Urteil des SozG Wiesbaden vom 09.05.2008

SozG Wiesbaden: verlängerung der frist, serbien und montenegro, pass, mitwirkungspflicht, erfüllung, kosovo, besitz, republik, abschiebung, aussetzung

Sozialgericht Wiesbaden
Urteil vom 09.05.2008 (rechtskräftig)
Sozialgericht Wiesbaden S 21 AY 9/07
Der Bescheid des Beklagten vom 13. November 2006 und der Widerspruchsbescheid vom 3. April 2007 werden
aufgehoben.
Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin zu 1) Passbeschaffungskosten in Höhe von 283,30 EUR zu erstatten.
Der Beklagte wird verpflichtet, die Anträge der Kläger zu 2) und zu 3) unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung
des Gerichts neu zu bescheiden. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Beklagte hat den Klägern die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
(Tenor i. d. F. des Berichtigungsbeschlusses vom 13. Juni 2008)
Tatbestand:
Die Kläger, ursprünglich Staatsangehörige der damaligen Staaten Bundesrepublik Jugoslawien bzw. Serbien und
Montenegro und kosovo-albanische Volkszugehörige, begehren die Übernahme bzw. Erstattung der Kosten der
Passbeschaffung.
Die Kläger beziehen laufende Leistungen nach dem AsylbLG. Hinsichtlich der Prüfung der wirtschaftlichen und
persönlichen Verhältnisse wird auf den Bescheid der Beklagten vom 28. März 2007 (Bl. 20 Band II der
Verwaltungsakten) verwiesen. Ausweislich der Begründung des Widerspruchsbescheides vom 3. April 2007 bezog
zunächst der Ehemann der Klägerin zu 1), später auch diese selbst Leistungen auf der Grundlage von § 2 AsylbLG.
Die Kläger zu 2) und 3) erhalten Leistungen auf der Grundlage von § 3 AsylbLG.
Die Kläger sind Inhaber von Duldungen. In den Jahren 2005 und 2006 hat sich die Familie der Kläger zunächst
erfolglos um Aufenthaltserlaubnisse bemüht. Mit Urteil des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 7. August 2007 (Az.:
4 E 1277/06 – Bl. 91ff. d. A.) wurde der Beklagte verpflichtet, den Klägern Aufenthaltserlaubnisse zu erteilen. Ein
Berufungszulassungsverfahren gegen das Urteil ist anhängig.
Mit Schreiben vom 27. September 2006 beantragten die Kläger die Übernahme der Kosten für die Beschaffung
serbischer Pässe. Zu Begründung wurde ausgeführt, dass die Pflicht des Ausländers zur Passbeschaffung sich aus §
3 in Verbindung mit § 48 Abs. 2 und Abs. 3 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) ergebe. Im Falle der Erfüllung der
Passpflicht werde das Ermessen der Behörden im Zusammenhang mit der Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen
eingeschränkt (z. B. § 25 Abs. 5 AufenthG). Hinsichtlich des Antrages und der weiteren Begründung wird auf Blatt 87
der Verwaltungsakte Bezug genommen.
Der Antrag wurde mit Bescheid vom 13. November 2006 abgelehnt. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass in den
Regelungsbereich des § 6 Satz 1 4. Var. AsylbLG nur diejenigen verwaltungsrechtlichen Mitwirkungspflichten
einzubeziehen seien, die in einem sachlichen Zusammenhang mit der Gewährung von Leistungen nach dem AsylbLG
stünden. Hinsichtlich des weiteren Inhalts des Bescheides wird auf Blatt 92 der Verwaltungsakte verwiesen.
Hiergegen erhoben die Kläger am 29. November 2006 Widerspruch. Zur Begründung wurde zunächst ausgeführt, dass
viele andere Leistungsträger in ständiger Verwaltungspraxis ihre Pflicht zur Erstattung von Passbeschaffungskosten
anerkennen würden. Hinsichtlich der Nachweise für diese Verwaltungspraxis wird auf die Anlagen zum Schreiben vom
27. Dezember 2006 (Bl. 119ff. der Verwaltungsakte) verwiesen. Auch nach der Rechtsprechung des Sozialgerichts
Aachen und des Verwaltungsgerichts Dresden seien Passbeschaffungskosten zu übernehmen. Die Kläger
wiederholten und vertieften die Begründung zur Bedeutung der Passpflicht im Rahmen der Vorschriften der §§ 3, 25,
48 AufenthG. Ergänzend begründeten die Kläger den Widerspruch mit Schriftsatz vom 19. März 2007 gegenüber dem
Regierungspräsidium Gießen unter Vertiefung des bisherigen Vorbringens dahingehend, dass es sich bei den
Passbeschaffungskosten um einen erheblichen, vom durchschnittlichen Bedarf abweichenden Bedarf handele. Wenn
schon im Rahmen der Leistungsgewährung nach § 2 AsylbLG in Verbindung mit § 28 SGB XII ein entsprechender
Bedarf anzuerkennen sei, sei dies auch auf der Grundlage der speziellen Kostenübernahmeregelung des § 6 AsylbLG
bei solchen Leistungsberechtigten anzuerkennen, die nicht unter § 2 AsylbLG fielen.
Der Widerspruch wurde mit Bescheid vom 3. April 2007 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass nur
diejenigen verwaltungsrechtlichen Mitwirkungspflichten in den Regelungsgehalt des § 6 Satz 1 AsylbLG
einzubeziehen seien, die in einem sachlichen Zusammenhang mit der Gewährung von Leistungen nach dem AsylbLG
stünden. Ein derartiger Zusammenhang liege hier nicht vor. Der Bevollmächtigte verweise in seinen Schriftsätzen
lediglich auf die einzelnen gesetzlichen Vorschriften zur Passpflicht, überwiegend im Zusammenhang mit der
Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen. Entsprechende Anträge seien der Widerspruchsbehörde nicht bekannt.
Schließlich vermöge die Zentrale Ausländerbehörde derzeit kein Verstoß gegen die Passpflicht zu erkennen. Der
ungültig gewordene Nationalpass der Klägerin zu 1) befände sich in den Akten der Ausländerbehörde; im Übrigen
seien die Widerspruchsführer im Besitz ausländerrechtlicher Duldungen und erfüllten somit die gesetzlich
vorgeschriebene Passpflicht.
Die Klägerin zu 1) beantragte am 2. Juli 2007 beim serbischen Generalkonsulat einen Pass. Der Pass wurde der
Klägerin zu 1) am 24. Oktober 2007 ausgehändigt.
Die vorliegende Klage ist am 7. Mai 2007 bei dem Sozialgericht Wiesbaden eingegangen.
Die Kläger vertiefen ihren Vortrag aus dem Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren zur allgemeinen
Verwaltungspraxis hinsichtlich der Übernahme von Passbeschaffungskosten (Schriftsatz vom 25. Juli 2007 Blatt 31
ff.). Auch nach dem rechtskräftig gewordenen Urteil des SG Köln vom 19. Juli 2007 (Az.: S 27 AY 14/06) seien in
einem ähnlich gelagerten Fall die Passbeschaffungskosten zuerkannt worden. Über eine weitere stattgebende
Entscheidung des Sozialgerichts Köln habe das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen am 10. März 2008 (Az. L 20
AY 17/07) entschieden. Der 20. Senat des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen habe bestätigt, dass die
Passpflicht eine unbedingte verwaltungsrechtlichen Mitwirkungspflicht im Sinne des § 6 S. 1 4. Var. AsylbLG
darstelle. Die Pässe für die Kläger zu 2) und 3) seien bislang nicht geschafft worden. Es sei davon auszugehen, dass
insoweit keine weiteren Kosten entstehen würden, da nunmehr die Unabhängigkeit des Kosovo proklamiert sei und die
Bundesrepublik Deutschland am 20. Februar 2008 die Republik Kosovo als eigenständigen Staat anerkannt habe. Am
27. Februar 2008 habe das Bundesministerium des Inneren darüber informiert, dass man von den in Deutschland
lebenden Kosovaren nicht verlangen könne, dass sie weiterhin die konsularischen Dienste Serbiens in Anspruch zu
nehmen und serbischer Pässe sich zu beschaffen hätten. Hinsichtlich des weiteren Inhalts dieses Schreibens wird
auf die Ablichtung auf Bl. 138 d. A. verwiesen. Die Klägerin zu 1) beziffert ihre Passbeschaffungskosten auf 320,50
EUR. Hinsichtlich der einzelnen Positionen wird auf den Schriftsatz vom 13. März 2008 (Blatt 107ff. d. A.) verwiesen.
Sie habe ein Darlehen in Höhe von 250,- EUR bei Herrn EJ. aufnehmen müssen. Insoweit verweist sie auf dessen
schriftliche Bestätigung (Bl. 147 d.A.).
Die Kläger beantragen nunmehr, den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 13. November 2006 in Form
des Widerspruchsbescheides vom 13. April 2007 zu verurteilen, den Klägern bisher entstandene
Passbeschaffungskosten in Höhe von 320,50 EUR gem. § 6 AsylbLG zu erstatten und zu verpflichten, weiter
entstehende Passbeschaffungskosten für die Klägerin zu 2) und 3) zu übernehmen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Beklagte wiederholt und vertieft die Begründung des Widerspruchsbescheides unter Bezugnahme auf eine
Entscheidung des VG Düsseldorf (Urteil vom 10. November 2005, Az.: 11 K 6380/05) und des Bay. VGH (Beschluss
vom 3. April 2006, Az.: 12 C 06.526). Es sei nicht geklärt, ob die Kläger überhaupt die Möglichkeit hätten, einen Pass
zu erhalten. Die aufenthaltsrechtliche Situation der Kläger sei nicht gesichert. Die Auffassung des Sozialgerichts Köln
könne nicht überzeugen, da Mitwirkungspflichten im Sinne des § 6 AsylbLG nur solche Mitwirkungspflichten seien, die
sich in einem bestimmten Verwaltungsverfahren konkretisierten.
Den Klägern ist mit Beschluss vom 28. Juni 2007 Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung gewährt worden. Mit
Schreiben vom 20. März 2008 (Bl. 142 d. A.) haben die Kläger, mit Schreiben vom 25. März 2008 (Bl. 144 d. A.) hat
der Beklagte die Zustimmung zur Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt. Hinsichtlich des weiteren Sach-
und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der von dem Beklagten beigezogenen
Verwaltungsvorgänge (2 Bände) verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Nach Zustimmung der Beteiligten konnte ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entschieden werden (§ 124 Abs. 2
Sozialgerichtsgesetz – SGG).
Die zulässige Anfechtungs- und Leistungsklage ist in überwiegendem Umfange begründet. Die Klägerin zu 1) hat
wegen einer Ermessensreduzierung auf Null nach § 6 Satz 1 4. Var. AsylbLG einen Anspruch auf Erstattung der
notwendigen, in ihrer Person entstandenen Kosten der Passbeschaffung (dazu unter 1.). Der die Erstattung insgesamt
ablehnende Bescheid ist daher teilrechtswidrig und verletzt die Klägerin zu 1) in ihren Rechten. Da die Kläger zu 2)
und zu 3) die Kosten für die Beschaffung eines serbischen Passes im Verwaltungsverfahren geltend gemacht haben,
nunmehr aber die kosovarische Staatsangehörigkeit anstreben, haben diese Kläger lediglich einen Anspruch auf
Neubescheidung (dazu unter 2.).
Zu 1.: Der Anspruch der Klägerin zu 1) folgt aus § 6 Satz 1 4. Var. AsylbLG. Maßgeblich für die hier zutreffende
Entscheidung ist der Tag der Zahlung der Passbeschaffungskosten durch die Klägerin zu 1). Zwar richtet sich der
Erfolg einer Verpflichtungsklage grundsätzlich nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen
Verhandlung des Gerichts. Im vorliegenden Fall besteht jedoch die Besonderheit, dass die Klägerin zu 1) die Kosten
bereits aufgewendet hat und deren Erstattung in diesem Verfahren geltend macht. Für diesen Fall gilt, dass für die
Beurteilung die Anspruchsvoraussetzungen der Zeitpunkt der durch den Hilfsbedürftigen herbeigeführten
Bedarfsdeckung ist (so ausdrücklich VG Dresden, Urteil vom 8. Juli 2005, Az.: 13 K 2649/04; - zitiert nach juris; vgl.
auch VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 14. Juni 1994, InfAuslR, 1996,346-348; Bay. VGH, Urt. v. 12. Mai 2005, 12
B 03.1492 - zit. nach juris).
Die Klägerin zu 1) war zum Zeitpunkt der Passbeschaffung nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG leistungsberechtigt und i.
S. d. § 7 AsylbLG bedürftig. Insoweit wird auf die Feststellungen der Beklagten in der Verwaltungsakte verwiesen.
Nach § 6 Satz 1 AsylbLG können sonstige Leistungen insbesondere gewährt werden, wenn sie im Einzelfall zur
Sicherung des Lebensunterhaltes oder der Gesundheit unerlässlich, zur Deckung besonderer Bedürfnisse von Kindern
geboten oder zur Erfüllung einer verwaltungsrechtlichen Mitwirkungspflicht erforderlich sind. § 6 Satz 1 AsylbLG stellt
mit Blick auf die pauschalierten und abgesenkten Leistungen der §§ 3, 4 AsylbLG eine Auffang- und Öffnungsklausel
dar (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10. März 2008, Az.: L 20 AY 16/07 – zitiert nach
www.sozialgerichtsbarkeit.de; Wahrendorf: in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Auflage 2008, § 6 AsylbLG Rn. 1).
Nach dem Willen des Gesetzgebers soll sie dem Umstand Rechnung tragen, dass den zuständigen Behörden "sonst
kaum Spielraum bleibt, besonderem Bedarf im Einzelfall gerecht zu werden" (BT-Drucks. 13/2746). Eine restriktive
Handhabung der Vorschrift erscheint wegen der gesetzgeberischen Grundentscheidung, in § 3 AsylbLG und § 2
AsylbLG innerhalb der Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG unterschiedliche Leistungssysteme vorzugeben,
zwar einerseits insofern geboten, als eine Annäherung an die unmittelbar nach oder entsprechend dem SGB XII (§ 2
AsylbLG) zu erbringenden Leistungen nicht in Betracht kommt (hierzu und zum Folgenden ausführlich: LSG NRW a.
a. O. m. w. N.). Andererseits ist bei der Auslegung zu beachten, dass § 6 AsylbLG im Leistungssystem des AsylbLG
die wichtige Funktion zukommt, trotz der restriktiven Grundausrichtung des AsylbLG in jedem Einzelfall das
Existenzminimum zu sichern. Eine derartige Ergebniskontrolle der Auslegung ist auch verfassungsrechtlich
erforderlich, da sich durch einen seit Jahren fehlenden Inflationsausgleich, durch den Systemwechsel vom BSHG
zum SGB II/XII und durch die Verlängerung der Frist des § 2 Abs. 1 AsylbLG durch das Gesetz zur Umsetzung
aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl. I S. 1970) das
Sonderrecht des AsylbLG sehr weit von den ursprünglich einmal tragenden gesetzgeberischen Erwägungen entfernt
hat. Die Übernahme bzw. Erstattung der Passbeschaffungskosten ist dem Grunde nach zur Erfüllung einer
verwaltungsrechtlichen Mitwirkungspflicht im Sinne des § 6 Satz 1 4. Alt. AsylbLG erforderlich (LSG NRW a. a. O.;
SG Köln, Urteil vom 19. Juni 2007, Az.: S 27 AY 14/06, zitiert nach der Ablichtung Bl. 75ff. d. A.; VG Dresden, a. a.
O.). Bei der Passpflicht handelt es sich um eine verwaltungsrechtliche Mitwirkungspflicht. Das Gericht macht sich
insoweit die folgenden Ausführungen des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen zu eigen (Urteil vom 10. März
2008, Az.: L 20 AY 16/07): "Der nicht legal definierte unbestimmte Rechtsbegriff "verwaltungsrechtliche
Mitwirkungspflicht" bedarf insoweit unter Heranziehung allgemeiner Auslegungsgrundsätze der näheren Bestimmung.
Dass nicht lediglich Mitwirkungspflichten nach dem AsylbLG erfasst werden, legt bereits die Beistellung des Attributs
"verwaltungsrechtlich" nahe; es sind dem Wortlaut nach alle dem Verwaltungsrecht zurechenbaren
Mitwirkungspflichten zu berücksichtigen (vgl. GK-AsylbLG, Stand 3. April 1999, § 6 AsylbLG Rn. 218). Insbesondere
erfasst sind Mitwirkungspflichten, die sich aus dem AsylbLG, AsylVfG, AufenthG und aus den
Verwaltungsverfahrensgesetzen der Länder ergeben ( ).
Die in § 3 Abs. 1 AufenthG geregelte Passpflicht begründet eine verwaltungsrechtliche Mitwirkungspflicht im Sinne
des § 6 Satz 1 4. Alt. AsylbLG. Ausländer dürfen gemäß § 3 Abs. 1 AufenthG nur in das Bundesgebiet einreisen oder
sich darin aufhalten, wenn sie einen anerkannten und gültigen Pass oder Passersatz besitzen, sofern sie von der
Passpflicht nicht durch Rechtsverordnung befreit sind. Für den Aufenthalt im Bundesgebiet erfüllen sie die Passpflicht
nach Satz 2 der Vorschrift aber bereits durch den Besitz eines Ausweisersatzes im Sinne von § 48 Abs. 2 AufenthG.
Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG bestraft, wer sich
entgegen § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 48 Abs. 2 im Bundesgebiet aufhält.
§ 48 AufenthG begründet darüber hinaus ausweisrechtliche Pflichten. Nach Abs. 1 der Vorschrift ist ein Ausländer
verpflichtet, 1. seinen Pass, seinen Passersatz oder seinen Ausweisersatz und 2. seinen Aufenthaltstitel oder eine
Bescheinigung über die Aussetzung der Abschiebung auf Verlangen den mit dem Vollzug des Ausländerrechts
betrauten Behörden vorzulegen, auszuhändigen und vorübergehend zu überlassen, soweit dies zur Durchführung oder
Sicherung von Maßnahmen nach diesem Gesetz erforderlich ist. Nach Abs. 2 der Vorschrift genügt ein Ausländer, der
einen Pass weder besitzt noch in zumutbarer Weise erlangen kann, der Ausweispflicht mit der Bescheinigung über
einen Aufenthaltstitel oder die Aussetzung der Abschiebung, wenn sie mit den Angaben zur Person und einem
Lichtbild versehen und als Ausweisersatz bezeichnet ist. Gemäß Abs. 3 der Vorschrift wiederum ist der Ausländer
verpflichtet, an der Beschaffung des Identitätspapiers mitzuwirken sowie alle Urkunden und sonstigen Unterlagen, die
für die Feststellung seiner Identität und Staatsangehörigkeit und für die Feststellung und Geltendmachung einer
Rückführungsmöglichkeit in einen anderen Staat von Bedeutung sein können und in deren Besitz er ist, den mit der
Ausführung dieses Gesetzes betrauten Behörden auf Verlangen vorzulegen, auszuhändigen und zu überlassen, wenn
er nicht im Besitz eines Passes oder Passersatzes ist.
Gemäß § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG soll einem Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn die
Voraussetzungen für die Aussetzung der Abschiebung nach § 60 Abs. 2, 3, 5 oder 7 vorliegen. Nach Satz 2 wird die
Aufenthaltserlaubnis u.a. nicht erteilt, wenn der Ausländer wiederholt oder gröblich gegen entsprechende
Mitwirkungspflichten verstößt. Dabei genügt allerdings nicht der Verstoß gegen irgendwelche Mitwirkungspflichten,
sondern nur die Verletzung "entsprechender" Pflichten. Es muss sich also um Pflichtverletzungen handeln, die zur
Unmöglichkeit der Ausreise beigetragen haben. In Betracht kommen dabei insbesondere Pflichten im Zusammenhang
mit der Feststellung der Identität und der Beschaffung gültiger Heimreisedokumente (z.B. nach §§ 48, 49, 82 IV
AufenthG; §§ 15, 16 AsylVfG). Die Pflichtverstöße müssen entweder wiederholt oder in grober Weise begangen sein.
Unzureichend ist also eine einmalige Missachtung einfacher Mitwirkungspflichten (vgl. zu alledem Renner,
Ausländerrecht, 8. Auflage 2005, § 25 Rn. 26).
( ) Die Zusammenschau dieser Regelungen macht deutlich, dass zwar ggf. die Passpflicht aus § 3 Abs. 1 AufenthG,
zumindest aber nicht die Ausweispflicht aus § 48 Abs. 1 AufenthG und die weiteren Mitwirkungspflichten aus Abs. 3
dieser Norm, durch Vorlage eines ggf. vorhandenen Ausweisersatzes nach § 48 Abs. 2 AufenthG erfüllt werden
können. Denn nach dieser Vorschrift ist lediglich zu verfahren, wenn der Ausländer den Pass nicht in zumutbarer
Weise erlangen kann. Der Mangel an finanziellen Ressourcen lässt die Zumutbarkeit im Sinne dieser Vorschrift nicht
entfallen. ( )"
Nach einer in Literatur und Rechtsprechung vertretenen Auffassung ist als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal ein
enger oder unmittelbarer Zusammenhang der Mitwirkungspflicht mit der Sicherstellung der Existenz im Falle des
weiteren Aufenthalts oder der Sicherung des weiteren Aufenthalts im Bundesgebiet zu fordern (vgl. etwa VG
Düsseldorf, Urteil vom 10. November 2005, Az.: 11 K 6380/04 – zitiert nach juris; Deibel, ZAR 1995, 57 (63 f.); Hohm
in: Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 17. Aufl., § 6 AsylbLG Rn. 21-23; GK-AsylbLG, a.a.O., § 6 AsylbLG Rn.
222; a. A. ausdrücklich: LSG NRW a. a. O.; Fasselt in: Fichtner/Wenzel, Kommentar zur Grundsicherung, 3. Aufl.
2005, § 6 Rn. 6; a. A. im Erg. auch VG München, Urteil vom 3. April 2001, Az.: M 6b K 99.1464). Dem kann nur
gefolgt werden in dem Sinne, dass eine Mitwirkungspflicht nicht nur "latent" bestehen muss und ein Verstoß nicht von
vornherein als folgenlos prognostiziert werden kann, sondern ggf. einem Verwaltungsverfahren sanktioniert werden
könnte, was freilich ein Frage der "Erforderlichkeit" ist (dazu unten). Zutreffend ist auch die Begrenzung auf
Mitwirkungspflichten, die einen Bezug zum Anwendungsbereich des AsylbLG haben, insbesondere auf
aufenthaltsrechtliche oder asylverfahrensrechtliche Mitwirkungspflichten (so wohl auch SG Köln a. a. O.), da
andernfalls über § 6 AsylbLG die gegenüber dem SGB XII gewollten Restriktionen umgangen werden könnten. Ein
solcher Zusammenhang besteht vorliegend aber bereits deshalb, weil es sich um eine aufenthaltsrechtliche
Mitwirkungspflicht handelt, bei der ein Verstoß nicht zuletzt wegen des parallel durchgeführten aufenthaltsrechtlichen
Verwaltungsverfahrens auf Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen jenseits der §§ 3, 48 AufenthG rechtlich bedeutsam
sein kann. Die Pass- und Ausweispflicht nach §§ 3, 48 AufenthG wird dort im Hinblick auf die vom Kläger zitierten
Erteilungsvoraussetzungen für die Aufenthaltserlaubnis (§§ 5, 25 AufenthG) virulent. Dies ist hinreichend.
Abzulehnen ist die Auffassung, nach der ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Mitwirkungspflicht und
Leistungsbezug gefordert wird (VG Düsseldorf a.a.O.: "enger Zusammenhang mit der Bewilligung von Leistungen").
Weder dem Gesetzeswortlaut, der Systematik des Gesetzes noch der Gesetzesbegründung lassen sich
überzeugende Argumente für diese (weitere) tatbestandliche Einschränkung entnehmen (Fasselt a. a. O.). Wäre eine
solche Einschränkung tatsächlich gewollt, so hätte es nahegelegen, die Pflichten ausdrücklich auf
asylbewerberleistungsrechtliche Mitwirkungspflichten zu beschränken oder auf andere Weise weiter zu konkretisieren,
wie dies zum Beispiel in § 1a AsylbLG gesetzgebungstechnisch erfolgt ist. Dagegen spricht im Übrigen, dass der
Leistungsberechtigte in die Lage versetzt sein muss, sich den Vorgaben der Rechtsordnung getreu zu verhalten. Auch
unter dem Gesichtspunkt einer grundsätzlich restriktiven Handhabung des § 6 Satz 1 AsylbLG (s.o.) lässt es sich
nicht rechtfertigen, dem Leistungsberechtigten, dem verwaltungsrechtliche Mitwirkungspflichten auferlegt sind, die
Erfüllung dieser Pflichten unmöglich zu machen, mit der Folge, dass er sich andernorts dem Vorwurf, sich nicht
rechtsgetreu zu verhalten, ausgesetzt sähe (LSG NRW a. a. O.). Schließlich kann der Begriff auch nicht auf die
sozialverfahrensrechtlichen Mitwirkungspflichten nach i. S. d. §§ 60 ff. des Sozialgesetzbuches - Erstes Buch -
Allgemeiner Teil – verengt werden; zum einen widerspräche dies Sinn und Zweck der Regelung, solche
Mitwirkungspflichten auszuklammern, die nicht dem Regime des SGB I unterliegen, zum anderen kann der Begriff der
Mitwirkungspflichten als terminus technicus nicht auf verwaltungsverfahrensrechtliche Pflichten beschränkt werden;
nach aufenthaltsrechtlichem Sprachgebrauch, der auch für das AsylbLG auslegungsleitend sein dürfte, handelt es
sich beispielsweise bei den Pflichten des § 48 Abs. 3 AufenthG um "Mitwirkungspflichten" (siehe z.B. die
Formulierung der Ziff. 48.3 der vorläufigen Anwendungshinweise zum AufenthG abgedruckt bei: Renner,
Ausländerrecht, 8. Aufl., § 48), obwohl § 48 Abs. 3 AufenthG selbstvollziehend ist und keiner verwaltungsaktförmigen
Umsetzung bedarf.
Die Übernahme bzw. Erstattung der Kosten ist auch "erforderlich" zur Erfüllung einer die Klägerin zu 1) treffenden
Pflicht. Die Klägerin zu 1) war offensichtlich nicht in der Lage, aus den laufenden Leistungen die Kosten der
Passbeschaffung zu decken. Die Passbeschaffung war auch erforderlich, da kein Grund ersichtlich ist, warum ihr die
Beschaffung eines serbischen Passes unzumutbar sein sollte (vgl. § 48 Abs. 2 AufenthG). Sie konnte sich den Pass
schließlich beschaffen. Hätte sie sich den Pass nicht beschafft, hätte sie fortlaufend gegen ihre Passpflicht
verstoßen. Die vom RP Gießen zitierte Rechtsauffassung vermag nicht zu überzeugen, da die Duldung mangels
Unzumutbarkeit zur Erfüllung der Pass- und Ausweispflicht gerade nicht hinreichend war (§ 48 Abs. 2 AufenthG).
Dass weiterhin "erforderlich" sein soll, dass die Passbeschaffung die aufenthaltsrechtliche Stellung der
Anspruchsinhaber "verbessert" (so VG München a. a. O.) ist für das Gericht als weiteres einschränkendes Kriterium
nicht nachvollziehbar und sachfremd. Das Streben nach Rechtstreue sollte insoweit hinreichend sein.
Zu den notwendigen Kosten gehören u. a. die nachzuweisenden Passgebühren sowie etwaige Fahrtkosten (VG
Dresden a. a. O.). Ferner sind erforderliche Urkunden und Beglaubigungen als notwendig zu erachten. Nicht dargelegt
wurde, warum die Geburtsurkunden der Kläger zu 2) und zu 3) für die Passbeschaffung der Klägerin zu 1) erforderlich
waren. Fahrkosten sind bezüglich der Klägerin zu 1) lediglich in Höhe von 4 x 9,70 EUR anzuerkennen. Ein Bahntarif
von 15,50 EUR pro Einzelfahrt konnte durch das Gericht nicht verifiziert werden. Hiernach sind folgende Kosten
erstattungsfähig: - Gebühren Staatsangehörigkeitsnachweis: 11,50 EUR - Beglaubigung Heiratsurkunde: 7,- EUR -
Fahrtkosten: 38,80 EUR - Eintragung Heirat: 38,- EUR - Passgebühren: 188,- EUR Insgesamt: 283,30 EUR
Für die Übernahme bzw. Erstattung dieser Kosten war das Ermessen auf Null reduziert. Es ist nicht erkennbar,
weshalb ein dauerhafter Verstoß gegen die Passpflicht entweder aufenthaltsrechtlich hinnehmbar oder auf andere
Weise zu beseitigen gewesen wäre. Es ist auch nicht absehbar, dass die Klägerin zu 1) die Mittel für die
Passbeschaffung auf andere Art und Weise deckt. Auch aus aufenthaltsrechtlichen Erwägungen – soweit diese
ermessensleitend sein können – spricht nichts gegen die Leistungsgewährung; die Klägerin zu 1) hat gegenwärtig
vielmehr – ausgehend von der erstinstanzlichen Entscheidung – eine begründete Aussicht auf die Erteilung eines
Aufenthaltstitels; die Erteilung setzt aber grundsätzlich die Erfüllung der Passpflicht voraus (§ 5 AufenthG). Im
Übrigen ist der im Laufe des gerichtlichen Verfahrens geäußerte Einwand, dass die aufenthaltsrechtliche Situation der
Kläger nicht gesichert sei und dies bereits der Übernahme der Passbeschaffungskosten entgegenstehe, im Rahmen
der Ermessensausübung des AsylbLG fehlerhaft. Das AsylbLG ist als Sonderrecht gerade für den Personenkreis
konzipiert, bei dem die aufenthaltsrechtliche Situation eher als prekär anzusehen ist.
Soweit der Beklagte einer Kostenerstattung entgegenhält, die Klägerin zu 1) hätte den Bedarf bereits gedeckt, so
dass eine Übernahme der Kosten nach § 6 AsylbLG von vornherein ausscheide, ist dem nicht zu folgen. Die
laufenden Leistungen reichten ersichtlich nicht aus, die Passbeschaffungskosten unmittelbar zu befriedigen oder
notwendige Beträge anzusparen. Daher hat sich die Klägerin zu 1) glaubhaft finanzieller Mittel eines namentlich
genannten Dritten bedienen müssen, der im Wege eines Darlehens einzuspringen bereit war. Die Kammer schließt
sich insoweit dem von der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung entwickelten sozialhilferechtlichen Grundsatz an,
dass ausnahmsweise Leistungen durch den Sozialhilfeträger für bereits erbrachte Aufwendungen oder die Tilgung von
Schulden zu erbringen sind, wenn es dem Hilfesuchenden nicht zumutbar war, die Entscheidung des
Sozialhilfeträgers abzuwarten (BVerwG, Urteil vom 30. April 1992 - 5 C 12/87 = BVerwGE 90, 154-160). Dies muss
umsomehr für das gerichtliche Verfahren gelten, da die Klägerin zu 1) zwar die Verwaltungsentscheidung, nicht aber
das vorliegende Gerichtsverfahren abgewartet hat.
Offen bleiben kann nach alledem, ob auch nach § 2 AsylbLG i. V. m. § 28 SGB XII ein entsprechender Anspruch
folgt, da die Klägerin zu 1) zwischenzeitlich – so das RP Gießen – Analogleistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG
bezieht.
Zu 2.: Eine Ermessensreduzierung auf Null kann gegenwärtig aber nicht hinsichtlich der Übernahme der
Passbeschaffungskosten für die Kläger zu 2) und 3) gesehen werden. Dies wäre alle allenfalls dann der Fall, wenn die
Kläger zu 2) und 3) gegenwärtig noch als serbische Staatsangehörige die Ausstellung serbischer Pässe anstreben
würden. Hieran bestehen aber nach dem Schriftsatz der Klägervertreter vom 13. März 2008 (Bl. 107 d. A.) erhebliche
Zweifel. Angekündigt wurde dort, dass für die Kläger zu 2) und 3) wohl keine weiteren Kosten für die Passbeschaffung
entstehen würden, da zwischenzeitlich die Unabhängigkeit des Kosovo proklamiert worden sei und die Bundesrepublik
Deutschland am 20. Februar 2008 die Republik Kosovo als souveränen Staat anerkannt habe. Kosovaren müssten
sich aber auch weiterhin um Pässe kümmern, dies werde aber erst nach Eröffnung einer eigenen diplomatischen
Vertretung der Republik Kosovo möglich sein. Die dann entstehenden Kosten könnten noch nicht beziffert werden.
Dieser Vortrag ist dahingehend auszulegen, dass die Kläger zu 2) und zu 3) an ihrem Begehren der Beschaffung
serbischer Pässe nicht mehr festhalten. Die Beschaffung kosovarischer Pässe war aber nicht in Gegenstand des
Verwaltungsverfahrens, so dass auch für die Beklagte kein Anlass bestand, insoweit ihr Ermessen auszuüben. Dies
wird nachzuholen sein. Im Rahmen der Ermessensausübung ist dann von Bedeutung, ob gegenwärtig überhaupt mit
hinreichender Aussicht auf Erfolg entweder serbische oder kosovarische Pässe für die Kläger zu 2) und zu 3)
beschaffbar sind. Nach der von den Klägern vorgelegten Information des Bundesministerium des Innern vom 27.
Februar 2008 bestehen hinsichtlich Serbien erhebliche Zweifel, da Fälle bekannt geworden seien, dass Kosovaren
bereits der Zutritt zum serbischen Konsulat verweigert worden sei. Unbekannt ist gegenwärtig auch, ob zeitnah mit
dem Aufbau von Botschaften und Konsulaten der Republik Kosovo zu rechnen ist. Weder eine Erforderlichkeit noch
eine Ermessensreduzierung auf Null kann angenommen werden, wenn die Bemühungen um die Passbeschaffung von
vornherein keine Aussicht auf Erfolg haben (vgl. dazu Bay. VGH, Urt. v. 3. April 2006, Az. 12 C 06.526). Die Beklagte
kann zudem sowohl bei der Prüfung von Tatbestand und Ermessen berücksichtigen, welche Konsequenzen aus der
im oben genannten Schreiben des Bundesministeriums des Innern im Hinblick auf § 48 Abs. 2 AufenthG zu ziehen
sind.
Aufzuheben waren die streitgegenständlichen Bescheide bezüglich der Kläger zu 2) und zu 3) aber bereits deshalb, da
den Bescheiden nicht zu entnehmen ist, dass der Beklagten die Einräumung eines Ermessens bewusst war, da der
Anspruch auf Erteilung serbischer Pässe fehlerhaft bereits auf Tatbestandsseite verneint wurde.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Berufung ist nach Auffassung der Kammer im Hinblick auf die erweiterte Fassung des Antrages im Schriftsatz
vom 5. Mai 2008 zulässig, da es sich bezüglich der Kläger zu 2) und 3) um nicht bezifferte Anträge handelt.