Urteil des StGH Hessen vom 14.11.1999

StGH Hessen: öffentliche gewalt, verbrechen gegen die menschlichkeit, hessen, kontrolle, verfahrensbeteiligter, quelle, zivilprozessrecht, dokumentation, verantwortlichkeit, verfassungsgericht

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Gericht:
Staatsgerichtshof
des Landes
Hessen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
P.St. 1347
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
Art 131 Verf HE, § 43 Abs 2
StGHG HE, § 43 Abs 1 StGHG
HE
Leitsatz
1. Der Rechtsweg zum Staatsgerichtshof ist abschließend in Art. 131 der Verfassung
des Landes Hessen, §§ 15 ff. StGHG geregelt. Bürgern steht grundsätzlich allein die
Grundrechtsklage nach Art. 131 HV und den §§ 43 ff. StGHG zu.
2. Mit der Grundrechtsklage kann nur die Verletzung eines von der Hessischen
Verfassung gewährten Grundrechts durch die öffentliche Gewalt des Landes Hessen
geltend gemacht werden. Die Kontrolle von Bundesstaatsgewalt und die Überprüfung
von Anklagen gegen die Regierungen der Bundesrepublik Deutschland fallen nicht in
den gesetzlich festgelegten Aufgabenkreis des Staatsgerichtshofs als hessischen
Landesverfassungsgericht.
3. Nach § 43 Abs 1 Satz 1 und Abs 2 StGHG fordert die Zulässigkeit einer
Grundrechtsklage, dass der Antragsteller substantiiert einen Lebenssachverhalt
schildert, aus dem sich - seine Richtigkeit unterstellt - plausibel die Möglichkeit ergibt,
dass die öffentliche Gewalt des Landes Hessen Grundrechte der Hessischen Verfassung
verletzt hat.
Hierzu gehört ein aus sich heraus - ohne Hinzuziehung von Akten und ohne
Stellungnahmen anderer Verfahrensbeteiligter - verständlicher Vortrag, der den
Staatsgerichtshof in die Lage versetzt, Zulässigkeit und Begründetheit des Begehrens
zu prüfen.
Tenor
Die Anträge werden zurückgewiesen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben, außergerichtliche Kosten nicht erstattet.
Gründe
A
I.
Der Antragsteller erhebt Anklage gegen die Regierungen der Bundesrepublik
Deutschland ab 1949 wegen Hochverrats nach § 81 StGB sowie wegen Verbrechen
gegen die Menschlichkeit von 1949 bis 1998 und Verfassungs-, Rechts- und
Gesetzwidrigkeiten. Daneben wendet er sich mit der Grundrechtsklage gegen
öffentliche und geheime hessische Staatsgewalt. Zur Begründung schildert er
Geschehnisse seit 1933, die er als Staatsverbrechen wertet, die an ihm und seiner
Familie begangen worden sein sollen.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Eingaben des Antragstellers vom 8. Oktober
1998, 15. November 1998, 7. Januar 1999, 11. Februar 1999 und 1. März 1999
Bezug genommen.
II.
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Landesregierung und Landesanwalt ist Gelegenheit zur Äußerung gegeben
worden. Sie haben nicht Stellung genommen.
B
I.
Anklage und Grundrechtsklage sind unzulässig.
Die Anklage beim Staatsgerichtshof gegen die Regierungen der Bundesrepublik
Deutschland ist unstatthaft. Der Rechtsweg zum Staatsgerichtshof ist
abschließend in Art. 131 der Verfassung des Landes Hessen (kurz: Hessische
Verfassung - HV -), §§ 15 ff. des Gesetzes über den Staatsgerichtshof - StGHG -
geregelt. Danach entscheidet der Staatsgerichtshof als Verfassungsgericht des
Landes Hessen nur in bestimmten Fällen. Bürgern steht grundsätzlich allein die
Grundrechtsklage nach Art. 131 HV und den §§ 43 ff. StGHG zu. Auch mit der
Grundrechtsklage kann jedoch nur die Verletzung eines von der Hessischen
Verfassung gewährten Grundrechtsklage durch die öffentliche Gewalt des Landes
Hessen geltend gemacht werden. Die Kontrolle von Bundesstaatsgewalt und die
Überprüfung von Anklagen gegen die Regierungen der Bundesrepublik
Deutschland fallen dagegen nicht in den gesetzlich festgelegten Aufgabenkreis
des Staatsgerichtshofs als hessischen Landesverfassungsgericht.
Die zusätzlich erhobene Grundrechtsklage "gegen öffentliche und geheime
hessische Staatsgewalten“ ist ebenfalls unzulässig. Der Vortrag des Antragstellers
genügt den Anforderungen des § 43 Abs. 1 und 2 StGHG nicht. Für eine zulässige
Grundrechtsklage hätte der Antragsteller substantiiert einen Lebenssachverhalt
schildern müssen, aus dem sich - seine Richtigkeit unterstellt - plausibel die
Möglichkeit ergibt, dass die öffentliche Gewalt des Landes Hessen Grundrechte der
Hessischen Verfassung verletzt hat (ständige Rechtsprechung des
Staatsgerichtshofs, zuletzt Beschluss vom 13.01.1999 - P.St. 1320 -). Hierzu
gehört ein aus sich heraus - ohne Hinzuziehung von Akten und ohne
Stellungnahmen anderer Verfahrensbeteiligter - verständlicher Vortrag, der den
Staatsgerichtshof in die Lage versetzt, Zulässigkeit und Begründetheit des
Begehrens zu prüfen. Hieran fehlt es. Die Verantwortlichkeit hessischer
Staatsgewalt für die geschilderten Vorkommnisse im Zeitraum vom 1933 bis in die
Gegenwart ist nicht nachvollziehbar. Auf der Grundlage seines Vorbringens ist
zudem eine Prüfung des Staatsgerichtshofs nicht möglich, ob der Antragsteller
gegen etwaige Grundrechtsverletzungen, wie dies für eine zulässige
Grundrechtsklage weiter erforderlich wäre, zunächst den Rechtsweg erschöpft und
danach die Fristen zur Erhebung der Grundrechtsklage gewahrt hat.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 28 StGHG.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.