Urteil des StGH Hessen vom 14.03.2017

StGH Hessen: angemessene entschädigung, bausperre, abstrakte normenkontrolle, preisbindung, stadt, enteignungsentschädigung, hessen, eigentum, grundrecht, rückwirkung

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Gericht:
Staatsgerichtshof
des Landes
Hessen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
P.St. 68
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
Art 125 GG, § 41 AufbG HE
1948, § 45 AufbG HE 1948
Leitsatz
1. Der Landesanwalt kann sich nach § 18 II StGHG auch dann einem schwebenden
verfassungsgerichtlichen Verfahren anschließen, wenn er beabsichtigt, von dem
bisherigen Verfahren abweichende Anträge zu stellen.
2. Unbeschadet der Vorschrift des Art. 125 GG ist der Hessische Staatsgerichtshof für
die Prüfung der verfassungsrechtlichen Frage zuständig, ob ein hessisches Gesetz mit
der Hessischen Verfassung in Widerspruch stand und deshalb auch nicht über Art. 125
GG Bundesrecht werden konnte.
3. Die Vorschriften des § 41 Abs. 2 und 3 sowie des § 45 Abs. 4 des Hessischen
Aufbaugesetzes vom 25.10.1948 (GVBl. S. 139) widersprechen nicht der Hessischen
Verfassung.
Tenor
1) Der Antrag des Oberamtsanwalts... wird als unbegründet zurückgewiesen.
2) Die Vorschriften des § 41 Abs. 2 und 3 sowie des § 45 Abs. 4 des Hessischen
Aufbaugesetzes vom 25. Oktober 1948 (GVBl. S. 139) widersprechen nicht der
Hessischen Verfassung.
3) Das Urteil zu Ziffer 2 hat Gesetzeskraft.
4) Die Entscheidung ergeht gebührenfrei. Auslagen werden: nicht erstattet.
I.
Gründe
Der Grundrechtskläger... ist zusammen mit seiner Ehefrau Eigentümer eines
Trümmergrundstückes in Frankfurt a.M., .... Er hat sich nach dem Kriege bemüht,
sein Wohnhaus wieder aufzubauen. Die Baugenehmigung wurde jedoch von der
Bauaufsichtsbehörde der Stadt Frankfurt unter Hinweis auf die gem. § 45 des
Hessischen Aufbaugesetzes (HAG) erlassene Bausperre versagt. Die Bausperre ist
durch Ortssatzung des Magistrats vom 21.3., veröffentlich 1.4.1949 auf die Dauer
von 3 Jahren verhängt und durch die 2. Ortssatzung vom 7.4., veröffentlicht
3.5.1952, um weitere 3 Jahre verlängert worden. Das Grundstück des Klägers fällt
in das Bausperrgebiet.
Nach § 45 Abs. 4 HAG können aus der Anordnung einer Bausperre keine
Entschädigungsansprüche hergeleitet werden. Der Grundrechtskläger behauptet,
durch einen am 17.5.1950 aufgestellten Fluchtlinienplan seien für das infrage
kommende Gebiet die Voraussetzungen für den Wiederaufbau geschaffen worden.
Die danach aufrechterhaltene und sogar noch verlängerte Bausperre sei nicht
gerechtfertigt. Der Zweck der Aufrechterhaltung der Bausperre sei gar nicht mehr,
die ordnungsmäßige Bebauung zu gewährleisten, sondern ihn und seine. Ehefrau
zu zwingen, das Eigentum aufzugeben, weil das Grundstück in ein von der Stadt
gefördertes Grossbauvorhaben einbezogen werden solle.
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gefördertes Grossbauvorhaben einbezogen werden solle.
Durch Enteignungsbeschluss des Magistrats vom 26.6.1950 ist ein unbebauter Teil
des Grundstücks als in die neu festgelegte Fluchtlinie fallend enteignet worden. Die
Entschädigung ist auf 35.- DM pro qm festgesetzt worden, wobei gem. § 41 Abs. 2
und 3 HAG für die Bewertung der gemeine Wert am 1.1.1935 maßgebend war.
Gegen die Entscheidung über die Festsetzung der Enteignungsentschädigung hat
der Grundrechtskläger am 5.9.1950 gem. § 43 HAG beim Landgericht
Frankfurt/Main Klage gegen die Stadt Frankfurt erhoben (2/4 0 357/50). Durch das
am 11.11.1954 verkündete Urteil ist die Stadtgemeinde verurteilt worden, über die
festgesetzte Entschädigung von 5250.- DM eine weitere von 3750.- DM zu zahlen.
In diesem Urteil wird ausdrücklich die Rechtswirksamkeit (Verfassungsmäßigkeit)
des § 41 Abs. 2 und 3 HAG bejaht. Das verfahren schwebt jetzt in der
Berufungsinstanz.
Der Grundrechtskläger beruft sich darauf, dass nach Art. 45 Abs. 2 der Hessischen
Verfassung (HV) das Privateigentum nur gegen angemessene Entschädigung
eingeschränkt oder enteignet werden dürfe. Er führt ais. dass der Ausschluss der
Entschädigung bei der Bausperre und deren Begrenzung bei der Enteignung dem
Art. 45 Abs. 2 HV widerspreche. In der am 17.7.1951 beim Hessischen
Staatsgerichtshof eingegangenen, gegen das Land Hessen, vertreten durch den
Ministerpräsidenten, gerichteten Klage beantragt er, festzustellen, dass
1) § 45 Abs. 4 HAG
2) § 41 Abs. 2 und 3 HAG dem Art. 45 HV widersprechen und deshalb
verfassungswidrig sind.
De Landesanwalt hat sich dem Verfahren angeschlossen und beantragt,
festzustellen,
1) dass § 45 Abs. 4 HAG dem Art. 45 HV nicht widerspricht und deshalb
verfassungsmäßig ist,
2) dass § 41 Abs. 2 und 3 HAG dem Art. 45 HV widersprechen und deshalb
verfassungswidrig sind.
Zur Begründung des Antrags zu 2 hat er ausgeführt, dass von einer
angemessenen Entschädigung keine Hede sein könne, wenn die Gerichte an die
Verkaufswerte vom 1.1. 1935 gebunden seien.
In der Hauptverhandlung haben der Grundrechtskläger und der Landesanwalt
erklärt, dass der Antrag zu 2 sich nicht auf § 41 Abs. 3 HAG beziehen solle, soweit
dieser für die Bewertung bebauter Grundstücke hinsichtlich der baulichen Anlage
den gemeinen Wert im Zeitpunkt der Entschädigungsfestsetzung für maßgebend
erklärt.
Der Hessische Ministerpräsiden hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
II.
1) Der Staatsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung anerkannt, dass mit
einer aus § 45 Abs. 2 StGHG abgeleiteten Klage auch Grundrechtsverletzungen,
die sich auf Verfassungswidrigkeit einer Rechtsnorm stützen, geltend gemacht
werden können (vgl. P.St. 41, 62, 73 und 107). Gleiches gilt nach der
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch für die bundesrechtliche
Verfassungsbeschwerde des § 90 Abs. 1 BVerfGG (vgl. BverfGE 3, 298 und 392).
Voraussetzung; ist, dass der Beschwerdeführer selbst -gegenwärtig und
unmittelbar durch das Gesetz in einem Grundrecht verletzt ist. Dies trifft hier zu,
da das HAG selbst die Entschädigung bei- der Bausperre verbietet und bei der
Enteignung beschränkt. Der Antrag ist auch zu Recht gegen das Land Hessen
gerichtet, wie sich aus § 46 Abs. 3 StGHG ergibt. Da ein gerichtliches Verfahren
Anlass zu dem Antrag gegeben hat, ist der Magistrat der Stadt Frankfurt gem. §
42 Abs. 2 StGHG zum Verfahren zugezogen worden und hat eich schriftlich dahin
geäußert, dass das HAG in Bundesrecht transformiert worden sei.
Der Antrag des Landesanwalts ist auf Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der
vorbezeichneten Bestimmungen des HAG gerichtet; vgl. Art. 131 Abs. 1 HV i.Verb.
mit § 41 Abs. 3 StGHG (sog. abstrakte Normenkontrolle). Die Antragsberechtigung
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mit § 41 Abs. 3 StGHG (sog. abstrakte Normenkontrolle). Die Antragsberechtigung
des Landesanwalts ergibt sich aus § 17 Abs. 2 Ziff. 6 StGHG. Nach ständiger
Rechtsprechung des Staatsgerichtshofs setzt die Zulässigkeit des Anschlusses an
ein schwebendes verfassungsgerichtliches Verfahren keine Übereinstimmung der
Antragstellung voraus (vgl. P.St. 41, 54, 62). Mit Rücksicht auf den vom
Landesanwalt unter Ziff. 2 gestellten Antrag ist gem. § 42 Abs. 1 StGHG dem
Vorsitzenden und dem Berichterstatter des Ausschusses, der mit den Vorarbeiten
für das HAG befasst war, Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden. Der
damalige Ausschussvorsitzende hat sich der Stellungnahme des
Ministerpräsidenten angeschlossen.
2) Der Staatsgerichtshof ist nach Art. 131 Abs. 1 HV zuständige, weil für die vom
Grundrechtskläger begehrte Normenprüfung nur die HV als Maßstab gelten soll.
Das vorliegende Verfahren bedingt aber diese Normenprüfung mindestens
insoweit, als es darauf ankommt, dass eine Transformierung des einschlägigen
landesrechtlichen Gesetzgebungsakts in Bundesrecht (Art. 125 Ziff. 2 GG)
notwendig dessen Gültigkeit voraussetzt (vgl. BVerfGE 2, 130).
Zwar ist an sich für Entscheidungen, welche den Geltungsbereich des Art. 125 GG
betreffen, nur eine Zuständigkeit des BVerfG begründet (vgl. Geiger, Komm. z.
BVerfGG S. 226 und 267).
Diese Zuständigkeit kann sich aber nicht auf Entscheidungen über
verfassungsrechtliche Vorfragen erstrecken, deren Lösung eine der
Voraussetzungen der Transformierung ist (vgl. BVerfGE 2, 105), mithin nicht auf
die im streit befindliche Normenprüfung, die vielmehr dem Staatsgerichtshof
verbleibt.
3) Die in § 48 StGHG für die Erschöpfung des Rechtswegs gegebenen Vorschriften
stehen der Prüfung durch den Staatsgerichtshof nicht im Wege. Bei einer gegen
ein Gesetz gerichteten Grundrechtsklage fehlt regelmäßig die Voraussetzung,
dass vom Beschwerdeführer überhaupt ein Rechtsweg beschritten werden kann
(vgl. Geiger a.a.O S. 285). Streitgegenstand in dem anhängigen Zivilprozess ist
ausschließlich die Höhe der Entschädigung des Klägers. Als Rechtsweg im Sinne
des § 48 StGHG kommen aber nur solche Verfahren in Betracht, in denen die
Feststellung der Rechtswidrigkeit einer das Grundrecht angeblich verletzenden
Maßnahme der öffentlichen Gewalt - hier das HAG - Streitgegenstand ist, darüber
also als Hauptsache, nicht nur inzidenter, entschieden wird (Geiger a.a.O.). Auf die
Normenkontrollklage des Landesanwalts findet § 48 StGHG überhaupt keine
Anwendung.
III.
Der Antrag des Grundrechtsklägers auf Feststellung, dass § 45 Abs. 4 HAG dem
Art. 45 HV widerspreche, ist nicht begründet. Ebenso wie Art. 14 GG garantiert Art.
45 HV das Privateigentum, erklärt es aber für sozialgebunden. Von
enteignungsgleichen Eingriffen sind Auswirkungen der sozialen Pflichtbindung des
Eigentums als Eigentumsinhalt zu unterscheiden. Die öffentliche Verwaltung
bedarf zur Erfüllung ihrer Aufgaben einer zweckentsprechenden Planung,
insbesondere einer Aufstellung von Bauplänen. Als Hilfsmittel und vorbereitende
Maßnahme zur Sicherung von Teilplanungen ist die vorübergehende Verhinderung
jeder Bautätigkeit in bestimmten, der Planung unterliegenden Gebieten durch
Bausperren unvermeidlich. Ebenso wie die Bauplanung selbst liegt auch die
Anordnung einer solchen Bausperre im Bereich der sozialen Pflichtbindung des
Eigentums. Die außerordentlichen Zerstörungen im letzten Krieg zwingen zu einer
den heutigen Anforderungen entsprechenden Neuerschließung der Bebaubarkeit
der betroffenen Gebiete (vgl. BGHZ 15, 268 ff).
Betrachtet man unter diesen Gesichtspunkten den § 45 HAG, so kann seine
Vereinbarkeit mit Art, 45 HV nicht bezweifelt werden. Nach dieser Vorschrift kann
die Gemeindeverwaltung für bestimmte -Gebiete eine Bausperre verhängen, wenn
die Ausführung baulicher Anlagen der geordneten baulichen Entwicklung in diesem
Gebiet zuwiderlaufen würde. Die Bausperre ist auf sine Frist bis zu drei Jahren zu
beschränken; diese Frist kann um weitere drei Jahre verlängert werden. Die
Bausperre erlischt jedoch, sobald der Bebauungsplan rechtswirksam ist.
Wenn nun der Antragsteller ausführt, dass die Stadt Frankfurt/Main in seinem Fall
die Bausperre über ihren Zweck hinaus aufrechterhalten habe, um ihn zu zwingen,
das Eigentum aufzugeben, so ist dies im vorliegenden Verfahren unbeachtlich.
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das Eigentum aufzugeben, so ist dies im vorliegenden Verfahren unbeachtlich.
Denn die Möglichkeit, dass beim Vollzug eines Gesetzes unsachgemäße
Maßnahmen getroffen werden oder das Gesetz zur Verfolgung sachfremder Ziele
missbraucht wird, lässt seine Verfassungsmäßigkeit unberührt (vgl. BVerfGE 1,
149; 3, 33; 4, 25).
IV.
Auch der vom Landesanwalt unterstützte Antrag auf Feststellung der
Verfassungswidrigkeit des § 41 Abs. 2 und 3 HAG, soweit diese Vorschriften die
Bewertung unbebauter Grundstücke und des Grund und Bodens bebauter
Grundstücke für die Enteignungsentschädigung regeln, erscheint unbegründet.
Art. 45 Abs. 2 Satz 3 HV bestimmt, dass nur auf Grund eines Gesetzes, nur in
dem darin vorgesehenen Verfahren und nur gegen angemessene. Entschädigung
enteignet werden darf. Da nicht voller Schadensersatz sondern dem Art. 153 WRV
entsprechend angemessene Entschädigung erfordert wird, ist dem Gesetzgeber
von vornherein ein gewisser Spielraum gewährt. Indes muss er eine Regelung
treffen, die frei von Willkür ist, damit also dem Gleichheitsprinzip gerecht wird.
Zutreffend wird nämlich die rechtsdogmatische Grundlage der
Enteignungsentschädigung vom Bundesgerichtshof im Beschluss des Großen
Senats für Zivilsachen vom 10.6.1952 (BGHZ 6, 295) wie folgt gekennzeichnet:
"Die Entschädigung, die bei einer Enteignung dem Betroffenen zu zahlen dazu
bestimmt, die Einhaltung des Gleichheitsgrundsatzes zu gewährleisten." Der
Gleichheitssatz darf aber nicht dazu benutzt werden, den weiten
Ermessensspielraum einzuengen, den die HV ebenso wie das GG dein
Gesetzgeber einräumt; nur die Überschreitung oder der Missbrauch des
gesetzgeberischen Ermessens verstoßen gegen den Gleichheitssatz (so BVerfGE
4, 18). Erich Kaufmann führt in seinem Referat über "Die Grenzen der
Verfassungsgerichtsbarkeit" (Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen
Staatsrechtslehrer Heft 9 S. 10) zur Überprüfung der Gesetze unter dem
Gesichtspunkt der Gleichheit vor dem Gesetz aus, "dass es sich immer nur um die
Frage der Einhaltung der äußersten Schranken der gesetzgeberischen Freiheit
handeln kann, d.h. ob die Entscheidung des Gesetzgebers auf vernünftigen
Erwägungen beruht und die Differenzierungen, die er vornimmt, der Natur der
Sache entsprechen und nicht willkürlich sind." Dem ist zuzustimmen.
Was nun die Preisbindung des § 41 Abs. 2 und 3 HAG betrifft, so ist davon
auszugehen, dass der gesetzlich anerkannte gemeine Wert des
Grundstücksverkehrs von 1936 - 1952 vom Preisstop entscheidend beeinflusst
worden ist (vgl. BGHZ 13, 386). Die Preisstopverordnung vom 26.11.1936 (RGBl. I
S. 955) hat Preiserhöhungen für Güter und Leistungen jeder Art mit Rückwirkung
vom 18.10.1936 verboten. Die Not der Nachkriegszeit zwang zur Beibehaltung
dieser Regelung, die jede Spekulation unterbinden wollte. Erst die Neuordnung der
Währung ermöglichte einen weitgehenden Abbau. Auf Grund des Gesetzes des
Wirtschaftsrates des Vereinigten Wirtschaftsgebietes vom 24.6.1948 (WiGVBl. S.
59) wurde durch die sog. Preisfreigabeanordnung 25.6.1948 (WiGVBl. S. 61) die
Preisbindung in erheblichem Umfang beseitigt. Darüber, ob auch Grundstücke
durch diese Anordnung vom Preisstop befreit worden waren, entstanden jedoch
Zweifel (vergl. Ehrenforth DRZ 49, 82 und Dipper NJW 49, 211 sowie die
Entscheidung des Deutschen Obergerichts vom 27.4.1949 - WiGVBl. S. 98 -).
Außerdem wurde die Wiedereinführung der Preisbindung für Grundstücke vielfach
für notwendig erachtet, die Freigabe als verfrüht angesehen. Der Wirtschaftsrat hat
am 30.9.1948 beschlossen, den Verwaltungsrat zu ersuchen, ausdrücklich
klarzustellen, ob auch Grundstücke von den Preisvorschriften freigestellt sein
sollen oder nicht; er hat gleichzeitig einen Antrag, für Grundstücke die
Preisbindung aufrechtzuerhalten, den zuständigen Ausschüssen überwiesen (vgl.
Bericht über die 22. Vollversammlung des Wirtschaftsrats S. 1016 und 1017).
Durch die Änderungsanordnung vom 27.12.1948 (WiGVBl. 49 S. 12) wurde die
Preisbindung für Grundstücke, allerdings ohne Rückwirkung, wiedereingeführt. Sie
wurde für die bebauten und für Trümmergrundstücke - um ein solches handelt es
sich hier - erst am 12.12.1952 aufgehobene; vgl. VOPR Nr. 75/52 vom 28.11.1952
(BGBl. I S. 792 §§ 1, 3).
Die Preisstopregelung war nicht auf freiwillige Veräußerungen beschränkt; sie galt
kraft ausdrücklicher Regelung durch die Geboteverordnung vom 30.6.1941 (RGBl. I
S. 354) bis zum 30.9.1953 auch für das Zwangsversteigerungsverfahren. Da die
Enteignungsentschädigung an den gemeinen Wert anknüpft, müsste die
Preisbindung auch im Enteignungsverfahren Anwendung finden. Der
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Preisbindung auch im Enteignungsverfahren Anwendung finden. Der
Bundesgerichtshof hat sich mehrfach für die Beachtung der Höchstpreise des
Grundstücksverkehrs auch im Enteignungsverfahren ausgesprochen (vgl. BGHZ 6,
99; 12, 376; 13, 384). Eine Entschädigung, die sich über die allgemeine gesetzliche
Bindung der Grundstückspreise hinwegsetzen und auf von der Rechtsordnung
missbilligte und mit Sanktionen belegte Schwarzmarkt- oder Überpreise stützen
würde, wäre keine angemessene Entschädigung. Diese Auffassung des
Bundesgerichtshofs (BGHZ 13, 387) erscheint zutreffend.
Das HAG ist zu einer Zeit erlassen worden, in welcher Unklarheit über die
Fortgeltung des Preisstops für Grundstücke bestand und seine Wiedereinführung
erwogen wurde. Es war daher eine durchaus zweckmäßige, sicherlich aber keine
willkürliche Maßnahme, wenn das HAG, um Bodenspekulation zu verhindern, für
die Enteignungsentschädigung einen Preisstop einführte. Als Stichtag wurde der
1.1.1935 gewählt, weil auf diesen Zeitpunkt die letzte Hauptfeststellung der
Einheitswerte erfolgt war. Der Auffassung des Grundrechtsklägers, dass diese
Regelung ungünstiger sei als diejenige nach den allgemeinen
Preisstopvorschriften, kann nicht zugestimmt werden. In dem Rechtsstreit, der zu
der Entscheidung BGHZ 13, 378 geführt hat, ist festgestellt worden, dass der
gemeine Wert zwischen dem 1.1.1935 und dem 17.10.1936 als dem Stichtag für
den Preisstop praktisch keiner Veränderung unterlag. Der Bundesgerichtshof hat
daraus den Schluss gezogen, dass für die Bewertung unbebauter Grundstücke und
des Grund und Bodens bebauter Grundstücke nach § 41 HAG die
Preisstopvorschriften zur Anwendung kommen (ebenda 382-3). Der gemeine Wert
kann auch nur ein Anhaltspunkt für die Höhe der Entschädigung und nur ein
Element der Urteilsfindung für den Richter sein, der sie im Streitfall festzusetzen
hat. Der Umstand, dass der gemeine Wert weiter nach einem in der
Vergangenheit liegenden Zeitpunkt beurteilt wird, hindert nicht, neben anderen
Faktoren wie objektive Wertverbesserung des Grundstücks auch Veränderungen
der Verhältnisse im allgemeinen seit 1935 zu berücksichtigen; vgl. BGHZ 13, 387
oben. § 41 HAG schließt nach Auffassung des Staatsgerichtshofs eine gewisse
Spannungsweite des Entschädigungsbegriffs nicht aus, sodass diese Bestimmung
mit dem Verfassungsgebot der angemessenen Entschädigung, die selbst einen
nur unter der sozialen Pflichtbindung des Eigentums auszufüllenden Rechtsbegriff
darstellt, vereinbar ist.
Diese Auslegung des § 41 HAG ergibt sich aus dem Grundsatz, dass Gesetze, so
weit ihr Wortlaut es zulässt, so auszulegen sind, dass sie der Verfassung in
Einklang stehen (vgl. BVerfGE 2, 282). Es ist dabei zu beachten, dass § 41 HAG
selbst in seinem Wortlaut (Abs. 3) die Entschädigungsregelung nur als "Richtlinie"
bezeichnet. Diese durch die HV gebotene Auslegung des § 41 ergibt die
Möglichkeit, sowohl für die Zeit des Preisstops wie für die Zeit nach seiner
Aufhebung eine Entschädigung zu bemessen, die außer dem als
Anknüpfungspunkt dienenden Grundstückswert vom 1.1.1935 die Entwicklung der
allgemeinen Verhältnisse berücksichtigt.
V.
Hiernach, war zu entscheiden, wie geschehen.
Der Urteilsausspruch zu Ziffer 3 ergibt sich aus § 43 Abs. 1 StGHG.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 24 daselbst.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.