Urteil des StGH Hessen vom 14.03.2017

StGH Hessen: wiederaufnahme des verfahrens, ermittlungsverfahren, grundrecht, hessen, anzeige, armenrecht, zustellung, quelle, dokumentation, zuchthausstrafe

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Gericht:
Staatsgerichtshof
des Landes
Hessen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
P.St. 435
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 48 Abs 3 StGHG
Leitsatz
Einzelfall einer unzulässigen Grundrechtsklage betr. Wiederaufnahme eines
Strafverfahrens (Rechtsweg nicht erschöpft; Frist versäumt).
Gründe
Der Antragsteller wurde durch Urteil der Strafkammer des Landgerichts ... vom 8.
November 1961 zu einer mehrjährigen Zuchthausstrafe und zu Geldstrafen
verurteilt. Seine Bemühungen, die Wiederaufnahme des Verfahrens sowie die
Durchführung von Strafverfahren gegen einen Belastungszeugen wegen Meineids
und Betrugs zu erreichen, blieben ohne Erfolg.
Einen Wiederaufnahmeantrag des Antragstellers vom 7. November 1962 verwarf
das Landgericht ... am 11. Dezember 1962.
Die nächsten Anträge des Antragstellers vom 24. Juni und 8. Juli 1964 verwarf das
Landgericht ... am 15. Juli 1964; die sofortige Beschwerde des Antragstellers
hiergegen verwarf das Oberlandesgericht Frankfurt (...) am 10. September 1964.
Wiederum beantragte der Antragsteller am 16. März 1965 die Wiederaufnahme
des Verfahrens, welchen Antrag das Landgericht am 23. März 1965 verwarf. Mit
seiner hiergegen eingelegten Beschwerde hatte der Antragsteller den Erfolg, dass
das Oberlandesgericht Frankfurt (...) am 30. April 1965 den Beschluss des
Landgerichts aufhob und die Sache zu neuer Entscheidung über den
Wiederaufnahmeantrag vom 16. März 1965 an das Landgericht zurückverwies.
Aber am 12. August 1965 verwarf das Landgericht wiederum den
Wiederaufnahmeantrag vom 16. März 1965, und die hiergegen eingelegte
sofortige Beschwerde blieb erfolglos (Oberlandesgericht Frankfurt, ..., Beschluss
vom 5. November 1965).
Das auf Anzeige des Antragstellers von der Staatsanwaltschaft ... gegen einen
Belastungszeugen eingeleitete Ermittlungsverfahren wegen Meineids (...) wurde
zunächst am 12. Februar 1962 eingestellt, sodann wiederum aufgenommen und
am 27. Mai 1962 erneut eingestellt. Eine Beschwerde des Antragstellers wies der
Generalstaatsanwalt in Frankfurt (...) zurück. Hiergegen stellte der Antragsteller
Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 172 StPO. Das Oberlandesgericht
Frankfurt verwarf am 11. September 1963 (...) diesen Antrag und am 17.
September 1963 ein Armenrechtsgesuch (...) des Antragstellers. In der Folgezeit
versuchte der Antragsteller wiederholt, die Wiederaufnahme der Ermittlungen
gegen den Belastungszeugen zu erreichen, was die Staatsanwaltschaft ... jedoch
am 23. Juli und am 28. November 1964 ablehnte. Gegen den letzteren Beschluss
erhob der Antragsteller Beschwerde, die der Generalstaatsanwalt in Frankfurt (...)
am 5. März 1965 verwarf. Wiederum erbat der Antragsteller das Armenrecht für
einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 172 StPO; das
Oberlandesgericht Frankfurt verweigert das Armenrecht durch Beschluss (...) vom
15. März 1965.
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Ein weiteres auf Anzeige des Antragstellers von der Staatsanwaltschaft ... unter ...
gegen denselben Belastungszeugen eingeleitetes Ermittlungsverfahren wegen
Betrugs ist noch nicht abgeschlossen.
Außerdem liefen mehrere Sach- und Dienstaufsichtsbeschwerden des
Antragstellers, die jedoch für das Verfahren vor dem Staatsgerichtshof ohne
Bedeutung sind, da der Antragsteller die dort ergangenen Entscheidungen nicht
angreift.
Mit Eingaben vom 5. Juli und 3. Oktober 1965 sowie vom 18. Juni 1966 hat der
Antragsteller den Staatsgerichtshof angerufen. Nachdem er dort zunächst nur
allgemein vorgetragen hatte, dass er sich durch die Anklage der
Staatsanwaltschaft, durch das Urteil des Landgerichts ... und durch die auf seine
Strafanzeigen ergangenen Entscheidungen in seinen Grundrechten aus Art. 2 III
der Hessischen Verfassung (HV) und aus Art. 103 des Grundgesetzes (GG)
verletzt fühle, und als die "letzten Amtshandlungen", die er insbesondere angreife,
den Beschluss des Oberlandesgerichts vom 30. April 1965 sowie den Bescheid des
Generalstaatsanwalts vom 21. Juni 1965 bezeichnet hatte, hat er zuletzt erklärt,
dass seine Grundrechtsklage sich "gegen die Praktiken" richte, die von der
Staatsanwaltschaft ... in den genannten Ermittlungsverfahren gegen einen
Belastungszeugen angewandt worden seien und die auf Widersprüchen,
unrichtigen Behauptungen und schlechthin fehlerhafter Sachbehandlung beruhten.
Der Landesanwalt hält den Antrag für unzulässig, da er nicht erkennen lasse,
welcher Bescheid ein Grundrecht der Hessischen Verfassung verletzen solle. Art. 2
III HV gelte gemäß Art. 31, 142 GG nicht mehr fort; auf eine Verletzung der
Rechtsweggarantie könne daher eine Grundrechtsklage nicht gestützt werden. Das
rechtliche Gehör werde von der Hessischen Verfassung nicht als Grundrecht
gewährleistet. Aus dem Zusammenhang der Eingaben des Antragstellers ergebe
sich im übrigen, dass dieser keine Grundrechtsklage beabsichtige, sondern
erreichen möchte, dass der Staatsgerichtshof die Berechtigung seiner
Wiederaufnahmeanträge nachprüfe. Über diese Anträge sei jedoch in dem
bundesgesetzlich geregelten Verfahren der Strafprozessordnung sachlich
entschieden worden. Die Nachprüfung gerichtlicher Entscheidungen daraufhin, ob
die tatsächlichen Feststellungen zutreffen und ob das geltende Recht richtig
angewandt worden ist, gehöre nicht zu den Aufgaben des Staatsgerichtshofs.
Vielmehr könne eine Grundrechtsklage gegen eine gerichtliche Entscheidung nur
darauf gestützt werden, dass die Entscheidung selbst unmittelbar ein von der
Hessischen Verfassung garantiertes Grundrecht des Antragstellers verletze. Nur
die Entscheidung des letzten in der Sache zuständigen Gerichts unterliege dieser
Nachprüfung durch den Staatsgerichtshof. Insoweit lägen keine ordnungsmäßig
begründeten Anträge vor. Die hierfür in § 48 III StGHG bestimmte Frist von einem
Monat sei abgelaufen.
Die Eingaben des Antragstellers können keinen Erfolg haben.
Nach Art. 131 HV, §§ 45 ff. StGHG findet ein Verfahren vor dem Staatsgerichtshof
wegen Verletzung von Grundrechten nur statt, wenn der Antragsteller die
Entscheidung des höchsten in der Sache zuständigen Gerichts herbeigeführt hat
und innerhalb eines Monats seit Zustellung dieser Entscheidung den
Staatsgerichtshof mit der Bezeichnung der Tatsachen anruft, aus denen sich die
Grundrechtsverletzung ergeben soll; der Staatsgerichtshof prüft nur, ob diese
Entscheidung auf einer Grundrechtsverletzung beruht.
Der Antragsteller hat keine gerichtliche Entscheidung bezeichnet, durch die ein
Grundrecht verletzt worden sein soll. Es kann auch nicht aus dem Zusammenhang
geschlossen werden, welche Entscheidung er meint.
Hinsichtlich des Urteils des Landgerichts ... vom 8. November 1961 und des ihm
vorangegangenen Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft ist die Frist des §
48 III StGHG längst verstrichen. Auch hat der Antragsteller hier den Rechtsweg
nicht erschöpft, da er das ihm gegen dieses Urteil zustehende Rechtsmittel der
Revision nicht eingelegt hat.
Von den letztinstanzlichen Entscheidungen des Oberlandesgerichts ist hinsichtlich
der Beschlüsse vom 11. und 17 September 1963 ebenfalls die Frist zur Anrufung
des Staatsgerichtshofs längst verstrichen.
Den Beschluss des Oberlandesgerichts vom 30. April 1965 hat der Antragsteller
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Den Beschluss des Oberlandesgerichts vom 30. April 1965 hat der Antragsteller
zwar ausdrücklich bezeichnet; doch ist er durch diesen Beschluss, der seiner
Beschwerde stattgab, nicht beschwert.
Die weiteren Entscheidungen des Oberlandesgerichts vom 15. November 1965
und 15. März 1966 hat der Antragsteller nicht ausdrücklich angegriffen. Insoweit
fehlt es auch an jeder tatsächlichen Angabe sowie an jedem Anhaltspunkt dafür,
dass durch diese Entscheidungen ein dem Antragsteller gewährtes Grundrechts
verletzt sein könnte. Die Frage der Weitergeltung des Art. 2 II HV bedarf keiner
Erörterung, denn offensichtlich will der Antragsteller gar nicht geltend machen, ihm
habe der Rechtsweg nicht offengestanden; insoweit hat er den Rechtsweg bis zu
letzten Instanz durchschritten. Der Antragsteller erstrebt vielmehr offenbar eine
ihm günstigere Würdigung der gegen seinen Belastungszeugen erhobenen
Vorwürfe, eine Meineidsanklage gegen jenen Zeugen und auf diesem Wege eine
Wiederaufnahme seines eigenen Verfahrens mit dem Ziele seines Freispruchs. Der
Staatsgerichtshof kann jedoch weder in eine Prüfung eintreten, ob die
Staatsanwaltschaft jenes Ermittlungsverfahren mit Recht eingestellt hat, noch ob
die Voraussetzungen des § 359 StPO gegeben sind; dies ist allein Sache der
Staatsanwaltschaft und der ordentlichen Gericht.
Kostenentscheidung nach § 24 StGHG.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.