Urteil des StGH Hessen vom 23.06.1993

StGH Hessen: hessen, subsidiarität, verfassungsbeschwerde, abschleppen, zivilprozessrecht, strafanzeige, quelle, ministerpräsident, einspruch, dokumentation

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Gericht:
Staatsgerichtshof
des Landes
Hessen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
P.St. 1155
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 48 Abs 3 S 1 StGHG HE
(StGH Wiesbaden: Aufgaben des StGH - Subsidiarität der
Grundrechtsklage)
Leitsatz
Der Staatsgerichtshof ist nicht ein den hessischen Behörden und Gerichten
übergeordnetes oberstes Aufsichtsorgan, das von jedermann jederzeit angerufen
werden könnte. Er entscheidet nur in den ausdrücklich von der Hessischen Verfassung
und vom Gesetz über den Staatsgerichtshof vorgesehenen Fällen (ständige
Rechtsprechung, zuletzt P.St. 1138). 2. Hat der Antragsteller keine Grundrechte
benannt, die er als verletzt rügt, und hat er vor Anrufung des Staatsgerichtshofs den
Rechtsweg nicht erschöpft, so ist die Grundrechtsklage unzulässig. 3. Entscheidungen,
die ausschließlich unter Anwendung von Bundesrecht ergangen sind, sind der
Überprüfung durch den Staatsgerichtshof entzogen (ständige Rechtsprechung, zuletzt
P.St. 1143).
Gründe
A.
Mit seiner als "Verfassungsbeschwerde" bezeichneten, am 2. Dezember 1992
eingegangenen Eingabe erstrebt der Antragsteller die Überprüfung von
Entscheidungen des Amts- und Landgerichts sowie der Staatsanwaltschaft beim
Landgericht G. und erhebt Dienstaufsichtsbeschwerde.
Das Amtsgericht hatte mit Urteil vom 12. September 1991 die Klage des
Antragstellers gegen die ADAC-Schutzbrief Versicherungs-AG auf Ersatz von
Kosten für das Abschleppen seines unfallgeschädigten Fahrzeugs abgewiesen. Die
Berufung dagegen hatte das Landgericht G. durch Versäumnisurteil vom 20. Mai
1992 (Az.: 1 S 485/91) zurückgewiesen. Auf seine mit der Behauptung begründete
Strafanzeige, man habe ihn bei Abschluß des Versicherungsvertrages in der
ADAC-Geschäftsstelle G. falsch beraten und damit betrogen, hatte ihm die
Staatsanwaltschaft beim Landgericht G. unter dem 18. Oktober 1992 mitgeteilt, es
bestehe kein Anlaß für ein Einschreiten der Strafverfolgungsbehörde.
Der Hessische Ministerpräsident hält den Antrag aus mehreren Gründen für
unzulässig. Weder sei ein Grundrechtsverstoß dargelegt, noch habe der
Antragsteller den Rechtsweg erschöpft; auch die Klagefrist sei versäumt. Im
übrigen beruhten alle angegriffenen Entscheidungen ausschließlich auf
Bundesrecht.
Der Landesanwalt hat sich dem Verfahren nicht angeschlossen.
Die Akten des Amtsgerichts G. in Sachen T. gegen ADAC- Schutzbrief
Versicherungs-AG (Az.: 44 C 1910/91 - 1 S 485/91) lagen zur Beratung vor.
B.
Die Anträge haben keinen Erfolg.
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Soweit der Antragsteller Maßnahmen der Dienstaufsicht erstrebt, ist dieses
Begehren unzulässig.
Der Staatsgerichtshof des Landes Hessen ist nicht ein den hessischen Behörden
und Gerichten übergeordnetes oberstes Aufsichtsorgan, das von jedermann
jederzeit angerufen werden könnte, um im Wege der "Dienstaufsichtsbeschwerde"
Behörden und Gerichte zu einem vermeintlich rechtlich gebotenen Handeln
anzuhalten oder sie wegen behaupteter Gesetzesverletzung zur Rechenschaft zu
ziehen. Der Staatsgerichtshof entscheidet nur in den ausdrücklich von der
Verfassung des Landes Hessen (kurz: Hessische Verfassung - HV -) und vom
Gesetz über den Staatsgerichtshof (StGHG) vorgesehenen Fällen (vgl. StGH,
Beschluß vom 09.12.1992, P.St. 1138).
Auch soweit das Begehren des Antragstellers als Grundrechtsklage gegen die
Entscheidungen des Amts- und Landgerichts sowie der Staatsanwaltschaft G.
aufgefaßt werden kann, ist es aus mehreren Gründen unzulässig.
Nach Art. 131 Absätze 1 und 3 HV in Verbindung mit den §§ 45 Abs. 2, 46 Abs. 1,
48 Abs. 3 StGHG kann jedermann den Staatsgerichtshof anrufen, der geltend
macht, daß ihm von der Hessischen Verfassung gewährte Grundrechte verletzt
seien. In dem Antrag müssen die Grundrechte bezeichnet und die Tatsachen
dargelegt werden, aus denen sich der Verletzungsvorgang ergeben soll. Weitere
Voraussetzung ist, daß der Antragsteller eine Entscheidung des höchsten in der
Sache zuständigen hessischen Gerichts herbeigeführt hat und innerhalb
Monatsfrist seit Zustellung dieser Entscheidung den Staatsgerichtshof anruft
(ständige Rechtsprechung des StGH, vgl. Beschlüsse vom 12.06.1991, P.St. 1108
und 1109, StAnz. 1991, S. 2654 und 2656; Beschluß vom 09.12.1992, P.St. 1138).
Der Antragsteller hat entgegen der Vorschrift des § 46 Abs. 1 StGHG keine
Grundrechte benannt, die er als verletzt rügt. Er hat außerdem den Rechtsweg vor
Anrufung des Staatsgerichtshofes nicht erschöpft (§ 48 Abs. 3 Satz 1 StGHG),
denn gegen das Versäumnisurteil des Landgerichts G. wäre Einspruch nach § 338
der Zivilprozeßordnung zulässig gewesen; gegenüber der Entscheidung der
Staatsanwaltschaft hätte das Klageerzwingungsverfahren nach den § 174 ff. der
Strafprozeßordnung offengestanden. Die vom Antragsteller gerügten
Entscheidungen sind einer Überprüfung durch den Staatsgerichtshof überdies
auch deshalb entzogen, weil sie ausschließlich unter Anwendung von Bundesrecht
(der Zivilprozeßordnung, des Bürgerlichen Gesetzbuches, der Strafprozeßordnung
und des Strafgesetzbuches) ergangen sind (ständige Rechtsprechung des StGH,
vgl. z.B. Beschluß vom 13.01.1993, P.St. 1143).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 24 StGHG.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.