Urteil des SozG Würzburg vom 12.05.2009

SozG Würzburg: krankenversicherung, psychisch kranker, unterbringung, krankheitsfall, mitgliedschaft, sozialhilfe, behandlung, versicherungspflicht, ambulanz, bewährung

Sozialgericht Würzburg
Beschluss vom 12.05.2009 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Würzburg S 6 KR 134/09 ER
I. Im Wege der einstweiligen Anordnung wird vorläufig festgestellt, dass der Antragsteller Pflichtmitglied der
Antragsgegnerin ist. II. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller dessen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die Feststellung seiner Mitgliedschaft bei der
Antragsgegnerin.
1. Der 1968 geborene Antragsteller bezog vom 5. April 2006 bis 17. Juli 2008 Arbeitslosengeld II und war bei der
Antragsgegnerin nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V versichert. Im Anschluss daran befand er sich bis zum 24. März 2009
in Untersuchungshaft bzw. in einer Klinik für forensische Psychiatrie. Mit Urteil des Landgerichts Würzburg vom 24.
März 2009 - 1 KLs 911 Js 8665/2008 - wurde der Antragsteller vom Vorwurf der schweren Brandstiftung
freigesprochen und gleichzeitig seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die
Vollstreckung der Unterbringung wurde zur Bewährung ausgesetzt. Gleichzeitig wurden dem Antragsteller mit
Beschluss des Landgerichts Würzburg vom 24. März 2009 - 1 KLs 911 Js 8665/2008 - strafbewährte Weisungen
erteilt, u.a. sich wöchentlich in einer forensischen Ambulanz vorzustellen. Seit 1. Januar 2009 bezieht der
Antragsteller Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe von 419,07 EUR, wobei die Voraussetzungen für die
Krankenversicherung der Rentner nicht erfüllt sind. Seit Juli 2007 ist für den Antragsteller ein Betreuer mit den
Aufgabenkreisen Aufenthaltsbestimmung, Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post im Rahmen der
übertragenen Aufgabenkreise, Gesundheitsfürsorge, Vermögenssorge sowie Vertretung gegenüber Behörden,
Versicherungen, Renten und Sozialleistungsträgern bestellt.
2. Am 26. März 2009 zeigte der Betreuer des Antragstellers gegenüber der Antragsgegnerin eine Pflichtversicherung
nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V an. Hierauf erklärte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 1. April 2009, dass es ihr
aus rechtlichen Gründen nicht mög-lich sei, die Versicherung durchzuführen. Nach dem Ende des
Versicherungsverhältnisses habe der Antragsteller Anspruch auf Gesundheitsfürsorge nach dem Strafvollzuggesetz
gehabt. Daher habe zuletzt eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall vorgelegen, so dass die gesetzlichen
Voraussetzungen für den Eintritt der Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 Buchstabe a SGB V nicht erfüllt
seien. Dagegen legte der Betreuer des Antragsstellers am 7. April 2009 Widerspruch ein. Über den Widerspruch soll in
der Widerspruchsausschusssitzung am 15. Juni 2009 entschieden werden.
3. Mit seinem am 27. April 2009 bei Gericht eingegangenen Antrag trägt der Betreuer des Antragstellers vor, dass mit
Beschluss des Landgerichts Würzburgs vom 24. März 2009 die Vollstreckung der Unterbringung in einem
psychiatrischen Krankenhaus angeordnet und zur Bewährung ausgesetzt worden sei. Als strafbewährte Weisung sei
dem Antragsteller unter anderem die Weisung erteilt worden, sich im wöchentlichen Turnus in der forensischen
Ambulanz des Bezirkskrankenhauses L. vorzustellen. Die forensische Ambulanz könne, weil die Kosten nicht
ausreichend abgedeckt seien, im Grunde keine Behandlung durchführen, was in letzter Konsequenz einen Widerruf
der Bewährung für den Betreuten bedeuten würde. Der Betreuer beantragt sinngemäß,
im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig festzustellen, dass der Antragssteller bei der Antragsgegnerin
Pflichtmitglied ist.
4. Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Eine Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V sei nicht zustande gekommen. Dies würde voraussetzen,
dass der Zeit ohne Absicherung eine Versicherung bei einer gesetzlichen Krankenversicherung vorausgegangen sei.
Dies sei nicht der Fall. Auch ein Anordnungsgrund liege nicht vor, der Betreuer habe beim Träger der Sozialhilfe
Krankenhilfe nach dem SGB XII beantragt, die nur deshalb abgelehnt worden sei, weil der Antragsteller über
Vermögen (ein Waldstück) verfüge. Dem Grunde nach sei ein Anspruch gegen den Träger der Sozialhilfe gegeben.
5. Im Übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten auf die vorgelegte Behördenakte sowie die Gerichtsakte
verwiesen.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig und begründet. Der Antragsteller hat
Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht, so dass im Wege der einstweiligen Anordnung die
vorläufige Feststellung getroffen werden kann, dass der Antragsteller Mitglied der Antragsgegnerin ist.
1. Nach § 86b Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine
einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine
Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich
erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vor-läufigen
Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine Regelung zur Abwendung wesentlicher
Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Beide Arten der einstweiligen Anordnung setzen einen
Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund voraus. Der Anordnungsanspruch ist der materielle Anspruch, für
den der Antragsteller vorläufigen Rechtsschutz sucht. Er ist identisch mit dem auch im Hauptsacheverfahren geltend
zu machenden materiellen Anspruch. Anordnungsgrund ist die Eilbedürftigkeit (Dringlichkeit) der begehrten Sicherung
oder Regelung. Für sein Vorliegen ist Voraussetzung, dass dem Antragsteller unter Berücksichtigung seiner
Interessen, aber auch der öffentlichen Interessen und der Interessen anderer Personen nicht zumutbar ist, die
Hauptsacheentscheidung abzuwarten (Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 15. Auflage 2007, § 123 Rd.Nr. 26).
Beides, Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund, hat der An-tragsteller glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4
SGG i.V.m. § 920 Abs. 2, § 294 der Zivilprozessordnung – ZPO).
Eine summarische Prüfung in dem Sinne, dass die Prüfung im Hauptsacheverfahren eingehender sein und deshalb
ein anderes Ergebnis haben kann, ist kennzeichnend für das Eilverfahren und verfassungsrechtlich grundsätzlich
unbedenklich (BVerfG, Kammerbeschluss vom 27.11.2007 - 1 BvR 1736/07 - zitiert nach juris). Nur in den Fällen, in
denen es um existentiell bedeutsame Leistungen geht (vgl. für Existenzsicherung nach dem SGB II: BVerfG,
Kammerbeschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 - zitiert nach juris; für medizinische Akutbehandlung: BVerfG,
Kammerbeschluss vom 06.02.2007 - 1 BvR 3101/06 - zitiert nach juris), ist den Gerichten eine lediglich summarische
Prüfung der Sach- und Rechtslage verwehrt. Sie haben unter diesen Voraussetzungen die Sach- und Rechtslage
abschließend zu prüfen. Ist dem Gericht in einem Verfahren, das existentiell bedeutsame Leistungen betrifft, eine
vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung
zu entscheiden; die grundrechtlichen Belange des Antragstellers sind umfassend in die Abwägung einzustellen. Die
Gerichte müssen sich schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (vgl. BVerfG,
Kammerbeschluss vom 29.11.2007 - 1 BvR 2496/07 - zitiert nach juris, m.w.N.).
2. Unter Berücksichtigung dieser verfassungsrechtlichen Vorgaben hat der Antragsteller An-ordnungsgrund und
Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
2.1 Der Antragsteller hat einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
Es kann dahingestellt bleiben, ob für die Kosten, die durch die Erfüllung der mit Beschluss vom 24. März 2009 durch
das Landgericht Würzburg erteilten strafbewährten Weisungen entstehen, die Antragsgegnerin aufkommen muss, weil
es sich hierbei um Krankenbehandlung im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung handelt (vgl. BSG, Urteil vom
07.02.2007 – B 6 KA 3/06 R – zitiert nach Juris). Selbst wenn die Antragsgegnerin für derartige Kosten nicht
aufkommen müsste und damit durch die Negierung der Mitglied-schaft des Antragsstellers nicht die Erfüllung der
strafbewährten Weisungen in Gefahr geriete, ist davon auszugehen, dass der Antragsteller angesichts der Höhe
seiner Rente und auch trotz vorhandenen Vermögens (einem Waldstück) nicht in der Lage wäre, eine
Krankenbehandlung zu bezahlen. Angesichts der Tatsache, dass für den Antragsteller mit Ur-teil des Landgericht
Würzburg vom 24. März 2009 die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet wurde, ist es
naheliegend, dass der Antragsteller davon unabhängig ärztlicher Behandlung, insbesondere psychiatrischer
Behandlung, bedarf, deren Kosten – wie ausgeführt – er zu tragen nicht in der Lage wäre. Daher ist dem Antragsteller
nicht zuzumuten, das Hauptsacheverfahren abzuwarten. Daran ändert auch der Vortrag der Antragsgegnerin, dem
Grunde nach bestehe ein Anspruch auf Krankenhilfe gegen den Träger der Sozialhilfe nichts (Keller in: Meyer-
Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage 2008, § 86b Rd.Nr. 29 f). Demnach ist ein Anordnungsgrund glaubhaft
gemacht.
2.2 Der Antragsteller hat auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1
Nr. 13 Buchstabe a SGB V sind gegeben, auch wenn der Antragsteller in der Zeit vom 18. Juli 2008 bis 24. März 2009
freie Gesundheitsfürsorge genossen hat.
2.2.1 Einen Anspruch auf freie Gesundheitsfürsorge nach dem Gesetz über den Vollzug der Freiheitsstrafe, der
Jugendstrafe und der Sicherungsverwahrung (Bayerisches Strafvollzugsgesetz – BayStVollzG) haben diejenigen,
gegen die eine Freiheitsstrafe (Artikel 58 ff BayStVollzG) oder Jugendstrafe (Artikel 151 BayStVollzG) verhängt wurde
oder die zum Schutz der Allgemeinheit sicherungsverwahrt sind (Art. 161 BayStVollzG). Keinen Anspruch auf freie
Gesundheitsfürsorge haben allerdings Untersuchungshäftlinge und einstweilig Untergebrachte. Trotz Fehlen
eindeutiger gesetzlicher Vorschriften ist aber auch insoweit sichergestellt, dass freie Gesundheitsfürsorge gewährt
wird (Wagner in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Loseblattsammlung, Stand November 2008, § 16 Rdnr.
14). Ferner haben keinen Anspruch auf freie Gesundheitsfürsorge diejenigen, die nach dem Gesetz über die
Unterbringung psychisch Kranker und deren Betreuung (Unterbringungsgesetz) untergebracht sind.
Wenn der Antragsteller in der Zeit vom 18. Juli 2008 bis 24. März 2009 keinen Anspruch auf freie
Gesundheitsfürsorge gehabt hätte, wäre er bereits deswegen auch über den 17. Juli 2008 hinaus aufgrund des § 5
Abs. 1 Nr. 13 Buchstabe a SGB V Pflichtmitglied der Antragsgegnerin (geblieben), weil dann eine anderweitige
Absicherung im Krankheitsfall für den Zeitraum vom 18. Juli 2008 bis 24. März 2009 gerade nicht vorgelegen hätte. In
diesem Fall wäre er über den 24. März 2009 Pflichtmitglied der Antragsgegnerin (geblieben).
2.2.2 Wenn allerdings davon ausgegangen wird, dass der Antragsteller – aufgrund welcher Re-gelungen auch immer –
während seiner Untersuchungshaft/seines Aufenthalts vom 18. Juli 2008 bis 24. März 2009 in einer Klinik für
forensische Psychiatrie Anspruch auf freie Gesundheitsfürsorge gehabt hat, ist er nunmehr nach Beendigung des
dortigen Aufenthalts und nach der Aussetzung der Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen
Krankenhaus bei der Antragsgegnerin nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 Buchstabe a SGB V Pflichtmitglied, weil er keinen
anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall (mehr) hat und er zuletzt Mitglied einer gesetzlichen
Krankenversicherung aufgrund des Bezugs von Arbeitslosengeld II in der Zeit vom 5. April 2006 bis 17. Juli 2008 war.
Denn entgegen der Annahme der Antragsgegnerin spielt die ggf. erfolgte "Unterbrechung" der Mitgliedschaft durch den
Anspruch auf freie Gesundheitsfürsorge keine Rolle.
Mit dem Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV –
Wettbewerbsstärkungsgesetz – GKV-WSG) vom 26. März 2007 (BGBl I S. 378 ff) hat der Gesetzgeber mit Artikel 1
Nr. 2 Buchstabe a Doppelbuchstabe cc eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung mit
Wirkung zum 1. April 2007 und mit Artikel 43 Nr. 01 eine Versicherungspflicht in der privaten Krankenversicherung mit
Wirkung zum 1. Januar 2009 eingefügt, wobei letzteres letztlich mit Artikel 1 und 10 des Gesetzes zur Reform des
Versicherungsvertragsrechts vom 23. November 2007 (BGBl I S. 2631) umgesetzt wurde. Danach sieht § 5 Abs. 1 Nr.
13 SGB V seit 1. April 2007 vor, dass versicherungspflichtig Personen sind, die keinen anderweitigen Anspruch auf
Absicherung im Krankheitsfall haben und
a) zuletzt gesetzlich krankenversichert waren oder
b) bisher nicht gesetzlich oder privat krankenversichert waren, es sei denn, dass sie zu den in Absatz 5 oder den in §
6 Abs. 1 oder 2 genannten Personen gehören oder bei Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit im Inland gehört hätten.
Nach § 5 Abs. 8a Satz 2 SGB V sind dennoch nicht versicherungspflichtig Empfänger laufender Leistungen nach dem
Dritten, Vierten, Sechsten und Siebten Kapitel des Zwölften Buches und Empfänger laufender Leistungen nach § 2
des Asylbewerberleistungsgesetzes.
Für den Bereich der privaten Krankenversicherung korrespondiert damit § 193 Abs. 3 des
Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) in seiner ab 1. Januar 2009 geltenden Fassung. Danach ist jede Person mit
Wohnsitz im Inland verpflichtet, bei einem in Deutschland zum Geschäftsbetrieb zugelassenen
Versicherungsunternehmen für sich selbst eine Krankheitskostenversicherung abzuschließen und aufrecht zu
erhalten. Nach Satz 2 der Vor-schrift besteht die Pflicht nicht für Personen, die
1. in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert oder versicherungspflichtig sind oder
2. Anspruch auf freie Heilfürsorge haben, beihilfeberechtigt sind oder vergleichbare Ansprüche haben im Umfang der
jeweiligen Berechtigung oder
3. Anspruch auf Leistungen nach § 2 des Asylbewerberleistungsgesetzes haben o-der
4. Empfänger laufender Leistungen nach dem Dritten, Vierten, Sechsten und Siebten Kapitel des Zwölften Buches
Sozialgesetzbuch sind für die Dauer dieses Leis-tungsbezugs und während Zeiten einer Unterbrechung des
Leistungsbezugs von weniger als einem Monat, wenn der Leistungsbezug vor dem 1. Januar 2009 begonnen hat.
Ziel des Gesetzgebungsvorhabens war es, einen Versicherungsschutz für alle in Deutschland lebenden Menschen zu
bezahlbaren Konditionen herzustellen. Niemand sollte ohne Versicherungsschutz und damit im Bedarfsfall nicht
ausreichend versorgt oder auf steuer-finanzierte staatliche Leistungen angewiesen sein (BT-Drs. 16/4247 S. 66). Die
Regelungen des § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V und § 193 Abs. 3 VVG sind im Zusammenhang zu sehen, wobei -
ausweislich der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/4247 S. 67) - der Gesetzgeber die Intention verfolgte, der Regelung
des § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V einen Vorrang zuzuordnen. Ferner ist der Zusammenschau beider Regelungen zu
entnehmen, dass bei Fehlen einer früheren Krankenversicherung die Versicherung in dem System durchzuführen ist,
dem der Betroffene zuzuordnen ist. Daraus folgt, dass das Merkmal "zuletzt gesetzlich krankenversichert" der
Abgrenzung dient, in welchem System eine Pflichtversicherung durchzuführen ist.
Die freie Gesundheitsfürsorge im Rahmen eines freiheitsentziehenden Vollzugs ist weder dem System der
gesetzlichen Krankenversicherung, noch dem System der privaten Krankenversicherung zuzuordnen. Würde diese
Zeit für die Frage des Vorliegens der Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V mitgerechnet werden, würde dies
bedeuten, dass all diejenigen, die Anspruch auf freie Gesundheitsfürsorge gehabt haben und deswegen nicht mehr
einer gesetzlichen Pflichtmitgliedschaft unterlagen und auch sonst eine Mitgliedschaft bei der gesetzlichen
Krankenversicherung nicht weitergeführt haben, nicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V gesetzlich krankenversichert
wären. Sie müssten sich dann nach § 193 Abs. 3 VVG bei einem privaten Versicherungsunternehmen versichern, weil
eine Ausnahme nach § 193 Abs. 3 Satz 2 VVG nicht gegeben wäre. Dieses Ergebnis würde aber die Intention des
Gesetzgebers, dass der Pflichtmitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung der Vorrang einzuräumen ist,
konterkarieren. Auch würde dieses Ergebnis dazu führen, dass Betroffene einer Pflicht zum Abschluss einer privaten
Krankenversicherung unterlägen, die wiederum mit der Pflicht der (privaten) Versicherer korrespondieren würde, eine
Versicherung im Basistarif zu gewähren (§ 193 Abs. 5 Satz 2 VVG), obwohl den Betroffenen mit diesem System
nichts verbindet, nämlich auch nicht die Eigenschaft, bei einem privaten Versicherungsunternehmen früher versichert
gewesen zu sein bzw. aufgrund seiner Stellung oder aus sonstigen Gründen diesem System zuzu-ordnen zu sein. Ein
Betroffener würde – die Meinung der Antragsgegnerin konsequent angewandt – in das System der privaten
Krankenversicherung gelangen, in das er ohne strafbedingter Haft und ähnlicher Maßnahmen nie gelangt wäre. Von
daher ist – unter Berücksichtigung der dargestellten Zusammenhänge und der Einheit der Rechtsordnung – davon
auszugehen, dass mit dem Kriterium "zuletzt gesetzlich krankenversichert" eine Abgrenzung zu den
Versicherungssystemen zu erfolgen hat (so auch LSG BW, Beschluss vom 25.02.2009 - L 11 KR 497/09 - zitiert nach
juris; aA SG Nürnberg, Urteil vom 10.09.2008-S 7KR 530/07).
Der Antragsteller war bis Juli 2008 Mitglied der Antragsgegnerin. Daher war er im Sinne des Gesetzes zuletzt
gesetzlich krankenversichert, weshalb die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 13 Buchstabe a SGB V erfüllt sind.
Auch die Ausnahmevorschrift des § 5 Abs. 8a SGB V steht der Versicherung nicht entgegen. Nicht
versicherungspflichtig ist danach, wer nach den vorrangigen Versicherungstatbeständen des § 5 Abs. 1 Nr. 1 bis 12
SGB V versicherungspflichtig, freiwilliges Mitglied oder nach § 10 SGB V (Familienversicherung) versichert ist (Satz
1). Dies ist im Fall des Antragstellers nicht einschlägig. § 5 Abs. 8a Satz 2 SGB V bestimmt zudem, dass Satz 1
entsprechend für Empfänger laufender Leistungen nach dem Dritten, Vierten, Sechsten und Siebten Kapitel des SGB
XII und für Empfänger laufender Leistungen nach § 2 des Asylbewerberleistungsgesetzes gilt. Solche Leistungen
bezieht der Antragsteller (ggf. noch) nicht.
Somit hat der Antragsteller auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht, weshalb im Wege der einstweiligen
Anordnung vorläufig festzustellen ist, dass der Antragsteller Mitglied der Antragsgegnerin ist.
3. Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten beruht auf § 193 SGG analog und ist getragen von der
Erwägung, dass der Antrag Erfolg hat.