Urteil des StGH Hessen vom 13.12.2004

StGH Hessen: wasser, rechtliches gehör, billigkeit, rüge, abrechnung, verbrauch, willkürverbot, hessen, verfassungsgericht, wohnung

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Gericht:
Staatsgerichtshof
des Landes
Hessen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
P.St. 1904
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 43 Abs 1 S 2 StGHG, § 43
Abs 1 S 3 StGHG, § 321a ZPO
Leitsatz
Substantiierungsbedürftiger Gegenstand einer Grundrechtsklage ist nach der
Gehörsrüge gemäß § 321a ZPO das angefochtene Urteil in Verbindung mit dem
Beschluss nach § 321a ZPO.
Tenor
Die Anträge werden zurückgewiesen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben, außergerichtliche Kosten nicht erstattet.
Gründe
A
I.
Die Antragstellerin wendet sich mit der Grundrechtsklage gegen ein teilweise
klageabweisendes Urteil des Amtsgerichts Offenbach sowie einen ihre Rüge nach §
321a Zivilprozessordnung - ZPO - und eine Gegenvorstellung zurückweisenden
Beschluss des Amtsgerichts Offenbach in einer mietrechtlichen Streitigkeit.
Die Antragstellerin ist Eigentümerin einer Wohnung in einer Liegenschaft in O. In
dem Anwesen befinden sich insgesamt sechs Wohn- und vier Büroeinheiten. Die
Antragstellerin vermietete diese Wohnung an den Beklagten des
Ausgangsverfahrens - kurz: Beklagter -.
Mit Abrechnung vom 13. August 2001 forderte die Antragstellerin für das
Abrechnungsjahr 2000 von dem Beklagten eine Nachzahlung für Nebenkosten in
Höhe von 756,59 €.
Nachdem der Beklagte verschiedene Einwendungen gegen die Abrechnung
vorgetragen und nicht gezahlt hatte, erhob die Antragstellerin Klage vor dem
Amtsgericht Offenbach am Main.
Äußerungen des Gerichts im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 20. Februar
2003 gibt die Antragstellerin unter anderem wie folgt wieder:
"Allerdings habe sie - die Richterin - ein ganz anderes Problem mit der
Abrechnung. Die Richterin erläuterte dann, dass sie mit der Verteilung der Wasser-
und Kanalkosten nicht einverstanden sei, da man nicht - wie in der
Umlagenabrechnung geschehen - die Kosten für Wasser und Kanal in der Weise
umlegen könne, dass bei den Mietwohnungen im Hause jede Person als eine
Person voll berücksichtigt werde, bei den im Hause untergebrachten Kleinstbüros
dagegen die konkrete Anwesenheit der Nutzer berücksichtigt und dann - wenn
diese an gewissen Tagen in der Woche das Büro nicht nutzen - entsprechend
dieser geringeren Nutzung weniger als eine Person in Ansatz gebracht werde".
Die Antragstellerin nahm nach der mündlichen Verhandlung mit Schriftsatz vom
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Die Antragstellerin nahm nach der mündlichen Verhandlung mit Schriftsatz vom
25. Februar 2003 noch einmal Stellung, fügte diesen Schriftsatz ihrer
Grundrechtsklage jedoch nicht bei.
Mit Urteil vom 6. März 2003 verurteilte das Amtsgericht Offenbach den Beklagten
zur Zahlung von 343,30 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
jeweiligen Basiszinssatz seit dem 7. Januar 2003. Im Übrigen wies es die Klage als
derzeit unbegründet ab.
Die Abrechnung sei derzeit nicht fällig, soweit auf den Beklagten für Wasser- und
Kanalkosten ein Betrag in Höhe von 808,33 DM umgelegt worden sei. Zu
beanstanden sei die Umlage der Wasser- und Kanalkosten nach Anzahl der
Personen, wobei für die Büroeinheiten Berücksichtigung gefunden habe, wie viele
Tage pro Woche diese genutzt würden. Die Antragstellerin habe zwar im einzelnen
dargelegt, insbesondere in ihrem Schriftsatz vom 25. Februar 2003, den das
Gericht berücksichtigt habe, warum es sachgerecht erscheine, die Büroeinheiten
nach Dauer des Aufenthalts der jeweiligen Personen in den Büroräumen und deren
Ausstattung (da zum Teil ohne Bad) zu berücksichtigen. Die Antragstellerin
verkenne dabei jedoch, dass hier lediglich die Belange der Büronutzer
berücksichtigt würden, während bei den sonstigen Mietern des Anwesens fiktiv
davon ausgegangen werde, dass sie alle sieben Tage die Woche die Mieträume
nutzten und auch ansonsten den gleichen Verbrauch hätten, und im Übrigen bei
ihnen nach Nutzungsverhalten nicht differenziert werde. Das führe jedoch zu
einem unbilligen Ergebnis, da nicht schlechterdings davon ausgegangen werde
könne, dass die anderen Mieter allesamt die Wohnräume sieben Tage die Woche
nutzten.
Das Gericht verkenne zwar nicht, dass es aufgrund der Angaben der
Antragstellerin nahe liege, dass der tatsächliche Kaltwasserverbrauch in den
Büroräumen niedriger ausfalle als in den Wohnräumen, so dass ein gewisser
Abschlag gerechtfertigt sein könne. Hier würden jedoch neben den
Kaltwasserkosten auch noch die Kanalgebühren umgelegt, bei denen es nicht
ausschließlich auf den tatsächlichen Verbrauch jeder einzelnen Person ankomme,
denn zu den Kosten der Entwässerung gehörten Grundstücksentwässerung,
Regenwasserabgabe, Regenwasserkanalkosten oder der
Oberflächenentwässerung. Insoweit sei nicht ersichtlich, dass eine Begünstigung
der Personen, die weniger oft ihre Mieträume nutzten, gegenüber den anderen
Mietern gerechtfertigt sein könnte.
Zinsen seien gemäß § 291 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB - seit Eintritt der
Rechtshängigkeit gerechtfertigt. Eine vorherige Fälligkeit der Abrechnung sei nicht
eingetreten, da von dem Mieter nicht verlangt werden könne, die
Betriebskostenabrechnung zu korrigieren und den geschuldeten Saldo
herauszurechnen.
Mit Schriftsatz vom 25. März 2003 erhob die Antragstellerin Rüge gemäß § 321a
ZPO und rügte die Verletzung rechtlichen Gehörs, soweit die Verteilung der
Wasser- und Kanalkosten als unbillig beanstandet worden sei.
Des weiteren erhob die Antragstellerin Gegenvorstellung gegen das Urteil vom 6.
März 2003 und rügte insoweit eine Verletzung des Willkürverbots.
Nach Angaben der Antragstellerin wies das Amtsgericht die Rüge mit Beschluss
vom 30. Juni 2003 im Wesentlichen mit dem Argument zurück, dass sie es
versäumt habe, im Termin zur mündlichen Verhandlung einen Schriftsatznachlass
zu beantragen. Den Beschluss legte die Antragstellerin nicht vor.
Am 28. Juli 2003 hat die Antragstellerin Grundrechtsklage erhoben. Sie rügt eine
Verletzung des Rechts auf Gewährung rechtlichen Gehörs sowie des Willkürverbots.
Völlig überraschend und erstmals im Urteil habe das Gericht auf einen
Gesichtspunkt abgestellt, der bisher weder zwischen den Parteien streitig gewesen
noch vom Gericht erwähnt worden sei und mit dem kein Prozessbeobachter, auch
bei gewissenhafter Verfolgung des Prozessverlaufs, habe rechnen müssen. Es
habe nämlich darauf abgestellt, die Abrechnung der Kanalkosten sei insofern nicht
ordnungsgemäß, als darin verbrauchsunabhängige Kostenpositionen enthalten
seien, weshalb eine verbrauchsunabhängige Kostenaufteilung unbillig sei. Dieser
Gesichtspunkt sei im Übrigen auch unzutreffend. Hätte das Gericht auf diesen
Umstand hingewiesen, hätte sie vorgetragen, dass in den Kanalkosten der
Umlageabrechnung keine verbrauchsunabhängigen Kosten enthalten seien,
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Umlageabrechnung keine verbrauchsunabhängigen Kosten enthalten seien,
sondern diese ausschließlich davon abhingen, wie viel Kaltwasser verbraucht
werde, da auch die Kanalkosten nach dem angelieferten Kaltwasser abgerechnet
würden.
Auch hinsichtlich der Kaltwasserkosten sei die Entscheidung überraschend. Die
Entscheidung habe die Billigkeit der von ihr angenommenen Aufteilung der
Kaltwasserkosten mit der Begründung verneint, dass in der Abrechnung bei den
Wohnungsmietern davon ausgegangen werde, dass sie alle sieben Tage die Woche
die Mieträume nutzten und auch ansonsten den gleichen Verbrauch hätten und im
übrigen bei ihnen nach Nutzerverhalten nicht differenziert werde. Keines dieser
Argumente sei zwischen den Beteiligten streitig gewesen.
Das angefochtene Urteil verletze zudem das Willkürverbot. Die Antragstellerin sei
nach der mietvertraglichen Regelung berechtigt, den Verteilungsschlüssel nach
billigem Ermessen zu bestimmen, und habe ihr Gestaltungsrecht auch
wahrgenommen. Das Gericht habe nicht erkennen lassen, wie der von ihm
bevorzugte Verteilungsschlüssel aussehen könne. Auch wenn das Gericht eine
andere Verteilung der Wasser- und Kanalkosten bevorzugt hätte, sei dies nicht der
gerichtliche Prüfungsmaßstab. Denn die Beteiligten seien im Rahmen des Art. 2
der Verfassung des Landes Hessen - kurz: Hessische Verfassung (HV) - befugt,
ihre Angelegenheiten durch vertragliche Vereinbarung selbst zu gestalten. Wenn
das Gericht die vertraglichen Vereinbarungen im Ergebnis mit der Begründung
aufhebe, der angewandte Verteilungsmaßstab entspreche nicht der Billigkeit,
werde ihr das ihr zustehende Bestimmungsrecht dadurch abgeschnitten, dass die
Aufteilung durch eine neue pauschale, nicht auf die tatsächlichen Gegebenheiten
Rücksicht nehmende andere Ungenauigkeit ersetzt werden solle. Das Gericht
verkenne insoweit die Reichweite des Grundrechts aus Art. 2 HV, das Wesen einer
Umlagenabrechnung, die niemals zu einer absoluten Gebührengerechtigkeit
führen könne, und den anzuwendenden Maßstab zur Beurteilung der Billigkeit.
Es sei auch nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen die beantragte Verzinsung
der gerichtlich zugesprochenen Kostenpositionen verwehrt worden sei. Eine
Korrektur der Umlagenabrechnung und eine Neuberechnung sei nicht erforderlich
gewesen. Selbst wenn Wasser- bzw. Kanalkosten nicht fällig gewesen wäre, habe
dies die Fälligkeit der zugesprochenen Positionen nicht beeinflusst.
Die Antragstellerin beantragt,
1. festzustellen, dass das Urteil des Amtsgerichts Offenbach am Main vom
06.03.2003 - 390 C 477/02 - sowie der Beschluss, mit dem die Grundrechtsrüge
gegen das Urteil zurückgewiesen wurde, das sich aus Art. 3 HV ergebende
Grundrecht auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt, des Amtsgerichts
Offenbach am Main vom 30.06.2003,
2. festzustellen, dass das Urteil des Amtsgerichts Offenbach vom 06.03.2003 -
390 C 477/02 - die Rechte der Antragstellerin aus Art. 2 HV sowie aus Art. 1 HV in
dessen Ausprägung als Willkürverbot verletzt,
3. das Urteil des Amtsgerichts Offenbach am Main vom 06.03.2003 - 390 C
477/02 - für kraftlos zu erklären und den Rechtsstreit an das Amtsgericht
Offenbach am Main zurückzuverweisen.
II.
Der Antragsgegner ist der Ansicht, die Grundrechtsklage sei teilweise unzulässig,
im Übrigen aber zulässig und begründet.
Die Grundrechtsklage sei unzulässig, soweit die Antragstellerin eine Verletzung
des Gehörsrechts darin sehe, dass sie zu den in der mündlichen Verhandlung
aufgeworfenen Fragen der Billigkeit des Verteilungsmaßstabes nicht hinreichend
habe Stellung nehmen können. In welchem Umfang die Büromieter ihre Räumen
nutzten, sei für das Gericht nicht entscheidungserheblich gewesen. Der
Gesichtspunkt der Billigkeit des gewählten Verteilungsmaßstabs sei nicht erst von
dem Gericht und nicht erst in der mündlichen Verhandlung eingebracht worden.
Vielmehr seien die tatsächlichen Grundlagen der Verteilung von Wasser- und
Kanalkosten von Anfang an streitig gewesen.
Eine Gehörsverletzung ergebe sich indes aus den Überlegungen des Amtsgerichts
zu den auch auf den Beklagten umgelegten Wasser- und Kanalkosten. Es halte die
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zu den auch auf den Beklagten umgelegten Wasser- und Kanalkosten. Es halte die
Kostenverteilung für unbillig, weil in den Büros zwar möglicherweise weniger
Kaltwasser verbraucht werde als in den Wohnungen. Die Antragstellerin habe
jedoch "neben den Kaltwasserkosten auch noch die Kanalgebühren umgelegt, bei
denen es nicht allein auf den tatsächlichen Verbrauch jeder einzelnen Person
ankommt,...". Dieser zunächst tatsächlichen Annahme und dem Schluss auf die
Unbilligkeit der Kostenverteilung habe das Amtsgericht einen Sachverhalt
zugrunde gelegt, den die Parteien nicht vorgetragen hätten und den es, selbst
wenn es ihn als offenkundig oder wenigstens als gerichtsbekannt angesehen
haben sollte, mit ihnen jedenfalls nicht erörtert habe. Auf diesem Gehörsverstoß
beruhe das angegriffene Urteil. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass das
Amtsgericht zu Gunsten der Antragstellerin entschieden hätte, wenn es ihr
Gelegenheit gegeben hätte, zu der Berechnung der Kanalkosten vorzutragen.
Im Übrigen halte das angefochtene Urteil auch einer Prüfung am Maßstab des
Willkürverbots nicht stand. Es sei schon zweifelhaft, ob das Amtsgerichts mit
seinem Ergebnis die Vorschrift des § 315 Abs. 1 Satz 1 BGB korrekt angewandt
habe, weil § 315 BGB der bestimmungsberechtigten Partei einen Entscheidungs-
oder Ermessensspielraum einräume und die Bestimmung erst dann unverbindlich
werde, wenn die Grenzen dieses von der Privatautonomie gebotenen und von §
315 BGB eingeräumten Ermessensspielraums überschritten seien, ohne dass das
Gericht die nachvollziehbaren Billigkeitsüberlegungen des
Bestimmungsberechtigten durch seine eigene Einschätzung ersetzen dürfe. Wenn
das Amtsgericht jedoch den Verteilungsmaßstab der Antragstellerin als unbillig
angesehen habe, hätte es von § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB Gebrauch machen und
den Maßstab selbst festlegen müssen. Das habe es ohne erkennbaren Grund
unterlassen und damit seine Gestaltungspflicht aus § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB
verletzt.
III.
Die Landesanwaltschaft ist ebenfalls der Auffassung, die Grundrechtsklage sei
zulässig und begründet, soweit die Antragstellerin eine Verletzung des Rechts auf
rechtliches Gehör rügt, als der Entscheidung zugrunde gelegt worden sei, bei den
Kanalkosten seien auch verbrauchsunabhängige Kosten umgelegt werden.
IV.
Der Beklagte verteidigt das Urteil des Ausgangsverfahrens.
V.
Die Akten des Ausgangsverfahrens vor dem Amtsgerichts Offenbach am Main -
390 C 477/02 - haben dem Staatsgerichtshof vorgelegen.
B
I.
Die Grundrechtsklage ist unzulässig, denn die Grundrechtsklageschrift genügt
nicht den Anforderungen des § 43 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 des Gesetzes über den
Staatsgerichtshof - StGHG -.
Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 StGHG erfordert die Zulässigkeit einer gegen
eine gerichtliche Entscheidung gerichteten Grundrechtsklage, dass der
Antragsteller substantiiert einen Sachverhalt schildert, aus dem sich - seine
Richtigkeit unterstellt - plausibel die Möglichkeit einer Verletzung der von ihm
benannten Grundrechte der Hessischen Verfassung durch die angegriffene
Entscheidung ergibt. Das in dieser Vorschrift enthaltene
Substantiierungserfordernis verlangt vom Grundrechtskläger einen aus sich
heraus, d.h. ohne Hinzuziehung von Akten und ohne Stellungnahmen anderer
Verfahrensbeteiligter, verständlichen Vortrag. Dazu gehört auch, dass der
Grundrechtskläger deutlich macht, aus welchem rechtlichen Zusammenhang sich
die behauptete Grundrechtsverletzung ergeben soll (StGH, Beschluss vom
08.11.2000 - P.St. 1329 - StAnz. 2000, S. 3986), d.h. welche Verfahrenshandlung
oder materiell-rechtliche Würdigung des Gerichts welche Grundrechtsverletzung
aus seiner Sicht bewirkt hat.
1. Die Möglichkeit einer Verletzung des Rechts auf Gewährung rechtlichen Gehörs
hat die Antragstellerin nicht plausibel dargelegt.
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Die Antragstellerin hat die ihr obliegenden Darlegungspflichten nicht erfüllt, da sie
den Beschluss des Amtsgerichts Offenbach am Main vom 30. Juni 2003 weder
vorgelegt noch seinem wesentlichen Inhalt nach wiedergegeben hat.
Entgegen der Ansicht des Antragsgegners ist in Fällen der vorliegenden Art nicht
nur das angefochtene Urteil des Amtsgerichts substantiierungsbedürftiger
Gegenstand der Grundrechtsklage, sondern vielmehr das angefochtene Urteil in
Verbindung mit dem Beschluss über den Antrag nach § 321a ZPO.
Erst aus dem Zusammenwirken des Beschlusses auf den Antrag nach § 321a ZPO
und dem angefochtenen Urteil lässt sich feststellen, ob eine Verletzung des
Gehörsrechts (noch) vorliegt und ob die Entscheidung gegebenenfalls auf einem
Gehörsverstoß beruhen kann. Denn es ist möglich, dass auf einen Antrag nach §
321a ZPO zwar ein Gehörsverstoß festgestellt wird, das Ausgangsgericht jedoch
aus von diesem Gehörsverstoß unabhängigen Gründen an seiner Entscheidung
festhält, so dass die Entscheidung nicht (mehr) auf einem
entscheidungserheblichen Gehörsverstoß beruhen würde (vgl. § 321a Abs. 1 Nr. 2
ZPO).
Grundlage der von dem Staatsgerichtshof vorzunehmenden Schlüssigkeitsprüfung
ist allein die fristgerecht vorgelegte Begründung der Grundrechtsklage. Sie muss
lückenlos und nachvollziehbar den Ausgangssachverhalt darstellen und alle
Tatsachen berichten, auf die es für die Beurteilung der Rechtsfragen ankommen
kann. Da sie aus sich heraus verständlich sein muss, genügt es nicht, wenn sich
der Sachverhalt und das vom Antragsteller Gemeinte erst durch die
Stellungnahmen anderer Verfahrensbeteiligter oder durch Einsicht in die Akten
eines vorangegangenen Rechtsstreits erschließen lässt. Hierzu gehört
insbesondere auch die Vorlage der angegriffenen Entscheidung oder aber
zumindest die nachvollziehbare Darlegung ihres wesentlichen Inhalts.
Zwar hat die Antragstellerin ihrer Grundrechtsklage den Schriftsatz vom 25. März
2003 beigefügt, mit dem sie die Rüge gemäß § 321a ZPO und Gegenvorstellung
gegen das angefochtene Urteil erhoben hat. Sie hat jedoch den auf diese Rüge
ergangenen Beschluss des Amtsgerichts Offenbach am Main nicht vorgelegt und
bezüglich des Inhalts auch nur dargelegt, das Gericht habe die Rüge im
Wesentlichen mit dem Argument zurückgewiesen, dass sie es versäumt habe, im
Termin zur mündlichen Verhandlung Schriftsatznachlass zu beantragen. Damit ist
indes der Staatsgerichtshof nicht in die Lage versetzt, allein aufgrund des
Vorbringens der Antragstellerin zu prüfen, ob die Möglichkeit einer Verletzung des
Gehörsrechts besteht. Denn aus der Behauptung "im Wesentlichen" geht nicht
nachvollziehbar hervor, ob und gegebenenfalls welche weiteren Gründe das
Amtsgericht für die Zurückweisung der Rüge angeführt hat, so dass sich der
Staatsgerichtshof außer Stande sieht zu prüfen, auf welche rechtlich relevanten
Gründen seine Entscheidung gestützt ist. Offenbar geht die Antragstellerin davon
aus, der Staatsgerichtshof werde die Akten des Ausgangsverfahrens beiziehen
und sich über den Inhalt der Schriftsätze sowie der Entscheidungen des Gerichts
kundig machen. Es ist aber nicht Aufgabe des Staatsgerichtshofs, den Sachverhalt
über den Vortrag des Grundrechtsklägers hinaus aufzuklären und so Zweifel über
das Vorliegen der Zulässigkeitsvoraussetzungen auszuräumen. Vielmehr obliegt
es dem Grundrechtskläger, dem Staatsgerichtshof alle Gesichtspunkte zu
unterbreiten, die für die Zulässigkeit der Grundrechtsklage maßgeblich sind. Dem
genügt das Vorbringen der Antragstellerin indes nicht.
2. Auch die Möglichkeit einer Verletzung des Willkürverbots ist nicht in einer den
Anforderungen genügenden Art und Weise dargelegt worden.
Nach ständiger Rechtsprechung des Staatsgerichtshofs (vgl. etwa Beschluss vom
10.10.2001 - P.St. 1415 -, ESVGH 52, 7 = NJW-RR 2002, S. 501) überschreitet ein
Gericht die Schwelle zur Willkür durch die Auslegung und Anwendung einfachen
Rechts nur, wenn diese bei verständiger Würdigung der die Verfassung
bestimmenden Prinzipien nicht mehr nachvollziehbar sind und sich der Schluss
aufdrängt, dass die getroffene Entscheidung des Gerichts auf sachfremden
Erwägungen beruht. Dabei macht selbst die fehlerhafte Auslegung eines Gesetzes
allein eine Gerichtsentscheidung noch nicht willkürlich. Erst recht ist es nicht
Aufgabe des Staatsgerichtshofes als Verfassungsgericht, die einfachgesetzlich
zutreffende Interpretation einer Norm den Fachgerichten verbindlich vorzugeben.
Willkür liegt vielmehr erst dann vor, wenn eine offensichtlich einschlägige Norm
nicht berücksichtigt oder der Inhalt einer Norm in krasser und schlechterdings
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nicht berücksichtigt oder der Inhalt einer Norm in krasser und schlechterdings
nicht mehr nachvollziehbarer Weise missdeutet wird. Davon kann nicht
ausgegangen werden, wenn sich das Gericht mit der Rechtslage eingehend
auseinandersetzt und seine Auffassung nicht jeden sachlichen Grundes entbehrt.
a) Soweit die Antragstellerin rügt, das Amtsgericht habe das ihr zustehende
Bestimmungsrecht missachtet, indem es die Billigkeit des von ihr angewandten
Verteilungsmaßstabes verneint habe, ist ein Verstoß gegen das Willkürverbot nicht
ersichtlich.
Nach § 4 Ziffer 2 des Mietvertrages kann der Vermieter einen geeigneten, auch
unterschiedlichen Umlegungsmaßstab nach billigem Ermessen bestimmen, sofern
ein solcher nicht ausdrücklich vereinbart ist. Damit wird durch die mietvertragliche
Regelung auf § 315 BGB Bezug genommen. Nach § 315 Abs. 1 BGB ist im Zweifel
anzunehmen, dass die Bestimmung nach billigem Ermessen zu treffen ist, wenn
die Leistung durch einen der Vertragsschließenden bestimmt werden soll. Daraus
folgt, dass dem Bestimmungsberechtigten für den Regelfall ein
Gestaltungsspielraum zur Verfügung steht, d.h. also nicht nur eine Entscheidung
richtig ist (vgl. Hager, in: Erman, Handkommentar zum BGB, 11. Aufl. 2004, § 315
Rdnr. 18; Gottwald, in: Münchener Kommentar zum BGB, Band 2, 11. Auflage
2001, § 315 Rdnr. 28). Grenzen werden diesem Gestaltungsspielraum nur durch
die Billigkeit gezogen, d.h. jede Bestimmung, die sich noch innerhalb dieses
Rahmens bewegt, ist zulässig und auch für das Gericht bindend (vgl. Wolf, in:
Soergel, BGB, Band 2. 12. Auflage 1990, § 315 Rdnr. 39).
Ob die von dem Amtsgericht im Rahmen einer Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs.
3 Satz 1 BGB vorgenommene Beurteilung des von der Antragstellerin gewählten
Verteilungsmaßstabs den einschlägigen zivilrechtlichen Vorschriften entspricht, ist
eine einfach-rechtliche Frage, die zu beantworten nicht Aufgabe des
Staatsgerichtshofs ist. Die verfassungsgerichtliche Kontrolle fachgerichtlicher
Entscheidungen ist darauf beschränkt zu prüfen, ob die Verfassung verletzt wurde
(ständige Rechtsprechung des StGH, vgl. etwa Beschluss vom 18.08.1999 - P.St.
1391 -, StAnz. 1999, S. 2834 [2836]). Das folgt aus der Aufgabenverteilung
zwischen Fach- und Verfassungsgerichten. Der Staatsgerichtshof ist als
Verfassungsgericht keine zusätzliche Instanz im Rahmen des fachgerichtlichen
Rechtswegs.
b) Eine Verletzung des Willkürverbots nach den genannten verfassungsrechtlichen
Maßstäben ist danach nicht ersichtlich.
Dass das Amtsgericht willkürlich gehandelt habe, weil es trotz Beanstandung des
von der Antragstellerin gewählten Verteilungsmaßstabes nicht selbst einen billigen
Verteilungsmaßstab bestimmt hat (§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB), ist von der
Antragstellerin in ihrer vorliegenden Grundrechtsklage nicht vorgetragen worden.
Mangels Erfüllung des Darlegungserfordernisses ist es dem Staatsgerichtshof
daher verwehrt, einen hierin liegenden eventuellen Verfassungsverstoß sachlich zu
prüfen.
c) Die Möglichkeit eines Verstoßes gegen das Willkürverbot ist ebenfalls nicht
plausibel gemacht worden, soweit die Antragstellerin rügt, die Entscheidung des
Gerichts über die Verzinsung der zugesprochenen Forderung sei nicht
nachvollziehbar.
Die Antragstellerin hat nicht hinreichend dargelegt, woraus sich ihr
Verzinsungsanspruch vor Rechtshängigkeit ergeben soll. Im Übrigen ist nicht
erkennbar, dass die Begründung des Gerichts jeglichen sachlichen Grundes
entbehrt. Insoweit zweifelt die Antragstellerin, ohne eine Verletzung spezifischen
Verfassungsrechts darzulegen, lediglich die einfach-rechtliche Beurteilung durch
das Ausgangsgericht an. Diese zu korrigieren, ist aber nicht Aufgabe des
Staatsgerichtshofs als Verfassungsgericht.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 28 StGHG.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.
die obersten Bundesgerichte erfolgt.