Urteil des SozG Ulm vom 06.08.2015

drg, operation, behandlung, innere medizin

SG Ulm Urteil vom 6.8.2015, S 13 KR 3667/13
Leitsätze
Zur Frage der Beendigung der Beatmung nach einer Periode der Entwöhnung nach
den Deutschen Kodierrichtlinien für das Jahr 2011 bei nicht-invasiver CPAP/ASB-
Beatmung
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 6.174,49 EUR nebst Zinsen hieraus
in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab 27.07.2013
zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird endgültig auf 6.174,49 EUR festgesetzt.
Tatbestand
1 Die Beteiligten streiten über den Anspruch auf Vergütung für eine stationäre
Krankenhaus (KH)-Behandlung in Höhe von 6.174,49 EUR wegen der Frage der
anrechenbaren Beatmungsstunden.
2 Die Klägerin betreibt ein nach § 108 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche
Krankenversicherung - (SGB V) zur Versorgung der Versicherten der Gesetzlichen
Krankenversicherung (GKV) zugelassenes KH in Ulm.
3 Bei dem 19.. geborenen und bei der beklagten Krankenkasse versicherten
Patienten J. K. (P) ist ein kongenitaler Hydrocephalus mit ventrikulopatrialer
Shuntanlage sowie eine fokale symptomatische Epilepsie mit komplex fokalen
Anfällen bekannt. Er konnte zuletzt im Rollstuhl sitzen und kommunizieren. Nach
einem generalisierten epileptischen Anfall am 18.01.2011 wurde P initial ins KH
Biberach aufgenommen und am 19.01.2011 bei Fieber bis 41°C in komatösem
Zustand auf die Stroke Unit der Neurologischen Klinik der Klägerin verlegt. Eine
Punktion des Shuntreservoirs erbrachte einen unauffälligen Befund. Bei
beginnender Sepsis und unter der Verdachtsdiagnose einer
Aspirationspneumonie wurde eine Antibiose begonnen. Seit 24.01.2011 war P
dauerhaft tachykard sowie zunehmend hypoton (Bericht der Neurologischen
Universitätsklinik der Klägerin vom 19.01.2011). Aufgrund einer kreislauf- und Hb-
wirksamen Magenblutung wurde P vom 25. bis 26.01.2011 in die Klinik für Innere
Medizin II des Universitätsklinikums Ulm verlegt und in hämodynamisch stabilem
Zustand rückverlegt. Da zu jeder Zeit Schutzreflexe vorhanden waren, wurde dort
auf eine Intubation verzichtet (Rückverlegungsbericht des Universitätsklinikums
Ulm vom 23.02.2011). Am 27.01.2011 wurde P zunehmend tachykard und
hypoton, im Labor fielen deutlich steigende Entzündungswerte auf, so dass P
unter dem klinischen Bild einer Sepsis am 27.01.2011 um kurz nach 23 Uhr
(Anlage-Bogen von 23:20 Uhr nach Blutabnahme um 23:15 Uhr; erste
Blutgasanalyse von 23:09 Uhr) auf die anästhesiologische Intensivstation der
Klägerin verlegt wurde. Zur Entlastung bei Tachypnoe wurde P bis zur Verlegung
am 01.02.2011 nichtinvasiv beatmet (NIV = noninvasive Ventilation) mittels einer
druckkontrollierten bzw. druckunterstützten Beatmung mit dem Gerät Evita4,
hierbei zeigte sich eine gute Oxygenierung bei niedrigen O2-Werten. Der Kreislauf
musste mit sehr hohen Dosen Arterenol gestützt werden. Der Sepsisherd wurde im
Bauchraum vermutet und ein CT des Abdomens durchgeführt, das ca. ein Liter
Aszites ergab. Bei schlechter Zugangsmöglichkeit wurde nicht punktiert, eine
Übernahme auf die internistische Intensivstation war aus Platzgründen nicht
möglich. Trotz Anpassung der Antibiose stiegen die Entzündungswerte drastisch
an; zunehmend kam es auch zu vermehrtem gelblichen Auswurf. Bei Verdacht auf
eine atypische Pneumonie wurde die Antibiose um Klacid erweitert. Zuletzt war die
Oxygenierung unter NIV-Atemunterstützung ordentlich. Ab 31.01.2011 zeigten sich
rückläufige Entzündungsparameter, der anfänglich komatöse P zeigte mehr
Wachreaktion. Vom zeitlichen Ablauf ging Oberarzt Dr. Bartl davon aus, dass sich
der Sepsisherd im Abdomen befand und sich erst zuletzt eine Pneumonie
entwickelte (Ärztliche Verlegungsberichte vom 28.01.2011, 01.02.2011,
10.02.2011 und Intensivkurven).
4 Aus den Intensivkurven ergibt sich, dass bei der Aufnahme am 27.01.2011 ein
Atemminutenvolumen (AMV) von 25,8 Litern, ein Kohlendioxidparitaldruck (pCO2)
von 23,8 mmHG, eine arterielle Sauerstoffsättigung (SaO2) von 98%, eine
inspiratorische Sauerstoffkonzentration (FiO2) von 0,3 und eine Atemfrequenz (AF,
Atemzüge pro Minute) von 50 vorlag. Die Parameter wurden in der Folge stündlich
in den Intensivkurven vermerkt. Die NIV-Beatmung mittels Evita-Beatmungsgerät
wurde um ca. 23:20 Uhr begonnen und fortgesetzt bis 13 Uhr des Folgetages. Die
AF reduzierte sich darunter auf 16 (gemessen ca. 10.30 Uhr). Um 13 Uhr wurde
auf eine OHIO-Maske, somit eine Spontanatmung mit Sauerstoffinsufflation per
Nasensonde umgestellt. Die AF lag um 14:00 Uhr bei 13, es wurde erneut eine
NIV-Beatmung durchgeführt bis 19 Uhr; danach findet sich sowohl die Eintragung
„Ohio“ als auch „ASB“, ab 23 Uhr die Eintragung „S“ für Spontanatmung. Am
29.01.2011 wurde P von 1 Uhr bis 10 Uhr erneut nichtinvasiv beatmet, dann
wiederum von 11 Uhr bis 18.30 Uhr und von 19 Uhr bis 24 Uhr. Am 30.01.2011 hat
P zunächst von 0 Uhr bis 16 Uhr spontan geatmet und wurde erneut ab 16 Uhr
zunächst kontrolliert, ab 0 Uhr (31.01.2011) assistiert beatmet bis 5 Uhr. Nach
Spontanatmung wurde P am 31.01.2011 wieder beatmet von 8 bis 11 Uhr und von
17 Uhr bis 21 Uhr kontrolliert, bis 24 Uhr assistiert (AF um 1 Uhr 43), dies erfolgte
bis 10 Uhr des Folgetages (01.02.2011; Eintragung im Pflegebericht um 6 Uhr: P
atmete mit 55er AF) und nochmals von 11 bis 15 Uhr, dem Zeitpunkt der
Rückverlegung in das KH Biberach.
5 Die Klägerin stellte der Beklagten für die Behandlung des P vom 19.01.2011 bis
01.02.2011 insgesamt 10.685,48 EUR in Rechnung (Rechnung vom 17.02.2012),
wobei sie DRG A13G (Beatmung > 95 und < 250 Stunden ohne komplexe oder
bestimmte OR-Prozedur, ohne Intensivmedizin. Komplexbehandlung > 552
Punkte, ohne kompliz. Konstellation, Alter > 15 J., oder verstorben oder verlegt < 9
Tage, ohne kompl. Diagnose, ohne kompl. Prozedur) wegen einer Beatmung
zwischen 95 und 250 Stunden ansetzte. Die Beklagte überwies zunächst den
Rechnungsbetrag und schaltete den Medizinischen Dienst der
Krankenversicherung (MDK) Baden-Württemberg ein, der den
Begutachtungsauftrag mit Schreiben vom 28.02.2011 der Klägerin anzeigte. Da
Dr. D. im Gutachten vom 05.04.2011 ausführte, die Beatmungsstunden seien auf
Null zu setzen, da in den Intensivkurven weder Beatmungszeiten noch –
einstellungen ersichtlich seien, womit sich DRG B76C, somit ein Betrag von
4.355,33 EUR ergebe, bat die Beklagte mit Schreiben vom 11.04.2011 um
Rechnungskorrektur (Differenz von 6.330,15 EUR) bis 08.04.2011. Die Klägerin
übersandte nunmehr auch die Intensivkurven zur Beurteilung. Dr. D. (MDK Baden-
Württemberg) kam im Zweitgutachten vom 15.03.2013 zu 79 anrechenbaren
Beatmungsstunden, weshalb es bei DRG B76C verbleibe. Zum Gutachten verwies
die Klägerin darauf, dass auch die Entwöhnungszeiten zur Gesamtbeatmungszeit
zählten, weshalb sich eine Gesamtbeatmungszeit von 113 Stunden ergebe. Dr. D.
führte hierzu am 13.05.2013 aus, bei respiratorischer Insuffizienz sei eine
nichtinvasive Beatmung durchgeführt worden, wo sich eine gute Oxygenierung bei
niedrigen Sauerstoffwerten gezeigt habe. Die Pausenzeiten seien nicht
anrechenbar. Ein Weaning sei definiert als Phase der Entwöhnung eines
beatmeten Patienten vom Beatmungsgerät. Dies liege vor, wenn der Versicherte
durch eine langanhaltende invasive Beatmung so geschwächt und die
Atemmuskulatur so abgebaut habe, dass ein Weaning unumgänglich sei. Im Fall
der NIV-Beatmung werde lediglich aufgrund ärztlicher Anordnung oder nach
Sättigungsabfall ein weiteres Beatmungsintervall eingeleitet. Die Beklagte forderte
mit Schreiben vom 15.05.2013 die Klägerin (zum dritten Mal) zur
Rechnungskorrektur auf und kündigte andernfalls eine Verrechnung ab
26.06.2013 an. Am 26.07.2013 rechnete die Beklagte mit einem unstreitigen
Behandlungsfall 6.174,49 EUR auf.
6 Mit der am 14.11.2013 auf Zahlung von 6.174,49 EUR beim Sozialgericht Ulm
erhobenen Klage macht die Klägerin geltend, aus den Deutschen Kodierrichtlinien
(DKR) ergebe sich eindeutig, wie die Beatmungszeit zu berechnen sei,
insbesondere sei die Dauer der Entwöhnung der Beatmungszeit hinzuzurechnen.
7 Die Klägerin beantragt,
8
die Beklagte zu verurteilen, an sie 6.174,49 EUR nebst Zinsen hieraus in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab
27.07.2013 zu zahlen.
9 Die Beklagte beantragt,
10
die Klage abzuweisen.
11 Sie hält ihre Entscheidung für zutreffend und hat das Gutachten des Dr. von B.
MDK Baden-Württemberg vom 04.06.2014 vorgelegt. P sei bei
Atembeschleunigung und arterenolpflichtiger Kreislaufdepression bei septischem
Schock intermittierend nicht-invasiv beatmet worden. Die Entwöhnungsphase sei
nach den DKR nur dann zur Gesamtbeatmungsdauer hinzu zu zählen, wenn es
sich tatsächlich um eine Entwöhnung vom Respirator nach länger dauernder
kontrollierter Beatmung handele und nicht lediglich um eine unterstützende
Maßnahme wie bspw. eine stundenweise Atemtherapie bei längst suffizienter
Spontanatmung. Eine Entwöhnung finde nur statt, wenn die respiratorische
Situation des Patienten noch instabil sei, wenn er regelmäßig überwacht und der
Einsatz der Atemunterstützung an seine respiratorische Situation angepasst
werden müsse. Hierbei sei der klinische Zustand des Patienten und seiner
Oxygenation, bewertet durch die Ergebnisse der arteriellen Blutgasanalysen zu
berücksichtigen. Im konkreten Einzelfall sei die NIV zur Entlastung bei einer
vorliegenden Atembeschleunigung und nicht zur Entwöhnung erfolgt, da eine
vorgeschaltete invasive kontrollierte länger dauernde maschinelle Beatmung mit
Abhängigkeit vom Respirator nicht dokumentiert sei.
12 Das Gericht hat das Gutachten nach Aktenlage des Herrn E. mit Arzt für
Anästhesiologie W. vom 03.11.2014 eingeholt. Dieser hat ausgeführt, insgesamt
sei P 77 Stunden intermittierend nicht-invasiv beatmet bzw. mit CPAP-Maske bei
der Atmung unterstützt worden im Wechsel mit Spontanatmung unter Sauerstoff-
Insufflation. Von einer Entwöhnung vom Beatmungsgerät könnte nicht gesprochen
werden, da keine initiale Beatmung und Abhängigkeit vom Respirator für einen
längeren Zeitraum, d.h. für mindestens 24 Stunden, stattgefunden habe.
Stattdessen sei P immer nur stundenweise mit einer Maske bzw. nicht-invasiv
beatmet bzw. unterstützt worden. Ein solches Therapieverfahren sei zwar sinnvoll
und notwendig, erfülle aber nicht die Kriterien einer längeren Beatmung, nach der
eine Entwöhnungsphase gemäß DKR zur Gesamtbeatmungszeit hinzuzurechnen
sei. Es liege daher keine Beatmungszeit von mehr als 95 Stunden vor.
13 Hierzu hat die Klägerin vorgetragen, eine akute respiratorische Insuffizienz könne
sowohl mittels nicht-invasiver als auch mittels invasiver Beatmung behandelt
werden. Die NIV werde häufig eingesetzt, um eine invasive Beatmung zu
vermeiden, da die Infektionsgefahr, die Modalität und die Dauer des KH-
Aufenthaltes unter invasiver Beatmung höher seien als unter NIV. Zudem sei die
nichtinvasive Beatmung mit einem hohen personellen Aufwand verbunden, der
nicht selten den einer invasiven Beatmung übersteige. In den beatmungsfreien
Phasen komme es in der Regel zu einem langsamen Anstieg des PaO2, dennoch
bleibe genug Zeit, um dem Patienten eine notwendige Pause zu gönnen, ihn zu
ernähren, zu mobilisieren oder ein Sekretmischmittel durchzuführen. Ziel der
Therapie von COPD-Patienten mit akuter respiratorischer Insuffizienz bestehe
darin, eine invasive Beatmung zu vermeiden.
14 Der Sachverständige hat am 08.06.2015 dahingehend Stellung genommen, dass
in den DKR bewusst auf einen initialen Beatmungszeitraum von mindestens 24
Stunden Bezug genommen worden sei zur Frage, ob diese initiale
Beatmungsphase zu den Gesamtbeatmungszeiten hinzuzurechnen ist. In
Analogie zu dieser Feststellung sei davon auszugehen, dass bei einer initialen
Beatmungszeit von weniger als 24 Stunden auch keine Entwöhnung vom
Respirator anzuerkennen sei. Leider finde sich bisher in den DKR kein
weitergehender eindeutiger Hinweis zu dieser Frage.
15 Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung am 06.08.2015 auf Anforderung
des Gerichts noch Auszüge der erhobenen Blutgasanalysen vorgelegt. Das
Gericht hat in der mündlichen Verhandlung Oberärztin O., die bei der Klägerin tätig
ist, als Zeugin gehört. Diese hat im Wesentlichen ausgeführt, P habe bei
Übernahme auf die Intensivstation mit seinen Symptomen der Sepsis kurz vor der
Dekompensation gestanden. Die NIV-Beatmung habe an Stelle der Intubation
stattgefunden. P sei solange es notwendig gewesen sei, beatmet worden; die NIV-
Beatmung habe nach Pausen wieder angesetzt worden, wenn eine Tendenz
absehbar gewesen sei. Dann werde selbstverständlich nicht abgewartet, bis es
dem Patienten wieder richtig schlecht gehe. Die Antibiose brauche Zeit, bis sie
wirke.
16 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des
Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Akten
der Beteiligten, insbesondere die Patientenakte der Klägerin, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
17 Die gemäß §§ 87, 90 ff Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Leistungsklage der
Klägerin ist begründet. Denn die Klägerin hat Anspruch auf Zahlung der
Vergütung in Höhe von 6.174,49 EUR und Zahlung von Zinsen seit der
Aufrechnung der Beklagten.
18 Die Klägerin hat einen weiteren Vergütungsanspruch für die Behandlung des bei
der Beklagten Versicherten P. Die von der Klägerin erhobene (echte)
Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) ist im hier bestehenden
Gleichordnungsverhältnis zulässig (BSG, Urteile vom 16. Dezember 2008 – B 1
KN 1/07 KR R –, SozR 4-2500 § 109 Nr 13 m.w.N.; und vom 08. November 2011
– B 1 KR 8/11 R –, SozR 4-5560 § 17b Nr 2 m.w.N.) und begründet.
19 Der ursprünglich entstandene Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf
Vergütung von KH-Behandlungsleistungen für andere Versicherte, der bezüglich
der Höhe nicht streitig ist und deshalb keiner näheren Prüfung zu unterziehen ist
(BSG, Urteil vom 21. April 2015 – B 1 KR 8/15 R –, juris m.w.N.), ist durch die
Aufrechnung mit einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch wegen
Überzahlung der Vergütung für die KH-Behandlung des P analog § 387
Bürgerliches Gesetzbuch nicht erloschen (zur entsprechenden Anwendung auf
überzahlte KH-Vergütung vgl. z.B. BSG, Urteil vom 08. November 2011 – B 1 KR
8/11 R –, SozR 4-5560 § 17b Nr 2 m.w.N.), da der Beklagten ein
Erstattungsanspruch nicht zusteht.
20 Der Klägerin steht wegen der stationären Behandlung des P neben dem von der
Beklagten gezahlten und nicht zurückgeforderten Betrags ein weitergehender
Vergütungsanspruch nach DRG A13G und damit auch ein Zinsanspruch zu.
21 Die Voraussetzungen des Gegenanspruchs aus öffentlich-rechtlicher Erstattung
sind nicht erfüllt. Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch setzt u.a. voraus,
dass der Berechtigte Leistungen im Rahmen eines öffentlichen
Rechtsverhältnisses ohne rechtlichen Grund erbracht hat (vgl. z.B. BSG, Urteil
vom 28. September 2010 – B 1 KR 4/10 R –, SozR 4-2500 § 264 Nr 3 st.Rspr.;
BSG, Urteil vom 03. Juli 2012 – B 1 KR 16/11 R –, SozR 4-2500 § 129 Nr 7). So
liegt es hier nicht. Denn die Klägerin hat gegen die Beklagte einen
Vergütungsanspruch für die Behandlung des P in der von ihr geltend gemachten
Höhe nach DRG A13G. Die Beklagte kann deshalb keine Erstattung
beanspruchen.
22 Die Klägerin hat die Grundvoraussetzungen eines Anspruchs auf KH-Vergütung
erfüllt, indem sie P stationär behandelt hat. Die Zahlungsverpflichtung einer
Krankenkasse entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit
Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die
Versorgung - wie hier - in einem zugelassenen KH durchgeführt wird und im
Sinne von § 39 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche
Krankenversicherung – (SGB V) erforderlich und wirtschaftlich ist (st.Rspr., vgl.
z.B. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008 – B 1 KN 1/07 KR R –, SozR 4-2500 §
109 Nr 13 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind erfüllt.
23 Die Höhe der Vergütung bemisst sich nach DRG A13G und nicht nach DRG
B76C. Rechtsgrundlage des Vergütungsanspruchs ist § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB
V i.V.m. §§ 7 Satz 1 Nr. 1 des Gesetzes über die Entgelte für voll- und
teilstationäre Krankenhausleistungen - Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG),
17b Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) und dem Vertrag nach § 112 Abs. 2
Satz 1 Nr. 1 SGB V für das Land Baden-Württemberg (Vertrag BW). Nach § 109
Abs. 4 SGB V wird mit einem Versorgungsvertrag nach Absatz 1 das KH für die
Dauer des Vertrages zur KH-Behandlung der Versicherten zugelassen. Das
zugelassene KH ist im Rahmen seines Versorgungsauftrags zur KH-Behandlung
(§ 39 SGB V) der Versicherten verpflichtet.
24 Der Anspruch wird auf Bundesebene durch Normsetzungsverträge
(Normenverträge, Fallpauschalenvereinbarung ) konkretisiert. Die
Spitzenverbände der Krankenkassen (heute der Spitzenverband Bund der
Krankenkassen) und der Verband der privaten Krankenversicherung gemeinsam
vereinbaren nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KHEntgG mit der Deutschen
Krankenhausgesellschaft als „Vertragsparteien auf Bundesebene“ mit Wirkung
für die Vertragsparteien nach § 11 KHEntgG einen Fallpauschalen-Katalog
einschließlich der Bewertungsrelationen sowie Regelungen zur
Grenzverweildauer und der in Abhängigkeit von diesen zusätzlich zu zahlenden
Entgelte oder vorzunehmenden Abschläge. Ferner vereinbaren sie insoweit
Abrechnungsbestimmungen in den FPV auf der Grundlage des § 9 Abs. 1 Satz 1
Nr. 3 KHEntgG.
25 Die vertraglichen Fallpauschalen ergeben sich daraus, dass die nach den
aufgezeigten gesetzlichen Regelungen hierzu berufenen Vertragspartner eine
Fallpauschalenvereinbarung (FPV) mit einem Fallpauschalen-Katalog als Teil
derselben und Allgemeine und Spezielle Kodierrichtlinien für die Verschlüsselung
von Krankheiten und Prozeduren (Deutsche Kodierrichtlinien ) vereinbart
haben. DKR und FPV bilden den konkreten vertragsrechtlichen Rahmen, aus
dem die für eine Behandlung maßgebliche DRG-Position folgt (BSG, Urteil vom
08. November 2011 – B 1 KR 8/11 R –, SozR 4-5560 § 17b Nr 2). Im
vorliegenden Fall sind maßgebend - jeweils normativ wirkend - die am
23.09.2010 getroffene Vereinbarung zum Fallpauschalensystem für
Krankenhäuser für das Jahr 2011 (FPV 2011) einschließlich der Anlagen 1 bis 6
(insbesondere: Anlage 1 ) und
die von den Vertragspartnern auf Bundesebene getroffene Vereinbarung zu den
DKR für das Jahr 2011 (ebenfalls vom 23.09.2010, ). Welche DRG-
Position abzurechnen ist, ergibt sich rechtsverbindlich nicht aus einem schriftlich
festgelegten abstrakten Tatbestand, sondern aus der Eingabe von im Einzelnen
von einem Programm vorgegebenen, abzufragenden Daten in ein automatisches
Datenverarbeitungssystem und dessen Anwendung (zur rechtlichen Einordnung
des Groupierungsvorgangs vgl. BSG a.a.O.). „Die Anwendung der DKR und der
FPV einschließlich des ICD-10-GM und des OPS ist nicht automatisiert und
unterliegt als Mitsteuerung der prozesshaften Tatbestandsbildung im
Zusammenspiel mit den Vorgaben zertifizierter Grouper ihrerseits grundsätzlich
den allgemeinen Auslegungsmethoden der Rechtswissenschaft. Die
Abrechnungsbestimmungen sind gleichwohl wegen ihrer Funktion im Gefüge der
Ermittlung des Vergütungstatbestandes innerhalb eines vorgegebenen
Vergütungssystems eng am Wortlaut orientiert und unterstützt durch
systematische Erwägungen auszulegen. Eine Vergütungsregelung, die für die
routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehen ist,
kann ihren Zweck nur erfüllen, wenn sie allgemein streng nach ihrem Wortlaut
sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln gehandhabt wird und keinen
Spielraum für weitere Bewertungen sowie Abwägungen belässt. Demgemäß sind
Vergütungsregelungen stets eng nach ihrem Wortlaut und allenfalls ergänzend
nach ihrem systematischen Zusammenhang auszulegen; Bewertungen und
Bewertungsrelationen bleiben außer Betracht. Da das DRG-basierte
Vergütungssystem vom Gesetzgeber als jährlich weiterzuentwickelndes (§ 17b
Abs. 2 Satz 1 KHG) und damit „lernendes“ System angelegt ist, sind bei zutage
tretenden Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen in erster Linie die
Vertragsparteien berufen, diese mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen“ (BSG,
Urteile vom 21. April 2015 – B 1 KR 9/15 R –, juris, zur Veröffentlichung in SozR 4
vorgesehen m.w.N.; vom 08. November 2011 – B 1 KR 8/11 R –, SozR 4-5560 §
17b Nr 2, vom 01. Juli 2014 - B 1 KR 29/13 R – juris m.w.N.). Medizinischen
Begriffen kommt dabei der Sinngehalt zu, der ihnen im medizinisch-
wissenschaftlichen Sprachgebrauch beigemessen wird (BSG, Beschluss vom 19.
Juli 2012 – B 1 KR 65/11 B –, SozR 4-1500 § 160a Nr 32, SozR 4-5560 § 17b Nr
3).
26 Die DRG A13G nach FPV 2011 wird nur dann im Groupierungsvorgang
angesteuert, wenn eine Beatmung von mehr als 95 und weniger als 250 Stunden
erfolgt ist. Dies ist vorliegend der Fall.
27 Wie dies zu berechnen ist, ergibt sich aus den DKR 2011, hier dem Teil
„Spezielle Kodierrichtlinien“ unter Punkt 10, der wie folgt lautet:
28
10 KRANKHEITEN DES ATMUNGSSYSTEMS
29
1001h Maschinelle Beatmung
30
Definition
31
Maschinelle Beatmung („künstliche Beatmung”) ist ein Vorgang, bei dem Gase
mittels einer mechanischen Vorrichtung in die Lunge bewegt werden. Die
Atmung wird unterstützt durch das Verstärken oder Ersetzen der eigenen
Atemleistung des Patienten. Bei der künstlichen Beatmung ist der Patient in der
Regel intubiert oder tracheotomiert und wird fortlaufend beatmet.
Bei intensivmedizinisch versorgten Patienten kann eine maschinelle Beatmung
auch über Maskensysteme erfolgen, wenn diese an Stelle der bisher üblichen
Intubation oder Tracheotomie eingesetzt werden.
32
Kodierung
33
Wenn eine maschinelle Beatmung die obige Definition erfüllt, ist
34
1) zunächst die
Dauer
der künstlichen Beatmung zu erfassen. Hierfür steht ein
separates Datenfeld im Datensatz nach § 301 SGB V (Sozialgesetzbuch
Fünftes Buch) sowie § 21 KHEntgG (Krankenhausentgeltgesetz) zur Verfügung.
35
2) Dann ist
zusätzlich:
36
2a) einer der folgenden Kodes
37
8-701 Einfache endotracheale Intubation
8-704 Intubation mit Doppellumentubus
8-706 Anlegen einer Maske zur maschinellen Beatmung
38
und/oder
39
2b) der zutreffende Kode aus
40
5-311 Temporäre Tracheostomie oder
5-312 Permanente Tracheostomie
41
anzugeben, wenn zur Durchführung der künstlichen Beatmung ein
Tracheostoma
angelegt wurde.
42
3) Bei
Neugeborenen und Säuglingen
ist
zusätzlich
ein Kode aus
43
8-711 Maschinelle Beatmung bei Neugeborenen und Säuglingen
44
anzugeben.
45
Anmerkung:
Bei Neugeborenen sind darüber hinaus auch andere
atmungsunterstützende Maßnahmen wie z.B. Sauerstoffzufuhr (8-720) zu
verschlüsseln, soweit nicht eine maschinelle Beatmung erfolgt. Hier ist die
Beatmungsdauer nicht zu kodieren.
46
4) Für den Sonderfall von
heimbeatmeten Patienten, die über ein
Tracheostoma beatmet werden
, ist analog zur Regelung zu
intensivmedizinisch versorgten Patienten, bei denen die maschinelle Beatmung
über Maskensysteme erfolgt, vorzugehen.
Dies bedeutet, dass die Beatmungszeiten zu erfassen sind, wenn es sich im
Einzelfall um einen „intensivmedizinisch versorgten Patienten“ handelt.
47
Berechnung der Dauer der Beatmung
48
Eine maschinelle Beatmung (siehe Definition, Abs. 1), die zur Durchführung
einer Operation oder während einer Operation begonnen wird und die
nicht
länger als 24 Stunden
dauert,
zählt nicht
zur Gesamtbeatmungszeit. Die
maschinelle Beatmung während einer Operation im Rahmen der Anästhesie
wird als integraler Bestandteil des chirurgischen Eingriffs angesehen.
Wenn die maschinelle Beatmung jedoch zur Durchführung einer Operation oder
während einer Operation begonnen wird und
länger als 24 Stunden
dauert,
dann
zählt
sie zur Gesamtbeatmungszeit.
Die Berechnung der Dauer beginnt in diesem Fall mit der Intubation; die
Intubation ist in diesem Fall zu kodieren, obwohl sie zur Operation durchgeführt
wurde.
Eine Beatmung, die nicht zum Zweck einer Operation begonnen wurde, z.B. in
der Intensivbehandlung nach einer Kopfverletzung oder einer Verbrennung,
zählt unabhängig von der Dauer immer zur Gesamtbeatmungszeit. Werden
bereits beatmete Patienten operiert, so zählt die Operationszeit zur
Gesamtbeatmungszeit.
Bei einer/mehreren Beatmungsperiode(n) während eines
Krankenhausaufenthaltes ist zunächst die Gesamtbeatmungszeit gemäß obigen
Regeln zu ermitteln, die Summe ist zur nächsten ganzen Stunde aufzurunden.
(s.a. DKR P012 Prozeduren, unterschieden auf der Basis von Größe, Zeit oder
Anzahl (Seite 49) und DKR P005 Multiple/Bilaterale Prozeduren (Seite 44)).
49
Beginn
50
Die Berechnung der Dauer der Beatmung beginnt mit
einem der folgenden
Ereignisse
:
51
• Endotracheale Intubation
52
Für Patienten, die zur künstlichen Beatmung intubiert werden, beginnt die
Berechnung der Dauer mit dem Anschluss an die Beatmungsgeräte.
Gelegentlich muss die endotracheale Kanüle wegen mechanischer Probleme
ausgetauscht werden. Zeitdauer der Entfernung und des unmittelbaren Ersatzes
der endotrachealen Kanüle sind in diesem Fall als Teil der Beatmungsdauer
anzusehen; die Berechnung der Dauer wird fortgesetzt.
Für Patienten, bei denen eine künstliche Beatmung durch endotracheale
Intubation begonnen und bei denen später eine Tracheotomie durchgeführt wird,
beginnt die Berechnung der Dauer mit der Intubation. Die Zeitdauer der
Beatmung über das Tracheostoma wird hinzugerechnet.
53
• Maskenbeatmung
54
Die Berechnung der Dauer der künstlichen Beatmung beginnt zu dem Zeitpunkt,
an dem die maschinelle Beatmung einsetzt.
55
• Tracheotomie
56
(mit anschließendem Beginn der künstlichen Beatmung). Die Berechnung der
Dauer der künstlichen Beatmung beginnt zu dem Zeitpunkt, an dem die
maschinelle Beatmung einsetzt.
57
• Aufnahme eines beatmeten Patienten
58
Für jene Patienten, die maschinell beatmet aufgenommen werden, beginnt die
Berechnung der Dauer mit dem Zeitpunkt der Aufnahme (s.a. „Verlegte
Patienten“, unten).
59
Ende
60
Die Berechnung der Dauer der Beatmung endet mit
einem der folgenden
Ereignisse:
61
• Extubation
• Beendigung der Beatmung
nach einer Periode der Entwöhnung.
62
Anmerkung:
63
Für Patienten mit einem Tracheostoma (nach einer Periode der Entwöhnung)
gilt:
Bei beatmeten Patienten wird die Trachealkanüle für einige Tage (oder länger,
z.B. bei neuromuskulären Erkrankungen) an ihrem Platz belassen, nachdem die
künstliche Beatmung beendet wurde. Die Berechnung der Beatmungsdauer ist
in diesem Fall zu dem Zeitpunkt beendet, an dem die maschinelle Beatmung
eingestellt wird.
64
Entlassung, Tod oder Verlegung
eines Patienten, der eine künstliche
Beatmung erhält (s.a. „Verlegte Patienten”, unten).
65
Die
Methode der Entwöhnung
(z.B. CPAP, SIMV, PSV) von der künstlichen
Beatmung wird nicht kodiert.
Die
Dauer der Entwöhnung
wird insgesamt (inklusive beatmungsfreier
Intervalle während der jeweiligen Entwöhnung) bei der Berechnung der
Beatmungsdauer eines Patienten hinzugezählt.
Es kann mehrere Versuche geben, den Patienten vom Beatmungsgerät zu
entwöhnen.
Das
Ende der Entwöhnung
kann nur retrospektiv nach Eintreten einer
stabilen respiratorischen Situation festgestellt werden.
Eine stabile respiratorische Situation liegt vor, wenn ein Patient über einen
längeren Zeitraum vollständig und ohne maschinelle Unterstützung spontan
atmet.
Dieser Zeitraum wird wie folgt definiert:
66
•Für Patienten, die (inklusive Entwöhnung)
bis zu
7
Tage
beatmet wurden:
24
Stunden
•Für Patienten, die (inklusive Entwöhnung)
mehr als
7
Tage
beatmet wurden:
36
Stunden
Für die Berechnung der Beatmungsdauer gilt als Ende der Entwöhnung dann
das Ende der letzten maschinellen Unterstützung der Atmung.
67
Beispiel 1
68
Ein Patient wird seit dem 05.07. beatmet. Am 10.07. um 12:00 Uhr endet die
letzte maschinelle Atemunterstützung mit dem Ziel die Atemunterstützung
einzustellen. Am 11.07. benötigt der Patient wegen respiratorischer Instabilität
um 10:00 Uhr wieder maschinelle Atemunterstützung (innerhalb des definierten
Zeitraums von 24 Stunden bei Beatmung bis zu 7 Tagen). Bei der Berechnung
der Gesamtbeatmungsdauer wird auch das beatmungsfreie Zeitintervall vom
10.07. um 12:00 Uhr bis zum 11.07. um 10:00 Uhr für die Beatmungsperiode
berücksichtigt.
69
Beispiel 2
70
Ein Patient wird seit dem 05.07. beatmet. Am 10.07. um 12:00 Uhr endet die
letzte maschinelle Atemunterstützung mit dem Ziel die Atemunterstützung
einzustellen. Am 11.07. wird um 12:00 Uhr festgestellt, dass der Patient
respiratorisch stabil ist und suffizient spontan atmet (Ende des definierten
Zeitraums von 24 Stunden bei Beatmung bis zu 7 Tagen). Die Berechnung der
Beatmungsdauer endet am 10.07. um 12:00 Uhr. Wird der Patient zu einem
späteren Zeitpunkt (nach 11.07., 12:00 Uhr) wieder beatmungspflichtig, beginnt
eine neue Beatmungsperiode.
71
Zur Entwöhnung vom Respirator zählt auch die maschinelle Unterstützung der
Atmung durch intermittierende Phasen assistierter nichtinvasiver Beatmung bzw.
Atemunterstützung wie z.B. durch Masken-CPAP/ASB oder durch Masken-
CPAP jeweils im Wechsel mit Spontanatmung ohne maschinelle Unterstützung.
Sauerstoffinsufflation bzw. –inhalation über Maskensysteme oder O2-Sonden
gehören jedoch nicht dazu.
Im speziellen Fall einer Entwöhnung mit intermittierenden Phasen der
maschinellen Unterstützung der Atmung durch
Masken-CPAP
im Wechsel mit
Spontanatmung ist eine Anrechnung auf die Beatmungszeit nur möglich, wenn
die Spontanatmung des Patienten insgesamt mindestens
6
Stunden pro
Kalendertag durch
Masken-CPAP
unterstützt wurde.
Die Berechnung der Beatmungsdauer endet in diesem Fall
nach der letzten
Masken-CPAPPhase
an dem Kalendertag, an dem der Patient zuletzt
insgesamt mindestens
6
Stunden durch Masken-CPAP unterstützt wurde.
72
Beispiel 3
73
Ein Patient wurde seit dem 02.07. beatmet. Im Rahmen der Entwöhnung erfolgte
die Atemunterstützung durch Masken-CPAP
74
am 10.07. für insgesamt 8 Stunden
am 11.07. für insgesamt 6 Stunden (letzte Masken-CPAP-Anwendung endete
um 22:00 Uhr)
am 12.07. für insgesamt 4 Stunden.
75
Die Berechnung der Beatmungsdauer einschließlich Entwöhnung endet damit
am 11.07. um 22:00 Uhr.
76
Verlegte Patienten
77
Beatmete und/oder intubierte Patienten
78
Wenn ein
beatmeter
Patient verlegt wird, finden die folgenden Grundregeln
Anwendung:
79
Das verlegende Krankenhaus erfasst die Dauer der dort durchgeführten
Beatmung und gibt die zutreffenden Kodes an:
80
- für den Zugang bei maschineller Beatmung (8-70),
- für die Tracheostomie (5-311; 5-312),
- für maschinelle Beatmung bei Neugeborenen und Säuglingen (8-711),
81
wenn diese Maßnahmen von der verlegenden Einrichtung durchgeführt worden
sind.
82
Das aufnehmende Krankenhaus erfasst die Dauer der dort durchgeführten
Beatmung, bei Neugeborenen wird zusätzlich ein Kode aus 8-711 zugewiesen.
Ein Kode für die Einleitung der Beatmung wird nicht angegeben, da diese
Maßnahmen vom verlegenden Krankenhaus durchgeführt wurden.
83
Wenn ein
nicht beatmeter
intubierter Patient verlegt wird, kodiert das
verlegende Krankenhaus den Zugang bei maschineller Beatmung (8-70) sowie
ggf. die Tracheostomie (5-311; 5-312).
84
Das aufnehmende Krankenhaus kodiert diese bereits geleisteten Prozeduren
nicht noch einmal.
85
Intubation ohne maschinelle Beatmung
86
Eine Intubation kann auch durchgeführt werden, wenn keine künstliche
Beatmung erforderlich ist, z.B. wenn es notwendig ist, den Luftweg offen zu
halten. Kinder können bei Diagnosen wie
Asthma, Krupp oder Epilepsie intubiert werden, und Erwachsene können in
Fällen von
Verbrennungen oder schwerem Trauma intubiert werden.
87
Eine Intubation ist in diesen Fällen mit einem Kode aus
88
8-700 Offenhalten der oberen Atemwege
8-701 Einfache endotracheale Intubation
zu verschlüsseln.
89
Kontinuierlicher positiver Atemwegsdruck (CPAP)
90
Kodes aus
8-711.0 Atemunterstützung mit kontinuierlichem positivem Atemwegsdruck
(CPAP)
sind nur bei
Neugeborenen und Säuglingen
zu kodieren
,
unabhängig von der
Behandlungsdauer (also auch unter 24 Stunden; bei OPS-Kode 8-711.00
mindestens aber 30 Minuten).
91
Wenn
bei Erwachsenen, Kindern und Jugendlichen
eine Störung wie
Schlafapnoe mit CPAP behandelt wird, sind Kodes aus 8-711.0 und 8-712.0
Atemunterstützung mit kontinuierlichem positivem Atemwegsdruck (CPAP)
sowie die Beatmungsdauer
nicht
zu verschlüsseln. Die Ersteinstellung einer
CPAP-Therapie bzw. die Kontrolle oder Optimierung einer früher eingeleiteten
CPAP-Therapie werden mit einem Kode aus 8-717 Einstellung einer nasalen
oder oronasalen Überdrucktherapie bei schlafbezogenen Atemstörungen
verschlüsselt.
92
Wenn CPAP bzw. Masken-CPAP als Entwöhnungsmethode von der Beatmung
verwendet wird, sind Kodes aus 8-711.0 und 8-712.0
nicht zu verwenden
; die
Beatmungsdauer ist hingegen zu berücksichtigen (s.o.), d.h. zur gesamten
Beatmungsdauer dazuzurechnen (siehe: Definition der „maschinellen
Beatmung“; „Methode der Entwöhnung“; „Dauer der Entwöhnung“, „Ende der
Beatmung“).
93 Nach diesen Grundsätzen stellt die Beatmung des P eine maschinelle Beatmung
im Sinne der DKR 2011 <1001h> dar. Hierzu stützt sich die Kammer bezüglich
der medizinischen Grundlagen auf die Patientenakte der Klägerin und das
Ergebnis der Beweisaufnahme, somit die Angaben der Zeugin in der mündlichen
Verhandlung.
94 Nach der Definition in Satz 1 ist maschinelle Beatmung ein Vorgang, bei dem
Gase mittels einer mechanischen Vorrichtung in die Lunge bewegt werden. Die
nicht-invasive CPAP/ASB-Beatmung mittels Maske, die bei P verwendet wurde,
ist eine assistierte Spontanatmung mit druckunterstützter Inspiration und
Exspiration gegen einen positiven endexspiratorischen Druck (Pschyrembel,
Klinisches Wörterbuch, 259. Aufl. zu CPAP), somit wird bei jedem eigenen
Atemzug des Patienten die Atemluft mit einer einstellbaren Druckunterstützung in
die Lunge gepresst, was die Voraussetzung des Satzes 1 der DKR 2011
<1001h> erfüllt. Nach dessen Satz 4 kann bei intensivmedizinisch versorgten
Patienten eine maschinelle Beatmung auch über Maskensysteme erfolgen, wenn
diese an Stelle der bisher üblichen Intubation oder Tracheotomie eingesetzt
werden. Damit werden Maskensysteme nur dann akzeptiert, wenn diese an Stelle
der Intubation oder Tracheotomie eingesetzt werden. Hierzu ist die Kammer nach
den Ausführungen der Zeugin in der mündlichen Verhandlung davon überzeugt,
dass diese Voraussetzungen durchgängig auf der Intensivstation erfüllt gewesen
sind. Die Einwendungen der Beklagten hierzu greifen nicht durch. Denn die in
den Intensivkurven vermerkten Parameter und auch die Werte der
Blutgasanalysen bestätigen auch nach dem ersten Beatmungsintervall eine
Notwendigkeit weiteren Eingreifens im Sinne einer Beatmung. P ist am
27.01.2011 um ca. 23 Uhr unter dem Bild einer Sepsis mit vielfältigen
Symptomen, u.a. Tachykardie, Tachypnoe und einem extrem niedrigen Blutdruck
auf die Intensivstation verlegt worden. Es hat anfangs eine AF von 50, um 24 Uhr
noch von 44 vorgelegen; die Normwerte liegen hier zwischen 12 und ca. 20
(Angaben der Zeugin und z.B. auch Wikipedia 12 bis 15; PflegeWiki nennt
Normwerte bis 20 bei Erwachsenen). Zudem hat das AMV 25,8 Liter, um 24 Uhr
noch 24,7 Liter betragen (Normwert 8 Liter nach Zeugin und Wikipedia sowie
PflegeWiki). Hinzu kommt der pCO2 von 23,8 mmHg (Normwert 40 bis 45 nach
Zeugin), der in der Blutgasanalyse von 23:09 Uhr festgehalten ist. Die Werte
haben sich zwar nach der ersten Beatmung beruhigt, jedoch noch nicht
anhaltend. Denn am 29.01.2011 ist z.B. der pCO2-Wert wieder auf 32,6 mmHg
(nach 38,1 mmHG am 28.01.2011) gefallen, die SaO2 hat nur 69,6% betragen
(Normwert 100% bei gesunden Erwachsenen). Selbst am 01.02.2011 ist um 6
Uhr noch eine AF von 55 festgehalten worden. Diese Werte sowie die
glaubhaften und überzeugenden Angaben der Zeugin bestätigen, dass die NIV-
Beatmung an Stelle einer Intubation oder Tracheotomie eingesetzt worden ist.
Denn P ist kurz vor der Dekompensation gestanden. Da die Antibiose Zeit
gebraucht hat, um zu wirken, ist auch nachfolgend eine Beatmung erforderlich
gewesen und – ohne jeweils eine Dekompensation abzuwarten - deshalb an
Stelle einer Intubation erfolgt. Nach den Zeiten, die sich aus den Intensivkurven
(wobei die unklare Zeit am 28.01.2011 zwischen 19 Uhr und 24 Uhr
unberücksichtigt bleibt) und der Auskunft der Zeugin ergeben, liegen damit
maschinelle Beatmungszeiten über 75 Stunden und 10 Minuten vor.
95 Allerdings ist nach den DKR 2011 <1001h> nicht die reine Gesamtbeatmungszeit
entscheidend, sondern die Berechnung ist vorzunehmen mit dem nach DKR
2011 definierten Beginn und Ende. Als Beginn ist bei Maskenbeatmung der
Zeitpunkt anzusetzen, an dem die maschinelle Beatmung einsetzt (siehe DKR
2011 <1001h> zu „Beginn“ und Unterpunkt „Maskenbeatmung“, hier somit am
27.01.2011 um 23:20 Uhr. Als Ende ist nach den insoweit ebenfalls eindeutigen
Regelungen der DKR 2011 <1001h> (zu „Ende“) die Beendigung der Beatmung
nach einer Periode der Entwöhnung zu berechnen. Denn das Ende wird definiert
als Extubation oder Beendigung der Beatmung nach einer Periode der
Entwöhnung oder Entlassung, Tod oder Verlegung. Da bei Maskensystemen
eine Extubation (Herausziehen des Tubus aus der Luftröhre nach Beendigung
einer Intubationsnarkose oder nach Wegfall der Indikation zur Intubation und
Beatmung; Pschyrembel, 259. Aufl.) nicht stattfindet, ergibt sich das Ende aus der
Verlegung in das KH Biberach am 01.02.2011 um 15 Uhr.
96 Der Begriff der „Entwöhnung“ wird in den DKR nicht definiert, deshalb ist diese
nach dem medizinisch-wissenschaftlichen Sprachgebrauch zu bestimmen
(st.Rspr. BSG, siehe oben). Nach Pschyrembel (259. Auflage) ist darunter
anästhesistisch der Übergang zur Spontanatmung zu verstehen. Die Dauer der
Entwöhnung wiederum ist in den DKR geregelt in dem Sinn, dass sie insgesamt
inklusive beatmungsfreier Intervalle während der jeweiligen Entwöhnung bei der
Berechnung der Beatmungsdauer hinzugezählt wird und das Ende nur
retrospektiv nach Eintreten einer stabilen respiratorischen Situation festgestellt
wird. Dies liegt vor, wenn der Patient über einen längeren Zeitraum, hier 24
Stunden, vollständig und ohne maschinelle Unterstützung spontan atmet. Als
Ende der Entwöhnung gilt dann das Ende der letzten maschinellen Unterstützung
der Atmung (siehe DKR 2011 <1001h> zu „Dauer der Entwöhnung“). Deshalb
beginnt bei einer eng am Wortlaut der DKR vorzunehmenden Auslegung die
Entwöhnung mit jedem Absetzen der Masken-Beatmung, die jedoch nur dann
erfolgreich verläuft, wenn der Patient über hier 24 Stunden vollständig ohne
maschinelle Unterstützung spontan atmet. Dies war zu keinem Zeitpunkt bis zur
Verlegung der Fall. Zu berücksichtigen ist zudem noch die Vorgabe der DKR
2011 <1001h> zu „Dauer der Entwöhnung“, dass im speziellen Fall einer
Entwöhnung mit intermittierenden Phasen der maschinellen Unterstützung der
Atmung durch Masken-CPAP im Wechsel mit Spontanatmung eine Anrechnung
auf die Beatmungszeit nur möglich ist, wenn die Spontanatmung des Patienten
insgesamt mindestens sechs Stunden pro Kalendertag durch Masken-CPAP
unterstützt wurde. Die Berechnung der Beatmungsdauer endet in diesem Fall
nach der letzten Masken-CPAP-Phase an dem Kalendertag, an dem der Patient
zuletzt insgesamt mindestens sechs Stunden durch Masken-CPAP und mit
mindestens sechs Stunden maschineller Beatmung im Sinne der Definition (siehe
oben) unterstützt wurde. Damit endet die Beatmungsdauer bei Verlegung am
01.02.2011 um 15 Uhr. Vom 27.01.2011 um 23:20 Uhr bis 01.02.2011 um 15 Uhr
liegen mehr als 95 Stunden, nämlich 111 Stunden und 40 Minuten.
97 Entgegen der Rechtsansicht des Sachverständigen und des MDK beginnt
deshalb bei einer eng am Wortlaut der DKR vorzunehmenden Auslegung die
Entwöhnung mit jedem Absetzen der Masken-Beatmung, die jedoch nur dann
erfolgreich verläuft, wenn der Patient über hier 24 Stunden vollständig ohne
maschinelle Unterstützung spontan atmet. Dem Sachverständigen E. kann daher
in seiner Ansicht, die Bestimmung der DKR 2011, dass bei einer maschinellen
Beatmung zur Durchführung einer Operation eine initiale Beatmungszeit von 24
Stunden gefordert werde, sei analog auf die Frage, wann eine Entwöhnung
stattfinde, anzuwenden, nicht gefolgt werden. Die DKR 2011 <1001h> bestimmen
im Punkt „Berechnung und Dauer der Beatmung“ in drei Absätzen
Voraussetzungen, die sich ausdrücklich auf Beatmungen vor oder während einer
Operation beziehen. Diese Absätze sind daher im vorliegenden Fall nicht
einschlägig, da keine Operation stattgefunden hat. Lediglich der letzte Absatz
dieses Punktes ist ein allgemein gehaltener Absatz, der bestimmt, dass bei
einer/mehreren Beatmungsperiode(n) während eines KH-Aufenthaltes zunächst
die Gesamtbeatmungszeit zu ermitteln und die Summe zur nächsten Stunde
aufzurunden ist, weshalb vorliegend somit insgesamt 112 Stunden zu
berücksichtigen sind. Eine Übertragung der anderen drei - sich auf Operationen
beziehenden - Absätze auf vorliegenden Fall verbietet sich allerdings bei einer
streng am Wortlaut orientierenden Auslegung. Eine Mindestdauer der
maschinellen Beatmung wird damit für andere Fälle gerade nicht vorausgesetzt;
es liegt in der Hand der beteiligten Vertragspartner, dies ggf. zu ändern.
98 Da somit die Voraussetzung der DRG A13G erfüllt ist, ergibt sich der
Zahlungsanspruch der Klägerin in der von ihr geltend gemachten Höhe.
99 Der Zinsanspruch ab dem Tag der Aufrechnung ergibt sich aus § 19 Abs. 1 und 3
Vertrag BW.
100 Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2
Verwaltungsgerichtsordnung. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs. 1
SGG i.V.m. § 63 Abs. 2, § 52 Abs. 1 und 3, § 47 Abs. 1 GKG.