Urteil des SozG Stade vom 13.05.2009

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Sozialgericht Stade
Urteil vom 13.05.2009 (rechtskräftig)
Sozialgericht Stade S 5 R 551/06
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen L 1 R 292/09
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Gewährung des Zuschlags nach § 78a SGB VI zur ihr von der Beklagten gewährten
Witwenrente.
Die Klägerin, geboren im Jahr 1968, war verheiratet mit dem Herrn F., geboren 1960. Aus dieser Ehe sind zwei Kinder
hervorgegangen. Nach dessen Tod im Jahr 1995 bezog sie Witwenrente. Im Jahr 1997 heiratete die Klägerin den
Herrn G., der im Jahr 2001 ver-starb. Die Beklagte gewährte der Klägerin mit Bescheid vom 28. September 2001 dar-
aufhin Witwenrente nach dem vorletzten Ehegatten Herrn F., während eine Witwenrente aus der Rentenversicherung
des zweiten Ehegatten abgelehnt wurde.
Die Klägerin führte in der Folgezeit einen Rechtsstreit gegen die Beklagte, in dem es um den verminderten
Zugangsfaktor gemäß § 77 Abs 2 Nr 4 SGB VI ging. Nach abweisen-den Urteilen des Sozialgerichts Stade und des
Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen erkannte die Beklagten im laufenden Revisionsverfahren vor dem
Bundessozial-gericht aus Gründen des Einzelfalls den ungeminderten Zugangsfaktor von 1,0 im Mai 2006 an (vgl SG
Stade, Urteil vom 14. Oktober 2003 - S 4 RA 193/02 -; LSG Niedersach-sen-Bremen, Urteil vom 24. August 2005 - L 1
RA 243/03 -; BSG - B 4 RA 37/05 R -). In Umsetzung dieses Anerkenntnisses erließ die Beklagte den
Rentenbescheid vom 7. Juni 2006 und gewährte der Klägerin eine große Witwenrente nach dem vorletzten Ehegatten
mit ungekürztem Zugangsfaktor.
Am 5. Juli 2006 beantragte die Klägerin die Gewährung des Zuschlags zur Witwenrente gemäß § 78a SGB VI. Die
Beklagte wertete den Antrag als Überprüfungsantrag gemäß § 44 SGB X und erließ im Ergebnis der Überprüfung den
hier streitgegenständlichen Be-scheid vom 25. August 2006 und Verweis auf die gesetzlichen Vorgaben. Den Wider-
spruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23. November 2006 als unbegründet zurück.
Am 20. Dezember 2006 hat die Klägerin Klage erhoben.
Zur Begründung trägt sie vor, durch den Ausschluss vom Bezug des Zuschlags gemäß § 264b Abs 2 SGB VI werde
sie in ihrem Grundrecht auf Gleichbehandlung verletzt.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 25. August 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.
November 2006 und unter Abänderung des Ren-tenbescheids vom 7. Juni 2006 zu verpflichten, der Klägerin eine
höhere Witwen-rente zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist im Wesentlichen auf ihre bisherigen Ausführungen.
Zu weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und dem Vorbringen der Beteiligten im Übri-gen wird auf die Gerichtsakte
und die vorliegende Verwaltungsakte der Beklagten, die auch Gegenstand der mündlichen Verhandlung am 13. Mai
2009 waren, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage hat keinen Erfolg.
Die angegriffene Entscheidung der Beklagten erweist sich als rechtmäßig und beschwert die Klägerin daher nicht, §
54 Abs 2 SGG. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Ge-währung eines Zuschlags zur Hinterbliebenenrente
gemäß § 78a Abs 1 SGB VI.
Gemäß § 78a Abs 1 Satz 1 SGB VI richtet sich der Zuschlag an persönlichen Entgelt-punkten bei Witwenrenten nach
der Dauer der Erziehung von Kindern bis zur Vollendung ihres dritten Lebensjahres. Gemäß § 264b Abs 2 SGB VI
erhöht sich die Witwenrente nicht um einen Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten, wenn der Ehegatte vor dem 1.
Januar 2002 verstorben ist oder die Ehe vor diesem Zeitpunkt geschlossen wurde und mindestens ein Ehegatte vor
dem 2. Januar 1962 geboren ist.
Die Witwenrente der Klägerin erhöht sich nicht durch einen Zuschlag an Entgeltpunkten wegen Kindererziehung, denn
die Ehe mit dem ersten Ehegatten Herrn F. wurde vor dem 1. Januar 2002 geschlossen, Herr F. ist bereits 1995
verstorben und war zugleich vor dem 2. Januar 1962 geboren, so dass beide alternativen Voraussetzungen für einen
Ausschluss des Zuschlags gemäß § 264b Abs 2 SGB VI erfüllt sind.
Entgegen der Auffassung der Klägerin bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken bezüglich des § 264b Abs 2
SGB VI, insbesondere auch nicht mit Blick auf das Gebot der Gleichbehandlung gemäß Art. 3 GG. Es werden keine
wesentlich gleichen Sachverhalte ungleich behandelt. Die Zuschlagsregelung des § 78a SGB VI wurde eingeführt mit
Inkrafttreten des Alters-vermögensergänzungsgesetzes (AVmEG) vom 21. März 2001 (BGBl I, 403) zum 1. Ja-nuar
2002. Aufgrund von Vertrauensschutz in Bezug auf die bisherigen Regelungen bis zur Gesetzesänderung zum 1.
Januar 2002 ist die Witwenrente für sogenannte "Altehen", dh Ehen, die vor der Einführung des neuen Rechts
geschlossen wurden, höher, weil für sie der bisherige höhere Rentenartfaktor weitergilt (vgl §§ 64, 67 SGB VI). Es
bestehen daher weder Bedarf noch Gebot aus Gründen der Gleichbehandlung, auch bei den Alte-hen eine Erhöhung
durch den Zuschlag gemäß § 78a SGB VI vorzusehen. Vielmehr würde dies sogar zu einer ungerechtfertigten
Besserstellung der Altehen führen. Durch die Übergangsregelung in § 264b Abs 2 SGB VI wurde diesem Umstand
Rechnung ge-tragen (vgl Stahl in: Hauck/Haines, SGB VI, § 264b, Rn 20).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.