Urteil des StGH Hessen vom 14.03.2017

StGH Hessen: parlamentarische untersuchung, abstimmung, fraktion, regierung, plenum, mehrheit, vereinfachtes verfahren, hessen, geschäftsordnung, debatte

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Gericht:
Staatsgerichtshof
des Landes
Hessen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
P.St. 414
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
Art 44 GG, Art 83 Verf HE, Art
86 Verf HE, Art 88 Verf HE, Art
92 Verf HE
Leitsatz
Zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses durch den Landtag.
Tenor
Die Einsetzung des Untersuchungsausschusses gemäß dem Antrage Nr. 991,
Drucksachen Abteilung I, Hessischer Landtag, V. Wahlperiode, in der 30.
Plenarsitzung des Hessischen Landtags am 16. September 1964 ist mit der
Hessischen Verfassung nicht vereinbar.
Die Entscheidung ergeht gebührenfrei;
Auslagen werden nicht erstattet.
Gründe
A.
I.
Die Regierung des Landes Hessen ermächtigte in ihrer 36. Kabinettssitzung am
25. Februar 1964 die Minister für Finanzen und für Wirtschaft und Verkehr,
Verhandlungen zu führen, um zur Strukturverbesserung und Wirtschaftsförderung
eine Beteiligung des Landes Hessen an der Investitions- und Handelsbank AG in
Frankfurt (Main) - IHB - herbeizuführen. Ende Februar 1964 erschienen in der
deutschen Presse Veröffentlichungen, die von einer Interessennahme des Landes
Hessen an der IHB berichteten. Nachdem über die Verhandlungen einiges in die
Öffentlichkeit gelangt war, beantragte die Fraktion der CDU im Hessischen Landtag
am 7. April 1964, die Landesregierung zu ersuchen, "dem Landtag unverzüglich
alle im Zusammenhang mit dem Erwerb einer Beteiligung an der Investitions- und
Handelsbank AG stehenden Vereinbarungen und Verträge vorzulegen" (V. Wahlp.
Drs. Abt. I Nr. 884, ausgegeben am 17. April 1964). Am 10. April 1964 brachte die
Fraktion der FDP im Landtag eine Große Anfrage an die Hessische
Landesregierung betreffend Beteiligung an der IHB ein (Drs. Abt. I Nr. 892,
ausgegeben am 21. April 1964). Der Antrag der CDU-Fraktion war Gegenstand der
26. Sitzung des Landtags am 29. April 1964 und wurde nach einer Stellungnahme
des Ministers für Wirtschaft und Verkehr dem Haushaltsausschuß überwiesen (V.
Wahlp. Drs. Abt. III Nr. 26 S. 1043 - 1056).
In dessen Sitzung am 19. Juni 1964 gab der Minister der Finanzen einen Bericht zu
dem Komplex Investitions- und Handelsbank (Sten. Prot. über die 17. Sitzung des
Haushaltsausschusses).
Am 25. August 1964 beantragten 20 Abgeordnete der CDU die Einsetzung eines
Untersuchungsausschusses (Drs. Abt. I Nr. 991, ausgegeben am 8. September
1964). Der Antrag lautete:
"Der Landtag wolle beschließen:
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Es wird ein Untersuchungsausschuß eingesetzt, der feststellen soll:
1. Welche Verhandlungen, Vereinbarungen, Absprachen oder Zusagen zur
Übernahme oder zum treuhänderischen Erwerb einer Kapitalbeteiligung an der
Investitions- und Handelsbank Frankfurt (Main) hat der Ministerpräsident, ein
anderer Minister oder die Landesregierung geführt, mit wem und wann?
2. a) Welche Zusage hat die Hessische Landesregierung oder der
Ministerpräsident oder ein anderer Minister der Bank für Gemeinwirtschaft AG
Frankfurt (M) hinsichtlich des Erwerbs einer solchen Beteiligung gemacht, und
welcher Übernahmekurs wurde dabei vereinbart?
b) Welche Tatsachen liegen vor, aus denen der Hessische Finanzminister den
Schluß gezogen hat, die Landesregierung habe eine moralische Verpflichtung zur
Übernahme einer Kapitalbeteiligung an der Investitions- und Handelsbank?
3. a) Welche Gründe waren dafür bestimmend, daß der Hessische Minister für
Wirtschaft und Verkehr in den Aufsichtsrat der Investitions- und Handelsbank
gewählt bzw. delegiert wurde?
b) Hat er in der Generalversammlung der Investitions- und Handelsbank 26
Prozent Fremdbesitz vertreten?
Wenn ja:
Wessen Fremdbesitz und in wessen Auftrag?
c) Hat der Ministerpräsident oder die Landesregierung von den Tatsachen zu
a) und b) gewußt und diese gegebenenfalls gebilligt?
4. Hat die Hessische Landesregierung oder der Ministerpräsident die
Hessische Landesbank ersucht, eine Beteiligung von 26 Prozent an der
Investitions- und Handelsbank zu erwerben und zu welchem Kurs?
Was hat der Vorstand der Landesbank dazu beschlossen?
Wie ist vom Vorstand der Landesbank der Übernahmekurs gewertet worden?
Hat die Landesregierung die treuhänderische Übernahme des Aktienpakets
durch die Landesbank gewünscht?
5. Gibt es öffentliche Aufgaben und gegebenenfalls welche, die das Land durch
eine Privatbank, an der es mit 26 Prozent beteiligt ist, besser erfüllen kann als
durch enge Zusammenarbeit mit der Landesbank und dem gesamten
Kreditgewerbe?"
Dieser Antrag wurde - zusammen mit der Großen Anfrage der FDP-Fraktion, die
der Minister der Finanzen beantwortete - in der 30. Sitzung des Landtages am 16.
September 1964 behandelt (Drs. Abt. III Nr. 30 S. 1192 f, 1194 ff). In der auf die
Begründung des Antrags folgenden Debatte wurden mehrmals Bedenken gegen
die Verfassungsmäßigkeit des Themas der beantragten Untersuchung geäußert.
Nachdem die Aussprache über den Antrag geschlossen worden war, erklärte der
Präsident des Landtages, ohne daß ein formeller Beschluß gefaßt worden war oder
eine Abstimmung über die Einsetzung des Ausschusses stattgefunden hatte (Drs.
Abt. III Nr. 30 S. 1204):
"Ich darf folgendes feststellen: Der Antrag auf Einsetzung eines
Untersuchungsausschusses trägt 20 Unterschriften. Damit ist die nach Art. 92 der
Verfassung notwendige Zahl von Antragstellern erreicht. Ich stelle hiermit die
Einsetzung des Untersuchungsausschusses fest. Nach § 34 Abs. 1 der
Geschäftsordnung hat der Landtag über den Untersuchungsantrag zu
beschließen. Wir müssen jetzt nach dieser Diskussion zur Abstimmung über den
formulierten Untersuchungsauftrag schreiten."
Nach zwei Erklärungen zur Geschäftsordnung ließ der Präsident des Landtags über
den Untersuchungsauftrag abstimmen (aaO. S. 1205):
"Wir kommen zur Abstimmung. Die Damen und Herren, die dem formulierten
Untersuchungsauftrag zustimmen wollen, bitte ich um ein Handzeichen."
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Der formulierte Untersuchungsauftrag wurde mit den Stimmen der CDU und FDP
bei Stimmenthaltung der SPD und GDP/BHE antragsgemäß angenommen (aaO.
S. 1205). Nach der Abstimmung über den Untersuchungsauftrag erklärte der
Präsident des Landtags (aaO. S. 1205):
"Ich darf feststellen, daß der Untersuchungsauftrag mit den Stimmen der
Oppositionsparteien bei Stimmenthaltung der Regierungsparteien akzeptiert
worden ist."
Daran anschließend gab der Präsident des Landtags die Namen der Abgeordneten
bekannt, die von den Fraktionen als Mitglieder des Ausschusses benannt worden
waren, und erklärte abschließend (aaO. S. 1205):
"Damit ist der Untersuchungsausschuß eingesetzt. Der
Untersuchungsausschuß kann also die Arbeit aufnehmen."
Inzwischen hatte der Vorstand der Bank für Gemeinwirtschaft AG, die an der IHB
mit mehr als 75 % beteiligt war und sich zum Verkauf eines Teiles der von ihr
gehaltenen Aktien der IHB an das Land Hessen bereit erklärt hatte, dem
Ministerpräsidenten mit Schreiben vom 7. September 1964 mitgeteilt, daß er mit
großem Bedauern die öffentlichen Auseinandersetzungen um die IHB verfolge;
überdies scheine auch die Absicht zu bestehen, diese Bank in den Strudel
politischer Erörterungen zu bringen. Aus der Verantwortung für die Kunden und
freien Aktionäre der IHB sähe sich der Vorstand verpflichtet, alles zu tun, um dem
so schnell wie möglich ein Ende zu setzen. Wörtlich heißt es in dem Schreiben:
"Eine Bank darf nach unserer Auffassung aber kein Objekt der politischen
Auseinandersetzung werden. Wir bitten Sie daher, uns von der Ihnen gegebenen
für uns verbindlichen Zusage zu entbinden, dem Lande eine Beteiligung an der
Investitions- und Handelsbank zu überlassen." Die Landesregierung hatte darauf in
der 57. Kabinettssitzung vom 15. September 1964 den Ministerpräsidenten
ermächtigt, dieser Bitte zu entsprechen. Dies geschah durch Schreiben des
Ministerpräsidenten an den Vorstand der Bank für Gemeinwirtschaft vom 17.
September 1964.
II.
1. Die Hessische Landesregierung hat den Staatsgerichtshof angerufen und
beantragt festzustellen:
Die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gemäß dem Antrag Nr. 991
(Drucksachen Abteilung I Hess. Landtag V. Wahlperiode) in der 30. Sitzung des
Hessischen Landtags am 16. September 1964 ist mit der Hessischen Verfassung
nicht vereinbar.
Die Landesregierung hält sowohl das Verfahren bei der Einsetzung des
Untersuchungsausschusses als auch den Untersuchungsauftrag für
verfassungswidrig.
Zur verfahrensrechtlichen Seite trägt die Landesregierung vor, der
Untersuchungsausschuß sei nicht dem Art. 92 Abs. 1 der Hessischen Verfassung -
HV - entsprechend eingesetzt worden. Über den Antrag auf Einsetzung des
Untersuchungsausschusses sei nicht ausdrücklich abgestimmt worden. Diese
Entscheidung stehe aber nach dem Wortlaut des Art. 92 Abs. 1 HV dem Landtag in
seiner Gesamtheit und nicht Teilen des Landtags - einer Fraktion oder einer
qualifizierten Minderheit - zu. Die herrschende Lehre halte daher, im Gegensatz zu
der vielfach üblichen Praxis, in jedem Falle eine formelle Entscheidung des
Landtags für erforderlich, die nur durcheine Abstimmung herbeigeführt werden
könne. Diese Forderung habe hier nicht nur formale Bedeutung, da der Landtag
zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses nur verpflichtet sei, wenn der
Antrag nicht gegen die Verfassung verstoße. Die gegenwärtige Rechtslage sei
anders als zur Zeit der Weimarer Reichsverfassung, da jetzt durch die
Verfassungsgerichtsbarkeit der Schutz der Minderheit gewährleistet sei. Auch der
Bundestag sei der Ansicht seines Rechtsausschusses gefolgt und setze nunmehr
Untersuchungsausschüsse nur noch durch förmlichen Beschluß ein. Der formelle
Beschluß sei essentielles Erfordernis für eine rechtswirksame Einsetzung eines
Untersuchungsausschusses. Das Parlament könne nur so seine rechtliche
Verantwortung als "Institution" übernehmen; denn nur das Plenum sei legitimiert,
Untersuchungsbefugnisse auf einen Ausschuß zu übertragen, zumal immer die
Gefahr bestehe, daß Rechte Dritter berührt würden. Bei allem parlamentarischen
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Gefahr bestehe, daß Rechte Dritter berührt würden. Bei allem parlamentarischen
Tätigwerden müsse man unterscheiden zwischen Akten der Selbstbestimmung
(Selbstgestaltung) des Hauses und Akten der Ausübung öffentlicher Gewalt; ein
vereinfachtes Verfahren sei nur in den Fällen der Selbstgestaltung möglich; nur in
diesen werde eine Automatik in Gang gesetzt, zu der es keiner Abstimmung
bedürfe. Art. 92 HV setze aber keine solche Automatik in Gang. Eine Abstimmung
durch schlüssiges Verhalten könne hier auch nicht angenommen werden. Dies sei
nur dann der Fall, wenn alle Beteiligten sich ihres Rechts bewußt seien.
Ebensowenig sei ein Unterlassen des Widerspruchs als Beschluß anzusehen. Es
handele sich hierbei nicht um rein formale, sondern um wesentliche Rechtsfragen,
denen die Parlamente Rechnung zu tragen hätten. Gerade die gegenwärtigen,
politisch ruhigen Zeiten ermöglichten es, anders als in der Weimarer Republik, eine
vorbildliche Verfassungspraxis zu entwickeln.
Zu der materiellen Seite führt die Landesregierung aus, Verfahrensfrage und
Sachfrage seien eng miteinander verbunden. Sollte sich, der Landtag dessen nicht
bewußt gewesen sein, so trage er dafür die Verantwortung. Wenn auch der
Staatsgerichtshof die Einsetzung des Untersuchungsausschusses schon auf Grund
des eingeschlagenen Verfahrens als verfassungswidrig erachten müsse, so sei es
doch bei der großen Bedeutung der Sache erwünscht, daß der Staatsgerichtshof
auch zu der materiellen Seite Stellung nehme. Der Inhalt des
Untersuchungsauftrages sei mit der Hessischen Verfassung nicht vereinbar und
überschreite in erheblichem Maße die Grenzen, die der Untersuchung unter jedem
denkbaren Gesichtspunkt als Vorbereitung einer Landtagsentscheidung gesetzt
seien. Die Untersuchung durch einen Untersuchungsausschuß, der ein Hilfsorgan
des Landtags sei, könne sich nur auf solche Vorgänge und Tatsachen erstrecken,
deren Kenntnis für eine zulässige Entschließung des Landtags notwendig sei. Der
Kreis der Untersuchungsgegenstände sei daher durch die Kompetenz des
Landtags begrenzt; darüber hinausgehende Untersuchungen decke Art. 92 Abs. 1
HV nicht (Korollar-Theorie). Die Antragsteller hätten nicht darzulegen versucht, für
welche Entschließung des Landtags die Kenntnis der im Untersuchungsauftrag
genannten Einzelheiten als Grundlage dienen solle. Um über die Wirtschaftspolitik
der Landesregierung zu debattieren, sei die Einsetzung eines
Untersuchungsausschusses als parlamentarisches Zwangsmittel verfehlt und
unzulässig, zumal die Landesregierung nie Zweifel gelassen habe, daß sie zu einer
Diskussion im Landtag oder in seinem zuständigen Fachausschuß jederzeit bereit
gewesen sei. Als zulässige Aufgabe des Untersuchungsausschusses schieden die -
nicht gestellte - Frage nach dem Vorliegen einer rechtsverbindlichen Abmachung,
wie auch eine Art Haushaltskontrolle, die bereits durch das Haushaltsrecht
institutionalisiert sei, aus. Die Untersuchung habe nicht zur Überprüfung eines
abgeschlossenen Sachverhalts führen, sondern die Absichten der Landesregierung
ausforschen sollen. Die Kontrolle durch die Legislative könne sich aber nicht in
dieser Weise bis in die Verhandlungssphäre der Exekutive erstrecken. Die Bereiche
von Legislative und Exekutive seien insoweit getrennt. Der Regierung müßten aus
der Natur der Sache ein Raum freier Initiative und ein eigener Beratungsbereich
(Diskretionsbereich) verbleiben, in den das Parlament nicht gestaltend eingreifen
dürfe. Ihm stehe ausschließlich eine Ergebniskontrolle zu. Nach der Verfassung
bestehe keine Rechtspflicht für die Regierung, jederzeit und über alles Auskunft zu
erteilen. Der unzulässige Untersuchungsauftrag sei auch nicht dadurch zulässig
geworden, daß durch ihn die schwebenden Verhandlungen abgebrochen worden
seien. Diese voraussehbare Folge sei den Antragstellern bewußt gewesen und
offenbar von ihnen angestrebt worden. Bankgeschäfte seien ihrer Natur nach
vertraulich und vertrügen keine öffentliche Erörterung. Weder der Landtag noch
gar eine Minderheit hätten das Recht, Exekutivmaßnahmen zu verhindern, zu
erschweren oder aufzuheben. Ein Untersuchungsantrag zu solchem Zwecke sei
mißbräuchlich, hier überdies zur Unzeit gestellt worden. Die Antragsteller hätten
durch ihren Antrag das Vorhaben zum Scheitern und den Landtag um sein Recht
gebracht, das Projekt zu billigen oder abzulehnen. Von der geplanten
Untersuchung würden Unternehmensgeheimnisse betroffen, deren
Bekanntwerden zu schweren Schäden für das Bankunternehmen und dessen
Aktionäre führten. Gegenüber diesen Dritten würde der rechtsstaatliche Grundsatz
der Verhältnismäßigkeit verletzt. Daß der beantragte Untersuchungsausschuß
eine politische Aktion mit dem Ziele sein sollte, die Regierungspläne zu Fall zu
bringen gehe zweifelsfrei aus den Landtagsprotokollen hervor.
2. Der Hessische Landtag hat beantragt festzustellen:
1). Das Verfahren zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gemäß
Antrag Nr. 991 (Drucksache Abteilung I, Hess. Landtag V. Wahlperiode) in der 30.
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Antrag Nr. 991 (Drucksache Abteilung I, Hess. Landtag V. Wahlperiode) in der 30.
Sitzung des Hessischen Landtags am 16. September 1964 ist mit der Hessischen
Verfassung vereinbar;
2). das formulierte Untersuchungsthema ist mit der Hessischen Verfassung
nicht vereinbar.
Der Landtag widerspricht der Rechtsauffassung der Landesregierung in der Frage
der formellen Erfordernisse der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses. Er
ist der Ansicht, der Minderheitenschutz erfordere es, die Einsetzung des
Ausschusses schon mit der Einbringung des Minderheitsantrags, als vollzogen
anzusehen. Wer einen Beschluß des Plenums über den Einsetzungsantrag
verlange, bringe die Minderheit in die Gefahr einer Majorisierung. Zu fordern sei
jedoch, daß der Einsetzungsantrag einer reinigenden Plenardebatte, die der
politischen Willensbildung diene, ausgesetzt werde. Der Untersuchungsausschuß
sei dann als durch das Plenum eingesetzt anzusehen, wenn er seine Konstitution
durch die Landtagsdebatte erfahren habe. Die feststellende Tätigkeit des
Landtagspräsidenten nach Abschluß der Debatte habe im Verhältnis zürn Landtag
eine deklaratorische Wirkung, nach außen komme ihr indes konstitutive Wirkung
zu. Dieses Verfahren verstoße auch nicht gegen die Geschäftsordnung des
Landtags. § 34; Abs. 1 GeschO verlange nur für das Prüfungsthema einen
Beschluß. Nach der Praxis des Hessischen Landtags bedürfe es zur Einsetzung
eines Untersuchungsausschusses grundsätzlich keines Parlamentsbeschlusses.
Diese Übung stelle im Verfassungsgefüge der Bundesrepublik keine
Ausnahmeerscheinung dar. Eine Abstimmung über das Minderheitsquorum sei
schon deshalb nicht erforderlich, weil für die Antragsform § 54 GeschO gelte,
wonach die Unterschriften der Antragsteller notwendig seien.
Das formulierte und beschlossene Untersuchungsthema hält der Landtag aber für
nicht vereinbar mit der Verfassung. Es entziehe der Regierung sowohl
parlamentarisches Vertrauen als auch allgemein Autorität, ohne daß ein
Regierungsverhalten vorliege, das einen solchen Entzug rechtfertigen könnte. Das
Enqueterecht dürfe nicht den verfassungsrechtlichen Status der Regierung
antasten, die mit einer Sphäre unkontrollierter Freiheit ausgestattet sein müsse,
wenn sie mit Hilfe ihrer Autorität repräsentative Aufgaben erfüllen solle. Dies
müsse insbesondere dann gefordert werden, wenn vertrauliche Gespräche und
Verhandlungen geführt werden müßten. Die Untersuchungsfragen berührten ohne
Ausnahme das zwischen der Landesregierung und der Bank für Gemeinwirtschaft
bestehende Vertrauensverhältnis. Da es bei der Untersuchung um ein
Kreditinstitut gehe, werde dessen wirtschaftliche Stellung berührt. Eine öffentliche
Untersuchung der Beteiligung des Landes Hessen an der IHB würde einmal die
wirtschaftliche Betätigung dieses Instituts stark; einschränken zum anderen sowohl
die Aktionäre als auch den Vorstand und die Bank selbst schädigen. Allein die
Erörterung bankinterner Vorgänge dringe in unzulässiger Weise in die
Diskretionssphäre der Bank ein, auf deren Wahrung sie auch Ihren Kunden
gegenüber nicht verzichten könne, ganz ab gesehen von dem
wettbewerbsrechtlichen Einfluß, den eine solche Untersuchung zur Folge hätte. Der
Landtag verweist insoweit auf ein Schreiben der Bank für Gemeinwirtschaft an den
Präsidenten des Landtags vom 23. März 1965, in dem diese besonders betont, in
welch hohem Maße ein Kreditinstitut für seine haftenden Mittel auf das Vertrauen
der Öffentlichkeit angewiesen sei, und erinnert an die Auswirkungen des Geredes
um die Firmengruppe ... auf die ....
3. Dem Verfahren haben sich gemäß §§ 44 Satz 2 und 3, 41 Abs. 2, § 17 Abs. 2 Nr.
3 StGHG Mitglieder der Fraktionen der SPD und der CDU im Hessischen Landtag
(im folgenden kurz als SPD- bzw. CDU-Fraktion bezeichnet) mit mehr als je einem
Zehntel der gesetzlichen Zahl der Mitglieder des Landtags sowie der Landesanwalt
bei dem Staatsgerichtshof angeschlossen.
a) Die SPD-Fraktion hat beantragt festzustellen:
Die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gemäß dem Antrag der
CDU-Fraktion (Drucksache I/991, Hess. Landtag, 5. Legislaturperiode) in der
Plenarsitzung vom 16. September 1964 ist mit der Hessischen Verfassung nicht
vereinbar.
Sie hat auf weitere Darlegungen zu der Frage der rechtswirksamen Einsetzung des
Untersuchungsausschusses verzichtet, begrüßt es aber, wenn auch diese
Streitfrage geklärt und so mögliche Diskrepanzen zwischen der Hessischen
Verfassung und der Geschäftsordnung des Landtags beseitigt werden könnten. Sie
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Verfassung und der Geschäftsordnung des Landtags beseitigt werden könnten. Sie
habe deshalb auch in der Plenarsitzung vom 16. September 1964 auf jede
Stellungnahme zum formellen Einsetzungsverfahren verzichtet, vielmehr ihre
verfassungsrechtlichen Bedenken nur hinsichtlich des gewünschten
Untersuchungsauftrages angemeldet. Insoweit teilt die SPD-Fraktion die
Rechtsauffassung der Landesregierung und meint, Gegenstand eines
Untersuchungsauftrages könnten nicht Absichten, vorbereitende Planungen,
Vorverhandlungen der Exekutive sein, es sei denn, es bestehe der Verdacht
gesetzwidriger Handlungsweise. Eine solche Behauptung sei indessen von den
Antragstellern nicht aufgestellt oder aber bereits in vorhergehenden Ausschuß-
und Plenarsitzungen widerlegt worden. Eine parlamentarische Untersuchung dürfe
nicht dazu dienen, lediglich im Stadium der Erwägung und der Vorbereitung
befindliche Regierungsmaßnahmen durch vorzeitige Ausforschung zu beeinflussen
und zum Scheitern zu bringen. Die Antragsteller verwechselten den Bereich
politisch-parlamentarischer Tätigkeit, in dem etwa die Kleine oder die Große
Anfrage ermögliche, Auskunft auch über (noch) nicht der Beschlußfassung des
Landtags unterliegende Vorverhandlungen, Absichten usw. zu verlangen, mit
demjenigen, in dem Untersuchungsausschüsse tätig werden könnten. Im Falle
eines Meinungsstreits über die Rechtmäßigkeit eines Untersuchungsauftrags
könne nicht die Landtagsmehrheit, sondern nur das unabhängige
Verfassungsgericht die Entscheidung treffen.
b) Sie CDU-Fraktion hat beantragt, den Feststellungsantrag der Landesregierung
abzulehnen.
Sie legt zunächst die historische Entwicklung dar, die zu dem Antrag auf
Einsetzung eines Untersuchungsausschusses führte. Zur formellen Frage der
Einsetzung des Untersuchungsausschusses vertritt sie den Standpunkt, der
Präsident des Landtags sei durchaus korrekt vorgegangen. Es sei nicht
einzusehen, wieso die Rechtsposition der Regierung durch dieses Verfahren
beeinträchtigt werden könnte. Auch die Mehrheit des Landtags habe insoweit keine
Einwendungen erhoben; die Mehrheitsparteien hätten sich im Gegenteil der
Stimmen enthalten und durch ihre Sprecher zum Ausdruck bringen lassen, daß sie
an der Durchführung des Untersuchungsauftrags durchaus interessiert seien.
Auch in der Literatur werde - wenn auch von einer Minderheit - die Auffassung
vertreten, daß eine Debatte und eine förmliche Abstimmung über einen
Einsetzungsantrag überflüssig seien, wenn dessen Verfassungsmäßigkeit nicht
angezweifelt werde, und daß ein abgekürztes Verfahren zulässig sei. Aber auch ein
Verfahrensverstoß könne nicht zu Verfassungswidrigkeit der Einsetzung des
Untersuchungsausschusses, sondern lediglich zur Wiederholung des Verfahrens
führen.
Die Auffassung der Landesregierung, daß der Untersuchungsauftrag sich nicht im
Rahmen der Kompetenz des Landtags halte, gehe fehl. Seit langem fänden
lebhafte Diskussionen in den Kreisen der Staatsrechtler und der Politiker über die
Rechtsnatur der Untersuchungsausschüsse, ihre Aufgaben und das einzuhaltende
Verfahren statt. Kein Zweifel besteh jedoch darüber, daß auch die politische
(Regierungs- und Verwaltungs-) Kontrolle Aufgabe der Untersuchungsausschüsse
sei. Für eine wirksame Ausgestaltung des Minderheitsrechts spreche gerade das
parlamentarische Regierungssystem, kraft dessen die Funktion der politischen
Kontrolle vom Gesamtparlament auf die Opposition übergegangen sei. Allein dem
Parlament müsse es überlassen werden zu entscheiden, welche Kenntnisse es für
seine Willensbildung für notwendig halte. Es sei müßig, die verfassungsmäßige
Zulässigkeit der Kontrollfunktion des Parlaments unter dem Gesichtspunkt zu
beurteilen, ob das Ergebnis der Kontrolle dann auch zu Entschließungen des
Parlaments führe. Die CDU-Fraktion wendet sich sodann im einzelnen gegen den
Vortrag der Landesregierung und kommt zu dem Ergebnis, daß die Regierung sich
nicht mit Geschäften befassen solle, die das Licht der Öffentlichkeit scheuen
müßten. Die Opposition habe ein maßgebendes staatspolitisches Interesse an der
Aufklärung des Sachverhalts gehabt, da nicht nur die von der Regierung gebilligten
Maßnahmen ungeeignet erschienen, den "Großen Hessenplan" zu fördern,
sondern auch das Eindringen der öffentlichen Hand in das private Bankgewerbe zu
einer unzulässigen Verzerrung des freien Wettbewerbs auf dem Kredit- und
Kapitalmarkt geführt hätte.
c) Der Landesanwalt ist der Meinung, die Einsetzung des
Untersuchungsausschusses sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie
erfordere einen Beschluß des Landtagsplenums, der zugleich den Auftrag, eine
bestimmte Angelegenheit zu überprüfen, bestimme. Das Prinzip des
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bestimmte Angelegenheit zu überprüfen, bestimme. Das Prinzip des
Minderheitsschutzes binde den Landtag auch an den von den Antragstellern
formulierten Auftragsvorschlag. Mit der Mehrheit der den Einsetzungsantrag
bejahenden Stimmen habe hier auch der Landtag die Einsetzung des
Untersuchungsausschusses beschlossen und diesem den im Antrag formulierten
Auftrag erteilt. Die Feststellung des Landtagspräsidenten nach Beendigung der
Debatte, daß die förmlichen Voraussetzungen des Art. 92 HV vorlägen, bilde mit
der unmittelbar folgenden - nur durch zwei Wortmeldungen "zur
Geschäftsordnung" aufgehaltenen -Abstimmung über den Untersuchungsauftrag
rechtlich einen einheitlichen Vorgang. Für die rechtliche Wirkung der Abstimmung,
in der die dem Antrag zustimmenden Fraktionen eine Mehrheit im Sinne des Art.
88 HV gebildet hätten, sei es unerheblich, daß die Fraktionen der Meinung
gewesen seien, verfassungsrechtliche Bedenken gegen den Untersuchungsauftrag
könnten vom Untersuchungsausschuß selbständig geprüft und beurteilt werden.
Den dem Untersuchungsausschuß erteilten Auftrag hält der Landesanwalt jedoch
mit der Verfassung für nicht vereinbar. Ein Untersuchungsausschuß könne nur
innerhalb der Parlamentskompetenz tätig werden. Eine Grenze der Zuständigkeit
des Landtags bilde der Grundsatz der Gewaltenteilung, der ein Prinzip auch der
Hessischen Verfassung sei. Das Kontrollrecht des Landtags beziehe sich auf die
Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und auf die verfassungsmäßige Ausübung der
Regierungskompetenzen, sei jedoch kein allgemeines Aufsichtsrecht. Über
Angelegenheiten, die nicht oder noch nicht vom Landtag zu beraten seien, sei die
Landesregierung zur Auskunft rechtlich nicht verpflichtet; diese könne auch nicht
durch Einsetzung eines Untersuchungsausschusses erzwungen werden. Der
Landtag könne die Landesregierung nicht verpflichten, einer durch einen
Untersuchungsausschuß zu prüfenden Auffassung über die Zweckmäßigkeit: einer
beabsichtigten Regierungshandlung zu folgen. Der an die allgemeine
Rechtsordnung gebundene Landtag müsse Rechtspflichten, die der
Landesregierung gegenüber Dritten oblägen, beachten, so auch die
privatrechtliche Verschwiegenheitspflicht der Landesregierung. Mit diesen
Grundsätzen stehe der Untersuchungsauftrag als Ganzes - seine einzelnen
Unterteile bildeten eine Einheit - nicht im Einklang.
III.
Die Landesregierung hat dem Staatsgerichtshof zur Unterstützung ihres
Rechtsstandpunktes Rechtsgutachten der Universitätsprofessoren Dr. Karl Josef
Partsch, Mainz, und Dr. Ernst Forsthoff, Heidelberg, vorgelegt. Die CDU-Fraktion
hat eine gutachtliche Stellungnahme von dem Leiter des wissenschaftlichen
Dienstes beim Landtag Rheinland-Pfalz, Regierungsdirektor ..., erstatten lassen
und sich die darin vertreten Rechtsauffassung zu eigen gemacht.
Professor Dr. Partsch kommt zu dem Ergebnis, daß der Untersuchungsausschuß
nicht in verfassungsmäßiger Form eingesetzt worden sei. Da ein Beschluß über
seine Einsetzung nicht ergangen sei, sei der gesamte Zeitraum des
Einsetzungsverfahrens von der Antragstellung bis zum Schluß der Debatte am 16.
September 1964 als maßgebender Zeitraum für die Beurteilung der Sach- und
Rechtslage anzusehen. Der Untersuchungsauftrag mache in unzulässiger Weise
die schwebenden Verhandlungen zwischen der Landesregierung und der Bank für
Gemeinwirtschaft zum Gegenstand parlamentarischer Untersuchungen. Auch die
Elemente des Untersuchungsauftrags, die einen unmittelbaren Einfluß auf den
Erfolg des Regierungshandeln zu erzielen geeignet seien - insbesondere die Frage
nach dem Übernahmekurs der Aktien der IHB - seien verfassungswidrig und
unzulässig. Verfassungsrechtlich sei jedoch nicht zu beanstanden, daß Nr. 5 des
Untersuchungsauftrages dem Untersuchungsausschuß nicht nur
Tatsachenfeststellungen, sondern auch fachliche und politische Wertungen
übertragen habe. Die verfassungsrechtlich eindeutig unzulässigen Bestandteile
des Untersuchungsauftrags seien aber mit den anderen so eng verknüpft und
vermischt, daß der ganze Untersuchungsauftrag als verfassungsrechtlich
unzulässig anzusehen sei.
Auch Professor Dr. Forsthoff gelangt in seinen Untersuchungen, wenn auch aus
teilweise anderen Gründen, zu dem Schluß, daß das Untersuchungsbegehren
verfassungswidrig sei, weil es einen Einbruch in den verfassungsmäßig
garantierten eigenständigen Funktionsbereich der Landesregierung anstrebe;
außerdem verletze es Rechte Dritter, nämlich der Verhandlungspartner der
Landesregierung. Die Einsetzung des Untersuchungsausschusses sei
rechtsfehlerhaft, da ein förmlicher Einsetzungsbeschluß nicht gefaßt worden sei
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rechtsfehlerhaft, da ein förmlicher Einsetzungsbeschluß nicht gefaßt worden sei
und der Landtag über die aufgetretenen Rechtsbedenken nicht selbst entschieden,
sondern diese Entscheidung dem Ausschuß überlassen habe.
Demgegenüber vertritt Regierungsdirektor ... in seinem Rechtsgutachten den
Standpunkt, der Untersuchungsausschuß sei in verfassungsmäßiger Form
eingesetzt. Der ihm erteilte Untersuchungsauftrag halte sich im Rahmen der sich
aus der Verfassungsstruktur für das parlamentarische Untersuchungsrecht
ergebenden Grenzen und sei unter Berücksichtigung aller rechtlichen
Gesichtspunkte im vollen Umfange mit der Hessischen Verfassung vereinbar.
B.
Die Anrufung des Staatsgerichtshofs durch die Landesregierung ist zulässig.
Gegenstand der Streitigkeit ist entsprechend dem Antrage der Landesregierung
die Frage, ob die Einsetzung des von der CDU-Fraktion in der 30. Sitzung des
Hessischen Landtags beantragten Untersuchungsausschusses mit der Hessischen
Verfassung vereinbar ist oder nicht.
Die Zuständigkeit des Staatsgerichtshofs ergibt sich aus Art. 131 Abs. 1 HV und
den §§ 44 in Verbindung mit 17 Abs. 2 und 4 des Hessischen Gesetzes über den
Staatsgerichtshof vom 12. Dezember 1947 (GVBl. 1948 S. 3, 122) - StGHG -. Es
handelt sich um einen Streit zwischen zwei Staatsorganen, der Landesregierung
und dem Landtag, über die Auslegung der Verfassung (Verfassungsstreitigkeit),
dem sich mit eigenem Antragsrecht Mitglieder der Landtagsfraktionen der SPD
und der CDU mit je wenigstens einem Zehntel der gesetzlichen Zahl der Mitglieder
des Landtags angeschlossen haben (§§ 44 Satz 3, 41 Abs. 2, 17 Abs. 2 Nr. 3
StGHG). Das Recht des Landesanwalts, sich diesem Verfahren anzuschließen, folgt
aus § 18 Abs. 2 StGHG.
C.
Der Antrag der Landesregierung muß auch Erfolg haben.
I.
Der Landtag hat, wie der stenografische Bericht ausweist, in seiner Sitzung am 16.
September 1964 über die Einsetzung des Untersuchungsausschusses einen
ausdrücklichen Beschluß nicht gefaßt. Der Landtagspräsident hat vielmehr nach
der Feststellung, daß die nach Art. 92 HV notwendige Zahl von Antragstellern
erreicht sei, und ohne einen Beschluß des Landtags über die Einsetzung
herbeizuführen, die Einsetzung des Untersuchungsausschusses festgestellt. Ein
förmlicher Beschluß des Landtag (in der Form einer Abstimmung durch
Handzeichen) ist nur über die Formulierung des Untersuchungsthemas gefaßt
worden.
Der Auffassung des Landesanwalts, die Feststellung des Landtagspräsidenten
nach Beendigung der Debatte, daß die förmlichen Voraussetzungen des Art. 92
HV vorlägen, sei mit der darauf folgenden, nur durch zwei Wortmeldungen zur
Geschäftsordnung verzögerten Abstimmung über den Untersuchungsauftrag
rechtlich als einheitlicher Vorgang anzusehen, kann der Staatsgerichtshof nicht
folgen. Der tatsächliche Hergang, wie er sich aus den Landtagsdrucksachen ergibt,
läßt die Annahme eines Uno-actu-Beschlusses des Plenums nicht zu. Daß hier der
Landtagspräsident einen Uno-actu-Beschluß nicht herbeizuführen wollte und der
Ländtag einen solchen Beschluß auch nicht gefaßt hat, zeigt der Ablauf der
Behandlung des Einsetzungsantrags im Plenum. Nach Beendigung der
Aussprache erklärte der Landtagspräsident nämlich: "Der Antrag auf Einsetzung
eines Untersuchungsausschusses trägt 20 Unterschriften. Damit ist die nach Art.
92 der Verfassung notwendige Zahl von Antragstellern erreicht. Ich stelle hiermit
die Einsetzung des Untersuchungsausschusses fest." Offenbar ging er hierbei von
der Auffassung aus, er sei zu dieser Feststellung bereits auf Grund des
Minderheitsquorums verpflichtet. Nur daraus erklärt sich auch seine Äußerung,
daß die spätere Abstimmung sich ausschließlich auf den Untersuchungsauftrag
beziehen solle; nur insoweit hielt er eine Abstimmung überhaupt für erforderlich
("Nach § 34 Abs. 1 der Geschäftsordnung hat der Landtag über den
Untersuchungsauftrag zu beschließen. Wir müssen jetzt nach dieser Diskussion
zur Abstimmung über den formulierten Untersuchungsauftrag schreiten." Etwas
später: "Die Damen und Herren, die dem formulierten Untersuchungsauftrag
zustimmen wollen, bitte ich um ein Handzeichen."). Die Abstimmung bezog sich
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zustimmen wollen, bitte ich um ein Handzeichen."). Die Abstimmung bezog sich
mithin nur auf das Untersuchungsthema und umfaßte nicht die Einsetzung, sollte
sie auch im Hinblick auf die Vorstellung, der Untersuchungsausschuß sei schon
eingesetzt, nicht umfassen. Daß nur so der Vorgang im Ländtag verstanden
worden ist, läßt insbesondere die vor der Abstimmung über das
Untersuchungsthema abgegebene Erklärung des Abgeordneten ... erkennen. Auch
keiner der übrigen an diesem Verfassungsstreit Beteiligten hat, nachdem von der
Landesregierung die Frage nach den formellen Erfordernissen der Einsetzung
eines Untersuchungsausschusses besonders aufgeworfen und von den erstatteten
Gutachten eingehend behandelt worden war, eine der Auffassung des
Landesanwalts entsprechende Ansicht vertreten. Alle übrigen Beteiligten gehen -
entsprechend dem Geschehensablauf - davon aus, daß eine förmliche
Beschlußfassung des Plenums über die Einsetzung des
Untersuchungsausschusses nicht erfolgt ist; je nach ihrem Standpunkt halten sie
eine förmliche Abstimmung für erforderlich oder für überflüssig.
Der Staatsgerichtshof vermag sich auch nicht der Auffassung anzuschließen, ein
isolierter Beschluß über die Einsetzung des Untersuchungsausschusses verbiete
sich bei einer Zweiteilung des Verfahrens in Einsetzung und Untersuchungsthema;
über die bloße Einsetzung könne mit Rücksicht auf Art. 88 HV gar kein Beschluß
gefaßt werden. Daß zu dem Einsetzungsantrag auch das Untersuchungsthema
gehört, ist nicht zweifelhaft, wird auch ganz allgemein im Schrifttum vertreten (vgl.
Partsch, Gutächten 45. DJT, S. 15 ff, 36; Maunz-Dürig, Kommentar zum
Grundgesetz, 1964, Rdnr. 34 zu Art. 44). Ein sinnvoller Beschluß des Plenums über
die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses kann nur im Zusammenhang
mit dem Untersuchungsthema gefaßt werden. Es gibt keinen
Untersuchungsausschuß ohne konkreten Auftrag und keinen
Untersuchungsauftrag ohne Untersuchungsausschuß. Der Rechtsanspruch der
qualifizierten Minderheit geht nicht auf die Einsetzung eines beliebigen
Untersuchungsausschusses mit einem beliebigen Thema. Das Thema muß sich
vielmehr innerhalb der Zuständigkeit des Parlaments halten, und der
Untersuchungsausschuß darf nur zur Untersuchung von Einzelfällen eingesetzt
werden. Deshalb steht zwar nichts im Wege, die Beschlüsse über Einsetzung des
Untersuchungsausschusses und Formulierung des Untersuchungsthemas
zusammenzufassen; an ihrer eigenständigen rechtlichen Bedeutung ändert dies
jedoch nichts. Deshalb vermag die Beschlußfassung über den einen Punkt nicht
die über den anderen zu ersetzen. Die generalisierende und vereinfachende
Betrachtung, mit der Beschlußfassung über den konkreten Untersuchungsauftrag
erlange der Untersuchungsausschuß seine verfassungsrechtliche Wirksamkeit,
mag bei Zurückstellung erheblicher Bedenken in unproblematischen Fällen aus
Praktikabilitätsgründen allenfalls noch Platz greifen können - worauf noch
einzugehen sein wird -, ist aber dann nicht haltbar, wenn in der Aussprache
verfassungsrechtliche Bedenken geltend gemacht worden sind. Der
Einsetzungsbeschluß bringt den Willen des Parlaments zum Ausdruck, einen
Untersuchungsausschuß ins Leben zu rufen. Der Beschluß über die Formulierung
bestimmt den Umfang der Untersuchung (vgl. Maunz-Dürig, aaO., Rdnr. 36 mit
Nachweisen).
In der Möglichkeit differenzierender Behandlung zeigt sich der sachliche und
rechtliche Unterschied zwischen der Einsetzung des Untersuchungsausschusses
und der Beschlußfassung über das Untersuchungsthema.
Es kann deshalb die für den rechtlichen Bestand des Untersuchungsausschusses
wesentliche Frage, ob es für dessen Einsetzung eines förmlichen Beschlusses des
Plenums bedurfte oder nicht, nicht deshalb dahingestellt bleiben, weil ein solcher,
wäre er überhaupt Voraussetzung der Einsetzung, jedenfalls mit der Abstimmung
über den Untersuchungsauftrag infolge eines rechtlich einheitlichen Vorganges als
gefaßt anzusehen wäre.
II.
1. Für das bei der Einsetzung von Untersuchungsausschüssen zu beobachtende
Verfahren kommen als Rechtsgrundlagen Art. 92 Abs. 1 Satz 1 HV in Verbindung
mit § 34 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Hessischen Landtags - GeschO - und
parlamentarisches Gewohnheitsrecht, soweit es der Verfassung nicht widerspricht,
in Betracht. Nach Art. 92 Abs. 1 Satz 1 HV hat der Landtag das "Recht und auf
Antrag von einem Fünftel der gesetzlichen Zahl seiner Mitglieder die Pflicht,
Untersuchungsausschüsse einzusetzen." Nach § 34 Abs. 1 GeschO haben "die auf
Grund des Artikels 92 der Verfassung eingesetzten Untersuchungsausschüsse
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Grund des Artikels 92 der Verfassung eingesetzten Untersuchungsausschüsse
unter Beachtung der Vorschriften des Artikels 92 die Angelegenheiten zu
untersuchen, deren Überprüfung ihnen durch Beschluß des Landtags übertragen
wird."
Eine vom Wortlaut ausgehende Auslegung des Art. 92 Abs. 1 Satz 1 HV spricht
dafür, daß es eines Einsetzungsbeschlusses des Landtags bedarf. Auch bei
Antragsteilung durch eine qualifizierte Minderheit hat "der Landtag", also das
Plenum, "Untersuchungsausschüsse einzusetzen". Es wird somit ein
ausdrücklicher Akt des Plenums, nicht etwa der Initienten verlangt. Dies entspricht
im übrigen nicht nur Art. 92 Abs. 1 Satz. 1 HV, sondern auch dem
übereinstimmenden Wortlaut der einschlägigen Verfassungsbestimmungen in
Bund und Ländern, soweit ein Minderheitsrecht überhaupt anerkannt ist (vgl. Art.
44 GG, Art. 35 BadWürtt Verf., Art. 25 Bay Verf., Art. 25 Hambg Verf., Art. 11 Nds
Verf., Art. 41 NRW Verf., Art. 91 RhPf Verf., Art. 91 Saarl. Verf., Art. 15 Schlesw-
Holst Verf.). Für die Form, in welcher der Landtag in einer solchen Angelegenheit
zu handeln hat, ist in Hessen Art. 88 HV heranzuziehen, wonach der Landtag seine
Beschlüsse mit der Mehrheit der auf "Ja" oder "Nein" lautenden Stimmen faßt.
Der Einsetzungsbeschluß bringt den Willen des Parlaments - nicht nur der
Antragsteller - zum Ausdruck, einen solchen Ausschuß ins Leben zu rufen, der mit
den besonderen in der Verfassung nur für Untersuchungsausschüsse
vorgesehenen Befugnissen zur Beweiserhebung ausgestattet ist. Das Parlament
ist im Falle des Antrags einer qualifizierten Minderheit von Verfassungs wegen an
sich verpflichtet, einen Untersuchungsausschuß einzusetzen, hat aber nicht nur
das Recht, sondern auch die Pflicht zu prüfen, ob der Antrag verfassungsrechtlich
zulässig ist; es muß die Einsetzung ablehnen, wenn es den Untersuchungsauftrag
für verfassungswidrig hält. Das ist in Rechtsprechung und Schrifttum anerkannt
(vgl. von Mangoldt-Klein, Das Bonner Grundgesetz, 2. Aufl. 1999
ff., Anm. III 4 b zu Art. 44; Maunz-Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, 1964,
Rdnr. 32 und 35 zu Art. 44, beide mit Nachweisen; Bonner Kommentar, Erl. II 6 zu
Art. 44 GG; Hamann, Das Grundgesetzt, 2. Aufl., Anm. B 2; Staatsgerichtshof für
das Deutsche Reich, Urteile vom 12. Januar 1922 - StGH 2/21 -[RGZ 104, 423 ff]
und vom 18. Juni 1927 - StGH 1/27 -, Lammers-Simons Bd. I (1929) S. 318 [319]
und S. 370 [375]. Schon der Staatsgerichtshof für das Deutsche Reich hatte in der
zuerst angegebenen Entscheidung ausgeführt, daß die Funktionen auch eines
Minderheits-Untersuchungsausschusses "auf einem Auftrag bzw. einer Vollmacht
des Parlaments beruhen", und hatte diese Auffassung dann in der späteren
Entscheidung aufrecht erhalten. Beiden Entscheidungen lagen
Verfassungsbestimmungen zugrunde, die in den hier wesentlichen Punkten mit
Art. 92 HV übereinstimmen. Die Einsetzung des Untersuchungsausschusses durch
das Parlament wie auch dessen Berechtigung und Verpflichtung, das
Einsetzungsbegehren im Fall seiner Verfassungswidrigkeit abzulehnen, -
möglicherweise auch der Umstand, daß ein solches Minderheitsrecht als Mittel
bloßer Obstruktion mißbraucht werden könnte, wogegen es Zur korrekten
Wahrnehmung der Kontrollinstanz des Landtags bedürfte -, geben der strengen
Form eines Plenarbeschlusses durchaus einen Inhalt. Die Einsetzung eines
Untersuchungsausschusses und - in noch größerem Maße - die Ablehnung der
Einsetzung aus verfassungsrechtlichen Gründen sind so bedeutsame
Entscheidungen des Parlaments, daß in der Regel auf die Formstrenge eines
Plenarbeschlusses dabei nicht verzichtet werden kann. Hinzu kommt, daß ein
Einsetzungsbeschluß auch incidenter zum Ausdruck bringt, daß das Parlament im
jeweils konkreten Fall in der Antragstellung keinen Mißbrauch des Antragsrechts
aus bloßer Obstruktion erblickt hat.
2. Gleichwohl hat sich weder im Schrifttum eine einheitliche Überzeugung noch in
der parlamentarischen Praxis eine einheitliche Übung herausgebildet. Die Frage
nach den Erfordernissen der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses auf
Grund eines Minderheitsquorums ist nach wie vor umstritten.
a) In der staatsrechtlichen Literatur ist die Auffassung vorherrschend, es bedürfe
zur Einsetzung eines Minderheitsausschusses notwendig eines Beschlusses des
Plenums als einer bestimmten Form des Tätigwerdens. Dies war schon zur Zeit
der Weimarer Reichsverfassung der Fall (vgl. Lammers, Parlamentarische
Untersuchungsausschüsse, in Anschütz-Thoma, HdbDStR Bd. II, 1932, S. 454 ff
[462 f m. Nachweisen]; Heck, Das parlamentarische Untersuchungsrecht, 1925, S.
30 ff; Alsberg, Verhandlungen des 34. DJT, Bd. I S. 339 f; Jacobi, Verhdlg. 34. DJT,
Bd. II S. 73, 105 f; von Türcke, Die Untersuchungsausschüsse des Reichstages,
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Bd. II S. 73, 105 f; von Türcke, Die Untersuchungsausschüsse des Reichstages,
Diss. Frankfurt (M) 1929, S. 46; Breiholdt, Die Abstimmung im Reichstag, AöR NF.
Bd. 10 [1926] S. 289 ff [333]; Poetzsch-Heffter, Handkommentar der
Reichsverfassung, 3. Aufl. 1928, Anm. I 3 zu Art. 34; Arndt,
Untersuchungsausschuß zur Prüfung der preußischen Rechtspflege?, AöR NF. Bd.
22 [1932] S. 339 ff; Kahn, Parlamentarische Untersuchungsausschüsse, Diss.
Gießen 1931, S. 11; Sackers, Das parlamentarische Minderheitenrecht in
Deutschland, Diss. Freiburg 1933, S. 25; Emmerich, Das Untersuchungsrecht des
Deutschen Reichstages, Diss. Marburg 1934, S. 10 ff). Diese Rechtsauffassung ist
auch für die nach 1945 erlassenen Verfassungen der Länder im Schrifttum für
maßgebend erachtet worden, zumal insoweit der frühere Wortlaut aufrecht
erhalten worden ist. (vgl. Geller-Kleinrahm-Fleck, Die Verfassung des Landes
Nordrhein-Westfalen, 2. Aufl. 1963, Anm. 3 b zu Art. 41, S. 260; Nawiasky-Leusser-
Schweiger-Zacher, Die Verfassung des Freistaates Bayern, 2. Aufl. 1964, Rdnr. 4
zu Art. 25).
Die gegenwärtige Staatsrechtswissenschaft hat der nach wie vor bestehenden
Problematik der Einsetzung von Untersuchungsausschüssen - namentlich auf Art.
44 GG bezogen, dessen Wortlaut insoweit dein Art. 92 HV entspricht - zwar starkes
Interesse entgegengebracht; indes hat sie grundlegende: neue Argumente nicht
hervor zubringen vermocht und nimmt weitgehend auf das frühere Schrifttum
Bezug. Die Rechtsansicht, daß ein Untersuchungsausschuß beim Antrag einer
qualifizierten Minderheit durch die Beratung des Antrags im Plenum kraft
Gesetzesfiktion eingesetzt ist und diese Rechtsfolge nur noch festgestellt zu
werden braucht, hat sich nicht durchgesetzt; es wird vielmehr überwiegend eine
förmliche Einsetzung durch Beschluß gefordert, insbesondere weil ein
rechtswidriger Antrag keinen rechtmäßig bestehenden Ausschuß hervorrufen
könne, unbeschadet des faktischen Bestandes des Ausschusses. Die qualifizierte
Minderheit sei zwar insofern Herr der Einsetzung, als sie über die Zweckmäßigkeit
der Einsetzung entscheide; der Mehrheit stehe aber die Kontrollbefugnis bezüglich
der Rechtmäßigkeit zu (vgl. Laforet, Gutachten zu Art. 44 GG, erstattet von ihm als
Vorsitzenden des Rechtsausschusses des 1. Deutschen Bundestages, abgedruckt
in Ritzel-Koch, Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages, Kommentar 1952,
Anm. 10 zu § 63; Partsch, Gutachten in Verhandlungen des 45. DJT, 1964, Bd. I Teil
3, S. 35, 199; Jordan,
Das parlamentarische Untersuchungsverfahren in den ersten drei
Legislaturperioden des Deutschen Bundestages, Diss. Tübingen 1964, S. 64;
Mensching, Parlamentarische Untersuchungsausschüsse gemäß Art. 44 BGG,
Diss. Hamburg 1964, S. 23; Halstenberg, Das Verfahren der parlamentarischen
Untersuchung nach Art. 44 des Grundgesetzes unter besonderer Berücksichtigung
des Verhältnisses zur Gerichtsbarkeit, Diss. Köln 1957, S. 177; Kintzi, Die
Rechtsstellung der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse in der
Bundesrepublik Deutschland, Diss. Kiel 1958, S. 61). Auch die Empfehlungen der
Konferenz der Präsidenten der deutschen Länderparlamente zur Regelung des
Verfahrens von parlamentarischen Untersuchungsausschüssen haben sich dafür
ausgesprochen, daß über die: Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ein
Plenarbeschluß herbeigeführt werden solle, und zwar auch, wenn der Antrag von
einer qualifizierten Minderheit gestellt wird, die nach der Verfassung die Einsetzung
eines Untersuchungsausschusses erzwingen kann (II. 4, abgedruckt als Anhang zu
Becker "Parlamentarische Untersuchungsausschüsse", DöV 1964 S. 509 f, und zu
Groß "Empfiehlt es sich, Funktion, Struktur und Verfahren der parlamentarischen
Untersuchungsausschüsse grundlegend zu ändern?" JR 1964 S. 327 ff; vgl. jedoch
die dazu gegebenen Erläuterungen).
b) Demgegenüber wird in namhaften Kommentaren zum Grundgesetz, offenbar in
Anlehnung, an die frühere Praxis des Bundestags und die überwiegende Praxis der
Landtage, die Meinung vertreten, daß zwar der Untersuchungsausschuß vom
Plenum eingesetzt werde, die Einsetzung aber nicht notwendig einen Beschluß des
Plenums erfordere, weil dieses verpflichtet sei, einem solchen Antrag stattzugeben
(sogenanntes vereinfachtes Verfahren).
Maunz .weist in Maunz-Dürig (aaO.) darauf hin, daß der Einfluß der Mehrheit bei
der Minderheits-Enquete gering sei, da bereits die Antragsteller über die
Einsetzung des Untersuchungsausschusses entschieden; die
Einsetzungsverpflichtung der Mehrheit habe in der Praxis weitgehend dazu geführt,
daß ein besonderer Beschluß über die Einsetzung nicht mehr ergehe, wenn der
Antrag den erforderlichen Voraussetzungen entspreche. Der Antrag werde im
Plenum besprochen und müsse in der Regel stillschweigend oder ausdrücklich
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Plenum besprochen und müsse in der Regel stillschweigend oder ausdrücklich
angenommen werden, wenn er nicht verfassungswidrig sei. Maunz hält dieses
vereinfachte Verfahren für verfassungsrechtlich unbedenklich. Für ebenso zulässig
sieht er allerdings auch einen gesonderten Beschluß des Plenums über die
Einsetzung an, "wie es dem Wortlaut des Art. 44 Abs. I Satz 1 entspricht."
Andererseits verlangt er, daß das Plenum unverzüglich über den
Minderheitsantrag "abstimme" (Rdnr. 32, 34, 35, 37 und 38). Nicht unwichtig
scheint seine Ansicht, daß eine Zurückweisung möglich ist, "wenn der Antrag
verfassungswidrig ist, wenn er also z.B. das Untersuchungsthema nicht bestimmt
genug bezeichnet öder über den Aufgabenbereich des Bundestages hinausreicht.
... Vielmehr muß er bei solchen Zweifeln stets der Abstimmung im Plenum
unterstellt werden. Nur so ist die Gefahr der Vereitelung des Minderheitsrechts
durch Verschleppung zu verhindern. Hält das Plenum den Antrag für unzulässig, so
kann es ihn zurückweisen" (Rdnr. 38). Durch diese Bemerkung erscheinen die
Ausführungen von Maunz nicht so miteinander unvereinbar, wie Partsch
(Prozeßgutachten S. 6/7) meint. Daß eine Entscheidung des Plenums schlechthin
entbehrlich sei, nimmt auch Maunz in den Fällen von Minderheits-Enqueten dann
nicht an, wenn verfassungsrechtliche Zweifel bestehen.
Einen formellen Einsetzungsbeschluß des Plenums halten weiter von Mangoldt-
Klein (aaO,. Anm. III 4 b zu Art. 44 GG), Ritzel-Koch (aaO., Anm. 1 a zu § 63 BT.-
GeschO) und Freihöfer (Der parlamentarische Geschäftsgang bei Einsetzung von
Untersuchungsausschüssen, Diss. Göttingen 1956, S. 54 ff., S. 58) für die
Einsetzung eines Untersuchungsausschusses mit Rücksicht auf die gegenüber der
beantragenden Minderheit bestehende Verpflichtung für nicht erforderlich; einer
besonderen Abstimmung darüber bedürfe es nicht; sie habe rein formale
Bedeutung. Die Zuständigkeit des Plenums, über die Einsetzung zu entscheiden,
wird jedoch nicht geleugnet, indem zumindest eine "reinigende Plenardebatte"
über die Einsetzung des Untersuchungsausschusses verlangt wird, damit der
Minderheitsantrag die "parlamentarische Weihe" erhält. Ein Einsetzungsbeschluß
wird aber dann gefordert, wenn der Einwand verfassungsrechtlicher Unzulässigkeit
des Untersuchungsausschusses erhoben worden ist, weil z.B. der Gegenstand der
Untersuchung nach der Meinung der Mehrheit des Plenums außerhalb der
Zuständigkeit des Bundestags und damit auch derjenigen des
Untersuchungsausschusses liegt. Entgegen seinem eigentlichen Wortlaut
erläutern auch die Landtagspräsidenten den Leitsatz II. 4 ihrer Empfehlungen
dahin. Plenarbeschluß bedeute nicht, daß der Präsident in jedem Falle förmlich
abstimmen lassen müßte; es solle nur klargestellt werden, daß der
Untersuchungsausschuß nicht bereits durch den Antrag der qualifizierten
Minderheit, sondern allein durch einen Akt des Plenums existent werde (S. 13 des
Sonderdrucks des Landtags Rheinland-Pfalz 1961).
c) Am weitesten geht die Meinung, daß eine Entscheidung des Landtags über die
Einsetzung eines Untersuchungsausschusses überhaupt nicht erforderlich sei, da
schon ein den Anforderungen der Verfassung genügender Antrag der qualifizierten
Minderheit durch seine Einbringung oder Behandlung im Plenum die Einsetzung
eines Untersuchungsausschusses bewirke, für die Existenz des
Untersuchungsausschusses also bereits der Beschluß der Minderheit genüge. Von
dieser Auffassung ist die parlamentarische Praxis im Reichstag der Weimarer Zeit
wiederholt ausgegangen. Im staatsrechtlichen Schrifttum hat Walter Lewald
(Enqueterecht und Aufsichtsrecht, AöR NF. Bd. 5, 1923, S. 269 ff.) diese
Parlamentspraxis wissenschaftlich zu stützen versucht, indem er aus dem
Minderheitsrecht ein Minderheitsprinzip entwickelte und der Minderheit die
Kompetenz zusprach, durch ihren Willen den Willen der Volksvertretung zum
Ausdruck zu bringen; kraft des Minderheitsprinzips sei "der Minderheit die Fähigkeit
verließen, aus sich heraus den Kollektivwillen zu bilden", so daß rechtlich "die
Beschlußfassung der Minderheit nicht Betätigung subjektiven Minderheitsrechts,
sondern spezifische Organtätigkeit des Parlaments" sei (S. 319). Deshalb genüge
ein von der qualifizierten Minderheit getragener Beschluß zur Einsetzung des
Untersuchungsausschusses. Einige Jahre darauf glaubte Biedermann (Die
Untersuchungsausschüsse im deutschen Staatswesen, Diss. Halle-Wittenberg
1929) feststellen zu können, daß dem Geist dieser Theorie in Preußen und im
Reich der parlamentarische Brauch entspreche; beim Vorliegen des erforderlichen
Quorums habe der Präsident stets festgestellt, über das angegebene Thema sei
ein Untersuchungsausschuß eingesetzt (vgl. auch die von Poetzsch, Jahrbuch d.
öffentl. Rechts Bd. 13 S. 21 ff, Bd. 17 S.7 S ff angeführten Verhandlungen des
Reichstags). Diese Auffassung wird jetzt, soweit ersichtlich, nur noch von Lechner-
Hülshoff (Parlament und Regierung, 2. Aufl. 1958, Anm. 1 Abs. 1 zu § 63 BT.-
GeschO, S. 192) vertreten.
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3. In der parlamentarischen Praxis wird bei der Einsetzung von
Untersuchungsausschüssen, die eine qualifizierte Minderheit beantragt hat,
uneinheitlich verfahren, und zwar auch innerhalb ein- und; desselben Parlaments.
Teils wird ein Plenarbeschluß über die Einsetzung herbeigeführt, teils wird der
Ausschuß mit der Beratung des Antrags der qualifizierten Minderheit im Plenum
als eingesetzt erachtet und nur noch über die Mitgliederzahl abgestimmt (siehe
die von Partsch, Gutachten 45. DJT, S. 34/35, Prozeßgutachten S. 17 ff.
aufgezeichnete Praxis des Bundestages und der Landtage; ferner Schriftsatz des
Landtagspräsidenten in dieser Sache vom 3. Mai 1965 S. 19 ff.). Im Bundestag
werden, seitdem gelegentlich der Einsetzung des Untersuchungsausschusses
"Personalpolitik im Auswärtigen Dienst" erhebliche Zweifel geäußert und die
Handhabung der Einsetzung, allerdings erfolglos, gerügt worden sind (vgl. 170.
Sitzung vom 24. Oktober 1951, Sten.Ber. Band 9 S. 7036 c), die
Untersuchungsausschüsse jeweils durch Plenarbeschluß eingesetzt.
Die Praxis des Hessischen Landtags zeigt, daß sowohl die förmliche
Beschlußfassung (Untersuchungsausschuß "...", IV. Wahlp. Drs. Abt. III Nr. 5 S. 78)
als auch das vereinfachte Verfahren (Untersuchungsausschüsse "..." III. Wahlp.
Drs. Abt. III Nr. 14 S. 537, "..." IV. Wahlp. Drs. Abt. III Nr. 31 S. 1194, "..." IV. Wahlp.
Drs. Abt. III Nr. 41 S. 1647, "..." IV. Wahlp. Drs. Abt. III Nr. 47/48 S. 1062/1991) bei
der Einsetzung von Untersuchungsausschüssen, die von qualifizierten
Minderheiten beantragt waren, angewendet wurden. Eine einheitliche
Parlamentspraxis hat sich insoweit nicht gebildet; es sind Bedenken - allerdings
vergeblich - gegen die Einsetzungspraxis ohne förmliche Beschlußfassung des
Plenums erhoben worden (Untersuchungs-)ausschuß "...", 41. Sitzung vom 28. Juni
1961, Drs. Abt. III S. 1647). Daraus, daß im Hessischen Landtag die beschlußlose
Einsetzung vorherrschte, kann nur gefolgert werden, daß Art. 92 HV und § 34. Abs.
1 GeschO in diesem Sinne verstanden wurden. Indessen ist die parlamentarische
Praxis dann ohne rechtliche Relevanz, wenn ihr Verfassungsrecht entgegensteht;
dieses kann, durch sie nicht geändert werden.
Immerhin kann angenommen werden, daß auch im Hessischen Landtag davon
ausgegangen wurde, die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses auf Antrag
einer qualifizierten Minderheit erfolge nicht bereits durch deren Willensäußerung,
sondern erst durch eine Entscheidung des Landtags selbst, denn die Anträge
wurden übereinstimmend - entsprechend § 54 Abs. 2 GeschO - mit der
Formulierung eingeleitet: "Der Landtag wolle beschließen: Es wird ein
Untersuchungsausschuß ..... eingesetzt ....." (vgl. Anträge vom 28.6.1955, Drs.
Abt. I Nr. 253; 13.1.1959, Drs. Abt. I Nr. 22; 14.9.1960, Drs. Abt. I Nr. 717;
27.6.1961; Drs. Abt. I Nr. 1099; 20.6.1961, Drs. Abt. I Nr. 1103; 28.11.1961, Drs.
Abt. I Nr. 1379 und vom 25.8.1964, Drs. Abt. I Nr. 991). Damit scheidet auch die
Möglichkeit aus, daß der Landtagspräsident durch seine Erklärung "Ich stelle
hiermit die Einsetzung des Untersuchungsausschusses fest" den Ausschuß hätte
einsetzen können. Der Landtagspräsident handelt nicht an Stelle des Plenums,
sondern leitet dessen Verhandlungen; er vertritt den Landtag nach außen,
selbständige Entscheidungsbefugnisse hat er in der Geschäftsführung und
wirtschaftlichen Verwaltung des Landtags, in der Dienstaufsicht über
Landtagsbedienstete, in der Einberufung des Landtags und in der Sitzungsleitung
(§§ 14 Abs. 1, 74 ff. GeschO; Art. 83 Abs. 5, 86 HV), nicht jedoch in der Einsetzung
von Untersuchungsausschüssen.
III.
Wenngleich viel für die Rechtsansicht spricht, es sei stets ein formeller Beschluß
des Plenums für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses erforderlich,
bedarf es einer Entscheidung dieser Frage nicht, weil schon die erheblichen
verfassungsrechtlichen Bedenken, die in der Debatte über die Einsetzung des
Untersuchungsausschusses wiederholt geäußert wurden, eine förmliche
Entschließung des Plenums über die Zulässigkeit der Einsetzung des beantragten
Untersuchungsausschusses zwingend erforderten.
1. Mit Ausnahme der unter II. 2 c dargelegten Rechtsansicht, die bei der heutigen
verfassungsrechtlichen Situation mit den Einrichtungen einer
Verfassungsgerichtsbarkeit in Bund und Ländern nicht mehr ernsthaft vertreten
werden kann, gehen sämtliche Auffassungen im Schrifttum zutreffend davon aus,
daß ein beantragter Untersuchungsausschuß noch nicht ohne weiteres in der Welt
ist; der Antrag einer qualifizierten Minderheit begründet vielmehr nur die Pflicht des
Plenums, den Untersuchungsausschuß einzusetzen. Doch nur einem zulässigen
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Plenums, den Untersuchungsausschuß einzusetzen. Doch nur einem zulässigen
Minderheitsantrag muß die Parlamentsmehrheit entsprechen, nicht einem
Antrage, der eine verfassungswidrige oder sonst ungesetzliche Untersuchung
bezweckt. Dies ist zwar in Art. 92 HV und § 34 GeschO - wie auch in anderen
Verfassungen und parlamentarischen Geschäftsordnungen - nicht eindeutig zum
Ausdruck gekommen, entspricht indes allgemeiner Auffassung; Art. 92 HV und §
34 GeschO regeln lediglich den Normalfall.
Die Darlegungen derjenigen Beteiligten dieses Verfassungsstreits, die die
Notwendigkeit eines formellen Einsetzungsbeschlusses des Landtags leugnen,
gehen auch immer nur vom Normalfall aus. Es mag sein, daß die übliche
Feststellung des Präsidenten, der Antrag sei von dem verfassungsmäßigen
Quorum gestellt und der Untersuchungsausschuß damit eingesetzt, die
Handhabung der Einsetzung erleichtert und in Normalfällen auch
verfassungsrechtlich unbedenklich ist. In solchen Fällen ließe sich die
widerspruchslose Hinnahme der Einsetzungsfeststellung durch das
Gesamtparlament wohl dahin deuten, daß die Mehrheit des Hauses der
Einsetzung des Untersuchungsausschusses zustimmt, oder - wie es ... formuliert -
in eine Feststellung der Mehrheit darüber, "daß der Antrag den Voraussetzungen
des Minderheitenrechts entspricht und nicht gegen, das Gesetz verstößt" (aaO., S.
59). Es mag auch richtig sein, daß auf diese Weise die Abstimmung vereinfacht
und der "Pflichtbeschluß" des Parlaments in der stillschweigenden Zustimmung zur
Feststellung des Präsidenten erblickt wird. Auch wenn man im Einzelfall das
Stillschweigen der Mehrheit als Stimmenthaltung deuten will, wäre durch die in
jedem Fall vorliegende Unterstützung des Antrags durch die Antragsteller ein
echter Mehrheitsbeschluß gegeben. Es mag auch zugestanden werden, daß
dieses vereinfachte Verfahren der politisch-parlamentarischen Wirklichkeit deshalb
entgegenkommt, weil so nicht die Mehrheit, insbesondere auch nicht der einzelne
Abgeordnete, gezwungen wäre, einem Antrage zuzustimmen, den sie aus
politischen und sächlichen Gründen mißbilligt und abzulehnen gewillt ist. Indessen
versagen alle diese Praktikabilitätsgesichtspunkte, wie sie wahrscheinlich auch
beim Hessischen Landtag eine Rolle spielten, dann, wenn die
Verfassungsmäßigkeit eines einzusetzenden Untersuchungsausschusses in Frage
gestellt wird. Es ist, was auch im Schrifttum mit Nachdruck vermerkt wird, Pflicht
des Plenums, Einsetzungsanträge auf ihre Rechtmäßigkeit zu prüfen (vgl.
Lammers, aaO., S. 463; Heck, aaO., S. 31; Sackers, aaO., S. 56; Maunz, aaO.,
Rdnr. 38 zu Art. 44 GG; Kintzi, aaO., S. 63; StGH vom 12. Januar 1922 - StGH 2/21
-, RGZ 104, 423 ff.).
Mit Recht hat die Landesregierung darauf hingewiesen, daß der Landtag als
Institution die Verantwortung dafür übernehmen muß, daß sein Verhalten mit der
Verfassung in Einklang steht, insbesondere wenn er öffentliche Gewalt ausübt. In
der Tat darf die eigene Verantwortung der Legislative für ihr rechtliches Verhalten
nicht gering eingeschätzt oder ihr gar abgesprochen werden. Jedenfalls kann dann
nicht von einem förmlichen Beschluß abgesehen werden, wenn die Pflicht zur
Einsetzung rechtlich zweifelhaft ist oder gar nicht besteht (so auch Arndt, AöR NF.
Bd. 22 S. 340). Immer dann, wenn - wie hier - die ins Feld geführten rechtlichen
Bedenken an der Zulässigkeit des Ausschusses nicht offensichtlich unbegründet
sind oder gar nur vorgeschützt werden, kann sich das Plenum seiner
verfassungsmäßigen Nachprüfungspflicht nicht entziehen, andere falls liefe es
Gefahr, daß ein Minoritätsrecht zur Obstruktion und als politisch-
propagandistisches Mittel mißbraucht wird. Die Verfassungsmäßigkeit
nachzuprüfen, gebietet der gegenwärtig sich vollziehende Bedeutungswandel des
Untersuchungsrechts. Dieses ist nun nicht mehr so sehr auf die Kontroverslage
des Parlaments zur Regierung als auf die der Mehrheit zu Opposition angelegt.
Das Untersuchungsrecht wird zu einem Instrument der Opposition. Erst in deren
Hand gewinnt das Untersuchungsinstitut seinen akzentuiert politisch-
propagandistischen Zug (vgl. Steffani, Funktion und Kompetenz parlamentarischer
Untersuchungsausschüsse, Politische Vierteljahresschrift, Jahrg. I und II, 1960/61,
S. 153 ff [175]. Das Recht darf jedoch nicht durch politisch-taktische Erwägungen
verdrängt werden. Die Gefahr, daß in mißbräuchlicher Anwendung des
parlamentarischen Prüfungsrechts ein berechtigtes Untersuchungsbegehren einer
parlamentarischen Minderheit durch die Mehrheit vereitelt werden könnte, ist
insofern nicht allzu groß, als die Entschließung des Parlaments der Kontrolle des
Staatsgerichtshofs (Art. 131 HV) unterworfen werden kann (vgl. auch Geller-
Kleinrahm-Fleck, aaO.; Nawiasky-Leusser-Schweiger-Zacher, aaO.).
Es zeigt sich somit, daß das Erfordernis eines Beschlusses zumindest in Fällen
rechtlich zweifelhafter Einsetzungsanträge - wobei sich die Zweifel wohl
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rechtlich zweifelhafter Einsetzungsanträge - wobei sich die Zweifel wohl
überwiegend gegen die Verfassungsmäßigkeit des Untersuchungsthemas richten
dürften - auch seinen guten Sinn hat; von einer reinen Formalität kann daher nicht
gesprochen werden. Zum einen wird so das Minderheitsrecht nicht so leicht mehr
als Mittel bloßer Obstruktion mißbraucht werden können. Zum anderen entspricht
dies auch dem Wesen des Untersuchungsausschusses als eines "Hilfsorgans des
Parlaments"; auch der Minderheitsausschuß wird nicht nur von der beantragenden
Minderheit, sondern vom ganzen Parlament getragen. Das Recht der Minderheit,
Untersuchungsausschüsse zu erwirken, wird damit nicht angetastet; der Gefahr
einer Majorisierung wirkt verfassungsgerichtlicher Schutz entgegen. Schließlich
werden durch eine förmliche Beschlußfassung auch klare Fronten innerhalb des
Parlaments selbst geschaffen, was gerade bei beantragten
Untersuchungsausschüssen angezeigt ist, deren Zulässigkeit von
Parlamentsmitgliedern nicht ohne Grund in Zweifel gezogen wird. Es wird auch
dann, was hier unverkennbar der Fall ist, eine Verkehrung der Beteiligtenpositionen
in einem verfassungsgerichtlichen Verfahren vermieden.
Das es hiernach auf die tatsächliche und rechtliche Situation des
Einsetzungsvorgangs des in Frage stehenden Einzelfalles ankommt, kann
unerörtert bleiben, ob und in welchem Umfang die bisherige Einsetzungspraxis des
Hessischen Landtags, überwiegend ohne förmlichen Beschluß, zu rechtlichen
Bedenken hätte Anlaß geben können. Es ist nicht Aufgabe des Staatsgerichtshofs,
die parlamentarische Praxis des Landtags bei der Einsetzung von
Untersuchungsausschüssen schlechthin einer rechtlichen Prüfung zu unterziehen.
2. Daß in diesem Fall in der Landtagsverhandlung erhebliche Zweifel über die
Einsetzung des beantragten Untersuchungsausschusses wiederholt -
insbesondere von Mitgliedern der SPD-Fraktion - geäußert wurden, wird von keiner
Seite in Abrede gestellt. Die Landtagsdrucksachen über die 30. Sitzung des
Hessischen Landtags vom 16. September 1964 weisen aus, daß in der Aussprache
über den Antrag mehrmals Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des
Themas der beantragten Untersuchung geäußert würden. So hat der Abgeordnete
... erklärt: "Ein Willensstrafrecht existiert im parlamentarischen Bereich nicht. Die
Erwägungen, die die Landesregierung trifft, und die Absichten, die sie unter
Umständen hat, können Sie nicht irgendeiner Untersuchung unterziehen. Wir
hätten es bestenfalls mit Vorlagen zu tun, Vorlagen, die beispielsweise eine
haushaltsrechtliche Auswirkung haben. ..... Dann ist es unmöglich, nach den
Erwägungen [der Landesregierung] zu fragen ....., sondern das Parlament tritt in
sein Recht ein und in seine Pflicht, wenn die Regierungsvorlage vorliegt. ..... [Die
Regierung] hätte warten können, bis eine haushaltsrechtliche Folge sie zu einer
Vorlage zwingt" (V. Wahlp. Drs. Abt. III Nr. 30 S. 1197 linke Spalte). ".....Sie
möchten wissen, welche Erwägungen angestellt waren, und möchten restlose
Aufklärung über die Erwägungen. Ich zweifele, daß man dem Parlament, ehe eine
Vorlage vorliegt, restlose Aufklärung über Erwägungen geben kann. Ich wiederhole:
Ein Willensstrafrecht - so etwas wäre das, was Sie da wollen - existiert jedoch hier
nicht" (o.a. Drucks. so 1198). "..... Wer seine Pflicht als Abgeordneter gewissenhaft
ausübt, kann nicht Verhandlungen stören, die irgendwie im Gange sind und bei
denen er selbst nicht beurteilen kann, was dabei herauskommt, obwohl es ihm
dann später vorgelegt wird. Wo kommen wir hin, wenn alle solche Verhandlungen
hier dargelegt werden sollen? Das wäre verfassungsmäßig nicht in Ordnung und
würde außerdem in höchstem Grade schädlich sein" (o.a. Drucks. S. 1198 r. Sp.).
Auch der Abgeordnete ... hat Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des
Untersuchungsthemas erhoben: "..... Wir haben uns in diesem Rahmen im
Augenblick nur darüber zu unterhalten, ob das, was untersucht werden soll gemäß
dem Antrag, überhaupt ein Untersuchungstatbestand sein kann. Aber darüber
wird dann der Untersuchungsausschuß selbst befinden ....." (o.a. Drucks. S. 1199
1. Sp.). "..... Der Untersuchungsausschuß wird also selbst zu prüfen haben, was er
im Rahmen des in dem Antrag gestellten Untersuchungstatbestandes
untersuchen kann" (S. 1200 r. Sp.). ".....und da erhebt sich doch die Frage: Ist das
zulässig? - Nein, das ist nicht zulässig, daß Sie diese Offenbarungen vor dem
Untersuchungsausschuß, möglichst unter Eid und mit Zwangsandrohungen
verlangen. Das können Sie nicht, weil das Dritte in diesem Lande in ihren
Wirtschafts- und Vermögensinteressen gefährdet" (S. 1204 r. Sp.). Auch Von
anderer Seite als der SPD-Fraktion wurde die Auffassung vertreten, daß der
Untersuchungsausschuß von sich aus die Verfassungsmäßigkeit des
Untersuchungsthemas prüfen und danach entscheiden solle, welche Fragen er
untersuchen dürfe. So hat der CDU-Abgeordnete ... geäußert: "Dabei (bei der
Untersuchung) brauchen legitime Interessen Dritter nicht unbedingt verletzt zu
werden..... Es liegt aber an Ihnen, durch eine ganz klare Darstellung des
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werden..... Es liegt aber an Ihnen, durch eine ganz klare Darstellung des
Sachverhalts im Untersuchungsausschuß gleich die eine oder andere Frage zu
erübrigen. Das wäre dann eine Sache, die der Entscheidung dieses Ausschusses
überlassen werden sollte" (S. 1196). Der CDU-Abgeordnete ... hat sich gleichfalls in
einem Zwischenruf gegenüber dem Abgeordneten Radke hinsichtlich der
Befugnisse des Untersuchungsausschusses dahin geäußert:
"Überlassen Sie das dem Untersuchungsausschuß!" (S. 1204 r. Sp.). Schließlich
hat der Abgeordnete ..., nachdem der Landtagspräsident bereits die Einsetzung
des Untersuchungsausschusses festgestellt hatte und die Aussprache über den
Antrag geschlossen worden war, unmittelbar vor der Abstimmung über den
formulierten Untersuchungsauftrag für die SPD-Fraktion zur Geschäftsordnung die
Erklärung abgegeben: "Ich habe für meine Fraktion die Erklärung abzugeben, daß
wir uns zu dem Untersuchungsauftrag nur deshalb der Stimme enthalten, weil wir
dem Antragsteller nicht das Argument liefern wollen, wir hätten, wie fälschlich
behauptet wurde, den Untersuchungsausschuß in irgendeiner Weise verhindern
wollen. Wir haben, wenn die Fragen schon gestellt werden, ein lebendiges Interesse
daran, daß es schnell zu den - für Sie (zur CDU) sehr unangenehmen -
Feststellungen kommen wird. Aber wir machen ausdrücklich auf die rechtlichen
Bedenken aufmerksam, die dann im Ausschuß zu prüfen sind, wenn er sich bei der
einzelnen Fragestellung außerhalb der Verfassung bewegt" (S. 1204).
Allerdings ist trotz aller dieser in der Debatte geäußerten verfassungsrechtlichen
Bedenken die Feststellung des Landtagspräsidenten, der Untersuchungsausschuß
sei eingesetzt, vom Plenum ohne Widerspruch hingenommen worden. Wenn auch,
wie aufgezeigt, die Sprecher der SPD-Fraktion die sachliche und zeitliche
Zweckmäßigkeit des CDU-Antrags heftig kritisierten und sogar
verfassungsrechtliche Bedenken geltend machten, so fielen doch auch
Äußerungen, daß man einen Untersuchungsausschuß einsetzen sollte. So erklärte
der Abgeordnete ... "Ich glaube deshalb, daß man diesen Untersuchungsausschuß
einsetzen sollte" (Drs. Abt. III S. 1200 r. Sp.). In einem Zuruf von der SPD heißt es:
"Wer hat sich denn gewehrt? Es wehrt sich doch niemand gegen den Ausschuß!"
(Sp. 1202). Dieser Zuruf erfolgte, nachdem der CDU-Abgeordnete ... geäußert
hatte, die SPD wehre sich gegen die Einsetzung des Ausschusses. Als der
Abgeordnete ... erklärte: "Mit diesen Ausführungen haben Sie darstellen wallen,
daß wir keinen Untersuchungsausschuß beantragen könnten, sondern daß diese
Fragen im Plenum behandelt werden müßten," erfolgte der Zuruf des
Abgeordneten ... (SPD): "Natürlich können Sie einen Untersuchungsausschuß
beantragen!" (S. 1202 1. Sp.). Die gesamte Einsetzungsdebatte läßt Unklarheit
über die Aufgabe des Plenums erkennen, verfassungsrechtliche Zweifel hinsichtlich
des Untersuchungsauftrags zu entscheiden. Die SPD-Fraktion hielt sowohl aus
Gründen der politischen Zweckmäßigkeit, die einen von einer qualifizierten
Minderheit beantragten Untersuchungsausschuß nicht hätten verhindern können,
als auch aus Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit die Einsetzung des
Untersuchungsausschusses für unangebracht und für unzulässig. Wenn sie
dennoch keine förmliche Beschlußfassung durch das Plenum verlangte und sich
hinsichtlich des Untersuchungsauftrags sogar der Stimmen enthielt, so war -
ausweislich der Landtagsdrucksachen - hierfür maßgebend, daß sie den
Antragsteilern nicht das Argument liefern wollte, sie habe den Ausschuß
verhindern wollen (Erklärung des Abg. ..., Drs. Abt. III S. 1204 r. Sp.). Gleichzeitig
wurde aber wiederum auf die verfassungsrechtlichen Bedenken ausdrücklich
hingewiesen.
Angesichts des Verlaufs der Plenardebatte kann man schwerlich von einer
"eindeutigen stillschweigenden Zustimmung zur Einsetzung" sprechen, wobei es
dahingestellt bleiben kann, ob es überhaupt stillschweigende
Parlamentsbeschlüsse gibt. Ebensowenig kann ein Verzicht der Landtagsmitglieder
auf förmliche Abstimmung als zulässig angenommen werden, weil es sich insoweit
um eine im öffentlichen Interesse gegebene und daher unverzichtbare Vorschrift
handelt. Mindestens wäre Voraussetzung für einen solchen Verzicht gewesen, daß
sich die Landtagsmitglieder der Fehlerhaftigkeit dieses Verfahrens (auch bei
extensiver Auslegung des Art. 92 Abs. 1 Satz 1 HV) bewußt gewesen wären (vgl.
Arndt, AöR NF. Bd. 22 S. 342). Hier ist man allem Anschein nach jedoch davon
ausgegangen, daß ein Widerspruch gegen die Einsetzung zwecklos sei, da das
Minderheitsquorum zur Einsetzung genüge. Jedenfalls können die geltend
gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken nicht aus der Debatte eliminiert
werden. Selbst wenn die SPD-Fraktion und die Landtagsmehrheit sich mit der
Einsetzung des Untersuchungsausschusses aus rein politischen Gründen
abgefunden haben mag, so konnte diese Einsetzung durch bloße deklaratorische
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abgefunden haben mag, so konnte diese Einsetzung durch bloße deklaratorische
Feststellung des Landtagspräsidenten nur faktische und nicht rechtliche
Bedeutung haben. Die, wie darzulegen sein wird, nicht lediglich vorgeschützten,
sondern zumindest in wesentlichen Punkten nicht offensichtlich unbegründeten
verfassungsrechtlichen Bedenken und Zweifel an der Zulässigkeit des beantragten
Untersuchungsausschusses ließen eine Einsetzung nicht ohne förmliche
Entschließung des Plenums zu. Hinzu kommt, daß gerade die Debatte und die in
ihr zu Tage getretenen rechtlichen Bedenken bei dem einen oder anderen
Abgeordneten der antragstellenden CDU-Fraktion eine andere Auffassung
hinsichtlich der Einsetzung des Untersuchungsausschusses hätte hervorrufen
können, so daß erst eine Abstimmung gezeigt hätte, ob noch das erforderliche
Quorum gegeben war.
3. Die in der Einsetzungsdebatte wiederholt und zum Teil sehr deutlich geltend
gemachten Zweifel an der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit des beantragten
Untersuchungsausschusses erscheinen auch nicht nur aus politischen Gründen
von der Mehrheit des Landtags vorgeschützt. Sie sind offenbar sog von
Abgeordneten der beantragenden Minderheit nicht als abwegig angesehen
worden, sonst wären deren Äußerungen, der Ausschuß solle die Zweifel selbst
klären, nicht verständlich.
Das Vorbringen verfassungsrechtlicher Bedenken durch die Mehrheit in der bloßen
Absicht, dadurch den Einsetzungsantrag der Minderheit zu Fall zu bringen, wäre
freilich eine mißbräuchliche Ausübung der parlamentarischen Möglichkeiten einer
Parlamentsmehrheit, wenngleich auch dann die Minderheit - wie ausgeführt - noch
nicht schutzlos wäre. Andererseits dürfen an die Begründetheit der gegen die
Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ins Feld geführten
verfassungsrechtlichen Bedenken, die sich im allgemeinen gegen den
Untersuchungsauftrag richten, keine zu großen Anforderungen gestellt werden,
wenn ein Parlament schon meint, aus Gründen der Verfahrensvereinfachung und
der Praktikabilität grundsätzlich von einer förmlichen Abstimmung
("Pflichtbeschluß") ansehen zu sollen. Daß die in der Einsetzungsdebatte
vorgebrachten verfassungsmäßigen Zweifel nicht ernst gewesen, sondern nur
gewissermaßen nebenbei aus taktischen Gründen aufgeworfen worden seien, ist
von keiner Seite, auch nicht in der Plenardebatte selbst vorgebracht worden. In der
Tat sind die gegen die Zulässigkeit des Untersuchungsauftrags erhobenen
verfassungsrechtlichen Bedenken nicht offensichtlich unbegründet und auch von
den Antragstellern nicht als nur vorgeschützt erachtet worden. Sie richteten sich
gegen den Inhalt des Untersuchungsauftrags, weil dadurch noch im Gange
befindliche Verhandlungen gestört, Rechte Dritter verletzt und Erwägungen und
Absichten der Landesregierung, bevor sie sich zu einer Vorlage verdichtet hätten,
in unzulässiger Weise vorzeitig ausgeforscht würden. Damit wurde die
verfassungsrechtlich bedeutsame Frage nach den gegenständlichen Grenzen des
Untersuchungsrechts aufgeworfen. Daß die geltend gemachten Bedenken gegen
den materiellen Inhalt des Untersuchungsauftrags nicht offensichtlich unbegründet
waren - nur in diesem Umfange sind sie hier zu prüfen -, zeigen folgende rechtliche
und tatsächliche Erwägungen.
a) Aus dem Wesen des Untersuchungsausschusses als Hilfsorgan des Parlaments
ergibt sich eine gegenständliche Beschränkung der Untersuchung auf die
Kompetenz des Parlaments selbst; nur innerhalb der Parlamentskompetenz kann
der Untersuchungsausschuß tätig werden; einen selbständigen vom Willen des
Landtages unabhängigen Wirkungskreis besitzt er nicht (vgl. Anschütz, Die
Verfassung des Deutschen Reiches vom 11. August 1919, 14. Aufl. 1933, Anm. 3
zu Art. 34; Maunz-Dürig, aaO., Rdnr. 10, 11 und 15 zu Art. 44 GG mit zahlreichen
weiteren Nachweisen; von Mangoldt-Klein, aaO., Anm. III 3 a zu Art. 44 GG;
Dennewitz-Schneider, Bonner Komm., Erl. II 4 c zu Art. 44 GG; Lechner-Hülshoff,
aaO., Anm. 4 zu § 63 BT.-GeschO; Geller-Kleinrahm-Fleck, aaO., Anm. 6 zu Art. 41
Verf. NRW. Laforet, aaO., Anm. 10 zu § 63 BT.-GeschO; Jordan, aaO., S. 9 - 12).
Diese Rechtsmeinung - nach Erich Zweig (Die parlamentarische Enquete nach
deutschem und österreichischem Recht, Zeitschrift für Politik 1913 S. 265 ff) als
"Korollar-Theorie" bezeichnet - beherrschte die parlamentarische Praxis schon der
Weimarer Zeit und ist auch heute noch unumstritten. Die Korollar-Theorie allein
klärt allerdings noch nicht die gegenständlichen Grenzen des
Untersuchungsrechts. Da sich indes weder der Wortlaut des Art. 92 HV noch die
allgemeine Struktur der Hessischen Verfassung wesentlich vom Grundgesetz und
den übrigen Landesverfassungen unterscheiden, kann die heutige staatsrechtliche
Literatur über die gegenständliche Begrenzung von Untersuchungsausschüssen
unbedenklich herangezogen werden. Hier zeigt sich jedoch, daß trotz
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unbedenklich herangezogen werden. Hier zeigt sich jedoch, daß trotz
grundsätzlicher Übereinstimmung in der Kompetenzbegrenzung von
Untersuchungsausschüssen auf den Aufgabenbereich des Parlaments die
Meinungen über die Zulässigkeit von Enqueten im Einzelfall sehr häufig
auseinander gehen. Dies liegt zum Teil an der Entstehungsgeschichte (sie ist
eingehend geschildert in der o.a. Entscheidung des Staatsgerichtshofs für das
Deutsche Reich vom 12. Januar 1922 - StGH 2/21 -, aber auch schon in der
Entscheidung des vorläufigen Staatsgerichtshofs vom 12. Juli 1921 - St. 4/21 -,
RGZ 102, 425 ff [427-430] = Lammers-Simons, Bd. I S. 378 ff [380-383]).
Jedenfalls kann nicht davon ausgegangen werden, daß das parlamentarische
Untersuchungsrecht gegenständlich völlig unbegrenzt wäre. Beispiele hierfür hat
Erich Kaufmann schon 1920 gebracht (Untersuchungsausschuß und
Staatsgerichtshof, 1920, S. 17 = Gesammelte Schriften, 1960, Bd. I S. 317). Als
Begrenzung kommen hier der zeitliche Gesichtspunkt, die funktionellen Grenzen
(Gewaltentrennung) und die möglichen Zwecke der Enquete in Betracht,
Gesichtspunkte, die miteinander zusammenhängen.
Aus dem Prinzip der Gewaltenteilung hat Heck (aaO., S. 40) schon für das
Verfassungsrecht der Weimarer Zeit gefolgert, daß das Parlament sich auf eine
Kontrolle ex post beschränken müsse. "Die Handlungsfreudigkeit der
Regierungsorgane soll nicht durch eine fortgesetzte Kontrolle gelähmt werden,
schwebende Verhandlungen müssen unter Umständen geheim bleiben usw. In
einem gewissen Umfang entspricht auch der neuen RV trotz Art. 34 eine
privilegierte und für den Reichstag unantastbare Sphäre des Dienstgeheimnisses.
Unzulässige Ermessensüberschreitung wäre es daher wohl, wenn die
parlamentarische Untersuchung zu einer allgemein laufenden
Verwaltungskontrolle ausgebaut und damit das Parlament zur letzten
Verwaltungsinstanz gemacht werden sollte, denn auch für das Parlament hat der
Wille der Verwaltung Richtschnur zu sein (vgl. die Entscheidung RG. 104, S. 422,
welche zwar sehr formalistisch vorgeht, aber zu richtigem Ergebnis kommt). Es
ergibt sich also eine Beschränkung der parlamentarischen Untersuchung freilich
nicht dem Gegenstand, wohl aber dem Zwecke und den Begleitumständen nach."
Aus dem Umstand, daß die Tätigkeit der Untersuchungsausschüsse grundsätzlich
auf die Sammlung und Sichtung von Tatsachen beschränkt sei, folgert Lammers
(aaO., S. 466), daß nur "in der Vergangenheit liegende Tatsachen" untersucht
werden dürfen, gleichgültig, ob dies in der Verfassung vorgeschrieben sei oder
nicht.
Diese Auffassung, daß die parlamentarische Untersuchung in der Regel nur ex
post als Ergebniskontrolle vorgenommen werden darf, wird von der überwiegenden
Meinung auch für das heute geltende Verfassungsrecht vertreten, wenn auch
gewisse Einschränkungen gemacht werden (vgl. Maunz-Dürig, aaO., Rdnr. 17 und
20 zu Art. 44 GG mit zahlreichen Nachweisen; von Mangoldt-Klein, aaO.,: Anm.
IV/2). Es ist zwar denkbar, daß es im Einzelfall aus verfassungsmäßigen Gründen
zulässig sein kann, auch Angelegenheiten zu untersuchen, die noch nicht völlig
abgeschlossen sind (so Cordes, Das Recht der Untersuchungsausschüsse des
Bundestags, Diss. Münster 1958, S. 52, und E. Kaufmann, aaO., S. 321). Es genügt
indessen noch nicht, daß andere parlamentarische Kontrollmittel, wie z.B. Antrag
und Große Anfrage, das Informationsinteresse des Parlaments nicht ausreichend
befriedigt haben. Es mag dahinstehen, ob dies hier überhaupt der Fall war; die
Verfassung legt der Regierung keine Rechtspflicht auf, jederzeit über alle Vorgänge
erschöpfend Auskunft zu erteilen, wenn die Regierung auch jederzeit Erklärungen
abgeben kann.
b) Die weitere, damit zusammenhängende Frage, ob das Parlament zur Erfüllung
seiner Funktion als parlamentarisches Forum des Landesvolkes und damit als sein
Repräsentant das Hilfsmittel des parlamentarischen Untersuchungsrechts ohne
Einschränkung benutzen darf oder nicht, ist umstritten. Sie läßt sich mit der
herrschenden Auffassung im wesentlichen dahin beantworten, daß das Mittel der
parlamentarischen Untersuchung nur zur Vorbereitung derjenigen
parlamentarischen Funktionen bemüht werden darf, die in der Verfassung
begründet sind. Parlamentarische Untersuchungen sind nur zu dem Zwecke
zulässig, im Rahmen der verfassungsmäßigen Zuständigkeit des Parlaments
liegende, mit Rechtsverbindlichkeit ausgestattete Hoheitsakte des Parlaments
durch Ermittlung der dabei zu berücksichtigenden Tatsachen vorzubereiten. Die
Untersuchung darf niemals zum Selbstzweck werden; sie muß vielmehr immer auf
einen verfassungsmäßig zulässigen oder gebotenen Beschluß des Parlaments
abzielen. Nur insoweit ist ein "rechtlich anerkanntes Interesse" zu bejahen, welches
allein die weitgehenden Befugnisse innerhalb des Beweiserhebungsverfahrens zu
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allein die weitgehenden Befugnisse innerhalb des Beweiserhebungsverfahrens zu
rechtfertigen vermag. Ein lediglich politisches Interesse ist danach nicht durch eine
verfassungsmäßige Zuständigkeit gedeckt (vgl. Halstenberg, aaO., S. 34 ff., 47 ff,
50; E. Kaufmann, Untersuchungsausschüsse und Staatsgerichtshof, 1920 =
Gesammelte Schriften 1960 Bd. 1 S. 319 ff, 321).
Es ist allerdings nicht zu verkennen, daß eine nicht unbeachtliche Meinung den
Kompetenzbereich des parlamentarischen Untersuchungsrechts nicht zu sehr
einengen will. So ist hier die extreme Auffassung von J. Kölble (Parlamentarisches
Untersuchungsrecht und Bundesstaatsprinzip, DVBl. 1964, 701) zu nennen, der -
allerdings auf den Bundestag bezogen - im gesamten der Beratung des
Parlaments zugänglichen Bereich auch parlamentarische
Untersuchungsausschüsse für zulässig hält. Untersuchungsausschüsse seien
danach auch in einem Bereiche zulässig, der funktionell, nicht der Hoheitsgewalt
des Staates unterliegt, dessen Parlament den Untersuchungsausschuß einsetzt.
Diese Auffassung entspricht in etwa den Ansichten von Heck (aaO., S. 38), Lewald
(AöR NF. Bd. 5, 1923, S. 269 f, 271, 292/293) und Fraenkel (Zeitschrift für Politik,
1954, S. 115, 116, 129, 130). Lewald stützt seine Ansicht auf eine
pragmatischpolitisch begründete "Generalkontrollkompetenz" des Parlaments,
während Heck eine sachlich unbeschränkte Beratungsbefugnis des damaligen
Reichstags annimmt. Noch weiter geht Fraenkel in seinen an das englische und
US-amerikanische Beispiel anknüpfenden Ausführungen; danach soll jede
Angelegenheit, die das politische Interesse der Öffentlichkeit beanspruchen kann,
Gegenstand einer parlamentarischen Untersuchung sein dürfen. Ähnlich drückt
sich Smend (Verfassung und Verfassungsrecht, 1928, S. 141) aus, der - bei
Erörterung des ersten Untersuchungsausschusses des Reichstags betreffend die
Kriegsursachen - seiner Meinung dahin Ausdruck gibt, daß der parlamentarischen
Untersuchung auch solche Gegenstände unterworfen werden dürften, deren
öffentliche Diskussion "integrierend" wirke.
Die Parlamente sollten sich davor hüten - so wird weiter gesagt -, aus politisch
taktischen Gründen den Kompetenzbereich des parlamentarischen
Untersuchungsrechts, in dessen faktischer Realisierung sich Macht und Elend der
deutschen Parlamente widerspiegelten, unangemessen einzuengen, eine Gefahr,
die durch die Akzentverschiebung, die die parlamentarische Untersuchung durch
das Minoritätsrecht und eine ohnehin zu beobachtende Gewichtsverlagerung
innerhalb des Verfassungssystems zu Gunsten der Exekutive erfahren hat, nicht
gering erachtet werden sollte (Steffani, aaO., S. 158; Kessler, Die Aktenvorlage
und Beamtenaussage im parlamentarischen Untersuchungsverfahren, AöR Bd. 83,
1963, S. 313 ff, 326; Becker, DÖV 1964 S. 505). Hier klingt das gewandelte
Verhältnis von Parlament und Regierung und die moderne Problematik der
Gewaltentrennung an (vgl. hierzu aus der Fülle des Schrifttums z.B. Scheuner, Der
Bereich der Regierung, Festschrift für Rudolf Smend, 1952, S. 253 ff; Schneider,
Zur Problematik der Gewaltenteilung im Rechtsstaat der Gegenwart. AöR NF. Bd.
43, 1957, S. 1 ff; Leibholz, Strukturprobleme der modernen Demokratie, 1958;
Friesenhahn. Veröffl, d. Vereinigung Dtsch. Staatsrechtslehrer- VVDStRL - Heft 16,
1958, S. 1 ff, 37, 59 ff; Partsch, Parlament und Regierung im modernen Staat,
VVDStRL - Heft 16, 1958, S. 74 ff).
c) Selbst wenn man davon ausgeht, daß es keinen Sachbereich des
Regierungshandelns gebe, welcher wegen seiner Eigenart der Beurteilung durch
das Parlament völlig entzogen wäre, und eine dem Gegenstand nach rechtlich
bestimmbare Grenze des Untersuchungsrechts nur schwer zu bestimmen sei (so
auch Halstenberg, aaO., S. 33), so ergibt sich eine wirksame Beschränkung des
parlamentarischen Untersuchungsrechts doch aus seiner staatsrechtlichen
Funktion. Insoweit kommt es auf Ziel und Zweck der Enquete an. Die Kompetenz
zur parlamentarischen Erörterung allein reicht nicht aus, um die Grundlage für eine
parlamentarische Untersuchung zu schaffen. Dies erheischt die Funktionenteilung
zwischen Parlament und Regierung.
Auch in Hessen gilt der Grundsatz der Gewaltenteilung (vgl. Zinn-Stein,
Verfassung des Landes Hessen, 2. Aufl. 1963, Teil B., S. 28 f; ferner von Mangoldt,
Das Verhältnis von Regierung und Parlament - Deutsche Landesreferate zum III.
Internationalen Kongreß für Rechtsvergleichung, S. 830 f, der die Eigenständigkeit
der Hessischen Landesregierung ebenfalls bejaht). Daraus folgt, daß man die
Existenz eines eigenen Bereichs der Regierung anerkennen und ihr Schutz gegen
Einwirkungen aus dem Bereich anderer Gewalten zubilligen muß, insbesondere hat
sie auf gewissen Gebieten das Recht, Initiative zu ergreifen. Dann müssen aber
auch Kontrollmaßnahmen ausscheiden, die geeignet sind, die Initiative der
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auch Kontrollmaßnahmen ausscheiden, die geeignet sind, die Initiative der
Regierung zu beschränken, indem die Vorbereitungen in eine bestimmte Richtung
gelenkt oder gehemmt und gestört werden (vgl. insoweit auch die Entscheidung
des Staatsgerichtshofs für das Deutsche Reich vom 12. Januar 1922, Lammers-
Simons, Bd. I S. 313 ff [320]). Das Mittel der parlamentarischen Untersuchung darf
dann nicht verwandt werden, wenn auch nur die Gefahr besteht, daß das Handeln
der Regierung im Initiativbereich durch die Erhebungen eines
Untersuchungsausschusses beeinflußt werden könnte.
d) Aus diesen Erwägungen ergeben sich freilich noch keine Bedenken gegen das
Verlangen des Landtags auf Unterrichtung über den Stand der Verhandlungen,
nachdem die Öffentlichkeit von dem Vorhaben der Landesregierung erfahren
hatte. Solche Bedenken setzen aber im Hinblick auf den Inhalt des
Untersuchungsbegehrens ein, das über eine nachträgliche Kontrolle schon
vollzogener und abgeschlossener Handlungen der Landesregierung hinausgeht,
indem auch Verhandlungen, Absprachen und Zusagen sowie Teilergebnisse noch
laufender Verhandlungen (Übernahmekurs) zum Gegenstand der Untersuchung
gemacht werden. Die in den Nr. 1, 2a und 4 des Untersuchungsauftrags
formulierten Untersuchungsthemen zielen darauf hin, nicht
Verhandlungsergebnisse, sondern die Verhandlungen selbst, bei ihnen erzielte
Teilergebnisse und im einzelnen bezeichnete Umstände der Verhandlungen mit
der Hessischen Landesbank zum Gegenstand der Untersuchung zu machen. Da
die Verhandlungen zum maßgeblichen Zeitpunkt zumindest noch nicht endgültig
abgeschlossen waren, liegt ein unzulässiger Eingriff in den Initiativbereich
(Beratungsbereich) der Landesregierung vor, die vorläufige Absprachen,
Verhandlungszusagen usw. zu diesem Zeitpunkt nicht zu offenbaren brauchte.
Das kann auch nicht dadurch erreicht werden, daß diese Vorgänge zum
Gegenstand einer parlamentarischen Untersuchung gemacht werden. Der
Untersuchungsauftrag erschöpft sich sogar nicht einmal darin, laufende
Verhandlungen zum Gegenstand einer Untersuchung zu machen; er ist vielmehr
geeignet, durch seine Fragestellung eine unmittelbare Wirkung zu erzielen (z.B. die
Frage Nr. 2 a nach dem Übernahmekurs). Insoweit fällt überdies erschwerend ins
Gewicht, daß im Bankgewerbe das Geschäftsgeheimnis eine besondere Rolle
spielt. Die Verhandlungspartner der Landesregierung mußten dieses Eindringen in
den Verhandlungsbereich als schwerwiegende Störung empfinden. Der Verlauf der
Verhandlungen bestätigt dies. In welchem Maße jedoch der am 25. August 1964
eingebrachte Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses auch für
das schließliche Scheitern der Verhandlungen ursächlich gewesen ist, läßt sich
indessen schwerlich feststellen, ist auch nicht von entscheidender Bedeutung.
Jedenfalls sind einzelne Fragen des Untersuchungsauftrags, wenn auch in
unterschiedlichem Maße, geeignet, die Verhandlungen zu beeinflussen und sich
auf den Erfolg der Regierungsinitiative auszuwirken. Der Wirkung nach war der
Untersuchungsauftrag mehr als ein den Untersuchungsausschüssen im
allgemeinen zugrunde liegendes Ausforschungsbegehren; er war eine Aktion
gegen die von der Landesregierung angestrebte Beteiligung des Landes Hessen
an der IHB. Eine besondere Beachtung kommt hierbei dem Diskretionsinteresse
der Beteiligten zu. Ein Untersuchungsbegehren, das die gebotene Diskretion
durchbricht, stellt das verfassungsmäßig vorgeschriebene eigenverantwortliche
Handeln der Regierung in Frage und mußte daher schon aus diesem Grunde vom
Landtag einer ernsthaften Prüfung auf seine Zulässigkeit unterzogen werden.
Selbst wenn man es für zulässig hält, daß ein Untersuchungsausschuß im Rahmen
einer Kontrolle des Regierungshandelns die Grundlage einer von der
Landesregierung getroffenen Entscheidung nachzuprüfen befugt ist (Frage Nr. 5
des Untersuchungsauftrags), so sind doch die unzulässigen Bestandteile des
Untersuchungsauftrags so eng mit den anderen Bestandteilen verquickt, daß eine
Herauslösung unvollziehbar erscheint, im übrigen auch den Untersuchungszweck
entscheidend beeinträchtigt hätte.
Eine Erörterung weiterer Gesichtspunkte über den Inhalt des
Untersuchungsauftrags hinsichtlich seiner Nichtvereinbarkeit mit der Hessischen
Verfassung erübrigt sich in diesem Zusammenhang, weil es lediglich darauf
ankommt, daß die geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken nicht
offensichtlich unbegründet waren.
4. Der Staatsgerichtshof kommt damit zu dem Ergebnis, daß der Landtag über die
Einsetzung des Untersuchungsausschusses einen förmlichen Beschluß hätte
fassen müssen. Mangels eines solchen ist der Untersuchungsausschuß nicht
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fassen müssen. Mangels eines solchen ist der Untersuchungsausschuß nicht
verfassungsmäßig zustande gekommen. Daß hier lediglich ein Verfahrensverstoß
vorläge, kann im Hinblick auf die Verletzung des Art. 92 HV nicht gesagt werden.
Ein bloßer Verfahrensverstoß läge nur bei einem Verstoß gegen die
parlamentarische Geschäftsordnung vor, die zwar auf Grund einer Ermächtigung
der Verfassung erlassen worden ist, selbst aber lediglich eine autonome Satzung
und keine verfassungsrechtliche Norm darstellt (vgl. Maunz-Dürig, aaO., Rdnr. 21,
22 und 23 zu Art. 40 GG; Hess. StGH, Urteil vom 21. September 1966 - P.St. 387 -
[unter C I 3]). Hier handelt es sich aber nicht etwa um einen bloß fehlerhaften Akt
des Landtags, der geheilt werden könnte, sondern es fehlt gerade der konstitutive
Akt, durch den überhaupt erst - zumindest in verfassungsrechtlich bedenklichen
Einsetzungsfällen - ein Untersuchungsausschuß ins Leben gerufen werden kann.
Seine auf den Antrag der qualifizierten Minderheit durch Feststellung des
Landtagspräsidenten vollzogene "Einsetzung" ist nicht rechtswirksam erfolgt, also
nichtig. Das bedeutet, daß alle Maßnahmen und Anordnungen des vermeintlichen
Untersuchungsausschusses, sofern er solche überhaupt getroffen haben sollte,
der rechtlichen Grundlage entbehren (vgl. auch Arndt, AöR NF. 225, 339 ff [342]).
IV.
Schließlich gibt die Landtagsdebatte über die Einsetzung des beantragten
Untersuchungsausschusses zu der Erörterung Veranlassung, ob nicht noch aus
einem weiteren Grunde die Einsetzung des Untersuchungsausschusses der
Verfassung widerspricht.
Nach der herrschenden Meinung (Korollar-Theorie) muß der Einsetzungsbeschluß
den Gegenstand der Untersuchung hinreichend bestimmen, weil die Ermittlungen
des Untersuchungsausschusses durch den ihm erteilten Auftrag begrenzt werden.
So hat bereits der Staatsgerichtshof für das Deutsche Reich in seiner
Entscheidung vom 12. Januar 1922 - StGH 2/21 - (Lammers-Simons Bd. I S. 319,
RGZ 104, 423 [430]) ausgesprochen, daß nicht der Untersuchungsausschuß oder
die Mehrheit desselben bestimmen dürfe, welche Tatsachen Gegenstand der
Untersuchung sein sollen, sondern daß das Parlament bei Einsetzung des
Untersuchungsausschusses den Kreis der Tatsachen zu bezeichnen habe, auf die
sich die Untersuchung erstrecken solle. Danach ist das Parlament also verpflichtet,
das Untersuchungsthema genau zu bestimmen und damit dem
Untersuchungsausschuß den Umfang seiner Untersuchungen vorzuschreiben.
Das Erfordernis der Bestimmtheit des Untersuchungsauftrags, wie er in dem
Antrag Nr. 991 der CDU-Fraktion formuliert ist und mit demselben Wortlaut Inhalt
des Untersuchungsbeschlusses des Landtags vom 16. September 1964 wurde, ist
äußerlich zwar gegeben; denn die detaillierten Fragestellungen umgrenzen die
Aufgaben des Untersuchungsausschusses hinreichend deutlich. Gleichwohl
erwächst hier eine Unbestimmtheit des Untersuchungsauftrags aus den
verschiedentlich geäußerten Bedenken gegen seihe Verfassungsmäßigkeit.
Naturgemäß mußten die nun einmal bestehenden und, wie dargetan, nicht
offensichtlich unbegründeten Zweifel, die ja gerade auf der Bedenklichkeit des
Untersuchungsthemas beruhten, sich auch auf dessen inhaltliche Bestimmtheit
auswirken, wollte oder konnte man sie nicht im Plenum des Landtags beseitigen.
Mit Recht ist darauf hingewiesen worden, daß eine der Ursachen für
Funktionsüberschreitungen der Untersuchungsausschüsse darin liegt, daß eine
Erörterung der verfassungsrechtlich zulässigen Enquetezwecke durch die in der
Mehrzahl der Fälle geübte Praxis verhindert wird, bei Minderheitsanträgen lediglich
die erforderliche Stimmenzahl festzustellen und danach ohne förmlichen
Plenarbeschluß den beantragten Untersuchungsausschuß als eingesetzt zu
betrachten (Halstenberg, aaO., S. 177). Das ist nicht nur für
Funktionsüberschreitungen im eigentlichen Sinne, sondern ebenso für die
inhaltliche Bestimmtheit des Untersuchungsauftrags - eine Grundvoraussetzung
für das Tätigwerden eines Untersuchungsausschusses - zu sagen. Hier hat der
Landtag - zumindest einige Abgeordnete - als Ausweg offenbar die Möglichkeit
angesehen, daß der Untersuchungsausschuß selbst die Verfassungsmäßigkeit des
Untersuchungsthemas prüfen und danach entscheiden sollte, auf welche Fragen
und in welchem Umfange er seine Untersuchung erstrecken dürfe (vgl. die bereits
oben wiedergegebenen Äußerungen der Abgeordneten ... Drs. Abt. III S 1197 f,
1204 r. Sp.; ... S. 1199 r. Sp., 1200 r. Sp.; ... S. 1196 r. Sp.; ... S. 1204 r. Sp.). Wenn
auch die gebrauchten Formulierungen mehr oder weniger zufällig gewesen sein
mögen, so lassen die Äußerungen doch die Auffassung erkennen, der
Untersuchungsausschuß könne die Verfassungsmäßigkeit des
Untersuchungsauftrags selbst prüfen und seine Untersuchungen danach
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Untersuchungsauftrags selbst prüfen und seine Untersuchungen danach
einrichten. Dadurch erhielt der an sich klar formulierte Untersuchungsauftrag eine
inhaltliche Unbestimmtheit, der nicht mit dem Hinweis begegnet werden kann, daß
die Äußerungen in ihrem Sinngehalt sehr unterschiedlich und teilweise
rechtsirrtümlich gewesen seien. Hätte der Untersuchungsausschuß die ihm hier
unterstellte Befugnis, vor Eintritt in seine eigentliche Untersuchungsaufgabe erst
einmal das Untersuchungsthema auf seine Verfassungsmäßigkeit zu prüfen, so
könnte oder müßte er sogar, wenn Verfassungsmäßigkeit verneint, es auch
ablehnen können, überhaupt Untersuchungen zu führen. Das steht ihm aber als
einem Hilfsorgan des Parlaments nicht zu; er setzte sich sonst praktisch an die
Stelle des Plenums. Dem Untersuchungsausschuß kommt es seinem Wesen
entsprechend grundsätzlich nicht zu, eine vom Parlament zugelassene
Untersuchungfrage in ihrer verfassungsrechtlichen Zulässigkeit zu bezweifeln.
Anders mag es dann sein, wenn sich die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit
erst im Laufe der Untersuchung stellt; dann müßte wohl der
Untersuchungsausschuß den Auftrag dem Plenum zurückgeben, zumindest ihm
Gelegenheit zur Klärung der entstandenen verfassungsrechtlichen Zweifel geben.
Der Staatsgerichtshof gelangt somit bezüglich der Bestimmtheit des Inhalts des
Untersuchungsauftrags zu dem Ergebnis, daß es nicht mit dem Wesen eines
Untersuchungsausschusses vereinbar ist, wenn ihm - wie hier - die Beurteilung,
inwieweit das Untersuchungsthema oder einzelne von ihm umfaßte Fragen mit der
Verfassung vereinbar sind, und die Entscheidung überlassen werden, danach den
Umfang seiner Untersuchungen festzulegen. Diese Kontrolle hat, wie dargelegt,
der Einsetzung des Untersuchungsausschusses voranzugehen, weil von ihrem
Ergebnis die Einsetzung abhängig ist; sie kann nur vom Plenum des Landtags
selbst ausgeübt werden. Auch aus diesem Grunde widerspricht das vom
Hessischen Landtag in seiner Sitzung vom 16. September 1964 beobachtete
Verfahren der Hessischen Verfassung.
D.
Der Staatsgerichtshof kommt demnach zu dem Ergebnis, daß die Einsetzung
eines Untersuchungsausschusses gemäß dem Antrag Nr. 991 (Drucksachen
Abteilung I Hess. Landtag V. Wahlperiode) in der 30. Sitzung des Hessischen
Landtags am 16. September 1964 mit der Hessischen Verfassung nicht vereinbar
ist.
Damit sind auch die vom Antrage der Landesregierung abweichenden Anträge der
anderen Verfahrensbeteiligten beschieden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 24 StGHG.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.