Urteil des SozG Stuttgart vom 02.09.2010

SozG Stuttgart (bundesrepublik deutschland, natürliche person, kenntnis, bedingter vorsatz, sgg, örtliche zuständigkeit, säumnis, höhe, 1995, zahlung)

SG Stuttgart Urteil vom 2.9.2010, S 24 R 7076/09
Nachversicherung - rückwirkende Erhebung von Säumniszuschlägen vom Nachversicherungsschuldner
bei Organisationsverschulden
Leitsätze
1. Bei Körperschaften des öffentlichen Rechts schließt das Außerachtlassen ausreichender organisatorischer
Vorkehrungen (sog. Organisationsverschulden) eine unverschuldete Unkenntnis im Sinne des § 24 Abs. 2 SGB IV
aus.
2. Zu den Anforderungen an eine wirksame Informations- und Ablauforganisation (hier: ein Ministererlass alleine
genügt nicht).
3. Ein unzureichendes Nachversicherungsmanagement bei bloßem Vertrauen auf die fehlerfreie Umsetzung einer
Erlasslage rechtfertigt den Schluss, dass dem behördeninternen Nachversicherungsverfahren nicht die
erforderliche Bedeutung beigemessen und damit eine Verzögerung der Durchführung der Nachversicherung
bewusst in Kauf genommen wurde.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens, wobei Gerichtskosten nicht erhoben werden.
Tatbestand
1
Die Beteiligten streiten darüber, ob die klagende Bundesrepublik Deutschland Säumniszuschläge in Höhe von
16.632 Euro wegen verspäteter Zahlung von Nachversicherungsbeiträgen für den Versicherten K. (zukünftig nur
noch Versicherter) zu entrichten hat.
2
Der am ...1964 geborene Versicherte leistete in der Zeit vom ...1984 bis ...1985 seinen Grundwehrdienst in den
Streitkräften der Klägerin und stand sodann vom 01.04.1985 bis zum 31.03.1988 als Soldat auf Zeit in deren
Diensten. Er schied am 31.03.1988 als Stabsunteroffizier gemäß § 54 Abs. 1 Soldatengesetz (SG) aus dem
Wehrdienstverhältnis bei der Bundeswehr aus. Unter dem 24.08.2007 stellte er bei der Beklagten einen Antrag
auf Kontenklärung. Im Zuge dessen stellte sich heraus, dass er für die Zeit vom 01.04.1985 bis 31.03.1988
nicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nachversichert worden war. Mit Schreiben vom 10.09.2007 wies
die Beklagte die Wehrbereichsverwaltung (WBV) S. darauf hin, dass der Versicherte für die Zeit als Zeitsoldat
nachzuversichern sei. Dem kam die WBV S. nach und entrichtete an die Beklagte mit Wertstellung vom
15.10.2007 insgesamt 13.082,10 Euro als Nachversicherungsbeiträge für die Zeit vom 01.04.1985 bis
31.03.1988. Wegen der diesbezüglichen weiteren Einzelheiten wird auf die Nachversicherungsbescheinigung
vom 08.10.2007 (Blatt 11 der Beklagten-Verwaltungsakte) verwiesen.
3
Mit Anhörungsschreiben vom 22.08.2008 teilte die Beklagte der WBV S. mit, dass sie wegen verspäteter
Zahlung der Nachversicherungsbeiträge beabsichtige, Säumniszuschläge in Höhe von 16.632 Euro mittels
Verwaltungsakt zu erheben. Gemäß § 24 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) sei für
Nachversicherungsbeiträge, die nicht spätestens bis zum Ablauf von drei Monaten nach ihrer Fälligkeit gezahlt
werden, für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von eins vom Hundert des
rückständigen, auf 50 Euro nach unten abgerundeten, Betrages zu zahlen. Dabei ergebe sich vorliegend unter
Zugrundelegung eines Eintritts der Fälligkeit am 01.04.1988 und des Eingangs der Nachversicherungsbeiträge
mit Wertstellung am 15.10.2007 für die gemäß § 184 Abs. 1 Satz 3 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB
VI) alleine maßgebliche Zeit ab dem 01.01.1995 eine Säumnis von 154 Monaten. Die beabsichtigten
Säumniszuschläge würden berechnet durch Vervielfältigung der – auf 50 Euro abgerundeten –
Nachversicherungsschuld zu Beginn der Säumnis am 01.01.1995 mit der Anzahl der Säumnismonate und
einem Prozent.
4
Mit Schreiben vom 28.08.2008 nahm die WBV S. dazu Stellung. Der Versicherte habe seinerzeit seine
Dienstbezüge vom Wehrbereichsgebührnisamt (WBGA) VI in M. – heute WBV S., Außenstelle M. – erhalten.
Damals sei das WBGA V, Hauptsachgebiet Nachversicherung, in S. – heute WBV S. – für die Durchführung
der Nachversicherung intern zuständig gewesen. Die WBV S. habe erstmals durch das Schreiben der
Beklagten vom 10.09.2007 Kenntnis von der Verpflichtung zur Nachversicherung des Versicherten erhalten.
Sämtliche Besoldungsunterlagen aus der Dienstzeit des Versicherten lägen nicht mehr vor. Daher seien die
beitragspflichtigen Einnahmen des Versicherten auf die entsprechende Aufforderung der Beklagten hin auch
fiktiv anhand der beim Kreiswehrersatzamt noch vorhandenen Personalunterlagen des Versicherten festgesetzt
und die Nachversicherung am 08.10.2007 unverzüglich durchgeführt worden. Ein (bedingt) vorsätzliches
Vorenthalten der Beiträge könne ausgeschlossen werden. Vielmehr habe man damals die zeitgerechte
Beitragszahlung wegen eines Bearbeitungsfehlers des WBGA VI in M. in Gestalt der Nichtzustellung der
Nachversicherungsunterlagen versäumt.
5
Mit Bescheid vom 06.07.2009 erhob die Beklagte sodann unter Hinweis auf ihr Anhörungsschreiben vom
22.08.2008 und unter Wiederholung der dortigen Ausführungen auf die von der Klägerin entrichteten
Nachversicherungsbeiträge Säumniszuschläge in Höhe von 16.632 Euro. Ergänzend wurde ausgeführt, dass
die dreißigjährige Verjährung gelte, wenn die betreffenden Beiträge vorsätzlich vorenthalten worden seien. Dies
müsse vorliegend angenommen werden, da die WBV S. Kenntnis von der Verpflichtung zur Zahlung von
Nachversicherungsbeiträgen gehabt habe. Grundsätzlich käme zwar auch eine unverschuldete Unkenntnis der
Zahlungspflicht gemäß § 24 Abs. 2 SGB IV in Betracht. Allerdings müsse sich der Beitragsschuldner hier sein
Versäumnis auf Grund interner Organisation der rechtlichen Angelegenheiten zurechnen lassen. Außerdem
scheide bei Eingreifen der dreißigjährigen Verjährungsfrist eine unverschuldete Unkenntnis von vornherein aus.
Mit ihrem hiergegen unter dem 11.08.2009 erhobenen Widerspruch wiederholte die Klägerin, vertreten durch die
WBV S., ihr Vorbringen aus den Anhörungsverfahren und erhob die Einrede der Verjährung.
6
Mit Widerspruchsbescheid vom 02.10.2009 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch
als unbegründet zurück. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts könne sich der Beitragsschuldner
nur dann auf die vierjährige Verjährungsfrist des § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV berufen, wenn er glaubhaft mache,
unverschuldet keine Kenntnis von der Pflicht zur Zahlung von Nachversicherungsbeiträgen gehabt zu haben.
Da im vorliegenden Fall eine unverschuldete Kenntnis lediglich behauptet werde, müsse sich die Klägerin die
rechtzeitige Kenntnis von der Zahlungspflicht zurechnen lassen, so dass die dreißigjährige Verjährungsfrist
eingreife.
7
Hiergegen hat die Klägerin unter dem 22.10.2009 Klage beim erkennenden Gericht erhoben.
8
Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren. Ergänzend führt sie
an, dass nach den damals im Bereich der Bundeswehrverwaltung geltenden Durchführungsbestimmungen zur
Nachversicherung gemäß Erlass des Bundesministers der Verteidigung (BMVg) vom 03.02.1982 die
Wehrbereichsgebührnisämter verpflichtet waren, im Falle eines Nachversicherungstatbestandes dem für die
Nachversicherung zuständigen Wehrbereichsgebührnisamt eine „Mitteilung zur Nachversicherung“ und eine
„Bescheinigung über das Diensteinkommen“ zur weiteren Veranlassung zu übersenden. Dies sei im
vorliegenden Fall aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen „ausnahmsweise“ nicht geschehen. Die Klägerin
habe gleichwohl durch den Erlass vom 03.02.1982 ausreichende organisatorische Vorkehrungen getroffen, um
den Informationsfluss von den besoldenden Dezernaten der seinerzeit sieben Wehrbereichsverwaltungen zu
den zwei für die Nachversicherung zuständigen Wehrbereichsgebührnisämtern III und V zu gewährleisten.
Dabei müsse auch berücksichtigt werden, dass der Nachversicherungsbearbeitungsstand im Jahr 1991 rund
44.000 Fälle mit monatlichen Neuzugängen von rund 2.000 Fällen betragen habe. Die vorliegende Unkenntnis
der Klägerin lasse vor diesem Hintergrund kein Verschulden erkennen. Auch eine sog. Wissenszurechnung
zwischen den besoldenden und den nachversichernden Dienststellen komme im Hinblick auf die
organisatorischen Maßnahmen zur Gewährleistung des internen Informationsaustausches in Gestalt des
Ministererlasses nicht in Betracht. Es bestünden zudem auch keine Anhaltspunkte dafür, dass das damalige
Unterlassen der zeitnahen Nachversicherung gerade in Ansehung einer für möglich gehaltenen
Nachversicherung erfolgt sei. Ein Organisationsverschulden, eine verschuldete Kenntnis von der
Versicherungspflicht und ein auch nur bedingt vorsätzliches Verhalten lägen damit nicht vor. Darüber hinaus
sei der geltend gemachte Anspruch auch verjährt.
9
Die Klägerin beantragt,
10
den Bescheid der Beklagten vom 06.07.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
02.10.2009 aufzuheben.
11 Die Beklagte beantragt,
12
die Klage abzuweisen.
13 Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
14 Die Klägerin hat unter anderem den Ministererlass vom 03.02.1982 (BMVg VR III 3 – 67-38-70, VMBl. 1982, S.
122-127, über die „Durchführung der Nachversicherung in den gesetzlichen Rentenversicherungen für (…)
Soldaten der Bundeswehr“ zur Gerichtsakte gereicht. Wegen der diesbezüglichen weiteren Einzelheiten wird
auf Blatt 30 bis 34 der SG-Akte verwiesen.
15 Das Gericht hat die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 27.07.2010 in dem beim hiesigen
Gericht geführten – und zwischenzeitlich abgeschlossenen – Rechtsstreit S 23 R 7659/06 (Klägerin gegen
Deutsche Rentenversicherung R.) beigezogen. Ihr Inhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung am
02.09.2010.
16 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die
beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
17 Die zulässige Klage ist unbegründet.
I.
18 Sie ist als reine Anfechtungsklage (vgl. § 54 Abs. 1 Satz 1 Variante 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) statthaft,
form- und fristgerecht erhoben und auch im Übrigen zulässig. Die örtliche Zuständigkeit des erkennenden
Gerichts ergibt sich aus §§ 57 Abs. 1 Satz 1, 202 SGG in Verbindung mit § 18 Zivilprozessordnung (ZPO) in
Verbindung mit Ziff. 1 lit. c) der Anordnung über die Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in Prozessen
und anderen Verfahren im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung (Vertretungsanordnung
BMVg) vom 19.12.2002 (VMBl. 2003, S. 2) in der Fassung vom 19.02.2003 (VMBl. 2003, S. 86),
19
vgl. Danckwerts , in: Hennig, SGG, § 57 Rz. 7 (Stand: September 1996); Vollkommer , in: Zöller
(ZPO), 27. Aufl. 2009, § 18 Rz. 12 m. w. N.,
20 weil die nach dem Organisationsrecht des Bundes hier zur Vertretung der Klägerin berufene
Wehrbereichsverwaltung S. ihren Sitz in S. und damit im hiesigen Gerichtsbezirk hat.
II.
21 Die Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
22 Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 06.07.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
02.10.2009 (vgl. § 95 SGG) ist rechtmäßig und beschwert die Klägerin nicht (vgl. § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Zu
Recht hat die Beklagte Säumniszuschläge in der festgesetzten Höhe erhoben.
23 1. Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides ist § 24 Abs. 1 SGB IV. Nach dieser Vorschrift ist für
Beiträge und Beitragsvorschüsse, die der Zahlungspflichtige nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt
hat, für jeden angefangenen Monat der Säumnis ein Säumniszuschlag von ein vom Hundert des rückständigen,
auf 50 Euro nach unten abgerundeten Betrages zu zahlen. Diese Vorschrift ist auch bei verspäteter
Beitragszahlung in Nachversicherungsfällen anwendbar, was durch die mit Wirkung zum 01.01.2008
eingefügten Sätze 2 und 3 des § 184 Abs. 1 SGB VI ausdrücklich klargestellt worden ist,
24
vgl. dazu nur Gürtner , in: KassKomm, § 184 SGB VI Rz. 3a (Stand: April 2008); Schmidt , in:
Kreikebohm, SGB VI, 3. Aufl. 2008, § 184 Rz. 5 m. w. N.
25 Die Berechtigung zur Erhebung von Säumniszuschlägen bei verspäteter Zahlung von
Nachversicherungsbeiträgen nach § 24 SGB IV entsprach aber bereits vor dem 01.01.2008 geltendem Recht,
26
BSG, Urt. v. 12.02.2004 – B 13 R 28/03 R, SozR 4-2400 § 24 Nr. 2.
27 2. Die Voraussetzungen, unter denen § 24 SGB IV die Erhebung von Säumniszuschlägen – seit der Fassung
vom 01.01.1995 zwingend –,
28
siehe dazu nur BSG, Urt. v. 01.07.2010 – B 13 R 67/09 R, zur Veröffentlichung vorgesehen; Wietek ,
in: LPK-SGB IV, 2007, § 24 Rz. 2 m. w. N.
29 vorschreibt, liegen hier vor. Durch die erst zum 15.10.2007 erfolgte Zahlung ist Säumnis im Sinne des § 24
Abs. 1 Satz 1 SGB IV eingetreten, denn die Klägerin hat die Beiträge zur Nachversicherung nicht bis zum
Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt. Die Nachversicherungsbeiträge für den Versicherten waren seit dem
01.04.1988 fällig. Die Fälligkeit der Beiträge zur Nachversicherung richtet sich gemäß § 23 Abs. 4 SGB IV
nach § 184 Abs. 1 Satz 1 SGB VI. Danach werden die Beiträge gezahlt, wenn die Voraussetzungen für die
Nachversicherung eingetreten sind und insbesondere keine Gründe für den Aufschub der Beitragszahlung
vorliegen. Nachversicherungsschuldner und damit zahlungspflichtig ist hier der klagende Bund als ehemaliger
Dienstherr des Versicherten. Säumniszuschläge in Nachversicherungsfällen sind auch von Körperschaften des
öffentlichen Rechts zu entrichten,
30
BSG, Urt. v. 01.07.2010 – B 13 R 67/09 R, zur Veröffentlichung vorgesehen, m. w. N.
31 Die Voraussetzungen für die Nachversicherung liegen regelmäßig mit dem unversorgten Ausscheiden aus
einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis (hier: Wehrdienstverhältnis) vor (§ 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI).
Der Versicherte war mit Ablauf des 31.03.1988 aus dem Wehrdienstverhältnis ausgeschieden, so dass die
Nachversicherungsschuld am 01.04.1988 entstanden war. Gründe für einen Aufschub der Beitragszahlung (§
184 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 SGB VI) lagen nicht vor und sind von der Klägerin
auch nicht behauptet worden. Damit entstand die Nachversicherungsschuld am Folgetag des unversorgten
Ausscheidens des Versicherten,
32
vgl. nur BSG, Urt. v. 01.07.2010 – B 13 R 67/09 R, zur Veröffentlichung vorgesehen, m. w. N.
33 Eingegangen sind die Beiträge bei der Beklagten aber erst unter dem 15.10.2007, also verspätet.
34 Dass die Beklagte rechtsfehlerfrei als Beginn der Säumnis nicht bereits den 01.04.1988 sondern erst den
01.01.1995 zugrunde gelegt hat, beruht auf § 184 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 1 SGB VI.
35 3. Die Beklagte hat die Säumniszuschläge auch rechtmäßig durch Verwaltungsakt festgesetzt. Der für die
Nachversicherung zuständige Rentenversicherungsträger ist berechtigt, auch gegenüber öffentlich-rechtlichen
Arbeitgebern die Nachentrichtung der Beiträge durch Verwaltungsakt einzufordern. Im
Nachversicherungsverfahren anfallende Säumniszuschläge dürfen ebenfalls durch Verwaltungsakt und auch
gegenüber öffentlich-rechtlichen Trägern geltend gemacht werden,
36
BSG, Urt. v. 01.07.2010 – B 13 R 67/09 R, zur Veröffentlichung vorgesehen, m. w. N.
37 4. Die Höhe der von der Beklagten erhobenen Säumniszuschläge von insgesamt 16.632 Euro kann ebenfalls
nicht mit Erfolg beanstandet werden und wird von der Klägerin auch nicht angegriffen. Nach § 184 Abs. 1 Satz
3 Halbsatz 2 SGB VI sind für die Berechnung des rückständigen Betrages die zum 01.01.1995 geltenden
Rechengrößen (maßgeblicher Dynamisierungsfaktor und Beitragssatz) anzuwenden. Die Beklagte hat bei der
Berechnung der Säumniszuschläge daher einen Beitragssatz von 18,6 Prozent in Ansatz gebracht und die
Nachversicherungsschuld mit einem Betrag von insgesamt 10.806,81 Euro errechnet (Blatt 31 der
Verwaltungsakte). Ausgehend vom berücksichtigungsfähigen Säumnisbeginn am 01.01.1995 und einer
Wertstellung am 15.10.2007 ergeben sich 154 angefangene Monate der Säumnis und damit Säumniszuschläge
gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB IV in Höhe von insgesamt 16.632 Euro (10.800 Euro x 154 Monate x 1
Prozent). Soweit die Beklagte ihrer Berechnung eine Nachversicherungsschuld in Höhe von lediglich 10.806.81
Euro – gegenüber von der Klägerin im Rahmen der Nachversicherung abgeführten 13.082,10 Euro
(Nachversicherungsbescheinigung vom 08.10.2007) – zugrunde gelegt hat, beschwert dies die Klägerin im
Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG im Hinblick auf den hier alleine maßgeblichen Streitgegenstand jedenfalls
nicht,
38
siehe dazu auch Hamb. LSG, Urt. v. 23.07.2008 – L 6 R 65/06, abrufbar unter www.so-
zialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb.
39 5. Gemäß § 24 Abs. 2 SGB IV ist ein Säumniszuschlag jedoch dann nicht zu erheben, wenn eine
Beitragsforderung durch Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit festgestellt wird, soweit der
Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte. Diese
Vorschrift dient der Vermeidung unbilliger Härten,
40
BSG, Urt. v. 01.07.2010 – B 13 R 67/09 R, zur Veröffentlichung vorgesehen, m. w. N.
41 Ein solcher Fall liegt hier indes nach Überzeugung der Kammer nicht vor. Als staatsrechtliche (Gebiets-)
Körperschaft des öffentlichen Rechts kann die Klägerin – die Bundesrepublik Deutschland – selbst keine
Kenntnisse von bestimmten Umständen haben. Es kann von vornherein also nur darum gehen, inwieweit ihr
das Wissen ihrer Organwalter bzw. Bediensteten entsprechend § 166 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
zuzurechnen ist,
42
siehe nur BSG, Urt. v. 17.04.2008 – B 13 R 123/07 R, SozR 4-2400 § 25 Nr. 2, m. w. N. auch zur
Rspr. des BGH.
43 Würde man hier auf die Kenntnis des damals nach den internen Organisationsregeln (vgl. Ziffer 5 lit. a] des
Ministererlasses vom 03.02.1982) für die Nachversicherung des Versicherten zuständigen Amtswalters beim
WBGA V – Sachgebiet Nachversicherung – abstellen, wäre eine Zurechnung bereits mangels Kenntnis dieses
Amtswalters vom Nachversicherungsfall nach dem Klagevorbringen nicht möglich. Denn danach hat es der im
zuletzt für die Besoldung des Versicherten zuständigen WBGA VI verantwortliche Amtswalter aus nicht mehr
aufklärbaren Umständen unterlassen, die „Mitteilung zur Nachversicherung“ und eine „Bescheinigung über das
Diensteinkommen“ an das WBGA V – Sachgebiet Nachversicherung – abzusetzen (vgl. zu diesem Verfahren
Ziffer 7, 10 des Ministererlasses vom 03.02.1982).
44 Dabei ist indes aber schon zweifelhaft, ob die grundsätzlich in der Rechtsprechung vertretene Ablehnung einer
Wissenszurechnung zwischen verschiedenen Behörden,
45
vgl. dazu BSG, Urt. v. 17.04.2008 – B 13 R 123/07 R, SozR 4-2400 § 25 Nr. 2, m. w. N.,
46 hier überhaupt einschlägig ist. Die Frage der Wissenszurechnung nach § 166 BGB (analog) von
Organvertretern juristischer Personen einschließlich fiskalisch handelnder Körperschaften des öffentlichen
Rechts kann nicht mit logisch-begrifflicher Stringenz, sondern alleine in wertender Beurteilung entschieden
werden. Denn nur so lässt sich die strukturelle Besonderheit der organisatorischen Aufspaltung behördlicher
Funktionen in personeller und zeitlicher Hinsicht (Wechsel der Amtsträger) aus Gründen des Verkehrsschutzes
ausgleichen,
47
vgl. BGH, Urt. v. 02.02.1996 – V ZR 239/94, BGHZ 132, S. 30 ff.; Urt. v. 08.12.1989 – V ZR 246/87,
BGHZ 109, S. 327 ff.
48 In Ansehung dessen ist hier zu berücksichtigen, dass die Klägerin – freilich im Rahmen ihrer
Organisationsgewalt – den (nach außen) einheitlichen Nachversicherungsvorgang auf zwei unterschiedliche
und auch örtliche getrennte Behörden innerhalb ein und desselben Geschäftsbereichs aufgespalten hat. Mit
dem Verfahren waren im Jahr 1988 die zuletzt besoldenden Wehr-bereichsgebührnisämter sowie spezielle
Organisationseinheiten der Wehrbereichsgebührnisämter III und V betraut (Ziffer 5, 10 des Ministererlasses
vom 03.02.1982). Bei einer solchen organisatorischen Binnenaufteilung innerhalb eines Verwaltungsträgers bei
der Bearbeitung eines materiell einheitlichen Vorgangs spricht einiges für eine per se wechselseitige
Wissenszurechnung der beteiligten Verwaltungseinheiten.
49 Dieser Frage muss hier aber nicht weiter nachgegangen werden. Die Klägerin vermag sich bereits aus einem
anderen Grund nicht mit Erfolg auf eine Unkenntnis ihrer Zahlungspflicht zu berufen. Bei Körperschaften des
öffentlichen Rechts schließt das Außerachtlassen ausreichender organisatorischer Vorkehrungen (sog.
Organisationsverschulden) eine unverschuldete Unkenntnis im Sinne des § 24 Abs. 2 SGB IV aus. Es versteht
sich von selbst, dass derjenige, der eine komplexe und vielschichtige Organisationsstruktur schafft und
unterhält und es gleichzeitig unterlässt, durch eine wirksame Ablauf- und Informationsorganisation verfügbares
Wissen an die intern zuständigen Stellen weiterzugeben, in seiner Eigenschaft als Beitragsschuldner nicht
besser gestellt sein kann, als eine natürliche Person,
50
vgl. dazu auch Habermeier , in: Bamberger/Roth, BGB, 2. Aufl. 2008, § 166 Rz. 22 m. w. N. zur Rspr.
51 Im Hinblick auf die Ausgestaltung der erforderlichen organisatorischen Maßnahme ist jedenfalls zu verlangen,
dass die Behörde dafür Sorge trägt, dass Informationen, die typischerweise aktenmäßig festgehalten werden,
auch verfügbar sind. Diese Verantwortung umschließt gerade auch die Pflicht, die Präsenz der Informationen
zu organisieren. Es muss daher sichergestellt werden, dass Informationen, deren Relevanz für andere
Personen innerhalb einer Organisation bei den konkret Wissenden erkennbar ist, tatsächlich an die zuständigen
und zur Entscheidung berufenen Personen weitergegeben werden. Insofern muss gewährleistet sein, dass
nach erkennbar anderswo innerhalb der Organisation vorhandenen und für den eigenen Bereich wesentlichen
Informationen nachgefragt wird und nachgefragt werden kann. Der Verwaltungsträger muss die interne
Kommunikation und die Binneninformationsverteilung ordnungsgemäß organisieren, entsprechende Strukturen
vorhalten,
52
vgl. zum Vorstehenden etwa BGH, Urt. v. 15.12.2005 – IX ZR 227/04, NJW-RR 2006, S. 771 ff.; Urt.
v. 02.02.1996 – V ZR 239/94, BGHZ 132, S. 30 ff.,
53 und insgesamt ausreichende Maßnahmen treffen,
54
BSG, Urt. v. 17.04.2008 – B 13 R 123/07 R, SozR 4-2400 § 25 Nr. 2
55 Fehlen derartige notwendige organisatorische Maßnahmen, genügt bereits einfache Fahrlässigkeit (§ 276 BGB
analog), um der Organisation das (aktenmäßige) Wissen einzelner, auch nicht unmittelbar mit dem streitigen
Vorgang befasster Mitarbeiter zurechnen zu können. Dabei ist eine konkret-individuelle Betrachtung aller
Umstände des Einzelfalls vorzunehmen,
56
BSG, Urt. v. 01.07.2010 – B 13 R 67/09 R, zur Veröffentlichung vorgesehen, m. w. N.
57 Unter Anlegung dieses Prüfmaßstabs ist vorliegend nach Überzeugung der Kammer von einem
Organisationsverschulden der Klägerin auszugehen. Dabei kann – wie dargelegt – dahinstehen, ob dies „nur“
auf Fahrlässigkeit oder sogar auf (bedingtem) Vorsatz beruht.
58 Es ist nicht erkennbar, dass die Klägerin im gegebenen Zusammenhang überhaupt über eine den erforderlichen
Anforderungen genügende Ablauf- und Informationsorganisation verfügt. Die vorgelegten Erlasse, die inhaltlich
im Wesentlichen seit 1968 unverändert sind, regeln zwar das grundsätzliche interne
Nachversicherungsverfahren und die Zuständigkeiten der daran beteiligten Dienststellen. Dies genügt aber bei
weitem nicht den Anforderungen an eine wirksame Wissenskonservierung-, -verarbeitung und -weitergabe im
dargelegten Sinne. Aus den Erlassen geht schon nicht hervor, dass und gegebenenfalls welche konkreten
Vorkehrungen getroffen worden sind, um sicherzustellen, dass die aus dem Dienst ausscheidenden Soldaten
tatsächlich an das für die Nachversicherung zuständige WBGA gemeldet werden,
59
konkrete Sicherungsmaßnahmen fordernd BGH, Urt. v. 15.12.2005 – IX ZR 227/04, NJW-RR 2006, S.
771 ff.; Urt. v. 02.02.1996 – V ZR 239/94, BGHZ 132, S. 30 ff.; vgl. auch BSG, Urt. v. 17.04.2008 – B
13 R 123/07 R, SozR 4-2400 § 25 Nr. 2: „ausreichende Maßnahmen“.
60 Die Klägerin hat nicht einmal behauptet, dass im Streitzeitraum regelmäßig Überprüfungen dahingehend
stattgefunden haben, dass beispielsweise die Zahl der ausscheidenden Zeitsoldaten mit der Zahl der an die
Rentenversicherungsträger gemeldeten Nachversicherungsfälle abgeglichen wurden, um etwaige Fehlbestände
zu lokalisieren. Ebenso wenig ist dem Gericht mitgeteilt worden, ob in irgendeiner Form sichergestellt worden
ist, dass die für die Nachversicherung zuständigen Wehrbereichsgebührnisämter bei den für die Dienstbezüge
zuständigen Ämtern die Meldung von ausgeschiedenen Soldaten angefragt oder gar angemahnt haben. Zu
etwaigen Melde-, Prüf- und Vorlagepflichten, einer Listen- bzw. Kalenderführung, überhaupt einem Sicherungs-,
Kontroll- und Mahnwesen – etwa einem sog. Laufzettelverfahren –,
61
siehe dazu nur Siepmann/Siepmann , Verwaltungsorganisation, 6. Aufl. 2004, S. 138 ff.,
62 einem strukturierten Ablaufplan nach dem „Vier-Augen-Prinzip“ oder dergleichen verhalten sich die bekannte
Erlasslage und das Klagevorbringen ebenfalls nicht. Auch hat sich die Klägerin nicht dazu erklärt, welche
Maßnahmen der Dienstaufsicht eingesetzt wurden, um eine lückenlose Nachversicherung der ausscheidenden
Soldaten zu gewährleisten. Die Klägerin hat sich sowohl im Verwaltungs- als auch im Klageverfahren alleine
auf die Erlasslage und die „hierarchische Struktur“ der Bundeswehrverwaltung berufen und sich im Übrigen auf
die Mitteilung ihrer Rechtsansichten beschränkt. Tatsachen, die über die bloße Existenz der Ministererlasse
hinausgehen und auf organisatorische Vorkehrungen zur Verhinderung von Fehlern bei Nachversicherungen
hindeuten, sind dem Gericht nicht benannt worden. Die klägerische Auffassung, dass die Ministererlasse
alleine bereits den Anforderungen an eine wirksame Organisation genügten, ist in dieser pauschalen Form nicht
haltbar. Entsprechendes gilt hinsichtlich ihres Hinweises auf die „Behördenhierarchie“. Jeder öffentlich-
rechtlichen Organisation ist eine monokratische Struktur immanent. Eine solche sagt im Ablauf nichts darüber
aus, ob Verfahrensvorgaben tatsächlich auch lückenlos und fehlerfrei umgesetzt werden. Davon abgesehen
regeln die vorgelegten Ministererlasse auch lediglich Zuständigkeiten und Fragen des internen
Grundverfahrens.
63 Gerade im Hinblick auf den klägerischen Vortrag, Anfang der 90er Jahre mit einer Flut von
Nachversicherungsfällen konfrontiert worden zu seien und auf Grund des Umstandes, dass alleine beim
hiesigen Gericht diverse gleichartige Fälle anhängig sind bzw. waren,
64
vgl. zu dieser Indizwirkung auch Hamb. LSG, Urt. v. 23.07.2008 – L 6 R 65/06, abrufbar unter
www.sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb,
65 zeigt zur Überzeugung der Kammer, dass die seinerzeit noch aus dem Jahre 1968 stammende Erlasslage als
solche ersichtlich für sich gesehen in der täglichen Verwaltungspraxis nicht zu einer wirksamen Verhinderung
von verspäteten Nachversicherungen geführt hat und auch nicht führen konnte, sei es, weil effektive
Kontrollmechanismen nicht eingeführt, sei es weil ausreichende Personal- und Sachausstattungen nicht
gewährleistet waren.
66 Dass keinerlei (wirksame) Sicherungsvorkehrungen zum Schutz vor Nachversicherungsversäumnissen
vorhanden waren, zeigt im Übrigen auch die Tatsache, dass die Klägerin bis zur regelmäßigen Vernichtung der
betreffenden Unterlagen – nach Angabe wohl zehn Jahre – und darüber hinaus bis zum Jahr 2007 überhaupt
nicht bemerkt hatte, dass der Versicherte trotz seines Ausscheidens am 31.03.1988 nicht nachversichert
worden war. Der Klägerin war nicht einmal mehr in der Lage nachzuvollziehen, an welcher Stelle genau dies
unbeachtet geblieben ist. Ein entsprechender Vorgang war auch bereits Gegenstand unter anderem des
Verfahrens S 23 R 7659/06 vor dem hiesigen Gericht (Ausscheiden des Soldaten dort: 1978,
Kenntniserlangung von der nicht durchgeführten Nachversicherung: 2006).
67 Nach alledem hat die Klägerin zur Überzeugung des Gerichts den Tatbestand eines Organisationsverschuldens
verwirkt. Ausreichende, scil. wirksame, organisatorische Maßnahmen zur Verhinderung einer verzögerten
Nachversicherung sind nicht glaubhaft gemacht, so dass Schuldnerschutz gemäß § 24 Abs. 2 SGB IV für den
maßgeblichen Zeitraum nicht mit Erfolg geltend gemacht werden kann,
68
so auch SG Stuttgart, Urt. v. 27.07.2010 – S 23 R 7072/09, nicht veröffentlicht.
69 6. Die Klägerin erhebt auch ohne Erfolg die Verjährungseinrede. Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV verjähren
Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Dies
gilt auch für die auf die Nachversicherungsbeiträge entfallenden Nebenforderungen, wie unter anderem
Säumniszuschläge. Es ist auch möglich, dass der Beitragsschuldner zwar auf die Hauptleistung zahlt, sich
jedoch wegen einer Nebenforderung auf Verjährung beruft,
70
zum Vorstehenden nur BSG, Urt. v. 17.04.2008 – B 13 R 123/07 R, SozR 4-2400 § 25 Nr. 2, m. w. N.
71 Diese kurze Verjährungsfrist war hier bei der Festsetzung der Säumniszuschläge durch den angefochtenen
Bescheid bereits abgelaufen. Allerdings greift die gewöhnliche vierjährige Verjährungsfrist vorliegend nicht,
sondern die dreißigjährige des § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV. Danach verjähren Ansprüche auf vorsätzlich
vorenthaltene Beiträge in dreißig Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind.
Hierbei reicht aus, dass die Beiträge vorsätzlich vorenthalten wurden. Eine vorsätzliche Vorenthaltung der
Nebenforderungen bedarf es nicht,
72
BSG, Urt. v. 17.04.2008 – B 13 R 123/07 R, SozR 4-2400 § 25 Nr. 2, m. w. N.
73 Die Nachversicherungsbeiträge wurden nach Überzeugung der Kammer hier vorsätzlich vorenthalten.
Ausreichend ist dabei bedingter Vorsatz. Dieser ist bereits dann zu bejahen, wenn der Beitragsschuldner seine
Beitragspflicht für möglich hält, die Nichtabführung der Beiträge aber billigend im Rechtssinne in Kauf nimmt,
74
BSG, Urt. v. 17.04.2008 – B 13 R 123/07 R, SozR 4-2400 § 25 Nr. 2; vgl. auch BSG, Urt. v.
30.03.2000 – B 12 KR 14/99 R, SozR 3-2400 § 25 Nr. 7.
75 Insofern kann für die Klägerin als Beitragsschuldnerin nichts anderes gelten, als für eine natürliche Person. Bei
dieser würde im Regelfall die Feststellung ihrer Kenntnis von der Beitragspflicht und der Umstand, dass die
Beiträge nicht rechtzeitig gezahlt worden sind, für die Feststellung genügen, dass die Beiträge zumindest
bedingt vorsätzlich vorenthalten wurden. Denn aus dem Unterlassen der Beitragszahlung ist gleichzeitig auch
auf den Willen, die Beiträge nicht abzuführen, zu schließen. Erlangt der Beitragsschuldner zu irgendeinem
Zeitpunkt von seiner Pflicht zur Beitragszahlung (zurechenbar) Kenntnis, führt diese jedoch nicht durch, obwohl
er hierzu in der Lage ist, indiziert dies bedingten Vorsatz im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV. Etwas
anderes kann nicht für juristische Personen oder Körperschaften des öffentlichen Rechts gelten. Auch sofern
diese Beitragsschuldner sind, muss die Zurechnung der Kenntnis ausreichen, um ein vorsätzliches
Vorenthalten der Beiträge anzunehmen. Es besteht kein Grund, juristische Personen oder Körperschaften des
öffentlichen Rechts gegenüber Privatpersonen zu bevorzugen.
76
BSG, Urt. v. 17.04.2008 – B 13 R 123/07 R, SozR 4-2400 § 25 Nr. 2.
77 Die oben festgestellte Hinnahme eines ersichtlich unzureichenden Nachversicherungsmanagements bei
bloßem Vertrauen auf die fehlerfreie Umsetzung eines in einem Erlass (rudimentär) seit 1968 festgelegten
Verfahrens rechtfertigt den Schluss, dass die Klägerin im Falle des Versicherten trotz zurechenbarer Kenntnis
des Nachversicherungstatbestands – insoweit wird auf die obigen Ausführungen verwiesen – der Angelegenheit
nicht die erforderliche Bedeutung beigemessen und damit eine Verzögerung der Durchführung der
Nachversicherung bewusst in Kauf genommen hat. Dies wiegt umso schwerer, weil der Klägerin gerade in ihrer
Dienstherrneigenschaft eine besondere Fürsorgepflicht obliegt, die Nachversicherung der ausscheidenden
Soldaten unverzüglich durchzuführen. Aus alledem folgt, dass hier die noch nicht abgelaufene dreißigjährige
Verjährungsfrist des § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV eingreift.
III.
78 Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1
Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Danach trägt der unterliegende Teil die Kosten des Verfahrens. Da es
sich bei der Klägerin um den Bund handelt, werden Gerichtskosten vorliegend nicht erhoben (§ 197 a Abs. 1
Satz 1 SGG in Verbindung mit §§ 1 Abs. 2 Nr. 3, 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Halbsatz 1 Gerichtskostengesetz
[GKG]).