Urteil des StGH Hessen vom 15.06.2000
StGH Hessen: untersuchungshaft, freiheit der person, anklageschrift, dringender tatverdacht, wichtiger grund, fortdauer, recht auf freiheit, haftbefehl, rechtliches gehör, erlass
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Gericht:
Staatsgerichtshof
des Landes
Hessen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
P.St. 1494
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
Art 3 Verf HE, Art 5 Verf HE,
Art 12 Verf HE, Art 19 Verf HE,
Art 126 Abs 2 Verf HE
Leitsatz
1. Die Frage, ob materielle Grundrechte der Landesverfassungen, die mit den
entsprechenden Garantien des Grundgesetzes inhaltsgleich sind, bei der Anwendung
materiellen Bundesrechts durch Landesgerichte gelten und ihre Beachtung durch die
Landesgerichte von den Landesverfassungsgerichten im Rahmen landesrechtlich
zugelassener Verfassungsbeschwerden kontrolliert werden kann, kann dahinstehen, da
der Antragsteller die Möglichkeit der Verletzung solcher Rechte nicht plausibel dargelegt
hat.
2. Die verfassungsgerichtliche Kontrolle fachgerichtlicher Entscheidungen ist auf die
Prüfung spezifischen Verfassungsrechts beschränkt. Der Staatsgerichtshof als
Verfassungsgericht ist keine zusätzliche Instanz, die die Subsumtionsvorgänge
innerhalb des einfachen Rechts ein weiteres Mal nachvollzieht und überprüft. Eine allein
zu prüfende verfassungsspezifische Verletzung hessischer Grundrechte durch die
fachgerichtliche Anwendung oder Auslegung einer Norm liegt nur vor, wenn diese
Anwendung oder Auslegung auf einer grundsätzlich falschen Anschauung von der
Bedeutung des betroffenen hessischen Grundrechts beruht, die Grundrechtsrelevanz
schlechthin verkennt oder objektiv unhaltbar ist.
3. Zu einer ordnungsgemäßen Rüge der Verletzung des Anspruchs auf Gewährung
rechtlichen Gehörs gehört nicht nur das Vorbringen des von einer belastenden
Entscheidung Betroffenen, er habe sich zu bestimmten Entscheidungsgrundlagen nicht
äußern können, sondern auch die weitere Darlegung, was er im Falle der Gewährung
des rechtlichen Gehörs vorgetragen hätte und inwieweit dies zu einer ihm günstigen
Entscheidung hätte führen können.
Gründe
A.
I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die Fortdauer seiner seit dem 6. Oktober
1998 ohne Unterbrechung bestehenden Untersuchungshaft, die mit dem
Haftgrund der Fluchtgefahr begründet wird. Bereits im Jahre 1999 hatte er beim
Staatsgerichtshof erfolglos Grundrechtsklage gegen eine Entscheidung des
Oberlandesgerichts Frankfurt am Main geführt, die die Fortdauer der
Untersuchungshaft im Rahmen der Haftprüfung anordnete (P.St. 1405). Auch ein
damals zeitgleich eingereichtes einstweiliges Rechtsschutzgesuch (P.St. 1406 e.A.)
mit dem Ziel, durch einstweilige Anordnung den Haftbefehl des Amtsgerichts
Darmstadt vom 16. September 1998 - 5 Gs 21 Js 16174/96 - außer Vollzug setzen
zu lassen, wurde als unzulässig zurückgewiesen.
Der Antragsteller greift mit seiner vorliegenden, am 4. Februar 2000 beim
Staatsgerichtshof eingegangenen Grundrechtsklage vom 27. Januar 2000 einen
weiteren, am 10. Januar 2000 ergangenen Beschluss des Oberlandesgerichts
Frankfurt am Main - HEs 73/96+77/99 - an, durch den erneut die Haftfortdauer
angeordnet wurde. Parallel hierzu hat er den Erlass einer einstweiligen Anordnung
mit dem Ziel sofortiger Haftentlassung gestellt (P.St. 1519 e.A.).Während des
vorliegenden Verfahrens hat das Oberlandesgericht unter dem 8. Mai 2000
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vorliegenden Verfahrens hat das Oberlandesgericht unter dem 8. Mai 2000
abermals Fortdauer der Untersuchungshaft angeordnet. Mit einer weiteren
Grundrechtsklage (P.St. 1528) wendet sich der Antragsteller auch gegen diesen
Beschluss und sucht erneut um einstweiligen Rechtsschutz nach (P.St. 1529 e.A.)
Der Antragsteller steht im Verdacht, in 145 Fällen in Gemeinschaft mit anderen die
Finanzbehörden über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen oder
insoweit unrichtige Angaben gemacht zu haben. Die in verschiedenen
Strafverfahren Angeschuldigten sollen dadurch gewerbsmäßig Eingangsabgaben
bei Silbereinfuhren in Höhe von mehreren Millionen Deutsche Mark in der
Bundesrepublik Deutschland und in weiteren Mitgliedsländern der Europäischen
Gemeinschaft, insbesondere in Italien, hinterzogen haben. Die zuständige
Staatsanwaltschaft beim Landgericht Darmstadt wirft dem Antragsteller in ihrer
bisher nicht zugelassenen Anklageschrift vom 6. Dezember 1999 vor, er sei im
Import-Export-Geschäft als verantwortliches Mitglied einer vorrangig im
Silberhandel operierenden Organisation planmäßig mit dem Ziel der Verkürzung
von Einfuhrumsatzsteuer bzw. Umsatzsteuer vorgegangen. Der Vorwurf gründe
darauf, dass die Organisation Kaufgeschäfte insbesondere in Deutschland
ansässiger Firmen nur vorgetäuscht haben soll, um das direkt für Abnehmer in
Italien bestimmte, in der Schweiz eingekaufte Silber in der Folgezeit als sog.
innergemeinschaftliche Lieferung aus u. a. Deutschland nach Italien deklarieren zu
können. Bei einer innergemeinschaftlichen Lieferung fiele in Italien, wären die
Handelsbeziehungen so gegeben, keine Einfuhrumsatzsteuer an. In Deutschland
soll der Steuerbefreiungstatbestand des § 5 Abs. 1 Nr. 3 Umsatzsteuergesetz
vorgetäuscht worden sein. Mit seiner vorliegenden Grundrechtsklage erstrebt der
Antragsteller ausweislich der Antragsschrift vom 27. Januar 2000 zunächst die
Überprüfung des Beschlusses des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 10.
Januar 2000 über die Anordnung der Fortdauer von Untersuchungshaft im Rahmen
der Haftprüfung nach den §§ 121 f. Strafprozessordnung (StPO). Dieser Beschluss
ordnete neben der Fortdauer der Untersuchungshaft des Antragstellers die
erneute Aktenvorlage an das Oberlandesgericht zur nächsten Haftprüfung
spätestens am 10. April 2000 an. Bis dahin wurde die weitere Haftprüfung dem
Landgericht Darmstadt übertragen.
Der Beschluss ist mit fortbestehender Fluchtgefahr begründet, da der
Antragsteller eine hohe Freiheitsstrafe zu erwarten habe. Die Straferwartung habe
sich sogar erhöht, da die Anklage nunmehr auch auf in Italien hinterzogene
Steuerbeträge abstelle, die im Haftbefehl nicht berücksichtigt gewesen seien. Die
dort bewirkte Einfuhrumsatzsteuerverkürzung bilde in einigen Anklagepunkten
schon den Gegenstand des angeklagten Tatvorwurfs. Die Strafbarkeit ergebe sich
insoweit aus § 370 Abs. 6 der Abgabenordnung (AO). Der Antragsteller müsse
sogar damit rechnen, dass die Steuerverkürzungen in Italien nach einem
rechtlichen Hinweis zum Gegenstand des konkreten Anklagevorwurfs in den
übrigen Fällen gemacht würden. Dann könne der Höhe der in Italien hinterzogenen
Steuern eine entscheidende Bedeutung für die Strafhöhe zukommen. Sollte der
Antragsteller verurteilt werden, bildeten die zu erwartenden immensen
Steuernachforderungen außerdem eine erhebliche Erhöhung des Fluchtanreizes.
Das Verfahren sei seit der letzten Haftprüfung auch mit gebotener Beschleunigung
gefördert worden, was mit der Schilderung des Verfahrensstandes im sog.
Zwischenverfahren belegt wird. Ein wichtiger Grund für die Fortdauer der
Untersuchungshaft bestehe fort. Das Interesse an wirksamer Strafverfolgung
überwiege noch das grundrechtlich geschützte persönliche Freiheitsrecht des
Antragstellers. Die Anordnung der Haftfortdauer sei daher verhältnismäßig. Wegen
der weiteren Einzelheiten wird auf den vom Antragsteller zu den Akten des
Grundrechtsklageverfahrens gereichten Beschluss Bezug genommen.
Der Antragsteller sieht in dieser Anordnung der Haftfortdauer eine Verletzung
seines Freiheitsgrundrechts aus Art. 5 der Verfassung des Landes Hessen - kurz:
Hessische Verfassung (HV) -, da das hieraus folgende Beschleunigungsgebot im
Rahmen des Strafverfahrens missachtet sei. Der zuständige Senat des
Oberlandesgerichts habe zugelassen, dass ihm die Unterlagen für die Haftprüfung
so spät vorgelegt wurden, dass nicht vor Ablauf des damaligen Termins zur
Aktenvorlage zum Zwecke der Haftprüfung am 13. Dezember 1999 mit einer
Entscheidung des Senats habe gerechnet werden können. Der Antrag der
Staatsanwaltschaft auf Anordnung der Haftfortdauer vom 3. Dezember 1999 sei
beim Oberlandesgericht erst am 17. Dezember 1999 eingegangen. Darüber
hinaus seien ihm Aktenbände, die ausschließlich entlastendes Material enthalten
hätten, nicht beigefügt gewesen.
Er beanstandet weiter unter Auflistung des angeblichen Verfahrensgangs eine
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Er beanstandet weiter unter Auflistung des angeblichen Verfahrensgangs eine
zögerliche Behandlung seiner Rechtssache durch schleppende Arbeitsabläufe
beim Oberlandesgericht und rügt, dass dieses Gericht mit seinem Beschluss auf
die Anklageschrift vom 6. Dezember 1999 Bezug genommen habe, ohne dass ihm
zuvor die Möglichkeit eingeräumt worden sei, zu dieser Stellung zu nehmen. Hierin
sieht er einen Verstoß gegen die Pflicht zur Gewährung rechtlichen Gehörs.
Insoweit führt der Antragsteller näher aus, was er im Hinblick auf diese
Anklageschrift vorgebracht hätte, wenn das Oberlandesgericht sie ihm zur
Stellungnahme zugeleitet hätte.
Schließlich vertritt der Antragsteller die Ansicht, der Beschluss über die Anordnung
der Haftfortdauer habe sich nicht mehr auf den Haftbefehl vom 16. September
1998 bezogen, wie von der Staatsanwaltschaft beantragt, sondern auf einen
Haftbefehl, der noch gar nicht bestanden habe und bis heute noch nicht ergangen
sei. Dies folge aus der Formulierung des Oberlandesgerichts, es bestehe nunmehr
dringender Tatverdacht nach Maßgabe der Anklageschrift vom 6. Dezember 1999.
Der dringende Tatverdacht begründe sich auf die in der Anklageschrift
bezeichneten Beweismittel. Der Haftbefehl werde entsprechend zu ändern sein.
Dass er sich trotz fehlenden Haftbefehls weiter in Haft befinde, verletze ebenfalls
sein Grundrecht aus Art. 5 HV. Auch Art. 19 Abs. 2 HV sei verletzt, aus dem sich
ergebe, dass eine Inhaftierung ohne richterliche Entscheidung nicht über 24
Stunden hinausgehen dürfe. Denn die Entscheidung des Oberlandesgerichts sei -
wie bereits regelmäßig in der Vergangenheit - mehrere Wochen nach dem Termin
zur Aktenvorlage im Verfahren nach §§ 121 i. V. m. 122 Abs. 4 StPO ergangen. Der
Antragsteller sieht sich durch dieses Vorgehen des Gerichts und den
”verschleppten Abwicklungszeitraum” mit einer ohne richterliche Entscheidung
fortbestehenden Untersuchungshaft belastet. Mit nachgereichtem Schriftsatz vom
5. Mai 2000 führt der Antragsteller insoweit ergänzend aus, auch der mit dem
angegriffenen Beschluss des Oberlandesgerichts vom 10. Januar 2000 gesetzte
Vorlagetermin zur nächsten Haftprüfung (10. April 2000) sei ohne Entscheidung
des Oberlandesgerichts verstrichen. Seit dem 10. April 2000 befinde er sich daher
ohne richterliche Entscheidung und ohne Gesetzesvorgabe in Untersuchungshaft.
Dies verstoße auch gegen Art. 24 HV, der eine Beschränkung der persönlichen
Freiheit nur im Rahmen eines Gesetzes zulasse.
Das Oberlandesgericht habe auch Art. 12 HV missachtet und das
Fernmeldegeheimnis verletzt, weil es sich weigere, „die eigenen Erkenntnisse vom
23.2.99 umzusetzen und in seinen Beschluss einzuarbeiten”. Illegal gewonnene
Beweise müssten aus dem Verfahren entfernt werden. Die Ermittlungsbehörden
hätten entgegen einem Verwertungsverbot in der Strafprozessordnung
Erkenntnisse aus der vom Amtsgericht Darmstadt in der Vergangenheit gegen ihn
wegen des Vorwurfs der Bildung einer kriminellen Vereinigung zugelassenen
Telefonüberwachung verwerten wollen. Dies sei nicht zulässig, da der Vorwurf der
Bildung einer kriminellen Vereinigung später nicht aufrechterhalten worden sei. Der
Antragsteller rügt weiter mit näherer Begründung, das Oberlandesgericht
missachte mit seinen Ausführungen zu § 370 Abs. 6 AO das Rückwirkungsverbot
für Strafgesetze gemäß Art. 22 Abs. 1 HV. Das ihm vorgeworfene Verhalten der
Steuerverkürzung in Italien hätte zum Tatzeitpunkt unter Beachtung des § 370
Abs. 6 AO nicht verfolgt werden dürfen. Wegen des von den Richtern des
Oberlandesgerichts begangenen fortgesetzten Verfassungsbruchs sieht sich der
Antragsteller in seinem Recht, dass Richter unabhängig und nur dem Gesetz
unterworfen seien (Art. 126 Satz 2 HV), verletzt. Er beantragt außerdem deren
Strafverfolgung nach Art. 147 Abs. 2 HV durch den Staatsgerichtshof. In
nachgereichten Schriftsätzen vom 5. Mai und 8. Mai 2000 "erweitert" der
Antragsteller seine Grundrechtsklage und führt aus, er befinde sich ohne
richterliche Entscheidung in Untersuchungshaft, hätte aber jedenfalls spätestens
nach Erlass eines zwischenzeitlich ergangenen Beschlusses der 13. Großen
Strafkammer des Landgerichts Darmstadt vom 17. April 2000 - 21 Js 16.174/96 -
13 Kls - freigelassen werden müssen. Mit diesem Beschluss reichte die
Strafkammer die Anklageschrift vom 6. Dezember 1999 an die Staatsanwaltschaft
beim Landgericht Darmstadt zurück und forderte diese unter Hinweis auf
Bedenken gegen die Zulässigkeit der Anklage in ihrer bisherigen Form auf, die
Anklageschrift in einzelnen, konkret benannten Punkten nachzubessern. Wegen
der Einzelheiten wird auf den Wortlaut dieses Beschlusse verwiesen.
Der Antragsteller schließt aus dieser Aufforderung zur Nachbesserung der
Anklageschrift, dass gegen ihn ein dringender Tatverdacht fehle. Jedenfalls sei eine
weitere Haft wegen der durch den Beschluss der Strafkammer vom 17. April 2000
bewirkten Verzögerung bis zur eventuellen neuerlichen Vorlage einer
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bewirkten Verzögerung bis zur eventuellen neuerlichen Vorlage einer
Anklageschrift unverhältnismäßig. Dies hätte die 13. Strafkammer berücksichtigen
und seine Entlassung aus der Untersuchungshaft verfügen müssen. Der
Antragsteller beantragt,
festzustellen, dass der Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main
vom 10. Januar 2000 - 1 HEs 73/96+77/99 - seine Rechte aus Art. 5, Art. 12, Art.19
Satz 2, Art. 22 Satz 1 und Art. 126 Satz 2 HV verletze,
den vorgenannten Beschluss für kraftlos zu erklären und ihn,
den Antragsteller, aus der Untersuchungshaft zu entlassen, weiter festzustellen,
dass er "ohne gerichtliche Grundlage" in der Justizvollzugsanstalt Weiterstadt
festgehalten werde,
jedenfalls aber spätestens nach Erlass des Beschlusses der 13. Großen
Strafkammer des Landgerichts Darmstadt vom 17. April 2000 - 12 Js 16.174/96 -
13 KLs - durch die Richter X, Y und Z aus der Untersuchungshaft hätte entlassen
werden müssen,
und dass die vorgenannten Richter sein Freiheitsgrundrecht gemäß Art. 5 HV
sowie Art. 126 Satz 2 HV missachtet und sich nicht den Gesetzen unterworfen
hätten.
II.
Landesregierung und Landesanwaltschaft, denen Gelegenheit zur Äußerung
gegeben worden ist, haben nicht Stellung genommen.
B.
I.
Die Grundrechtsklage ist unzulässig. Dahinstehen mag, ob der Antrag, soweit er
sich gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 10.
Januar 2000 richtet, schon mangels Rechtsschutzinteresses unzulässig ist, weil das
Oberlandesgericht unter dem 8. Mai 2000 erneut nach abermaliger Überprüfung
der Haftvoraussetzungen Fortdauer der Untersuchungshaft angeordnet hat, so
dass die Entscheidung vom 10. Januar 2000 hierdurch gleichsam "überholt" sein
könnte. Selbst wenn man ein fortbestehendes Rechtsschutzinteresse zugunsten
des Antragstellers unterstellt, erweist sich die Grundrechtsklage jedenfalls aus
anderen Gründen als unzulässig. Der Antragsteller hat nämlich den Anforderungen
des § 43 Abs. 1 und 2 des Gesetzes über den Staatsgerichtshof - StGHG - nicht
genügt. Nach dieser Vorschrift erfordert die Zulässigkeit einer gegen eine
gerichtliche Entscheidung gerichteten Grundrechtsklage, dass der Antragsteller
substantiiert einen Sachverhalt schildert, aus dem sich - seine Richtigkeit
unterstellt - plausibel die Möglichkeit einer Verletzung der von ihm benannten
Grundrechte der Hessischen Verfassung durch die angegriffene Entscheidung
ergibt (ständige Rechtsprechung des StGH, vgl. Beschluss vom 17.05.2000 - P.St.
1336 -). An dieser Zulässigkeitsvoraussetzung fehlt es im Falle des Antragstellers.
Eine plausible Möglichkeit der Verletzung von durch die Hessische Verfassung
gewährten Grundrechten des Antragstellers durch den Beschluss des
Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 10. Januar 2000 ist auf der Grundlage
seines Vorbringens nicht feststellbar.
Dies gilt zunächst für die Rüge des Antragstellers, der Beschluss bzw. das ihm
vorausgegangene Verfahren vor dem Oberlandesgericht verletze sein Recht auf
Freiheit der Person aus Art. 5 HV. Dabei kann die zwischen den
Verfassungsgerichten der Bundesländer umstrittene Frage dahinstehen, ob
materielle Grundrechte der Landesverfassungen, die mit den entsprechenden
Garantien des Grundgesetzes inhaltsgleich sind, bei der Anwendung materiellen
Bundesrechts durch Landesgerichte gelten und ihre Beachtung durch die
Landesgerichte von den Landesverfassungsgerichten im Rahmen landesrechtlich
zugelassener Verfassungsbeschwerden kontrolliert werden kann. Diese
Problematik ist hier nicht entscheidungserheblich. Denn auch wenn die Geltung mit
den entsprechenden Gewährleistungen des Grundgesetzes inhaltsgleicher
materieller Grundrechte der Hessischen Verfassung bei der Anwendung
materiellen Bundesrechts durch hessische Fachgerichte bejaht wird und überdies
Art. 5 HV und Art. 2 Abs. 2 Satz 2 Grundgesetz (GG) sowie die weiteren vom
Antragsteller angeführten Grundrechte und grundrechtsgleichen Rechte in Art. 12,
19 Abs. 2, 22 Abs. 1 und 24 HV Grundrechten und diesen gleichen Rechten des
Grundgesetzes entsprechen sollten - was offen bleiben kann -, ist die Möglichkeit
einer Verletzung dieser Grundrechte bzw. gleichgestellten Rechte nicht plausibel
durch den Antragsteller dargelegt. Die verfassungsgerichtliche Kontrolle
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durch den Antragsteller dargelegt. Die verfassungsgerichtliche Kontrolle
fachgerichtlicher Entscheidungen ist auf die Prüfung spezifischen
Verfassungsrechts beschränkt (ständige Rechtsprechung des StGH, vgl. Beschluss
vom 03.05.1999 - P.St. 1384 -). Diese Beschränkung des Umfangs der Kontrolle
durch den Staatsgerichtshof folgt funktional aus der Aufgabenverteilung zwischen
Fach- und Verfassungsgerichten. Der Staatsgerichtshof als Verfassungsgericht ist
keine zusätzliche Instanz, die die Subsumtionsvorgänge innerhalb des einfachen
Rechts ein weiteres Mal nachvollzieht und überprüft. Eine hier allein zu prüfende
verfassungsspezifische Verletzung hessischer Grundrechte durch die
fachgerichtliche Anwendung oder Auslegung einer Norm liegt nur vor, wenn diese
Anwendung oder Auslegung auf einer grundsätzlich falschen Anschauung von der
Bedeutung des betroffenen hessischen Grundrechts beruht, die
Grundrechtsrelevanz schlechthin verkennt oder objektiv unhaltbar ist. Der dem
Staatsgerichtshof mit vorliegender Grundrechtsklage unterbreitete Sachverhalt
bietet für eine solche grundlegende Verkennung der verfassungsrechtlichen
Garantie des Rechts der Freiheit der Person des Antragstellers (Art. 5 HV) durch
die mit Beschluss vom 10. Januar 2000 im Rahmen der Haftprüfung nach §§ 121 i.
V. m. 122 StPO angeordnete Haftfortdauer keinen Anhaltspunkt. Allerdings ist bei
Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit einer Anordnung der Fortdauer von
Untersuchungshaft das in diesem Grundrecht - hier unterstellt, es wäre mit dem
Freiheitsgrundrecht des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG inhaltsgleich - angelegte
verfassungsrechtliche Beschleunigungsgebot zu beachten (ständige
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, vgl. Beschluss vom 04.02.2000,
NJW 2000, S. 1401, mit weiteren Nachweisen). Der Freiheitsanspruch des noch
nicht verurteilten Beschuldigten ist danach den vom Standpunkt der
Strafverfolgung aus erforderlichen und zweckmäßigen Freiheitsbeschränkungen
ständig als Korrektiv entgegenzuhalten, wobei sich sein Gewicht gegenüber dem
Strafverfolgungsinteresse des Staates mit zunehmender Dauer der
Untersuchungshaft regelmäßig vergrößern wird. Die Untersuchungshaft darf
hinsichtlich ihrer Dauer nicht außer Verhältnis zu der voraussichtlich zu
erwartenden Strafe stehen. Auch unabhängig von der zu erwartenden Strafe setzt
der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Haftdauer Grenzen. § 121 Abs. 1 StPO
trägt dem insoweit Rechnung, als der Vollzug der Untersuchungshaft vor Ergehen
eines Urteils wegen derselben Tat über sechs Monate hinaus nur aufrechterhalten
werden darf, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der
Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund das Urteil noch nicht zugelassen
haben und die Fortdauer der Untersuchungshaft rechtfertigen. Die Vorschrift des §
121 Abs. 1 StPO lässt damit nur in begrenztem Umfang eine Fortdauer der
Untersuchungshaft zu und ist eng auszulegen. Die besondere Bedeutung, die der
Gesetzgeber der Entscheidung über die Erstreckung der Untersuchungshaft über
sechs Monate hinaus beimisst, ergibt sich auch daraus, dass er sie dem
Oberlandesgericht übertragen hat, dessen Entscheidung sich mit den
Voraussetzungen der Fortdauer der Untersuchungshaft auseinandersetzen und
deren Vorliegen im Einzelnen begründen muss, da es im Rahmen der besonderen
Haftprüfung nach §§ 121, 122 StPO eine nur ihm vorbehaltene eigene Sachprüfung
vornimmt und zugleich erst- und letztinstanzlich zu entscheiden hat. Den
vorgenannten Anforderungen Rechnung zu tragen, ist Aufgabe der Gerichte und
ihrer Organe sowie der Justizverwaltung und des Haushaltsgesetzgebers, die alles
Erforderliche zu tun haben, um dem genannten Verfassungsgebot
nachzukommen.
Der Vortrag des Antragstellers lässt eine Verletzung des vorgenannten
Beschleunigungsgebots durch das Verfahren und/oder die Entscheidung des
Oberlandesgerichts Frankfurt am Main nicht erkennen.
Insbesondere die Rüge des Antragstellers, das Oberlandesgericht habe
zugelassen, dass ihm die für die Haftprüfung erforderlichen Akten so spät
vorgelegt wurden, dass nicht vor Ablauf des vom Gericht selbst gesetzten Termins
zur erneuten Aktenvorlage mit einer Entscheidung des Oberlandesgerichts habe
gerechnet werden können, ist nicht geeignet, eine Verletzung des
Beschleunigungsgebots darzutun. Sie berücksichtigt nicht, dass die in der
Strafprozessordnung vorgesehene verfahrensrechtliche Absicherung des
Freiheitsrechts in §§ 121, 122 darauf angelegt ist, spätestens nach Ablauf von 3
Monaten die erneute Prüfung der besonderen Schwierigkeit oder des besonderen
Umfangs der Ermittlungen oder eines anderen wichtigen Grundes, der ein Urteil
noch nicht zugelassen hat, zu ermöglichen (§ 122 Abs. 4 Satz 2 StPO). Für den
Zeitpunkt der Entscheidung des Oberlandesgerichts ist im Gesetz eine bestimmte
Frist nicht vorgesehen. Dies erscheint verfassungsrechtlich auch nicht geboten,
zumal die grundsätzliche Verpflichtung des Oberlandesgerichts, das
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zumal die grundsätzliche Verpflichtung des Oberlandesgerichts, das
Haftprüfungsverfahren zügig einer Entscheidung zuzuführen, ohnehin durch das
verfassungsrechtlich abgesicherte Beschleunigungsgebot hinreichend konkretisiert
ist.
Eine Verletzung des verfassungsrechtlich verankerten Beschleunigungsgebots hat
der Antragsteller auch ansonsten nicht hinreichend dargetan. Selbst unter
Zugrundelegung der vom Antragsteller in seiner Grundrechtsklage erstellten
Zeittabelle (Zeitraum vom 3. Dezember 1999 - Datum des Vorlageschreibens -
bis 21. Januar 2000 - Datum des Versands des Beschlusses des
Oberlandesgerichts -) ist nicht erkennbar, dass das Gericht seine Verpflichtung zur
beschleunigten Durchführung des Haftprüfungsverfahrens missachtet hätte.
Angesichts des vom Antragsteller selbst nicht in Zweifel gezogenen
überdurchschnittlichen Schwierigkeitsgrads des Strafverfahrens und des Umfangs
der Ermittlungsakten sowie des dadurch bedingten Bearbeitungsaufwands der mit
der Sache befassten Richter sowie im Hinblick auf unabdingbare, verfahrensmäßig
bedingte Zeitabläufe, wie sie durch die Bearbeitung richterlicher Verfügungen,
Anordnungen und Entscheidungen in der Verwaltungsabteilung eines Gerichts
zwangsläufig sind, kann von einer Missachtung des Beschleunigungsgebots im
Hinblick auf den vorgenannten zeitlichen Rahmen noch nicht die Rede sein.
Das übrige Vorbringen des Antragstellers lässt ebenfalls nicht erkennen, dass die
angegriffene Entscheidung des Oberlandesgerichts das verfassungsrechtliche
Beschleunigungsgebot verletzt haben könnte. Das Oberlandesgericht hat im
angegriffenen Beschluss eine Abwägung des Freiheitsgrundrechts des
Antragstellers mit der im Strafverfolgungsinteresse erforderlichen
Freiheitsbeeinträchtigung getroffen, die verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden
ist. Der besondere Umfang und die besonderen Schwierigkeiten der noch nicht
abgeschlossenen Ermittlungen sind in der Bezugnahme auf die beiden
vorangegangenen Entscheidungen im Verfahren der besonderen Haftprüfung vom
19. Mai 1999 und 13. September 1999 und mit ergänzenden Darlegungen zum
Stand des Strafverfahrens nach Eingang der Ergebnisse der verschiedenen
Rechtshilfeersuchen aus der Schweiz und aus Italien, insbesondere durch Verweis
auf Einzelheiten der Anklageerhebung, hinreichend substantiiert dargelegt worden.
Auch die Verhältnismäßigkeit der Fortdauer der Untersuchungshaft hat das
Oberlandesgericht in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise bejaht,
indem es auf die Bedeutung der Strafsache, insbesondere auf die Zahl der dem
Antragsteller vorgeworfenen Tathandlungen, sowie auf die im Verurteilungsfall als
nahe liegend erachtete (hohe) Freiheitsstrafe abstellte. Schwere und Bedeutung
einer Straftat haben Relevanz für die voraussichtlich zu erwartende Strafe, die
wiederum ein maßgebliches Kriterium im Rahmen der zu prüfenden
Verhältnismäßigkeit einer Haftfortdauer darstellt. Die Behauptung des
Antragstellers, dem Oberlandesgericht seien Akten mit entlastendem Material
nicht vorgelegt worden, ist so unsubstantiiert, dass der Staatsgerichtshof ihr schon
deshalb nicht weiter nachgehen kann. Soweit der Antragsteller das Fehlen eines
Haftbefehls rügt und geltend macht, er werde ohne einen solchen unter Verstoß
gegen Art. 5 und 19 HV in Untersuchungshaft gehalten, geht sein Vorbringen
schon im Ansatz fehl, weil sich seine Inhaftierung im Zeitpunkt der angegriffenen
Entscheidung des Oberlandesgerichts nach wie vor auf den Haftbefehl vom 16.
September 1998 stützte. Die gegenteilige Auffassung des Antragstellers gründet
offenbar allein auf der Einschätzung des Oberlandesgerichts, wie sie in dessen
Beschluss vom 10. Januar 2000 zum Ausdruck kommt, wonach der vorgenannte
Haftbefehl nach Maßgabe bestimmter rechtlicher Hinweise zu ändern sein werde.
Warum der Antragsteller meint, eine solche Anregung des Gerichts berühre den
Bestand des Haftbefehls, ist nicht nachvollziehbar. Nur ergänzend sei erwähnt,
dass sich bei den Vorgängen, die der Antragsteller dem Staatsgerichtshof im
Grundrechtsklageverfahren P.St. 1528 vorgelegt hat, ein Beschluss des
Landgerichts Darmstadt vom 24. Februar 2000 - 21 Js 16.174/96 - 13 KLs -
befindet, wonach der Haftbefehl vom 16. September 1998 aus den sich aus der
Anklageschrift vom 6. Dezember 1999 sowie aus dem vorliegend angegriffenen
Beschluss des Oberlandesgerichts vom 10. Januar 2000 ergebenden Gründen
aufrechterhalten werde. Auch dies belegt, dass die Vermutung des Antragstellers,
er könnte ohne bestehenden Haftbefehl in Untersuchungshaft einsitzen, grundlos
ist. Dass seine Inhaftierung auch nicht gegen die Regelung des Art. 19 Abs. 2 HV
verstößt, wie der Antragsteller unter Hinweis auf die dort geregelte 24-Stunden-
Frist meint, bedarf nach den vorstehenden Ausführungen keiner weiteren
Darlegung.
Dass das Postgeheimnis (Art. 12 HV) in seiner vom Antragsteller benannten
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Dass das Postgeheimnis (Art. 12 HV) in seiner vom Antragsteller benannten
Ausprägung als ”Fernmeldegeheimnis” durch das Oberlandesgericht Frankfurt am
Main in Ansehung des vorliegend angegriffenen Beschlusses und des diesem
vorausgehenden Verfahrens verletzt worden sein könnte, kann den Darlegungen
des Antragstellers ebenfalls nicht nachvollziehbar entnommen werden. In seiner
Grundrechtsklage verweist der Antragsteller insoweit auf angebliche Verstöße der
Ermittlungsbehörden sowie darauf, dass sich das Oberlandesgericht weigere, seine
„eigenen Erkenntnisse vom 23. 2. 99 umzusetzen” und in den Beschluss vom 10.
Januar 2000 „einzuarbeiten”. Dazu gehöre u.a. - so der Antragsteller -, dass illegal
gewonnene Beweise aus dem Verfahren entfernt würden. Worin der Antragsteller
einen Verstoß gerade des Oberlandesgerichts gegen das „Fernmeldegeheimnis”
zu sehen glaubt, erschließt sich aus diesen undeutlichen Ausführungen nicht.
Die Rüge des Antragstellers, das Oberlandesgericht habe seine Verpflichtung zur
Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt, weil es ihm vor Erlass des Beschlusses
vom 10. Januar 2000 nicht den Inhalt der Anklageschrift vom 6. Dezember 1999
zur Kenntnis gegeben habe, greift ebenfalls nicht durch. Zwar folgt aus der durch
Art. 3 HV geschützten Menschenwürde sowie dem der Hessischen Verfassung
innewohnenden Rechtsstaatsprinzip, dass die Hessische Verfassung auch ohne
ausdrückliche Regelung in gleicher Weise wie Art. 103 Abs. 1 GG das Grundrecht
auf rechtliches Gehör garantiert. Dies bedeutet, dass eine den betroffenen Bürger
belastende Entscheidung nur auf solche Tatsachen gestützt werden darf, zu denen
sich der Betroffene zuvor äußern konnte. Ob dem Antragsteller der Inhalt der
Anklageschrift vom 6. Dezember 1999 vor Erlass des Beschlusses des
Oberlandesgerichts über die Haftfortdauer vom 10. Januar 2000 tatsächlich nicht -
entweder seitens des Landgerichts, bei dem die Anklageschrift einzureichen war,
oder seitens des Oberlandesgerichts - zur Kenntnisnahme zugeleitet war, mag
dahinstehen. Selbst wenn er die Anklageschrift nicht erhalten hätte, hätte der
Antragsteller dennoch eine Verletzung rechtlichen Gehörs durch sein Vorbringen in
der Grundrechtsklage nicht ordnungsgemäß gerügt. Zu einer solchen Rüge gehört
nämlich nicht nur das Vorbringen des von einer belastenden Entscheidung
Betroffenen, er habe sich zu bestimmten Entscheidungsgrundlagen nicht äußern
können, sondern auch die weitere Darlegung, was er im Falle der Gewährung des
rechtlichen Gehörs vorgetragen hätte und inwieweit dies zu einer ihm günstigen
Entscheidung hätte führen können. Zumindest an der zuletzt genannten
Darlegung einer möglichen Kausalität (vgl. zu diesem Erfordernis beispielsweise
BVerfGE 13, 132 [145], BVerfGE 62, 249 [255], BVerfGE 69, 145 [150]) fehlt es im
vorliegenden Fall, denn der Vortrag des Antragstellers lässt jeden Hinweis darauf
vermissen, dass und aus welchen Gründen das Oberlandesgericht, wenn es die
Auffassung des Antragstellers zum Inhalt der Anklageschrift zur Kenntnis
genommen hätte, die gesetzlichen Voraussetzungen einer Fortdauer der
Untersuchungshaft verneint haben könnte. Dass dies geschehen wäre, erscheint
im Übrigen geradezu ausgeschlossen, wie der Beschluss des Oberlandesgericht
vom 8. Mai 2000 verdeutlicht, in welchem wiederum die Fortdauer der
Untersuchungshaft angeordnet wurde, obgleich sich der Antragsteller bzw. sein
Verteidiger in der Zwischenzeit zum Inhalt der Anklageschrift im Hinblick auf deren
Bedeutung für die Frage einer Haftfortdauer äußern konnte. Soweit der
Antragsteller beanstandet, das Oberlandesgericht wende auf ihn eine
strafrechtliche Bestimmung, nämlich § 370 Abs. 6 AO, mit rückwirkender Kraft an,
ist dem Darlegungsgebot des § 43 Abs. 1 und 2 StGHG ebenfalls nicht genügt.
Allerdings hat das Oberlandesgericht hinsichtlich bestimmter Anklagepunkte eine
Strafbarkeit des Antragstellers aus der vorgenannten Vorschrift abgeleitet,
während der Antragsteller dies unter Hinweis auf die nach seiner Meinung im
Zeitpunkt der angeblichen Tatbegehung fehlende Rechtsverordnung gemäß § 370
Abs. 6 Satz 3 AO in Zweifel zieht. Der Staatsgerichtshof, der als
Landesverfassungsgericht kein weiteres Rechtsmittelgericht darstellt, hat keinen
Anlass, diesem Rechtsstandpunkt des Antragstellers im Rahmen der vorliegenden
Grundrechtsklage nachzugehen, da die Antragsschrift jedenfalls keinerlei
Anhaltspunkte dafür liefert, dass die rechtliche Einschätzung des
Oberlandesgericht, was die mögliche Strafbarkeit bestimmter Taten des
Antragstellers angeht, auf einer grundsätzlich falschen Anschauung von der
Bedeutung des verfassungsrechtlichen Rückwirkungsverbots beruht oder dass es
die Grundrechtsrelevanz dieses Verbots schlechthin verkannt hätte oder eine im
Lichte dieses Verbots objektiv unhaltbare Entscheidung getroffen hätte. Vielmehr
spricht der Zusammenhang der Ausführungen des Oberlandesgerichts auf den
Seiten 2 und 3 des angegriffenen Beschlusses dafür, dass das Gericht, wenn es
von hinterzogener Einfuhrumsatzsteuer spricht, eine mögliche Straferwartung des
Antragstellers aus § 370 Abs. 6 Satz 1 AO herleitet, nicht aber, wie der
Antragsteller anzunehmen scheint, aus Satz 2 dieser Vorschrift, auf den allein sich
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Antragsteller anzunehmen scheint, aus Satz 2 dieser Vorschrift, auf den allein sich
der vom Antragsteller zur Stützung seiner Auffassung bemühte Satz 3 bezieht.
Damit fehlt es unter Berücksichtigung der Darlegungen in der Grundrechtsklage
schon an konkreten Anhaltspunkten für eine einfachrechtliche Fehlerhaftigkeit der
Auffassung des Oberlandesgerichts.
Dem Vorwurf des Antragstellers, Art. 126 Abs. 2 HV sei verletzt, wonach Richter
unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen sind, mangelt es - unbeschadet des
Umstandes, dass sich der Antragsteller insoweit nicht auf ein Grundrecht beruft -
angesichts der vorstehenden Ausführungen an jeder nachvollziehbaren Substanz.
Die vom Antragsteller schließlich unter Hinweis auf Art. 147 Abs. 2 HV angestrebte
Strafverfolgung der am Beschluss vom 10. Januar 2000 mitwirkenden Richter des
Oberlandesgerichts kommt nicht in Betracht. Die Vorschriften der Hessischen
Verfassung über die Strafverfolgung wegen Verfassungsbruchs sind durch die
bundesrechtliche Regelung des § 6 des Einführungsgesetzes zur
Strafprozessordnung gegenstandslos geworden (ständige Rechtsprechung des
StGH, vgl. Beschluss vom 23.06.1993 - P.St. 1160 -, StAnz. 1993, S. 1871). Ob ein
Verfassungsbruch oder ein darauf gerichtetes Unternehmen strafbar ist, bestimmt
sich nach dem Strafgesetzbuch, eine eventuelle Strafverfolgung fällt in die
Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte.
Wie das erstmals mit Schriftsatz vom 8. Mai 2000 geltend gemachte Begehren
des Antragstellers, festzustellen, dass er spätestens nach Erlass des Beschlusses
der 13. Großen Strafkammer des Landgerichts Darmstadt vom 17. April 2000 aus
der Untersuchungshaft hätte entlassen werden müssen, prozessual im Rahmen
des vorliegenden, zunächst nur gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts
Frankfurt am Main vom 10. Januar 2000 eingeleiteten Grundrechtsklageverfahrens
einzuordnen ist, mag dahinstehen. Ein irgendwie gearteter Verstoß gegen
Grundrechte des Antragstellers ist nämlich auch insoweit nicht einmal ansatzweise
dargelegt. Für die Vermutung des Antragstellers, nach dem vorgenannten
Beschluss, mit dem das Landgericht die Anklageschrift an die zuständige
Staatsanwaltschaft zur Nachbesserung zurückreichte, müsse zu seinen Gunsten
vom Fehlen eines dringenden Tatverdachts ausgegangen werden, gibt es keinerlei
vernünftige Anhaltspunkte. Neben der Sache liegt daher auch der Vorwurf des
Antragstellers, die am Beschluss vom 17. April 2000 mitwirkenden Richter des
Landgerichts Darmstadt hätten sein Freiheitsgrundrecht gemäß Art. 5 HV sowie
die Bestimmung des Art. 126 Satz 2 HV missachtet und ”sich nicht dem Gesetz
unterworfen”. Aus den vorstehenden Darlegungen folgt zugleich, dass die zum
Gegenstand eines Feststellungsbegehrens gemachte Einschätzung des
Antragstellers, er befinde sich "ohne gerichtliche Grundlage" in Untersuchungshaft,
jeder rechtlichen Grundlage entbehrt.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 28 StGHG.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.