Urteil des SozG Würzburg vom 12.06.2009

SozG Würzburg: reformatio in peius, widerspruchsverfahren, verwaltungsverfahren, gebühr, post, rente, eigenschaft, gerichtsakte, zukunft, ermessen

Sozialgericht Würzburg
Kostenbeschluss vom 12.06.2009 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Würzburg S 2 SF 32/08 Ko
Die Erinnerung vom 11.09.2008 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 03.09.2008 wird zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Streitig sind die Höhe der Geschäftsgebühr für das Widerspruchsverfahren, die Höhe der Verfahrensgebühr für das
Verfahren vor dem Sozialgericht Würzburg und die Höhe der Terminsgebühr.
Der Bevollmächtigte hat die Klägerin in einer Rentensache im Verwaltungsverfahren, Widerspruchsverfahren und im
Gerichtsverfahren S 4 R 719/05 vor dem Sozialgericht Würzburg vertreten. Mit ihrem Widerspruch vom 12.09.2005
und der Klage vom 21.12.2005 hat sich die Klägerin gegen die Entziehung der ab Januar 1996 gewährten Rente
wegen Er-werbsunfähigkeit gewehrt.
Auf die Anhörung der Beklagten vom 10.06.2005 hin, dass aufgrund eines neurologisch/psychiatrischen Gutachtens
vom 09.05.2005, das eine vollschichtige Einsatzfähigkeit für leichte Tätigkeiten festgestellt hatte, beabsichtigt sei, die
mit Bescheid vom 27.11.2003 gewährte Erwerbsunfähigkeitsrente zu entziehen, widersprach die Klägerin durch ihren
Bevollmächtigten mit Schreiben vom 27.07.2005 mit Hinweisen auf ärztliche Befundberichte und Gutachten.
Gegen den Aufhebungsbescheid vom 02.09.2005 legte die Klägerin Widerspruch ein, mit dem Antrag, die derzeit
gewährte Rente vorläufig weiter zu gewähren. Zur Begründung nahm sie voll inhaltlich Bezug auf die Stellungnahme
vom 27.07.2005. Nach Einholung eines chirurgischen Rentengutachtens, das eine vollschichtige Einsatzfähigkeit auf
dem allgemeinen Arbeitsmarkt bestätigte, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 07.12.2005 den
Widerspruch zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 21.12.2005 Klage zum Sozialgericht Würzburg erhoben. Die in der Klage und vier
weiteren Schriftsätzen angegebenen Gründe decken sich zum Teil mit der Begründung vom 27.07.2005, zeigen aber
auch unter Beilage ärztlicher Befunde weitere Gesichtspunkte auf, die gegen die Rentenentziehung sprechen.
Nach Beiziehung von Unterlagen der behandelnden Ärzte, der Krankenkasse der Klägerin, der Beklagtenakte, der
Akte des Bayerischen Landessozialgerichtes, der Behindertenakte des Versorgungsamtes, Akten der
Berufsgenossenschaft und weiterer Akten des Sozialgerichts Würzburg, hat die Kammer von Amts wegen den
Facharzt Dr. H. am 02.11.2007 gehört. Mit Urteil vom 26.02.2008 hat das Sozialgericht Würzburg die Beklagte unter
Aufhebung des Bescheides vom 02.09.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 07.12.2005 verurteilt,
der Klägerin die bis September 2005 gewährte Erwerbsunfähigkeitsrente über den 30.09.2005 auf Dauer weiter zu
gewähren. Der Beklagten hat das Gericht die außergerichtlichen Kosten der Klägerin auferlegt.
Mit Schreiben vom 28.02.2008 beantragte der Bevollmächtigte Kostenerstattung für die Klägerin wie folgt:
1. Widerspruchsverfahren: Geschäftsgebühr Nr. 2500 VV § 3 RVG 360,00 EUR Pauschale f. Post- und
Telekom.dienste Nr. 7002 VV 20,00 EUR Dokumentenpauschale Nr. 7000 VV 38 Stück 19,00 EUR - Zwischensumme
netto 399,00 EUR Mehrwertsteuer 19 % Nr. 7008 VV 75,81 EUR - Rechnungsbetrag 474,81 EUR
2. Klageverfahren: Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV 320,00 EUR Terminsgebühr Nr. 3106 VV 240,00 EUR Pauschale f.
Post- und Telekom.dienste Nr. 7002 VV 20,00 EUR Dokumentenpauschale Nr. 7000 VV 74 Stück 28,60 EUR -
Zwischensumme netto 608,60 EUR Mehrwertsteuer 19 % Nr. 7008 VV 115,63 EUR - Rechnungsbetrag 724,23 EUR
Die Höhe der Kosten wurde damit begründet, dass es sich um eine Existenzsicherung der Klägerin gehandelt habe
(Nachzahlung von 25.480,26 Euro, laufende Zahlungen von 741,86 Euro pro Monat). Außerdem seien umfänglichste
Vorakten aufzuarbeiten und ein intensiver Kampf erforderlich gewesen. Es wurde Bezug auf Rechtsprechung des
Sozialgerichts Detmold und des Landessozialgerichts Hessen sowie des Landessozialgerichts Thüringen genommen,
wonach in Rentenverfahren Höchstgebühren zustünden.
Die Beklagte sah in dem Verfahren lediglich einen Durchschnittsfall. Denn es sei lediglich um die Klärung von
medizinischen Sachverhalten gegangen, auch Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit seien im
durchschnittlichen Bereich gelegen. Lediglich die Bedeutung der Angelegenheit für die Klägerin sei als
überdurchschnittlich zu bewerten.
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 03.09.2008 stellte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Sozialgerichts
Würzburg die Kosten wie folgt fest:
Vorverfahren Verfahrensgebühr §§ 3, 14 iVm der Anlage zu § 2 Abs. 2 RVG – VV Nr. 2400 288,00 EUR
Auslagenpauschale – VV Nr. 7002 20,00 EUR Fotokopiekosten – VV Nr. 7000 38 Seiten à 0,50 EUR 19,00 EUR --- -
327,00 EUR 19 % Mehrwertsteuer – VV Nr. 7008 62,13 EUR - Insgesamt 389,13 EUR
1. Instanz Verfahrensgebühr §§ 3, 14 iVm der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG – VV Nr. 3103 221,00 EUR Terminsgebühr
§§ 3, 14 iVm der Anlage zu § 2 Abs. 2 RVG – VV Nr. 3106 240,00 EUR Auslagenpauschale – VV Nr. 7002 20,00 EUR
Fotokopiekosten – VV Nr. 7000 50 Seiten à 0,50 EUR 25,00 EUR 24 Seiten à 0,15 EUR 3,60 EUR --- - 509,60 EUR
19 % Mehrwertsteuer – VV Nr. 7008 96,82 EUR - Insgesamt 606,42 EUR
Gesamtbetrag 995,55 EUR
Die Gebührenbestimmung des Klägerbevollmächtigten sei insoweit unbillig, als die Tätigkeit des Rechtsanwalts im
Widerspruchsverfahren lediglich aus Einreichung des Widerspruchs vom 12.09.2005 mit kurzer Begründung
bestanden habe. Die von der Beklagten erstattete Geschäftsgebühr von 288,00 Euro sei ausreichend. Für das
Klageverfahren sei die Erhöhung der Mittelgebühr um 30 % in Höhe von 221,00 Euro angemessen. Die Sitzung vom
26.02.2008 habe ausweislich der Niederschrift durchschnittliche 32 Minuten betragen. Die Terminsgebühr sei mit 20 %
über der Mittelgebühr noch nicht unbillig.
Hiergegen hat der Klägerbevollmächtigte Erinnerung eingelegt. Allein die Eigenschaft der Dauerrente in Zukunft habe
bereits genügt, den Gebührenrahmen voll auszuschöpfen. Im Klageverfahren sei zu berücksichtigen gewesen, dass
im Endeffekt ein früheres Verfahren voll mit aufgearbeitet hätte werden müssen. Die Terminsgebühr sei mit 200,00
Euro als Mittelgebühr unvertretbar niedrig.
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat der Erinnerung nicht abgeholfen und den Vorgang dem für die
Kostenentscheidung zuständigen Kostenrichter vorgelegt (§ 197 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).
Ergänzend zum Sachverhalt wird auf den Inhalt der Beklagtenakte, der Gerichtsakte, der beigezogenen Akten und der
Kostenakte Bezug genommen.
II.
Die Erinnerung der Klägerin ist zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet.
Der Urkundsbeamte hat zu Recht die Festsetzung einer höheren Kostenerstattung abge-lehnt.
Die Höhe der Vergütung eines Rechtsanwaltes bestimmt sich gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1
Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) nach dem Vergütungsverzeichnis (VV) der Anla-ge 1 zum RVG. Nach § 14
RVG bestimmt der Rechtsanwalt bei den Rahmengebühren die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller
Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit
sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen. Ist die Gebühr von
einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig
ist.
Die vom Klägerbevollmächtigten geltend gemachte Geschäftsgebühr für das Widerspruchsverfahren und die
Terminsgebühr im Verfahren vor dem Sozialgericht Würzburg sind unbillig.
Die Geschäftsgebühr für das Widerspruchsverfahren bestimmt sich entgegen der Ansicht der Beteiligten und des
Urkundsbeamten der Geschäftsstelle nicht nach Nr. 2400 VV RVG, sondern nach Nr. 2401 VV RVG, da der
Klägerbevollmächtigte bereits vor Erlass des angegriffenen Aufhebungsbescheides, also im Verwaltungsverfahren
tätig geworden ist. Deswegen ist von einem Gebührenrahmen von 40,00 bis 260,00 Euro auszugehen. Die
Mittelgebühr würde deshalb 150,00 Euro betragen. Eine Gebühr von mehr als 120,00 Euro kann jedoch nur gefordert
werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war. Da der Klägerbevollmächtigte sich in seinem
Widerspruchsschriftsatz lediglich auf vorangegangene Äußerungen im Verwaltungsverfahren gestützt hat und darauf
Bezug genommen hat, kann im Widerspruchsverfahren weder von einer besonders umfangreichen noch schwierigen
Tätigkeit ausgegangen werden. Die Geschäftsgebühr kann deshalb die Regelgebühr 120,00 Euro nicht überschreiten.
Damit ergibt sich folgende Kostenerstattung für das Widerspruchsverfahren: Geschäftsgebühr Nr. 2401 VV RVG
120,00 EUR Pauschale nach Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR Kopiekosten Nr. 7000 VV RVG 19,00 EUR -
Zwischensumme 159,00 EUR Mehrwertsteuer Nr. 7008 VV RVG 30,21 EUR - Insgesamt 189,21 EUR
Für das Klageverfahren lässt sich durchaus die vom Klägerbevollmächtigten geltend gemachte Höchstgebühr nach
Nr. 3103 VV RVG in Höhe von 320,00 Euro rechtfertigen. Denn die anwaltliche Tätigkeit war sehr umfangreich und
wegen des Vergleichs mit den Feststellungen aus dem Jahre 2003 auch in der Schwierigkeit über dem Durchschnitt.
Hinzu kommt die überdurchschnittliche Bedeutung für die Klägerin.
Allerdings sieht die Kammer bei der Terminsgebühr keinen Grund, über die Mittelgebühr von 200,00 Euro
hinauszugehen. Denn durch das Gutachten des Dr. Hofmann, das die Entscheidung des Sozialgerichtes und auch die
Diskussion in der mündlichen Verhandlung bestimmt hat, war sowohl Umfang als auch Schwierigkeit im Bereich des
Durchschnitts eines Rentenverfahrens. Damit ergibt sich für das Klageverfahren folgende Berechnung:
Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV RVG 320,00 EUR Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG 200,00 EUR Pauschale Nr. 7002
VV RVG 20,00 EUR Kopiekosten Nr. 7000 VV RVG 28,60 EUR - Zwischensumme 568,60 EUR Mehrwertsteuer Nr.
7008 VV RVG 107,32 EUR - Insgesamt 675,92 EUR
Gesamtbetrag 865,13 EUR
Da der vom Urkundsbeamten festgestellte Betrag von 995,55 Euro zuzüglich Verzinsung den der Klägerin
zustehenden Betrag von 865,13 Euro überschreitet, war die Erinnerung der Klägerin zurückzuweisen. Eine
Verböserung (reformatio in peius) findet nicht statt. Denn grundsätzlich ist eine im Rechtsmittelverfahren
vorgenommene Änderung einer gerichtlichen Entscheidung zu Ungunsten des Rechtsmittelführers unzulässig (vgl. SG
Leipzig vom 20.12.2005, S 8 KR 178/01).
Das Verfahren über die Erinnerung ist gebührenfrei. Die Kosten werden nicht erstattet. Ein Rechtsmittel ist nicht
zulässig (§ 197 Abs. 2 Halbsatz 2 SGG).