Urteil des SozG Speyer vom 11.08.2004
SozG Speyer: medizinische rehabilitation, zumutbare tätigkeit, psychiatrisches gutachten, rente, behinderung, behörde, erwerbsfähigkeit, arbeitsmarkt, krankheit, zustand
Arbeiterrentenversicherung
Sozialrecht
SG
Speyer
11.08.2004
S 7 RI 704/03
TENOR
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
TATBESTAND
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung.
Der am 1960 geborene Kläger ist gelernter Zimmerer und war zuletzt bis 1992 versicherungspflichtig in
diesem Beruf tätig. Von August 1994 bis Mai 1996 besuchte er eine Schule für Bautechnik, die er nicht
abschloss.
Am 17.2.2003 stellte er bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung von Rente wegen voller bzw.
teilweiser Erwerbsminderung.
Die Beklagte holte ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten bei Dr. … ein, der aufgrund einer
Untersuchung am 16.4.2003 diagnostizierte:
Zustand nach Schädelhirntrauma mit Orbita-Stirnbeinfraktur links und Zustand nach zweimaliger
Orbitabodenrekonstruktion mit Enophthalmus links und zeitweise Angabe einer Diplopie beim Blick nach
links. Das Schädelhirntrauma beruhe auf einem erlittenen Raubüberfall im Jahre 1992.
Es fänden sich Allgemeinsyndrome wie Kopfschmerz- und Konzentrationsschwäche im Rahmen des
einfachen vegetativen Syndroms. Aufgrund des schweren Schädelhirntraumas könne der Kläger keine
Arbeiten mehr mit Ersteigen von Leitern, Treppen und Gerüsten ausüben. Der Kläger könne noch leichte
bis mittelschwere Tätigkeiten vollschichtig verrichten.
Den Antrag des Klägers lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 14.5.2003 mit der Begründung ab, dass er
die Tätigkeit als Zimmerer mehr als sechs Stunden täglich verrichten könne.
Hiergegen legte der Kläger am 11.6.2003 Widerspruch ein.
Durch Widerspruchsbescheid vom 20.10.2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie ordnete
den Kläger als Facharbeiter im Sinne des Mehrstufenschemas des BSG ein und verwies ihn auf die
Tätigkeit einer Bürohilfskraft nach Vergütungsgruppe BAT VIII. Zudem verwies sie ihn auf die Tätigkeit als
Bautechniker.
Dagegen hat der Kläger am 14.11.2003 Klage erhoben.
Gewissenhaftes, verantwortungsvolles Arbeiten, um den Lebensunterhalt zu erarbeiten, sei ihm wegen
geringer geistiger Belastbarkeit und Konzentrationsfähigkeit nicht mehr möglich. Er fordere die Einstufung
als Zimmerer mit Vorgesetztenfunktion.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 14.5.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.10.2003
aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser
Erwerbsminderung seit dem 17.2.2003, ausgehend von einem Leistungsfall 1992, zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie nimmt Bezug auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid.
Das Gericht hat einen Befundbericht eingeholt bei Dr… .
Es hat weiter Beweis erhoben durch Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens bei Dr. … .
Das Gericht hat den Kläger zu seiner letzten beruflichen Tätigkeit in der mündlichen Verhandlung vom
11.8.2004 befragt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte
der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Dem Kläger steht kein Anspruch auf Gewährung von Rente wegen voller bzw. teilweiser
Erwerbsminderung gegen die Beklagte zu. Die streitgegenständlichen Bescheide der Beklagten sind nicht
zu beanstanden.
Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Absatz 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit
oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des
allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben gem. § 240 Absatz 1 bei Erfüllung der
sonstigen Voraussetzungen bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres auch Versicherte, die
1. vor dem 2. Januar 1961 geboren und
2. berufsunfähig
sind.
Nach § 240 Absatz 2 sind berufsunfähig auch Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder
Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden
Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als
sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten
zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter
Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der
besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets
eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg
ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit
mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu
berücksichtigen.
Voll erwerbsgemindert sind gem. § 43 Absatz 2 Satz 2 Versicherte, die wegen Krankheit oder
Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des
allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert
sind auch
1. Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2, die wegen Art oder Schwere der
Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können und
2. Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll
erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen
Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt.
Die berufliche Leistungsfähigkeit des Klägers ist krankheitsbedingt eingeschränkt.
Dies geht aus dem Gutachten des Dr. … hervor, welcher diagnostiziert:
1. Zustand nach Schädelhirntrauma mit Impressionsfraktur des Os frontale sowie verschiedenen
Gesichtsschädelfrakturen mit überdauernden (augenärztlich zu beurteilenden) Doppelbildern beim Blick
nach links (ab ca. 45°) im Kontext mit damaliger Orbitabodenfraktur sowie angegebener überdauernder
Anosmie; kein Anhalt für überdauerndes fokal-neurologisches Defizit, auch kein Anhalt für
richtungsweisende überdauernde hirnorganische Symptomatik.
2. Länger zurückliegender Alkoholabusus - kein Anhalt für überdauernde chronische äthyltoxische
Folgeschäden, auch keine Gründe, ein weiterhin bestehendes sozialmedizinisch relevantes
Alkoholproblem anzunehmen.
Aus nervenärztlicher Sicht seien richtungsweisende Einschränkungen des Leistungsvermögens nach
allem oben Angeführten nicht herleitbar. Das Ersteigen von Leitern oder Gerüsten sowie die Tätigkeit an
unmittelbar gefährdenden Maschinen werde jedoch aufgrund der noch bestehenden Doppelbilder auf
Dauer ausgeschlossen werden müssen. Quantitative Leistungseinschränkungen ergäben sich nicht.
Der Gutachter kommen zu dem Ergebnis, dass der Kläger in seiner Leistungsfähigkeit nicht sonderlich
eingeschränkt sei. Diese Beurteilung ist in sich schlüssig und überzeugend, so dass sich die Kammer
nicht zur Einholung weiterer Gutachten gedrängt sieht.
Die Kammer kann dahinstehen lassen, ob der Kläger seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit ausüben kann.
Wäre dies nicht der Fall so ergäbe sich daraus kein zwingender Anspruch auf eine Rente wegen
teilweiser Erwerbsminderung aufgrund Berufsunfähigkeit gem. § 240 SGB VI. Der Kläger muss sich
nämlich auf andere Tätigkeiten verweisen lassen, die seinem körperlichen und geistigen
Leistungsvermögen entsprechen und ihm sozial zumutbar sind. Nur wenn er auch solche
Verweisungstätigkeiten nicht mehr verrichten kann, ist er berufsunfähig. Berufsunfähig sind nicht schon
Versicherte, die ihren bisherigen Beruf aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben können.
Vielmehr wird vom Gesetz die Inkaufnahme eines zumutbaren beruflichen Abstiegs verlangt. Die
Zumutbarkeit des beruflichen Abstiegs bestimmt sich nach dem vom Bundessozialgericht in ständiger
Rechtsprechung entwickelten Mehrstufenschema. Dabei werden die Arbeiterberufe in verschiedene
Leitberufe untergliedert, nämlich diejenigen des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des
besonders hochqualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer
Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des angelernten (sonstiger Ausbildungsberuf mit der
Regelausbildung von bis zu 2 Jahren) und des ungelernten Arbeiters. Bei der Prüfung der
Berufsunfähigkeit ist zuerst zu ermitteln, welcher Berufsgruppe der Versicherte auf Grund des bisherigen
Berufs zuzuordnen ist. Aus dieser Gruppe darf eine Verweisung grundsätzlich nur auf die jeweils
niedrigere Gruppe erfolgen. Versicherten, die den Berufsgruppen der Facharbeiter mit
Vorgesetztenfunktion bzw. der besonders qualifizierten Facharbeiter, der Facharbeiter und der
Angelernten oberen Ranges angehören, sind stets konkrete Verweisungstätigkeiten zu benennen, die
ihnen nach ihren beruflichen Kenntnissen und Fertigkeiten sowie ihren gesundheitlichen Kräften
zumutbar sind. Angelernte unteren Ranges und Ungelernte können auf alle Tätigkeiten des allgemeinen
Arbeitsmarktes verwiesen werden, ohne dass ihnen eine konkrete Verweisungstätigkeit benannt werden
muss, außer es liegen besondere Umstände vor, die im Einzelfall die Benennung einer konkreten
Verweisungstätigkeit erfordern.
Der für die Einordnung in das Mehrstufenschema entscheidende bisherige Beruf ist im allgemeinen die
der Versicherungspflicht zugrunde liegende Berufstätigkeit, welche zuletzt auf Dauer, d.h. mit dem Ziel
verrichtet wurde, sie bis zum Erreichen der Altersgrenze oder bis zum Eintritt der Leistungsunfähigkeit aus
den in § 43 Abs. 2 SGB VI genannten Gründen auszuüben, wenn der Versicherte nicht zuvor eine
qualitativ höherwertige Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben hat.
Der Kläger ist als Facharbeiter einzustufen. Anhaltspunkte, die eine darüber hinausgehende Einstufung
rechtfertigen könnten, hat die Kammer nicht.
Zur Gruppe der "Facharbeiter mit Vorgesetztenfunktion" oder zur Gruppe der "besonders hoch
qualifizierten Facharbeiter" zählen diejenigen Versicherten, die wegen der geistigen und persönlichen
Anforderungen ihrer Tätigkeit die Facharbeiter deutlich überragen und die deswegen in die
Spitzengruppe der Lohnskala (vgl. dazu BSG, 19.6.1997- 13 RJ 93/96) eines entsprechend differenzierten
Tarifvertrages eingestuft sind. Für die Zuordnung zur Gruppe der "Facharbeiter mit Vorgesetztenfunktion"
ist im einzelnen erforderlich, dass der Versicherte in der Regel keinen Weisungen eines anderen im
Arbeiterverhältnis stehenden Beschäftigten unterworfen war; ferner, dass er nicht lediglich als "schlichter
Vorarbeiter" die gleichen Arbeiten wie seine Facharbeiterkollegen verrichtete, und dass er nicht nur in
engem Rahmen eine herausgehobene Stellung innerhalb einer Gruppe von Ungelernten und
Angelernten innehatte (BSG, 21.2.1995- 8 RKn 5/93 -). Facharbeiter mit Vorgesetztenfunktion müssen
Weisungsbefugnis gegenüber mehreren anderen Facharbeitern gehabt haben und dürfen selbst nicht an
Weisungen eines anderen Beschäftigten im Arbeiterverhältnis gebunden gewesen sein (vgl. BSG SozR
2200 § 1246 Nrn. 44, 145 mwN).
Besonders hoch qualifizierte Facharbeiter sind u.a. Versicherte, die eine Tätigkeit ausgeübt haben, zu der
sie sich zusätzlich zu einer vorgeschriebenen, mit einer Facharbeiter- oder Gehilfenprüfung
abgeschlossenen Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf durch eine längere planmäßige
spezielle weitere Ausbildung mit Prüfungsabschluss qualifiziert haben (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nrn.
37, 103, 144 mwN).
Nach diesen Maßstäben ist der Kläger kein besonders hoch qualifizierter Facharbeiter, denn eine über die
Zimmererausbildung hinaus gehende Ausbildung hat er nicht abgeschlossen.
Der Kläger ist aber auch kein Facharbeiter mit Vorgesetztenfunktion. Nach seinen Angaben in der
mündlichen Verhandlung vom 11.8.2004 hat er zuletzt in einem sehr kleinen Betrieb gearbeitet. Dieser sei
von zwei Meistern geführt worden, welche ihm gegenüber auch weisungsbefugt gewesen seien. Er, der
Kläger, habe einer Gruppe von 4-5 Leuten vorgestanden, worunter neben Zimmerern auch Hilfsarbeiter
und Lehrlinge gewesen seien. Er habe zusammen mit dem Chef die Pläne erarbeitet und die
Verantwortung für die gesamte Gruppe gehabt. Er habe gleiche Tätigkeiten wie der Meister verrichtet,
wenn er teilweise auch Zimmererarbeiten verrichtet habe. Er habe auch regelmäßig etwa 2 DM mehr in
der Stunde als ein normaler Facharbeiter erhalten.
Die Kammer meint, dass die vom Kläger beschriebene Tätigkeit nicht als Facharbeitertätigkeit mit
Vorgesetztenfunktion anzusehen ist. In einem Betrieb mit insgesamt acht Angehörigen hat der Kläger die
dritte Position eingenommen. Der Gruppe, der er vorstand, gehörten auch Hilfsarbeiter und Lehrlinge an,
so dass davon auszugehen ist, dass er allenfalls ein bis zwei Facharbeitern vorstand. Die Kammer
verkennt zwar nicht, dass grundsätzlich der Größe einer Gruppe, der der Versicherte vorstand, eine nur
geringe Bedeutung beigemessen wird (so durch das BSG, 30.10.1991 – 8 Rkn 4/90 -). Ob dies
sachgerecht ist, kann offen bleiben, denn die vom BSG entschiedene Fallkonstellation unterscheidet sich
von der vorliegenden doch deutlich insoweit, als dort der Versicherte einer Gruppe von vier Leuten
vorstand, die allesamt der Facharbeitergruppe zuzuordnen waren. Der Kläger hingegen bezog seine
herausgehobene Stellung nicht so sehr daraus, dass er die anderen Facharbeiter deutlich überragt hätte,
sondern schon aus seiner Facharbeiterausbildung, weil maßgebliche Teile seiner zu leitenden Gruppe
nicht der Facharbeitergruppe zuzuordnen waren. Zudem hat der Kläger auch Weisungen von einem
Arbeiter empfangen. Zwar standen die Meister, denen er weisungsunterworfen war, nicht im
Angestelltenverhältnis, weil sie ihrerseits den Betrieb geleitet hatten. Allerdings kann es für die Frage nach
der Qualität der verrichteten Arbeit nicht darauf ankommen, ob der dem Versicherten Weisungen
erteilende Meister seinerseits im Angestelltenverhältnis steht oder nicht. Dies muss zumindest dann
gelten, wenn ein Kleinbetrieb wie der vorliegende mit maximal sechs Mitarbeitern von gleich zwei
Meistern geleitet wird. Schließlich war für die tägliche Arbeit des Klägers prägend die Verrichtung von
normalen Zimmererarbeiten. Die Erarbeitung von Plänen zusammen mit dem Chef hat demgegenüber
keine überragende Rolle gespielt. Zudem geht eine die anderen Facharbeiter deutlich überragende
Stellung auch nicht aus der Entlohnung hervor. Soweit der Kläger 2 DM mehr in der Stunde erhalten hat
als andere Facharbeiter, rechtfertigt dies nicht die Einstufung in die höchste Gruppe innerhalb des
Mehrstufenschemas.
Auch die abstrakte tarifliche Einstufung der Tätigkeit des Klägers entspricht nicht der Facharbeitergruppe
mit Vorgesetztenfunktion. Nach dem Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe vom 5.6.1978 i.d.F.
vom 19.5.1992 gab es acht Berufsgruppen. Die Tätigkeit des Klägers ist abstrakt einzustufen in die zweite
Berufsgruppe, unter die Bauvorarbeiter und Gleichgestellte gefasst sind. Nach der Definition sind
Bauvorarbeiter Arbeitnehmer, die in der Regel mindestens zwei Jahre als Spezialbaufacharbeiter in ihrem
Berufszweig tätig gewesen sind und eine kleine Gruppe weiterer Mitarbeiter führen. Den Bauvorarbeitern
gleichgestellt sind Arbeitnehmer, die mit der selbständigen Durchführung besonders schwieriger Arbeiten
betraut und deshalb nach ihrem Aufgabenbereich mit den Bauvorarbeitern vergleichbar sind.
Der qualitative Wert für den Betrieb der Tätigkeit eines Bauvorarbeiters, Lohngruppe II, entspricht nicht
derjenigen eines "Facharbeiters mit Vorgesetztenfunktion" oder eines "besonders hoch qualifizierten
Facharbeiters". Dies ist bereits daran erkennbar, dass der betreffende Arbeitnehmer lediglich einer
kleineren Gruppe weiterer Mitarbeiter vorstehen muss, wobei aber nicht definiert ist, dass es sich bei
diesen Mitarbeitern um Facharbeiter handeln muss. Auch ist nicht definiert, ob und welchen Weisungen
der Arbeitnehmer seinerseits unterworfen ist. Schließlich wird auch nicht definiert, welche Tätigkeiten der
Vorarbeiter in welchem Maße ausführt, ob er also weitgehend die gleiche Arbeit wie seine Untergebenen
verrichtet und er somit lediglich „Erster unter Gleichen“ ist (vgl. BSG, 21.2.1995 – 8 RKn 4/93 -) oder ob
sein Tätigkeitsbild weitestgehend durch Führungsaufgaben definiert ist. Dies sind aber maßgebliche
Gesichtspunkte für die Annahme eines Facharbeiters mit Vorgesetztenfunktion im Sinne des
Mehrstufenschemas des BSG.
Auch die Tatsache, dass der betreffende Arbeitnehmer mindestens zwei Jahre als Spezialbaufacharbeiter
tätig gewesen sein muss, bietet keinen Anhaltspunkt, dass in dieser Lohngruppe z.B. besonders hoch
qualifizierte Facharbeiter gefasst sind. Spezialbaufacharbeiter sind in Lohngruppe III definiert. Dies sind
gem. Gruppe III 1 Arbeitnehmer, die ihre Berufsausbildung in der Form der Stufenausbildung mit der
obersten Stufe abgeschlossen haben, nach einjähriger Tätigkeit in ihrem Beruf. Die Zimmererausbildung
wird in Form der Stufenausbildung durchgeführt. Dabei ist die Zimmererausbildung dem Bereich „Ausbau“
zugeordnet. Die zweite und damit höchste Stufe ist bereits erreicht mit Abschluss des
3.Ausbildungsjahres. Damit fallen unter die Stufe der Spezialbaufacharbeiter solche Facharbeiter, die
einen anerkannten Ausbildungsberuf abgeschlossen und in diesem ein Jahr tätig gewesen sind. Die
Tatsache, dass die Spezialbaufacharbeiter der Gruppe II mindestens zwei Jahre in ihrem Berufszweig
tätig gewesen sein müssen, deutet somit nicht darauf hin, dass es sich um besonders hoch qualifizierte
Facharbeiter handeln muss, sondern es handelt sich im Wesentlichen um „normale“ Facharbeiter mit
Berufserfahrung.
Auch die Tatsache, dass nach Satz 2 der Berufsgruppendefinition der Gruppe II den Bauvorarbeitern
Arbeitnehmer gleichgestellt sind, die mit der selbständigen Durchführung besonders schwieriger Arbeiten
betraut und deshalb nach ihrem Aufgabenbereich mit den Bauvorarbeitern vergleichbar sind, rechtfertigt
kein anderes Ergebnis. Was „besonders schwierige Arbeiten“ sind, sagt diese Definition nicht. Zudem ist
das Anforderungsmaß nach Satz 2 stark an die Anforderungen geknüpft, die Satz 1 aufstellt, denn es wird
eine Vergleichbarkeit mit den Bauvorarbeitern verlangt. Da Bauvorarbeiter im Sinne der Definition des
Satzes 1 aber auch solche Facharbeiter sein können, die einer Gruppe von Ungelernten vorstehen und im
Wesentlichen die gleiche Arbeiten wie diese verrichten, kann eine Vergleichbarkeit durch das Verrichten
„besonders schwieriger Arbeiten“ im Einzelfall schnell erzielt werden, d.h. die Anforderungen an das, was
besonders schwierig ist, müssen nicht allzu hoch sein.
Somit geht die Kammer davon aus, dass der Kläger als Facharbeiter im Sinne des Mehrstufenschemas
des BSG einzustufen ist.
Als Facharbeiter kann er auf die ihm von der Beklagten benannte Tätigkeit eines Mitarbeiters in der
Poststelle einer Behörde verwiesen werden.
Sogenannte gehobene Büro- (Hilfskraft-) Tätigkeiten der Vergütungsgruppe BAT VIII, Fallgruppe 1 a, wie
z. B. die Tätigkeit eines Mitarbeiters in der Poststelle der Verwaltungsabteilung einer Behörde, oder auch
die Tätigkeit einer Registraturkraft in der Abteilung Medizinische Rehabilitation der Beklagten, sind einem
Facharbeiter nach ständiger Rechtsprechung des Landessozialgerichts (LSG) Rheinland-Pfalz
grundsätzlich zumutbar (vgl. etwa LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 26.6.1995 - L 2 l 248/94 - ; Urteil vom
26.5.1997 – L 2 l 47/95 -; Urteil vom 2.8.1999 –L 2 Rl 30/99 -). Die Tätigkeit eines Mitarbeiters
beispielsweise in der Poststelle der Verwaltungsabteilung einer Behörde umfasst folgende Aufgaben:
1. Öffnen der eingegangenen Post und Eingangsstempelanbringen.
2. Verteilen der Rost auf die Abteilungen und Referate entsprechend dem Sachverhalt.
3. Richten –von abgehenden Sammelsendungen.
4. Kuvertieren der abgehenden Briefpost und Verpacken der Paketsendungen.
5. Bedienen des Freistemplers entsprechend der Aufgabeneinteilung durch den Bearbeiter.
6. Erfassung der Einschreibesendungen entsprechend der Aufgabeneinteilung durch den Bearbeiter.
7. Beförderung der Post, entsprechend der Anweisung des Bearbeiters, von und zum Postamt mit
anstaltseigenem Fahrzeug.
Einer Registraturkraft in der Abteilung Medizinische Rehabilitation obliegen folgende Aufgaben:
1. Posteingang den Akten beifügen und auf den Bearbeiter auszeichnen.
2. Ärztliche Gutachten heften und nummerieren.
3. Datensichtgerät im Rahmen der übertragenen Aufgaben bedienen.
4. Maßnahmebewilligungsbescheide expedieren, Durchschriften in der Akte abheften und nummerieren.
5. Akten einsortieren.
6. Termine überwachen.
7. Mitwirkung nach Weisung des Abschnittsleiters, Hilfsreferenten, Referenten, Abteilungsleiters.
Bei allen diesen Tätigkeiten handelt es sich um körperlich leichte Arbeiten, die ein Heben und tragen von
Gegenständen von 5 Kilogramm Gewicht nicht verlangen und im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und
Sitzen ausgeübt werden können, wobei die sitzende Tätigkeit überwiegt. Schließlich muss der Mitarbeiter
einer Poststelle nur durchschnittlichen Anforderungen an die geistige Beweglichkeit und die
Reaktionsfähigkeit genügen (LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 14.9.1999 – L 6 RI 93/99-).
Nach der Rechtsprechung des LSG Rheinland-Pfalz kommen jedoch Versicherte, die in ihrem beruflichen
Leben ausschließlich im gewerblich-handwerklichen Bereich tätig waren, für gehobene
Bürohilfskrafttätigkeiten nach BAT VIII regelmäßig nicht in Betracht, weil es diesen an den hierfür
erforderlichen kaufmännischen Grundkenntnissen ermangelt. Diese sind Voraussetzung dafür, dass sich
ein Versicherter innerhalb einer Einarbeitungszeit von längstens drei Monaten in die Verweisungstätigkeit
ein Versicherter innerhalb einer Einarbeitungszeit von längstens drei Monaten in die Verweisungstätigkeit
einarbeiten kann.
Das LSG Rheinland-Pfalz lässt offen, ob auch Computerkenntnisse für die Verweisungstätigkeit zu
verlangen sind. Jedenfalls sei bei einem Bewerber mit durchschnittlichem allgemeinen intellektuellen
Leistungsvermögen und durchschnittlicher Wahrnehmungs- und Bearbeitungsgeschwindigkeit davon
auszugehen, dass sich dieser innerhalb von drei Monaten die eventuell fehlenden Computerkenntnisse
aneignen kann (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, 8.9.2003 – L 2 RI 160/02-).
Die Kammer hat bei der beruflichen Vorgeschichte des Klägers keine Zweifel daran, dass sich dieser
innerhalb einer Zeit von drei Monaten in die von der Beklagten benannte Verweisungstätigkeit einarbeiten
kann. Allgemein stehen dem zunächst die vom Kläger geschilderten Konzentrationsbeschwerden nicht
entgegen. Dr. … führt aus, der Kläger sei bei der Untersuchung bewusstseinsklar, in allen Qualitäten
orientiert und im Denken formal völlig geordnet gewesen. Auch nach mehrstündiger Untersuchung, wobei
allein die Anamneseerhebung eineinhalb Stunden ohne Unterbrechung erfolgt sei, seien Auffassung,
Konzentration, Merkfähigkeit, Aufmerksamkeit und Gedächtnis nicht richtungsweisend gestört gewesen.
Der Kläger habe durchaus detailliert anfangs Gesagtes später nochmals aufgegriffen. Der Kläger habe
durchaus schlagfertige Bemerkungen gemacht, sei auch flexibel im Gedankengang und rasch in der
Beantwortung von Fragen. Dieser Eindruck hat sich – soweit das Gericht dies beurteilen kann – auch in
der mündlichen Verhandlung vom 11.8.2004 bestätigt. Stehen einer Umstellung auf die
Bürohilfstätigkeiten innerhalb von drei Monaten somit keine durchgreifenden Bedenken entgegen, so gilt
dies auch vor dem Hintergrund, dass ein ausschließlich handwerklich tätiger Versicherter ohne
kaufmännische Grundkenntnisse nicht auf die Bürohilfstätigkeit verwiesen werden kann. Die Kammer ist
der Auffassung, dass der Kläger nicht ausschließlich im gewerblich-handwerklichen Bereich tätig
gewesen ist. So hat er mehrere Schulungen des Arbeitsamtes nach eigenen Angaben mit Zertifikat
abgeschlossen. Insbesondere hat er zwischen 1994 und 1996 die Technikerschule besucht. Dort hat er
zwar das erste Schuljahr erst im zweiten Anlauf bestanden. Das Zeugnis für das Schuljahr 1995/1996 ist
aber bei einem Notendurchschnitt von 2,6 sehr ordentlich, dies auch vor dem Hintergrund, dass es sich
um ein „Wiederholungszeugnis“ handelt. Der Kläger hat in diesem Zeugnis z.B. in den Bereichen
Computertechnik („gut“) oder Bauinformatik („sehr gut“) ausgezeichnete Leistungen erzielt. Bei dieser
Vorgeschichte hat die Kammer keine Zweifel, dass sich der Kläger innerhalb einer Zeit von drei Monaten
auf die von der Beklagten benannte Verweisungstätigkeit umstellen kann. Die notwendigen
kaufmännischen Grundkenntnisse hat der Kläger nach Überzeugung der Kammer dadurch erworben,
dass er das Pflichtfach „Wirtschaft und Recht“ absolviert und mit der Note „befriedigend“ abgeschlossen
hat. Dabei berücksichtigt das Gericht, dass die Anforderungen an die kaufmännischen Grundkenntnisse
nicht überspannt werden dürfen (so auch LSG Rheinland-Pfalz, 8.9.2003 – L 2 RI 160/02-).
Dem Kläger ist der Arbeitsmarkt auch nicht deswegen verschlossen, weil er eine Arbeitsstätte nicht
zumutbar erreichen könnte. Die Wegefähigkeit des Klägers ist nämlich, wie der Gutachter festgestellt hat,
nicht eingeschränkt.
Der Kläger ist somit nicht teilweise und damit erst Recht auch nicht voll erwerbsgemindert.
Die Klage ist demnach abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits.
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