum Vortrag aller Antragsteller gemachten Rechtsauffassung der
Gutachter – die Ansicht, er müsse bereits mit Beginn seines .... Lebensjahres in
die Besoldungsgruppe R 2 eingestuft werden. Angesichts dieses widersprüchlichen
Vortrags muß aber von der dem Antrag zugrunde liegenden Grundauffassung,
eine Höhergruppierung sei erst ab dem 40. Lebensjahr verfassungsmäßig
geboten, ausgegangen werden. Dann kann der Antragsteller ... sich aber nicht
darauf berufen, er werde nach verhältnismäßig kurzer Zeit das Erfordernis des
gegenwärtigen Betroffenseins erfüllen. Abgesehen davon, daß nicht feststeht, ob
er zu Beginn seines 40. Lebensjahres noch als Richter am Arbeitsgericht tätig sein
wird, ist hier die Sachlage eine andere als die, die den Entscheidungen des
Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 26, 246 und 34, 165), auf die sich die
Antragsteller beziehen, zugrunde liegt. Bei der ersteren kam das
Bundesverfassungsgericht zu dem Ergebnis, daß selbst bei einer engen Auslegung
der Zulässigkeitsvoraussetzungen die Antragsteller bereits bei Erhebung der
Verfassungsbeschwerde gegenwärtig betroffen waren. Das Urteil in BVerfGE 34,
165 bezog sich auf die Einführung der obligatorischen Förderstufe für Schulkinder,
bei denen wegen der allgemeinen Schulpflicht feststand, daß sie eines Tages
betroffen sein würden. Die Grundrechtsklage des Antragstellers ... ist daher schon
deshalb unzulässig, weil er bei Klageerhebung durch das angegriffene Gesetz noch
nicht gegenwärtig betroffen war.
2. Die Grundrechtsklage ist verspätet, weil sie nicht binnen eines Jahres nach
Verkündung des Gesetzes erhoben worden ist. Das Gesetz über die Amtsbezüge
der Richter und Staatsanwälte vom 4. März 1970 ist in der am 11. März 1970
ausgegebenen Nummer 12 des Gesetz- und Verordnungsblattes für das Land
Hessen verkündet worden. Die Grundrechtsklage ist am 19. Oktober 1973 beim
Staatsgerichtshof eingegangen.
a) Das Gesetz über den Staatsgerichtshof enthält zwar keine dem § 93 Abs. 2
BVerfGG entsprechende Bestimmung, wonach eine Verfassungsbeschwerde
gegen ein Gesetz nur binnen eines Jahres seit dessen Inkrafttreten erhoben
werden kann. Der Staatsgerichtshof hat aber bereits in seinem erwähnten Urteil
vom 7. Januar 1970 festgestellt, daß das Gesetz über den Staatsgerichtshof
insoweit eine Lücke enthält. Er konnte damals die Frage, wie diese Lücke
gegebenenfalls zu füllen sei, unbeantwortet lassen, weil hiervon die Entscheidung
nicht abhing. Er hat jedoch im Urteil vom 20. Dezember 1971 ausgeführt, daß eine
Grundrechtsklage gegen eine Rechtsnorm nur innerhalb einer angemessenen Frist
nach deren Inkrafttreten zulässig sei, und hat diese Frist auf ein Jahr begrenzt, weil
insbesondere Gründe der Rechtssicherheit und der Tragweite der begehrten
Entscheidung dies erfordern. Seine Auffassung, das Gesetz über den
Staatsgerichtshof enthalte insoweit eine Lücke, und es sei nicht anzunehmen, daß
der Gesetzgeber für eine solche Grundrechtsklage bewußt keine Frist habe
vorschreiben wollen, da er auch bei späteren Gesetzesänderungen in Kenntnis der
Vorschrift des § 93 Abs. 2 BVerfGG eine Fristbestimmung für die Grundrechtsklage
gegen ein Gesetz nicht getroffen habe, hat der Staatsgerichtshof im ebenfalls
veröffentlichten Beschluß vom 12. Juli 1972 (ESVGH 22, 209) aufrecht erhalten. Er
sieht um so weniger Veranlassung, von dieser Auffassung abzugehen, als
hiergegen, soweit ersichtlich, keine Kritik in der Literatur angebracht worden ist.
b) Art. 131 Abs. 3 HV, der besagt: "Das Gesetz bestimmt, in welchen Fällen und
unter welchen Voraussetzungen jedermann das Recht hat, den Staatsgerichtshof
anzurufen", steht dem nicht entgegen. Hierzu bestimmt nämlich § 48 Abs. 3
StGHG, daß ein Verfahren vor dem Staatsgerichtshof wegen Verletzung eines
Grundrechts nur stattfindet, wenn der Antragsteller eine Entscheidung des
höchsten in der Sache zuständigen Gerichts herbeigeführt hat und innerhalb eines
Monats seit Zustellung dieser Entscheidung den Staatsgerichtshof anruft. Wer den
Staatsgerichtshof wegen Verletzung eines Grundrechts anrufen will, muß also
zunächst den Rechtsweg erschöpfen, d. h. er muß versuchen, sich gegen die
Verletzung eines Grundrechts mit den prozessualen Mitteln zu wehren, die der
Rechtsweg gewährt. Wird ihm die Entscheidung des höchsten in der Sache
zuständigen Gerichts zugestellt und ersieht er aus ihr, daß ihm die Abwehr einer –
wirklichen oder vermeintlichen – Grundrechtsverletzung nicht gelungen ist, so soll
er einen Monat für die Überlegung Zeit haben, ob er den Staatsgerichtshof
anrufen will. An diese Monatsfrist auch denjenigen zu binden, der sich durch eine
Rechtsnorm in einem Grundrecht verletzt glaubt, wäre unbillig. Denn zum einen
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Rechtsnorm in einem Grundrecht verletzt glaubt, wäre unbillig. Denn zum einen
hat er nicht die Möglichkeit, sich in einem gerichtlichen Verfahren gegen eine
solche Grundrechtsverletzung zu wehren, zum anderen fehlt die Möglichkeit, einen
bestimmten, der Entscheidungszustellung vergleichbaren Zeitpunkt festzustellen,
in welchem der durch die Rechtsnorm Betroffene erkennen kann, daß er in einem
Grundrecht verletzt ist. Ist es also einerseits nicht zumutbar, einen Antragsteller,
der gegen eine Rechtsnorm klagen will, an die Monatsfrist des § 48 Abs. 3 StGHG
zu binden, so kann andererseits daraus nicht die Folgerung gezogen werden, die
Anrufung des Staatsgerichtshofs wegen Grundrechtsverletzung durch eine
Rechtsnorm sei zeitlich unbegrenzt möglich. Solche Auffassung verkennt Aufgabe
und Zweck verfassungsgerichtlicher Tätigkeit. Diese ist Bestandteil der Verfassung
und ein Mittel zur Sicherung der Rechtsstaatlichkeit. Das Rechtsstaatsprinzip
erfordert auch die Beachtung oberster, ungeschriebener Rechtsprinzipien, die der
Verfassung immanent sind. Dazu gehört als wesentlicher Bestandteil die
Gewährleistung der Rechtssicherheit. Diese wäre aber gefährdet, wenn Normen,
aus denen Bürger jahrelang Rechtsansprüche herleiten, von immer neuen
Generationen, also auch noch nach Jahrzehnten, als verfassungswidrig angegriffen
werden könnten (vgl. Zinn-Stein, Hessische Verfassung, 1954, Erl. 9 zu Art. 26;
Zinn-Stein, 1963, Vorbem. II zu Art. 130-133, Erl. B I 4, B IV 17 c zu Art. 131-133;
BVerfGE 19, 220; StGH, Beschluß vom 29. Oktober 1954 – P. St. 162 – und Urteil
vom 22. Januar 1960 – P. St. 295 –). Die Wahrung der Rechtssicherheit fordert
vielmehr eine zeitliche Begrenzung der Möglichkeit für die Erhebung von
Grundrechtsklagen gegen Gesetze. Damit hat der Staatsgerichtshof ein
immanentes Verfassungsgebot verwirklicht, sich also nicht unzulässigerweise über
den im Gesetz über den Staatsgerichtshof zum Ausdruck gekommenen Willen des
einfachen Gesetzgebers hinweggesetzt.
c) In dem Festhalten an dieser Ausschlußfrist kann auch nicht unter Hinweis auf die
Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Dezember 1951 (NJW 52,
297) und vom 6. Dezember 1972 (BVerfGE 34.165) ein Verstoß gegen das
Grundrecht der Gleichberechtigung deshalb erblickt werden, weil es dazu führen
könne, daß der Staatsgerichtshof einen zunächst wegen fehlender Betroffenheit
abzuweisenden Grundrechtskläger unter Umständen später wegen
Nichteinhaltung der Ausschlußfrist abweisen müßte. Das Prinzip der
Rechtssicherheit schließt diese Konsequenz unvermeidlich ein, da immer neue
Jahrgänge in den Geltungsbereich der älteren Rechtsnormen hineinwachsen, deren
Zulassung zur Grundrechtsklage gegen diese Gesetze jede Fristbestimmung
illusorisch machen müßte. Im Ergebnis müßte die von den Antragstellern
vertretene Auffassung für die überwiegende Zahl aller Rechtsnormen auch die
Anwendung der Fristbestimmung in § 93 Abs. 2 BVerfGG ausschließen. Die
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Dezember 1951 ist schon
deshalb für eine vergleichsweise Heranziehung ungeeignet, weil sie ein Gesetz
betraf, dessen Vollziehungsverfahren bereits vor der Einführung der
Verfassungsbeschwerde abgeschlossen war, und das Urteil vom 6. Dezember
1972 sich mit einem Gesetz befaßte, das seine Aktualisierung in verschiedenen
örtlichen Bereichen durch mehrere zeitlich aufeinander folgende
Rechtsverordnungen erfahren hatte. In beiden Verfahren hatte sich das
Bundesverfassungsgericht mit Ausnahmetatbeständen zu befassen, die mit dem
vorliegenden Sachverhalt nicht verglichen werden können.
d) Der Staatsgerichtshof hat in seinem Beschluß vom 12. Juli 1972 das Prinzip der
Rechtssicherheit nicht dogmatisch unzulässig mit dem Rechtsinstitut der
prozessualen Verwirkung vermengt. Er hat das Problem der Verwirkung nur
deshalb in seine Erörterungen einbezogen, weil jene Grundrechtsklage in einem
Zeitpunkt erhoben worden war, als die Entscheidung vom 20. Dezember 1971
noch nicht ergangen war, so daß der auf dem Grundsatz von Treu und Glauben im
Rechtsverkehr beruhende Grundgedanke des Vertrauensschutzes der Annahme
entgegenstand, die Antragsteller hätten die Anrufung des Staatsgerichtshofes
verwirkt. Die Kläger der vorliegenden Grundrechtsklage hingegen konnten nicht
mehr auf das Fehlen einer Ausschlußfrist vertrauen, seit die Entscheidung des
Staatsgerichtshofes vom 20. Dezember 1971 ergangen und veröffentlicht war.
e) Der Hinweis darauf, daß in einem abstrakten und konkreten
Normenkontrollverfahren die Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes ohne zeitliche
Begrenzung geltend gemacht werden könne, läßt den Zweck und die
unterschiedliche Ausgestaltung der Verfahren außer acht. Das abstrakte
Normenkontrollverfahren ist ein von subjektiven Berechtigungen unabhängiges,
objektives Verfahren zum Schutz der Verfassung. Diesem Ziel stünde eine
zeitliche Beschränkung entgegen. Überdies bietet die Beschränkung der
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zeitliche Beschränkung entgegen. Überdies bietet die Beschränkung der
Antragsberechtigung durch Art. 131 Abs. 2 HV Gewähr gegen einen Mißbrauch.
Ähnlich verhält es sich mit der konkreten Normenkontrolle. Da dem Richter die
Befugnis zusteht, jede Norm in vollem Umfange auf ihre Gültigkeit zu prüfen, nach
Art. 132 HV aber nur der Staatsgerichtshof die Entscheidung darüber treffen darf,
ob ein Gesetz oder eine Verordnung mit der Verfassung in Widerspruch steht, läßt
sich das Ziel auch der konkreten Normenkontrolle nur durch zeitliche
Unbeschränktheit erreichen. Das konkrete Normenkontrollverfahren kann nur
stattfinden, wenn zuvor ein Gericht die Verfassungswidrigkeit einer Norm, die für
seine Entscheidung erheblich ist, angenommen und deshalb die Frage dem
Staatsgerichtshof vorgelegt hat.
f) Die Bindung an eine Ausschlußfrist läßt sich auch nicht dadurch verneinen, daß
als Gegenstand der Grundrechtsklage ein gesetzgeberisches Unterlassen
angenommen wird. Zwar wird in dem von den Antragstellern vorgelegten
Gutachten die Untätigkeit des Gesetzgebers gerügt; doch betonen die
Antragsteller selbst ausdrücklich, daß ihre Grundrechtsklage sich "nicht gegen eine
Unterlassung des Gesetzgebers, sondern gegen ein das bezeichnete Grundrecht
verletzendes Tun" richte.
3. Für die Grundrechtsklage fehlt es auch an einem Rechtsschutzbedürfnis, denn
weder der Staatsgerichtshof noch der Landesgesetzgeber kann das Begehren der
Antragsteller – ihre Eingruppierung in die Besoldungsgruppe R 2 – erfüllen.
Der Staatsgerichtshof könnte die Einstufung in die höhere Besoldungsgruppe nur
dann selbst vornehmen, wenn eine solche Regelung die einzig denkbare
verfassungskonforme Lösung wäre. Daß dem nicht so ist, tragen die Antragsteller
selbst vor.
Der Gesetzgeber könnte zwar vom Staatsgerichtshof durch die Feststellung der
Verfassungswidrigkeit einer Vorschrift zum Erlaß einer neuen,
verfassungsrechtlichen Beanstandungen Rechnung tragenden Bestimmung
angewiesen werden. Einer solchen Weisung dürfte der hessische Gesetzgeber im
jetzigen Zeitpunkt aber nicht mehr nachkommen. Das RiAmtsbG vom 4. März
1970 wurde zwar als Landesgesetz erlassen. Der durch das 28. Gesetz zur
Änderung des Grundgesetzes vom 18. März 1971 (BGBl. I S. 206) in das
Grundgesetz eingefügte Art. 74 a hat wegen der Auseinanderentwicklung der
Besoldungsregelung im öffentlichen Dienst jedoch dem Bund die konkurrierende
Gesetzgebungszuständigkeit für die Besoldung und Versorgung auch der
Landesrichter (Abs. 3) zugewiesen. Auf dieser Grundlage ist zunächst das Erste
Gesetz zur Vereinheitlichung und Neuregelung des Besoldungsrechts in Bund und
Ländern (1. BesVNG) vom 18. März 1971 ergangen, das nur Teilbereiche regeln
konnte und im übrigen das bestehende Recht fortgeschrieben hat. Nach dem
Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Juli 1972 zum Ersten Hessischen
Besoldungsanpassungsgesetz besteht diese Sperre gemäß Art. 72 GG fort, wenn
der Bund von seinem Gesetzgebungsrecht weiter Gebrauch macht, was auch in
mehreren, zeitlich und inhaltlich aneinander anschließenden Gesetzen geschehen
kann (BVerfGE 34, 9 (28)). Daß der Bundesgesetzgeber in dieser Weise von
seinem Gesetzgebungsrecht zur Regelung der gesamten Materie Gebrauch
machen wird, ergibt sich aus dem bereits dem Bundesrat zugeleiteten Entwurf
eines Zweiten Gesetzes zur Vereinheitlichung und Neuregelung des
Besoldungsrechts in Bund und Ländern (2. BesVNG). Das
Bundesverfassungsgericht hat zwar offen gelassen, ob in dem Einbringen eines
Gesetzentwurfes schon ein "Gebrauchmachen" im Sinne des Art. 72 Abs. 2 GG zu
erblicken ist, hat aber festgestellt, daß in einem solchen Stadium des
Gesetzgebungsverfahrens jedenfalls der Grundsatz der Bundestreue einer
weiteren Ausübung der Landeskompetenz auf dem Gebiet der Besoldung und
Versorgung der Landesrichter, das in den Entwurf des 2. BesVNG einbezogen ist,
entgegensteht. Diese Sperrwirkung wäre selbst unter den engen Voraussetzungen
zu bejahen, die König in NJW 1973, 1827 bei seiner ablehnenden Stellungnahme
zur Auffassung des Bundesverfassungsgerichts für eine Sperre kraft Bundestreue
fordert. Dieser Kompetenzverlust des Hessischen Landesgesetzgebers schließt
seine weitere Tätigkeit auf dem Gebiet der Richterbesoldung aus.
Die Grundrechtsklage ist daher unzulässig.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 24 StGHG.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.