Urteil des SozG Ulm vom 01.04.2009

SozG Ulm: Verfahrensrecht, zulässiger Rechtsweg, Informationsanspruch gem § 1 Abs 1 IFG, Verwaltungsgerichtsbarkeit, ausnahme, sozialversicherung, krankenversicherung, unfallversicherung, einziehung

SG Ulm Beschluß vom 1.4.2009, S 1 SF 877/09
Verfahrensrecht - zulässiger Rechtsweg - Informationsanspruch gem § 1 Abs 1 IFG - Verwaltungsgerichtsbarkeit
Leitsätze
Zur Frage des Rechtswegs bei Streitigkeiten nach § 1 Abs. 1 IFG
Tenor
Der Rechtsweg zu dem Sozialgericht Ulm ist unzulässig.
Der Rechtsstreit wird an das Verwaltungsgericht Stuttgart verwiesen.
Gründe
1
Mit der am 10.03.2009 beim Sozialgericht (SG) Ulm eingegangenen Klage wendet sich der Kläger gegen den Bescheid der Beklagten vom
30.09.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.02.2009 und beantragt, die Beklagte unter Aufhebung der genannten Bescheide
zu verurteilen, ihm die Zahlungseingänge auf dem Beitragskonto der M.I. GmbH für die Zeit vom 01.06.2004 bis 12.10.2006 mitzuteilen. Der
Anspruch wird auf das Gesetz zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes - Informationsfreiheitsgesetz - vom 05.09.2005
(BGBl. I, 2005, 2722) gestützt, wirtschaftliche Interessen der Sozialversicherungsträger seien nicht beeinträchtigt.
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Mit Blick auf die Regelungen des § 9 Abs. 4 IFG wurden die Beteiligten darüber informiert, dass der Rechtsweg nicht zu dem Sozialgericht Ulm,
sondern vielmehr zu dem Verwaltungsgericht Stuttgart gegeben sei.
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Der Kläger erklärte mit Schriftsatz vom 17.03.2009 sein Einverständnis mit der Verweisung des Rechtsstreits an das Verwaltungsgericht Stuttgart
und bat um die dementsprechende Entscheidung.
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Die Beklagte hingegen führt aus, es gehe um ein Verfahren, in dem der mit der Klage verfolgte Anspruch als Ausfluss aus einem
Sozialversicherungsverhältnis zu verstehen sei. Der Kläger wolle wissen, welche Zahlungen seitens der Schuldnerin im Rahmen des
Beitragseinzugsverhältnisses an die Beklagte geleistet worden seien. Die Beantwortung dieser Frage könne der Kläger auch durch Befragung
des Schuldners erreichen. Die Klage erfolge vor dem Hintergrund, dass der Kläger etwaige Ansprüche auf Erstattung unter dem Gesichtspunkt
der Insolvenzanfechtung vorbereite, um die ihm Rahmen des Beitragseinzugsverfahrens durch die Beklagte eingezogenen Beiträge
rückabzuwickeln. Sie halte den Rechtsweg zu den Sozialgerichten für gegeben und verweist auf ihre dem Widerspruchsbescheid beigefügte
Rechtsmittelbelehrung.
II.
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Der Rechtsweg zu dem Sozialgericht Ulm ist für diese Klage nicht eröffnet, weil es sich bei der Streitsache um keine Angelegenheit des § 51 Abs.
1 und 2 SGG handelt.
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Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit entscheiden gem. § 51 Abs. 1 SGG über öffentlich- rechtliche Streitigkeiten
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1. in Angelegenheiten der gesetzlichen Rentenversicherung einschließlich der Alterssicherung der Landwirte,
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2. in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung und der privaten Pflegeversicherung
(Elftes Buch Sozialgesetzbuch), auch soweit durch diese Angelegenheiten Dritte betroffen werden; dies gilt nicht für Streitigkeiten in
Angelegenheiten nach § 110 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch aufgrund einer Kündigung von Versorgungsverträgen, die für
Hochschulkliniken oder Plankrankenhäuser (§ 108 Nr. 1 und 2 des Fünften Buchs Sozialgesetzbuch) gelten,
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3. in Angelegenheiten der gesetzlichen Unfallversicherung mit Ausnahme der Streitigkeiten aufgrund der Überwachung der
Maßnahmen zur Prävention durch die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung,
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4. in Angelegenheiten der Arbeitsförderung einschließlich der übrigen Aufgaben der Bundesagentur für Arbeit,
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4a. in Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende,
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5. in sonstigen Angelegenheiten der Sozialversicherung,
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6. in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts mit Ausnahme der Streitigkeiten aufgrund der §§ 25 bis 27j des
Bundesversorgungsgesetzes (Kriegsopferfürsorge), auch soweit andere Gesetze die entsprechende Anwendung dieser Vorschriften
vorsehen,
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6a. in Angelegenheiten der Sozialhilfe und des Asylbewerberleistungsgesetzes,
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7. bei der Feststellung von Behinderungen und ihrem Grad sowie weiterer gesundheitlicher Merkmale, ferner der Ausstellung,
Verlängerung, Berichtigung und Einziehung von Ausweisen nach § 69 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch,
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8. die aufgrund des Aufwendungsausgleichgesetzes entstehen,
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9. (aufgehoben)
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10. für die durch Gesetz der Rechtsweg vor diesen Gerichten eröffnet wird.
19 Nach Abs. 2 entscheiden die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit auch über privatrechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der gesetzlichen
Krankenversicherung, auch soweit durch diese Angelegenheiten Dritte betroffen werden. § 87 des Gesetzes gegen
Wettbewerbsbeschränkungen findet keine Anwendung. Satz 1 gilt für die soziale Pflegeversicherung und die private Pflegeversicherung (Elftes
Buch Sozialgesetzbuch) entsprechend.
20 Der Streitgegenstand ergibt sich aus dem Bescheid der Beklagten vom 30.09.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.02.2009
in Verbindung mit dem Vorbringen des Klägers in der Klageschrift. Die Beklagte hat im angefochtenen Bescheid ausdrücklich über einen
Informationsanspruch gem. § 1 Abs. 1 Informationsfreiheitsgesetz entschieden, lt. Widerspruchsbescheid lehnt sie einen Anspruch des Klägers
nach dem Informationsfreiheitsgesetz ausdrücklich ab und stützt sich darauf, dass ein Anspruch auf Informationszugang nicht besteht, wenn die
Auskunft die wirtschaftlichen Interessen der Sozialversicherung beeinträchtigen. Streitgegenstand ist nach den Verfügungssätzen, dem Inhalt des
Widerspruchsbescheides und den Begehren des Klägers die Frage, ob für den Kläger ein Anspruch auf Informationszugang nach den
Bestimmungen des Informationsfreiheitsgesetzes besteht; darüber haben im Streitfall die Verwaltungs- und nicht die Sozialgerichte zu
entscheiden. Denn Angelegenheiten nach den Bestimmungen des Informationsfreiheitsgesetzes zählen nicht zu dem vorstehend aufgeführten
Katalog an Streitigkeiten, für deren gerichtliche Bearbeitung gern. § 51 SGG die Sozialgerichte zuständig sind.
21 Der Rechtsweg zu dem Sozialgericht Ulm ist nicht eröffnet, vielmehr handelt es sich unter Bezugnahme auf die mit „Rechtsweg" überschriebene
Regelung des § 9 Abs. 4 Informationsfreiheitsgesetz um eine Angelegenheit, für deren Bearbeitung der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten
eröffnet ist. Denn nach § 9 Abs. 4 Satz 1 Informationsfreiheitsgesetz sind gegen die ablehnende Entscheidung Widerspruch und
Verpflichtungsklage zulässig. Nach § 9 Abs. 4 Satz 2 des genannten Gesetzes ist ein Widerspruchsverfahren nach den Vorschriften des 8.
Abschnittes der Verwaltungsgerichtsordnung auch dann durchzuführen, wenn die Entscheidung von einer obersten Bundesbehörde getroffen
wurde. Diese Regelungen weisen Streitigkeiten nach dem genannten Gesetz den Verwaltungsgerichten zu.
22 Gem. § 17a Abs. 2 GVG war daher nach Anhörung der Beteiligten die Verweisung auszusprechen.