Urteil des SozG Stade vom 04.08.2009

SozG Stade: gebühr, fahren, aufwand, reisekosten, durchschnitt, vergleich, auflage, qualifikation, ermessen

Sozialgericht Stade
Beschluss vom 04.08.2009 (rechtskräftig)
Sozialgericht Stade S 34 SF 86/08
Der Vergütungsfestsetzungsbeschluss des Sozialgerichts Stade vom 10. Juli 2008 wird geändert. Die dem
beigeordneten Rechtsanwalt Hidde im Rahmen der Prozesskostenhilfe aus der Landeskasse zu gewährenden
Gebühren und Auslagen werden auf 1.120,27 EUR fest-gesetzt. Im Übrigen werden die Erinnerungen zurückgewiesen.
Gründe:
Streitig ist die Höhe der aus der Landeskasse als Prozesskostenhilfe zu erstattenden Rechtsanwaltsgebühren.
Die zulässige Erinnerung des Erinnerungsführers (EF) ist unbegründet. Die zulässige Erinnerung des
Anschlusserinnerungsführers ist zum Teil begründet.
Zu Recht hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle eine Verfahrensgebühr nach Nrn 3102, 1008 VV RVG iHv 272,-
EUR festgesetzt. Der EF kann lediglich eine Verfah-rensgebühr in Höhe der Mittelgebühr geltend machen.
Nach §§ 3, 14 RVG bestimmt der Rechtsanwalt die Rahmengebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller
Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der an-waltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit
sowie der Einkommens- und der Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen. Das
Haftungsrisiko ist zu berücksichtigen, § 14 Abs 1 Satz 3 RVG. Wenn die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen ist,
so ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nach § 14 Abs 1 Satz 4 RVG nicht verbindlich, wenn sie
unbillig ist.
Ausgangspunkt bei der Bemessung der Gebühr ist die sogenannte Mittelgebühr, das heißt die Mitte des gesetzlichen
Gebührenrahmens, die anzusetzen ist bei Verfahren durchschnittlicher Bedeutung, durchschnittlichen
Schwierigkeitsgrades und wenn die vom Rechtsanwalt/Beistand geforderte und tatsächlich entwickelte Tätigkeit
ebenfalls von durchschnittlichem Umfang war. Denn nur so wird eine einigermaßen gleichmäßige Be-rechnungspraxis
gewährleistet. Abweichungen nach unten oder oben ergeben sich, wenn nur ein Tatbestandsmerkmal des § 14 RVG
fallbezogen unter- oder überdurchschnittlich zu bewerten ist, wobei das geringere Gewicht eines
Bemessungsmerkmals das überwie-gende Gewicht eines anderen Merkmals kompensieren kann (Gerold/Schmidt-
Mayer, RVG, 18. Auflage 2008, § 14 Rdn 11).
Nach den Kriterien des § 14 RVG ist nur eine die Mittelgebühr begründende Qualifikation der Angelegenheit als
durchschnittlich zu rechtfertigen. Die vom Rechtsanwalt getroffene Bestimmung der Gebühren ist unbillig iSv § 14
RVG.
Die Bedeutung der Angelegenheit für die Kläger ist als durchschnittlich zu bewerten. Im vorliegenden Verfahren ging
es nicht um die Bewilligung von existenzsichernden Leis-tungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II)
dem Grunde nach. Vielmehr ging es um eine Erstattungsforderung, die der Beklagte gegenüber den Klägern geltend
machte. Insoweit war der Lebensunterhalt der Kläger zu keiner Zeit unmittelbar gefähr-det. Auch der Umfang der
anwaltlichen Tätigkeit stellt sich als durchschnittlich dar. Der EF hat eine kurze Klagebegründung vom 16. Oktober
2007 verfasst. Darüber hinaus hat er mit Schreiben vom 21. Dezember 2007 mitgeteilt, dass die Klage gegen den
Wider-spruchsbescheid fortgeführt werden solle. Schließlich hat er einen mehrseitigen Schrift-satz unter dem 16. April
2008 verfasst. Im Vergleich zu anderen sozialgerichtlichen Ver-fahren ist dieser erkennbare Aufwand der anwaltlichen
Tätigkeit als absolut durchschnitt-lich anzusehen. Der EF hat auch nicht vorgetragen, dass vorliegend Besonderheiten
zu berücksichtigen seien, die einen besonderen Umfang der Tätigkeit begründet hätten. Ins-besondere kann der EF in
diesem Zusammenhang nicht geltend machen, dass zwei Ge-richtstermine in dem hier zugrunde liegenden Verfahren
(sowie jeweils gleichzeitig im Verfahren S 17 AS 644/07) stattgefunden haben. Denn diese Tatsache wird bereits und
ausschließlich im Rahmen der festzusetzenden Terminsgebühr gewürdigt. Auch die Schwierigkeit der Angelegenheit
ist als durchschnittlich anzusehen. Bei den im vorliegen-den Verfahren zugrunde liegenden Rechtsproblemen handelt
es sich um typische Frage-stellungen im Rahmen des SGB II. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der
Kläger sind unterdurchschnittlich.
Da es sich danach in nahezu jeder Hinsicht um eine durchschnittliche Angelegenheit iSv § 14 RVG handelt, ist als
Verfahrensgebühr die Mittelgebühr iHv 272,- EUR gerechtfer-tigt. Die von dem EF getroffene Bestimmung (600,- EUR)
erweist sich als unbillig iSv § 14 Abs 1 RVG.
Darüber hinaus kann der EF aufgrund der Tatsache, dass (in den zwei anhängigen Ver-fahren der Kläger) insgesamt
zwei umfangreiche Gerichtstermine stattgefunden haben, eine Terminsgebühr nach Nr 3106 VV RVG wie beantragt
iHv 380,- EUR geltend ma-chen. Die vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle festgesetzte Terminsgebühr liegt mit
400,- EUR über der Maximalgebühr von 380,- EUR. Demzufolge war der Anschlusser-innerung insoweit stattzugeben.
Weiterhin ist die Festsetzung einer Einigungsgebühr nach Nr 1006 VV RVG iHv 190,- EUR gerechtfertigt. Wie bereits
dargelegt handelt es sich nach Maßgabe der Kriterien des § 14 RVG um eine in jeder Hinsicht durchschnittliche
Angelegenheit. Demzufolge ist auch als Einigungsgebühr nach Nr 1006 VV RVG die Mittelgebühr mit 190,- EUR
festzu-setzen. Die Gebührenbestimmung des EF weicht mit mehr als 20 % von der vom Gericht für angemessen
gehaltenen Gebühr ab und ist daher unbillig und nicht verbindlich (vgl Gerold/Schmidt-Mayer aaO Rdn 12).
Nach alledem bestimmen sich die von der Landeskasse zu erstattenden Gebühren wie folgt:
Verfahrensgebühr Nrn 3102, 1008 VV RVG 272,- EUR Terminsgebühr Nr 3106 VV RVG 380,- EUR Einigungsgebühr
Nr 1006 VV RVG 190,- EUR Auslagenpauschale Nr 7002 VV RVG 20,- EUR Reisekosten Nr 7003 VV RVG zur Hälfte
44,40 EUR Abwesenheitsgeld nach Nr 7005 VV RVG zur Hälfte 35,- EUR Umsatzsteuer Nr 7008 RVG 178,87 EUR
Summe: 1.120,27 EUR
Die Entscheidung ist unanfechtbar, § 178 SGG.