Urteil des SozG Würzburg vom 03.12.2009

SozG Würzburg: wiedereinsetzung in den vorigen stand, rechnungsstellung, fristversäumnis, verschulden, akte, vergütung, abrechnung, sorgfalt, klinik, wechsel

Sozialgericht Würzburg
Kostenbeschluss vom 03.12.2009 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Würzburg S 2 SF 49/09
Die Vergütung des Antragstellers für das Gutachten vom 09.01.2009 wird auf 2.200,56 Euro (in Worten:
Zweitausendzweihundert) festgesetzt.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, da andernfalls sein Vergütungsanspruch wegen
Fristablauf erloschen ist.
Der Antragsteller erstattete im Verfahren S 9 SB 194/07 aufgrund der Beweisanordnung vom 26.05.2008 ein
fachrheumatisches Gutachten nach § 109 SGG, welches auf den 09.01.2009 datiert ist und am 14.01.2009 bei
Gericht einging. Die Rechnung vom 04.05.2009 für das Gutachten in Höhe von 3.105,46 Euro ging dem Sozialgericht
Würzburg am 06.05.2009 zu.
Mit Schreiben vom 07.05.2009 teilte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle dem Antragsteller mit, der
Vergütungsanspruch sei wegen Fristversäumnis erloschen. Falls die Ablehnung nicht gerechtfertigt erscheine, könne
unter Darlegung der Gründe die richterliche Festsetzung der Entschädigung beantragt werden.
Daraufhin teilte der Antragsteller mit, die Berechnung der Kosten habe erst mit dreiwöchiger Verzögerung erfolgen
können, weil eine hausinterne Umstrukturierung eine Verlagerung komplexer Aufgabengebiete mit sich gebracht habe.
In der Folge hätten sich einige Mitarbeiterinnen des Hauses in neu übernommene Aufgaben und die zugrunde liegende
Software einarbeiten müssen. Die Kostenrechnung für das erstellte Gutachten sei nach erfolgter Einarbeitung
umgehend innerhalb des neu gebildeten Arbeitsteams erstellt wor-den. Vor dem Hintergrund der langjährigen sehr
guten Zusammenarbeit bei der Erstellung von Gutachten für das Sozialgericht Würzburg werde hiermit erneut die
Übernahme der mit Rechnung vom 04.05.2009 geltend gemachten Kosten beantragt.
Nach Hinweis, dass dies keine Gründe für eine Wiedereinsetzung seien, trug der Antragsteller zusätzlich vor, der
gesetzlich vorgegebene Abrechnungszeitraum von drei Monaten sei genau in einen Zeitpunkt gefallen, der durch
gravierende Amts- und Aufgabenwechsel innerhalb der Stiftung maßgeblich geprägt worden sei (Wechsel in der
Stiftungsleitung und Wechsel in der Leitung des Krankenhauses zum 01.04.2009). Mit der ursprünglichen
Rechnungsstellung habe er als Gutachter innerhalb des Krankenhauses nichts zu tun gehabt, vielmehr sei die
Abrechnung durch eine andere Abteilung des Hauses vorgenommen worden. Zum Zeitpunkt der laufenden
Rechnungsfrist sei die Sachbearbeiterin ausgeschieden, so dass der Vorgang zunächst unerledigt geblieben sei. Als
die Aufgabe der Rechnungsstellung an sein Vorzimmer vergeben worden sei, sei die Frist zur Rechnungsstellung
bereits abgelaufen gewesen. Insofern treffe ihn bzw. seine Mitarbeiterin in Bezug auf die Fristversäumnis keine
persönliche Schuld. Aus diesem Grunde beantrage er die Wiedereinsetzung des Verfahrens.
Ergänzend zum Sachverhalt wird auf die beigezogene Akte der 9. Kammer (S 9 SB 194/07) sowie auf die Kostenakte
Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf richterliche Festsetzung bei Einsetzung in den vorigen Stand ist zulässig. Er ist auch begründet.
Zwar endete die Drei-Monats-Frist des § 2 Abs. 1 Justizvergütungs- und Entschädigungs-gesetz (JVEG) am 14. April
2009. Denn nach § 2 Abs. 1 Satz 2 Ziffer 1 JVEG endet im Fall der schriftlichen Begutachtung die Drei-Monats-Frist
mit Eingang des Gutachtens bei Gericht. Damit wäre der Anspruch auf Entschädigung vom 04.05.2009 erloschen (§ 2
Abs. 1 Satz 1 JVEG). Dem Antragsteller war aber auf seinen Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu
gewähren. Denn war der Berechtigte ohne sein Verschulden an der Einhaltung einer Frist nach Absatz 1 gehindert,
gewährt ihm das Gericht auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wenn er innerhalb von zwei Wochen nach
Beseitigung des Hindernisses den Anspruch beziffert und die Tatsachen glaubhaft macht, welche die
Wiedereinsetzung begründen (§ 2 Abs. 2 Satz 1 JVEG). Vorliegend war glaubhaft zu machen, dass der Antragsteller
die Drei-Monats-Frist des § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG oh-ne sein Verschulden versäumt hat. Dies setzt voraus, dass der
Antragsteller diejenige Sorgfalt angewendet hat, die einem gewissenhaften Antragsteller nach den gesamten
Umständen nach allgemeiner Verkehrsanschauung zuzumuten ist. Die Versäumnis der Fristen muss auch bei
Anwendung der gebotenen Sorgfalt durch einen gewissenhaften und sachgerechten Antragsteller nicht vermeidbar
gewesen sein. Für die Vorwerfbarkeit der Fristversäumnis kommt es auf die persönlichen Verhältnisse an. Das
unverschuldete Hindernis muss ursächlich für die Fristversäumnis gewesen sein.
Der Antragsteller ist leitender Angestellter der S. J ... Seine Mitarbeiter werden ihm in der Regel von der
Klinikverwaltung zugeteilt, so dass er grundsätzlich keine Möglichkeit hat, wesentlichen Einfluss auf die Besetzung
der Mitarbeiterstellen zu legen. Darüber hinaus muss er sich das Verschulden des Büropersonals nur dann zurechnen
lassen, wenn ihm ein Aufsichts-, Organisations- oder Informationsverschulden vorzuwerfen ist (vgl. Sächsisches
Landessozialgericht, L 6 B 129/07 R – Ko vom 16.08.2007). Im Hinblick auf die fehlende Arbeitgeberstellung
gegenüber der Büroleitung sind dem An-tragsteller die geschilderten Umstrukturierungsmaßnahmen ausnahmsweise
nicht zuzurechnen.
Auf den ersten Blick mag dies eine abweichende Beurteilung von der vom Urkundsbeamten zitierten Rechtsprechung
des Bayer. LSG vom 09.09.2006, L 3 U 333/04.Ko darstel-len. Denn nach der Rechtsprechung des Bayer. LSG sind
Organisationsstrukturen im Bereich des Sachverständigen, die eine verzögerte Rechnungsstellung bedingen (z.B.
EDV-Umstellung, Rechnungslegung durch eine andere Stelle) dem Antragsteller zuzurechnen und rechtfertigen keine
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
Die erkennende Kammer weicht im vorliegenden Verfahren von der zitierten Rechtsprechung des Bayer. LSG insoweit
ab, als die Häufung der "unglücklichen Umstände" aus dem Rahmen fällt. So hatte der Antragsteller als Gutachter mit
der ursprünglichen Rechnungsstellung innerhalb der Klinik nichts zu tun. Die Abrechnung wurde durch eine andere
Abteilung der Klinik vorgenommen. Die Sachbearbeiterin schied zum Zeitpunkt der laufenden Rechnungsfrist aus. Die
Rechnungsstellung wurde an sein Vorzimmer vergeben und dort unverzüglich bearbeitet. Zu diesem Zeitpunkt war
jedoch die Frist bereits abgelaufen.
Die Kammer geht außerdem davon aus, dass im Fall eines medizinischen Gutachters weniger strenge Maßstäbe an
die Überwachung von Fristen gelten als im Fall eines Rechtsanwaltsbüros, zu dessen ständigen und essenziellen
Aufgaben die Fristenkontrolle und -wahrung gehört.
Aufgrund der Wiedereinsetzung besitzt der Antragsteller einen Anspruch auf Vergütung der im Rahmen des
Gutachtensauftrages erfolgten Leistungen.
Die Kammer hält folgende Vergütung für angemessen: Aktenstudium 357 Seiten (SB-Akte 239 Seiten, SG-Akte 108
Seiten, ärztliche Unterlagen 20 Seiten) 3,57 Stunden Untersuchung 3 Stunden Beurteilung 32 Zeilen á 96 Zeichen =
1,71 Seiten 1,71 Stunden Diktat 43.584 Anschläge = 24,21 Seiten 4,04 Stunden - Gesamtstundenzahl 12,32 Stunden
aufgerundet 12,50 Stunden
12,50 Stunden x 60,00 Euro (M2) 750,00 Euro Diagnostische Leistungen 1.066,21 Euro Schreibgebühren 43.584
Anschläge 33,00 Euro - Zwischensumme 1.849,21 Euro + 19 % Mehrwertsteuer 351,35 Euro - Endsumme 2.200,56
Euro
Der Beschluss ergeht kostenfrei (§ 4 Abs. 1 Satz 1 JVEG).
Gegen den Beschluss können der Antragsteller und die Staatskasse Beschwerde einlegen, da der Wert des
Beschwerdegegenstandes 200,00 Euro übersteigt.