Urteil des SozG Ulm vom 09.10.2008

SozG Ulm (kläger, firma, sinn und zweck der norm, fristlose kündigung, arbeitsverhältnis, verhalten, kündigung, ordentliche kündigung, höhe, vorschrift)

SG Ulm Urteil vom 9.10.2008, S 10 AS 970/07
Absenkung des Arbeitslosengeld II - Sperrzeit - Arbeitsaufgabe - Rechtsfolgenbelehrung
Leitsätze
1.Bei der Vorschrift des § 31 Abs. 4 Nr. 3 b SGB II handelt es sich um eine neben § 31 Abs. 1 SGB II parallel
anwendbare Rechtsvorschrift.
2. Einem ALG II-Empfänger kann seine Regelleistung gekürzt werden, wenn dieser ein Beschäftigungsverhältnis
gelöst oder durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses
gegeben hat und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig den weiteren ALG II-Bezug herbeigeführt hat.
3. Einer Rechtsfolgenbelehrung bedarf es in diesem Fall nicht.
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
I.
1
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit eines Sanktionsbescheids.
2
Mit Bescheid vom 01.08.2006 wurden dem 1970 geborenen Kläger von der Beklagten Leistungen nach dem
Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.08.2006 bis 31.01.2007 in Höhe von insgesamt
608,13 EUR monatlich gewährt. In diesem Betrag war der Zuschlag nach § 24 SGB II in Höhe von 42,00 EUR
enthalten. Mit weiterem Bescheid vom 17.01.2007 bewilligte die Beklagte dem Kläger Leistungen nach dem
SGB II für die Zeit vom 01.02.2007 bis 31.07.2007 in Höhe von 587,13 EUR inkl. des Zuschlags nach § 24
SGB II in Höhe von 24,00 EUR, wobei allerdings in der Zeit von 01.02.07 bis 30.04.07 aufgrund von Sanktionen
der Bewilligungsbetrag auf 358,33 EUR abgesenkt worden war.
3
Am 09.10.2006 wurde der Kläger als Reifenmonteur in Vollzeit bei der Firma S. in G. eingestellt. Die
Beschäftigung war auf einen Monat befristet. Mit Schreiben vom 13.10.2006 kündigte die Firma S. den Vertrag
mit dem Kläger fristlos, da dieser seinen Arbeitsplatz unentschuldigt verlassen haben soll. Gegen diese
fristlose Kündigung erhob der Kläger Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht Stuttgart, die durch
gerichtlichen Vergleich vom 10.01.2007 erledigt wurde. Im gerichtlichen Vergleich kamen die Parteien u.a.
überein, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers auf die ordentliche Kündigung der Firma S. vom 13.10.06 mit
Ablauf des 15.11.06 endete.
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Am 23.10.2006 schloss der Kläger den, von der Firma F. im gerichtlichen Verfahren vorgelegten, Arbeitsvertrag
ab, nachdem er sich aus eigenem Antrieb bei der Firma F. beworben hatte. Im Rahmen der Vertragsanbahnung
füllte der Kläger ein Bewerbungsformular aus. Hierin beantwortete er die Frage, ob er sich derzeit in einem
Arbeitsverhältnis befindet, mit „nein“. Als Kündigungsgrund der letzten Beschäftigung gab der Kläger „Ende
vom Vertrag“ an. Als Arbeitsbeginn war der 24.10.2006, 13:45 Uhr vereinbart. Zu diesem Termin ist der Kläger
nicht erschienen. Daraufhin wurde dem Kläger mit Schreiben der Firma F. vom 24.10.2006 fristlos gekündigt.
Über diesen Sachverhalt informierte die Firma F. telefonisch die Beklagte.
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Dem Kläger wurde mit Schreiben vom 07.11.2006 durch die Beklagte Gelegenheit gegeben zu diesem
Sachverhalt Stellung zu nehmen. Die Beklagte erließ unter dem 17.01.2007 einen Sanktionsbescheid. Dem
Kläger wurde für die Zeit vom 01.02.2007 bis 30.04.2007 die ihm zustehende monatliche Regelleistung um 30
v.H. abgesenkt. Dies entspricht einem Absenkungsbetrag von 104,00 EUR monatlich. Zur Begründung führte
die Beklagte aus, der Kläger habe trotz Belehrung über die Rechtsfolgen die Arbeit als gewerbliche Hilfskraft
bei der Firma F. aufgegeben, obwohl eine Fortführung der Tätigkeit für ihn zumutbar gewesen wäre. Gründe, die
dieses Verhalten erklären und als wichtig im Sinne der Vorschriften des SGB II anerkannt werden könnten,
seien nach den vorliegenden Unterlagen nicht erkennbar. Als Ermächtigungsgrundlage für diesen Bescheid
wurde § 31 Abs. 1 Nr. 1c SGB II genannt.
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Am 06.02.2007 erhob der Kläger zur Niederschrift bei der Beklagten gegen den Sanktionsbescheid vom
17.01.2007 Widerspruch, den er damit begründete, gedacht zu haben, nicht zwei Arbeitsverhältnisse haben zu
können. Zudem habe ihm ein Rechtsanwalt gesagt, er könne nur eine Vollzeitstelle annehmen.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 14.02.2007 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Dies begründete die
Beklagte damit, dass ein Fall des § 31 Abs. 1 und Abs. 4 Nr. 3b SGB II i.V.m. § 144 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 2
SGB III vorliege. Hiernach sei eine Absenkung der Regelleistung um 30 v.H. für die Dauer von drei Monaten
gerechtfertigt, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige sich versicherungswidrig verhalten hat, ohne dafür einen
wichtigen Grund zu haben. Versicherungswidriges Verhalten liege beim Kläger vor, da er durch ein
arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben habe und
dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig seine Arbeitslosigkeit herbeigeführt habe. Zum Vorbringen des Klägers
in seinem Widerspruch führt die Beklagte aus, dass zum Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrags ein
Arbeitsgerichtsverfahren wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei der Firma S. anhängig gewesen
sei. Das Arbeitsverhältnis sei seitens des Arbeitgebers am 13.10.2006 fristlos gekündigt worden. Trotz des
Arbeitsgerichtsverfahrens wäre es dem Kläger jedoch möglich gewesen, seinerseits das Arbeitsverhältnis bei
der Firma S. zu kündigen und am 24.10.2006 die Beschäftigung bei der Firma F. aufzunehmen. Damit seien
die Voraussetzungen für den Eintritt einer Sperrzeit gegeben und folglich die Absenkung des
Arbeitslosengeldes II um 30 v.H. der maßgebenden Regelleistung gerechtfertigt. Zudem sei der Wegfall des
Zuschlages nach § 24 SGB II in Höhe von 42 EUR monatlich bzw. ab dem 05.02.2007 in Höhe von 21 EUR
monatlich gerechtfertigt. Auch sei § 31 Abs. 6 SGB II Genüge getan, der bestimme, dass Absenkung und
Sanktion mit Wirkung des Kalendermonats eintreten, der auf das Wirksamwerden des die Absenkung oder den
Wegfall feststellenden Verwaltungsakts folgt und die Sanktion drei Monate andauere.
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Gegen den Widerspruchsbescheid der Beklagten wendet sich der Kläger mit seiner am 09.03.2007 zum
Sozialgericht Ulm erhobenen Klage.
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Er ist der Auffassung, dass es keinerlei Veranlassung gegeben habe, das Arbeitsverhältnis bei der Firma S.
von sich aus zu beenden bzw. zu kündigen, um bei der Firma F. am 24.10.2006 eine Beschäftigung mit zudem
schlechterer Bezahlung aufzunehmen. Zudem sei mit der Firma S. eine vergleichsweise Einigung getroffen
worden, wonach das Arbeitsverhältnis fristgerecht mit Ablauf des 15.11.2006 enden solle. Bis zum 15.11.2006
sei er also in einem Arbeitsverhältnis gestanden und hätte keinerlei Veranlassung gehabt, ein zweites
Vollzeitarbeitsverhältnis einzugehen. Darüber hinaus hätte ihm die Sekretärin der Firma F. gesagt, dass er
nicht doppelt arbeiten könne, eine Doppelbeschäftigung sei nicht möglich. Der Geschäftsführer der Firma F.,
Herr F., hätte sich die Sache ebenfalls angeschaut und gesagt, er solle sich doch später nochmals bewerben.
Einen schriftlichen Arbeitsvertrag habe er nicht erhalten. Ein Arbeitsverhältnis sei demnach nicht zustande
gekommen. Er ist der Auffassung, dass ihn kein Verschulden trifft, da er mit der Firma F. keinen Arbeitsvertrag
geschlossen hatte und somit kein Arbeitsverhältnis dort beginnen konnte. Eine Anhörung hätte nicht
stattgefunden. Zudem sei er nicht ordnungsgemäß über die Folgen eines eventuell Nichtsantritts der Arbeit
belehrt worden.
10 Weiterhin trägt der Kläger vor, dass die fristlose Kündigung von ihm nicht am 24.10.2006 unterzeichnet worden
sei und ihm auch nicht an diesem Tag übergeben worden wäre. Vielmehr sei die Empfangsbestätigung
vordatiert worden.
11 Der Kläger beantragt,
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den Bescheid der Beklagten vom 17.01.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom
14.02.2007 aufzuheben.
13 Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
15 Die Beklagte legt die Akten vor und verweist auf den Inhalt des Widerspruchsbescheids.
16 Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung von Auskünften bei der Firma F., der Firma S. und die
Einvernahme des Zeugen F., dem Geschäftsführer der Firma F..
17 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die
Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren
Gegenstand der Verhandlung, Beratung und Entscheidung.
Entscheidungsgründe
18 Die form- und fristgereicht erhobene Klage ist unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und
verletzten den Kläger nicht in seinen Rechten.
19 1. Gem. § 31 Abs. 1 SGB II kann einem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, der Leistungen nach dem SGB II
erhält, die Regelleistung in einer ersten Stufe um 30 v.H. der für ihn maßgebenden Regelleistung abgesenkt
werden, wenn der Leistungsempfänger einen der enumerativ aufgezählten Pflichtverstöße verwirklicht. Liegen
die Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 SGB II vor, kommt es auch zum Wegfall des Zuschlags nach § 24 SGB
II.
20 Die in § 31 Abs. 1 SGB II genannten Pflichtverstöße führen jedoch nur dann zu einer Sanktion, wenn der
Leistungsempfänger zuvor über die Rechtsfolgen seines Verhaltens belehrt wurde. Trotz der Tatsache, dass im
Ausgangsbescheid davon die Rede ist, dass eine solche Rechtsfolgenbelehrung stattgefunden hätte, lag eine
solche nicht vor. Eine Belehrung über die Rechtsfolgen war auch nicht möglich, da sich der Kläger die
Arbeitsstelle bei der Firma F. selbst suchte und die Beklagte von diesem Arbeitsverhältnis erst nach der
Kündigung durch die Firma F. erfuhr. Demnach kann eine Sanktionierung des Verhaltens des Klägers nicht, wie
der Ausgangsbescheid meint, auf die Norm des § 31 Abs. 1 SGB II gestützt werden.
21 2. a) Gem. § 31 Abs. 4 SGB II sind die Absätze 1 bis 3 des § 31 SGB II entsprechend in weiteren enumerativ
aufgezählten Fällen anwendbar. Die Rechtsfolgen der Absenkung bzw. des Wegfalls werden somit auf weitere
Tatbestände erweitert. Umstritten ist hierbei die Frage, ob die Absätze 1 und 4 gleichberechtigt nebeneinander
Anwendung finden oder ob es sich bei der Regelung des Absatz 1 um eine Spezialregelung handelt. Die
Beantwortung dieser Frage ist vorliegend streitentscheidend, da der Sanktionsbescheid nur auf § 31 Abs. 4
Nrn. 3b SGB II i.V.m. § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGB III gestützt werden kann. Hiernach liegt ein
versicherungswidriges Verhalten vor, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst oder durch ein
arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben und
dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat. Eine Rechtsfolgenbelehrung ist
hier - anders als bei allen anderen Tatbeständen - nicht erforderlich.
22 Hinsichtlich der Vorschrift des § 31 Abs. 4 Nr. 3b SGB II wird teilweise vertreten, dass § 31 Abs. 1 SGB II
vorrangig anwendbar ist. Begründet wird dies damit, dass eine andere Auslegung zu einer Doppelung der
Absenkungs- und Wegfallvoraussetzungen bei jenen Personen führen kann, die bereits im Leistungsbezug
nach dem SGB II stehen (so Berlitt, in: LPK - SGB II, 2. Auflage 2007, § 31 Rdnr. 126 f; Rixen, in:
Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage 2008. § 31 Rdnr. 31a). Folgte man dieser Auffassung, wäre der
angefochtene Bescheid rechtswidrig, da es an einer Rechtsfolgenbelehrung fehlt.
23 Die Kammer folgt dieser Auffassung jedoch nicht. Denn es handelt sich bei der Vorschrift des § 31 Abs. 4 Nr.
3b um eine neben Absatz 1 parallel anwendbare Rechtsvorschrift mit der Konsequenz, dass ein Rückgriff auf §
144 Abs. 1 Nr. 1 SGB III, der keine Rechtsfolgenbelehrung erfordert, möglich ist. Hierfür spricht insbesondere,
dass eine andere Sichtweise zu einer Besserstellung von Beziehern von Arbeitslosengeld II gegenüber
Leistungsberechtigten nach dem SGB III führen würde, da ein Empfänger von Leistungen nach dem SGB III
bei einem identischen Sachverhalt durch die Verhängung einer Sperrzeit sanktioniert würde, während ein
Empfänger von Leistungen nach dem SGB II eine Sanktionierung - trotz Verwirklichung eines identischen
Sachverhalts - nicht zu fürchten bräuchte. Für eine derartige Besserstellung fehlt es an sachlichen Gründen (so
auch Sonnhoff, in: Juris PK - SGB II, 2. Auflage 2007, § 31 Rdnr. 226). Dies ist insbesondere deshalb von
Bedeutung, weil es sich sowohl bei Leistungen nach dem SGB II, als auch bei solchen nach dem SGB III um
Leistungen wegen Arbeitslosigkeit handelt und somit eine besondere Sachnähe zwischen beiden Leistungen
vorliegt.
24 Des weiteren sprechen sowohl Systematik, Wortlaut und Sinn und Zweck der Norm gegen eine Vorrangigkeit
des Abs. 1 gegenüber dem Abs. 4. Es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber einen Unterschied zwischen
den Pflichtenverstößen des § 144 Abs. 1 SGB III und den in § 31 Abs. 1 SGB II bezeichneten
Pflichtenverstöße machen wollte. Vielmehr missbilligt er die genannten Pflichtverstöße gleichermaßen. Der
Gesetzgeber hat lediglich darauf verzichtet, die sieben verschiedenen Pflichtenverstöße des § 144 Abs. 1 SGB
III unmittelbar in die Vorschrift des § 31 SGB II zu übernehmen. Dass es hierbei zu Überschneidungen kommt,
ist letztlich nicht vermeidbar, aber vor dem Hintergrund der Gesetzesvereinfachung hinzunehmen.
25 Durch die uneingeschränkte Bezugnahme in § 31 Abs. 4 SGB II auf die Absätze 1 bis 3 verdeutlicht der
Gesetzgeber nach Auffassung der Kammer ebenfalls, dass er beide Vorschriften nebeneinander angewendet
sehen will.
26 Für den hier zu prüfenden Fall des Sanktionstatbestandes des § 31 Abs. 4 Nr. 3b SGB II i.V.m. § 144 Abs. 1
Nr. 1 SGB III geht inzwischen auch ein größerer Teil der Rechtssprechung zu Recht davon aus, dass mehr für
als gegen eine umfassende Einbeziehung und Anwendung der Sperrzeitregelung auch während des
Leistungsbezugs von Leistungen nach dem SGB II spricht (SG Hamburg, Beschluss v. 08.09.2006, Az. S 56
AS 1727/06 ER; SG Hamburg, Beschluss v. 27.02.2006, Az. S 55 AS 147/06 ER; LSG Schleswig- Holstein,
Beschluss v. 24.01.2007, Az. L 10 B 563/06 AS ER).
27 b) Die Voraussetzungen des § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGB III sind im vorliegenden Fall gegeben.
28 Zunächst erfordert der Tatbestand, dass eine wirksame Kündigung vorliegt. An der von der Firma F.
ausgesprochenen Kündigung bestehen keine Zweifel. Zwar trägt der Kläger vor, dass es gar nicht zum
Abschluss eines Arbeitsvertrages gekommen sei. Dies ist jedoch nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme
nicht haltbar. Der schriftliche Arbeitsvertrag, den die Firma F. der Kammer vorlegte, ist zum einen mit der
Unterschrift des Klägers versehen. Zum anderen hat der Zeuge F., an dessen Glaubwürdigkeit die Kammer
keine Zweifel hegt, glaubhaft versichert, dass mit dem Kläger am 23.10.2006 ein Arbeitsvertrag geschlossen
wurde.
29 Des weiteren muss eine Vertragsverletzung seitens des Klägers vorgelegen haben. Der Zeuge F. hat glaubhaft
bekundet, dass mit dem Kläger eine Vereinbarung derart getroffen wurde, dass dieser sich am 24.10.2006 um
13.45 Uhr bei der Firma F. einzufinden habe. Dies wird vom Kläger nicht in Abrede gestellt. Zum vereinbarten
Zeitpunkt erschien der Kläger jedoch nicht bei der Firma F..
30 Die durch die Vertragsverletzung bedingte Kündigung muss zudem kausal im Hinblick auf den erneuten Bezug
von Arbeitslosengeld II des Klägers gewesen sein. Wäre der Kläger seiner arbeitsvertraglichen Verpflichtung
nachgekommen, hätte er entsprechend der vertraglichen Vereinbarung 7 EUR pro Arbeitsstunde erhalten. Bei
einer durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden hätte der Kläger einen Gesamtbetrag von
980,- EUR erhalten und hätte seinen Bedarf - zumindest teilweise - durch die nicht selbständige Beschäftigung
decken können, sodass die Vertragsverletzung bzw. die Kündigung kausal für den weiteren Bezug von Alg II
war.
31 Den Kläger muss ein Verschulden in Form von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit treffen. Vorliegend ist davon
auszugehen, dass der Kläger die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses grob fahrlässig verursacht hat. Die
Begründung, er habe gedacht, nicht zwei Vollzeitbeschäftigungsverhältnisse nebeneinander haben zu können,
kann nicht dazu führen das Verhalten des Klägers als nur einfach fahrlässig erscheinen zu lassen. Dem
Arbeitsantritt einfach fernzubleiben stellt nach Auffassung der Kammer vielmehr eine Sorgfaltspflichtverletzung
ungewöhnlich hohen Ausmaßes dar. Der Umstand, dass das Verhalten des Klägers unweigerlich zur
Kündigung führt, war für diesen auch vorhersehbar.
32 Für den Kläger war musste es offenkundig sein, dass einer Arbeitsaufnahme bei der Firma F. nichts
entgegensteht. Das im Hintergrund schwebende Kündigungsschutzverfahren rechtfertigt keine andere
Auffassung. Dem Kläger wurde seitens der Firma S. fristlos gekündigt. Er konnte nicht damit rechnen, dass er
von Seiten der Firma S. eine Aufforderung zur Aufnahme der Arbeit erhält. Insbesondere der Umstand, dass
mit der Firma F. vereinbart war, am 24.10.06 erst um 13.45 Uhr zur Arbeitsaufnahme zu erscheinen und sich
bis zu dieser Uhrzeit die Firma S. nicht bei ihm gemeldet hatte, zeigt, dass sich der Kläger hier in eine
Schutzbehauptung flüchtet. Dem Kläger war vielmehr klar, dass die Firma S. ihn nicht mehr zur
Arbeitsaufnahme auffordern wird. Trotzdem blieb er der Arbeit bei der Firma F. fern.
33 Der weitere Einwand des Klägers, die Sekretärin und der Geschäftsführer der Firma F. hätten ihm gesagt, er
solle sich später nochmals bewerben, weil zwei Vollzeitbeschäftigungsverhältnisse nebeneinander nicht
gingen, konnte im Rahmen der Beweisaufnahme ebenfalls widerlegt werden. Der Kläger selbst gab zu, erst
nachdem er die Kündigung durch die Firma F. erhielt, mit der Sekretärin gesprochen zu haben, sodass deren
Aussage keinesfalls kausal für das Verhalten des Klägers war. Zudem bekundete der Zeuge F. glaubhaft, dass
er nicht mit dem Kläger über ein weiteres Arbeitsverhältnis gesprochen hat.
34 Der Kläger selbst gab im Bewerbungsformular der Firma F. an, dass er nicht in einem weiteren
Arbeitsverhältnis steht. Um so unerklärlicher ist daher die Tatsache, dass der Kläger den Umstand,
vermeintlich ein weiteres Arbeitsverhältnis innezuhaben, nur einen Tag später also so wesentlich erachtete,
dass er sich nicht zur Arbeitsaufnahme einfand. Nach alledem bestehen keine Zweifel an dem grob
fahrlässigen Verhalten des Klägers. Einen wichtigen Grund konnte er ebenfalls nicht vorbringen. Insbesondere
die schon im Rahmen der Verschuldensprüfung vorgetragenen Gründe stellen keinen wichtigen Grund im Sinne
des § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGB III dar.
35 3. Gem. § 31 Abs. 1 SGB II konnte die Beklagte somit die Regelleistung des Klägers um 30 % absenken und
den Zuschlag nach § 24 SGB II wegfallen lassen. Die Höhe des Absenkungsbetrags und des Wegfallbetrags
sind zutreffend errechnet worden. Ebenso wurde die Vorschrift des § 31 Abs. 6 SGB II berücksichtigt und der
Sanktionszeitraum dementsprechend gewählt. Eine Anhörung fand, entgegen der Auffassung, des Klägers
statt, wie das Schreiben der Beklagten vom 07.11.2006 belegt.
III.
36 Die Berufung war zuzulassen, da die parallele Anwendbarkeit des § 31 Abs. 4 Nr. 3b SGB II neben § 31 Abs. 1
SGB II noch nicht höchstrichterlich geklärt wurde.
IV.
37 Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.