Urteil des SozG Speyer vom 20.06.2007

SozG Speyer: wohnung, vermieter, mietvertrag, bekleidung, meinung, darlehen, heizung, bad, ernährung, zustand

Sozialrecht
SG
Speyer
20.06.2007
S 1 AS 156/06
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Kosten sind nicht zu erstatten.
3. Die Berufung wird bezüglich der Schönheitsreparaturen zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten in diesem Verfahren (s. a. Parallelverfahren S 1 AS 21/06) darüber, ob die
Beklagte verpflichtet ist, die Kosten für die Anschaffung von Wohnungseinrichtung (Kleiderschränke,
Leuchten), Renovierung und Schönheitsreparaturen zu übernehmen.
Die 1955 geborene und geschiedene Klägerin lebt mit ihren beiden Töchtern V… (geb. 7.8.1990) und M…
(geb. 14.6.1992) in einer 3 bis 4-Zimmer-Wohnung mit Küche/Bad. Im Mietvertrag vom 25.4.1997 hat sie
sich in § 8 verpflichtet, die während der gesamten Vertragsdauer nach Maßgabe eines Fristenplanes fällig
werdenden Schönheitsreparaturen auf eigene Kosten zu übernehmen. Unter Schönheitsreparaturen sind
zu verstehen: Anstrich und Tapezierung der Wände, Decken, Heizkörper, Versorgungsleitungen und des
Holzwerkes. Sie verpflichtete sich, Küche, Speisekammer, Besenkammer, Bad, Dusche, WC alle drei
Jahre, Wohnzimmer, Schlafzimmer, Dielen und alle sonstigen Räume alle fünf Jahre zu renovieren.
Sie bezog bis Ende 2004 Lebensunterhalt von der Stadt L…; seit 1.1.2005 erhält sie Leistungen der
Grundsicherung für Arbeitsuchende (Alg II) von der Beklagten.
Am 15.2.2006 schrieb sie der Beklagten, dass sie einen Kleiderschrank für sich und ihre Kinder beantrage
und außerdem Renovierungsgeld für die Küche und das größere Kinderzimmer.
Die Beklagte lehnte aber die Übernahme dieser Kosten ab (Bescheid vom 16.2.2006). Der bei allen
Hilfesuchenden etwa gleiche Bedarf an Ernährung, hauswirtschaftlichem Bedarf und kleineren
persönlichen Bedürfnissen des täglichen Lebens werde anhand von Bedarfsuntersuchungen durch die
Gewährung eines pauschalierten Regelsatzes berücksichtigt. Die von ihr beantragte Sonderleistung sei
durch die gewährte Regelleistung in Höhe von monatlich 828,00 € abgedeckt und stelle nach den ihr
vorliegenden Unterlagen keinen unabweisbaren Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhaltes dar, so
dass eine Übernahme der Kosten nicht möglich sei.
Dagegen legte die Klägerin am 20.2.2006 Widerspruch ein. Nach einem Schreiben der Stadtverwaltung
L… vom 6.8.2004 seien die Regelsätze um 45,00 € monatlich angehoben worden, so dass Kleidung und
kleinere Gebrauchsgegenstände davon bezahlt werden könnten. Möbel seien aber keine kleineren
Gebrauchsgegenstände. Sie glaube, dass in ihrem besonderen Fall durchaus eine einmalige Hilfe
Gebrauchsgegenstände. Sie glaube, dass in ihrem besonderen Fall durchaus eine einmalige Hilfe
gewährt werden könnte. Obwohl es schon sehr schwierig sei, Kleidung von den angehobenen
Regelsätzen zu bestreiten, sei es ihr nahezu unmöglich, einen Kleiderschrank davon zu bezahlen und
zwei Lampen und die Küche, die laut Mietvertrag regelmäßig zu renovieren sei. Auch könne in diesem
Fall nicht nach § 23 Abs. 1 SGB II entschieden werden, ihr ein Darlehen zu gewähren.
Die Widerspruchsstelle der Beklagten wies den Widerspruch zurück (Bescheid vom 27.2.2006). Bei dem
Kleiderschrank und den Lampen handele es sich nicht um eine Erstausstattung im Sinne von § 23 Abs. 3
Nr. 1 SGB II. Die Klägerin habe die Wohnung bereits 1997 bezogen. Es liege somit lediglich Erhaltungs-
und Ergänzungsbedarf vor, der aus den Regelleistungen zu decken sei. Auch für die beantragte
Renovierung ergäbe sich aus dem SGB II keine Rechtsvorschrift, die hier zum Tragen kommen könne, so
dass auch die Renovierung von den vorhandenen Regelleistungen abgedeckt werden müsse. Ein
unabweisbarer Bedarf im Sinne des § 23 Abs. 1 SGB II sei ebenfalls nicht zu erkennen.
Dagegen hat die Klägerin am 6.3.2006 Klage erhoben.
Nach § 21 Abs. 1a Nr. 4, Nr. 6 BSHG habe sie ein Recht auf Instandsetzung von Gebrauchsgegenständen
durch einmalige Leistung. Es sei unzumutbar, ihre Bekleidung, egal welcher Art, in einem Zimmer zu
stapeln, anstatt sie in einem Kleiderschrank unterzubringen. Es dürfte bekannt sein, dass dadurch mit der
Zeit Ungeziefer angelockt würde. Ebenso sei es unzumutbar, ihre beiden Töchter ein dunkles,
unbeleuchtetes Zimmer bewohnen zu lassen. Laut Mietvertrag sei es ihre Pflicht, ihre Küche regelmäßig
zu renovieren. Das Alg II erhalte sie nicht in der vollen Summe, weshalb sie auf keinen Fall einen
Kleiderschrank, zwei Lampen und Renovierungsmaterial anschaffen könne.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Leistungen für Renovierungen seien im Gesetz nicht genannt. Aus dem Schweigen des Gesetzgebers sei
zu schließen, dass dafür keine Leistungen zu zahlen seien. Lediglich bei Umzügen, die durch sie
veranlasst seien, könne eine Kostenübernahme erfolgen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Prozess- sowie der beigezogenen
Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
Die Klägerin begründet ihre Klage noch mit Vorschriften eines Gesetzes, nämlich des
Bundessozialhilfegesetzes (BSHG), welches am 31.12.2004 außer Kraft getreten ist. An die Stelle dieses
Gesetzes sind zwei Gesetze getreten, einmal das Zweite Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) und das
Zwölfte Buch des Sozialgesetzbuches (SGB XII). Für die Klägerin einschlägig sind allein die Regelungen
des SGB II. Sie regeln Ansprüche von erwerbsfähigen Hilfsbedürftigen zwischen dem 15. und 65.
Lebensjahr abschließend. Der Gesetzgeber hat dabei die der Klägerin vom BSHG bekannte Regelung,
dass jederzeit neben dem Regelsatz einmalige Leistungen (z. B. für Bekleidung oder Anschaffung eines
Möbelstücks) übernommen werden konnten, nicht mehr in das SGB II aufgenommen. Nunmehr sind von
der Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes erfasst: Ernährung, Kleidung, Körperpflege,
Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung entfallenden Anteile, Bedarfe des täglichen Lebens
sowie in vertretbarem Umfang auch Beziehungen zur Umwelt und die Teilnahme am kulturellen Leben.
Aus der neuen Regelungssystematik (insbesondere aus § 23 Abs. 3 Nr. 2 SGB II) ergibt sich eindeutig,
dass einmalige Leistungen im Regelsatzbereich nur noch in den vom Gesetz ausdrücklich geregelten
Ausnahmefällen übernommen werden können. Diese Ausnahmefälle beschränken sich auf drei
Untergruppen:
Erstausstattungen für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräte,
Erstausstattungen für Bekleidung und Erstausstattungen bei Schwangerschaft und Geburt,
mehrtägige Klassenfahrten im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen.
Über diese Fälle hinaus ist es nicht mehr möglich, einmalige Leistungen (etwas anderes gilt für die Kosten
der Unterkunft) zu gewähren. Es ist der Beklagten Recht zu geben, dass es sich bei der von der Klägerin
beabsichtigten Anschaffung eines Kleiderschrankes sowie mehrerer Lampen nicht um eine solche
Erstausstattung für ihre Wohnung handelt, weil sie diese schon seit mehreren Jahren bewohnt.
Soweit die Klägerin Kosten für die Renovierung ihrer Wohnung begehrt, ist der Meinung der Beklagten
nur im Ergebnis, nicht dagegen in der Begründung zu folgen.
Nach dem SGB II werden einmal zur Sicherung des Lebensunterhaltes Regelleistungen gezahlt (§ 20
SGB II), zum anderen werden Leistungen für Unterkunft und Heizung gezahlt. Was die Übernahme der
Mietkosten und Heizungskosten betrifft, ist auf den ebenfalls in der 1. Kammer des Sozialgerichts
anhängigen Rechtsstreit (Az.: S 1 AS 21/06) zu verweisen.
Mit dieser Klage begehrt die Klägerin zwar ebenfalls Kosten der Unterkunft. Davon betroffen ist aber nicht
die Übernahme der Mietkosten, sondern die Übernahme von anstehenden Schönheitsreparaturen für
diese Wohnung.
Entgegen der Meinung der Beklagten zählen Kosten für Schönheitsreparaturen in angemessenem
Umfang zu den Kosten der Unterkunft gemäß § 22 Abs. 1 SGB II. Sie sind zu übernehmen, wenn sie
vertraglich vereinbart sind (so z. B. Beschlüsse des LSG Niedersachsen-Bremen vom 11.9.2006,
L 9 AS 409/06 ER und L 13 AS 16/06 ER; Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 7.6.2006,
Az.: S 50 AS 340/06). Entgegen der Meinung der Beklagten können im Rahmen des § 22 Abs. 1 einmalige
Leistungen, wie sie im Unterkunftsbereich anfallen, übernommen werden (so z. B. Rothkegel in Gagel,
SGB III, zu § 22 SGB II Randnr. 57).
Voraussetzung ist aber, dass solche Schönheitsreparaturen tatsächlich mietvertraglich geschuldet
werden. Besteht eine solche Schuld nicht, sind diese Kosten vielmehr vom Vermieter zu übernehmen, so
kann eine Kostenübernahme allenfalls im Rahmen des § 23 Abs. 1 im Rahmen eines unabweisbaren
Bedarfs zur Sicherung des Lebensunterhaltes als Darlehen bewilligt werden. Für eine Übernahme im
Rahmen der Kosten der Unterkunft nach § 22 Abs. 1 SGB II ist dann kein Raum. Davon zu trennen ist die
Frage der Kosten einer so genannten Schlussrenovierung beim Auszug aus einer Wohnung, die zum Teil
den Umzugskosten zugerechnet werden kann.
Hier geht es weder darum, dass die Klägerin eine Wohnung für ihren Erstbezug erst renovieren muss,
noch will sie ihre Wohnung anlässlich eines bevorstehenden Auszuges schlussrenovieren. Es geht ihr
vielmehr darum, dass die Beklagte die laufenden, angeblich nach dem Mietvertrag geschuldeten
Schönheitsreparaturen übernimmt.
Grundsätzlich ist aber der Vermieter einer Wohnung verpflichtet, die Mietsache in einem vertragsgemäßen
Zustand zu halten. Reparaturen und Renovierungen sind deshalb grundsätzlich vom Vermieter
vorzunehmen, können nicht auf den Mieter übergewälzt werden.
Davon zu trennen sind aber Maßnahmen zur Beseitigung von Mängeln, die durch den vertragsgemäßen
Gebrauch entstehen. Hierfür hat sich der Begriff Schönheitsreparaturen durchgesetzt. Es war und ist
weiterhin allgemein üblich, dass diese Schönheitsreparaturen auf die Mieter überwälzt werden. Dabei
wird oft (wie auch hier) in einem starren Fristenplan vorgeschrieben, in welchem zeitlichen Rhythmus die
Schönheitsreparaturen vom Mieter vorzunehmen sind.
Die Überwälzung dieser Kosten auf den Mieter wurde in der Literatur schon immer sehr kritisch gesehen
(siehe z. B. Palandt, 60. Auflage 2001, § 536 Randnr. 36 mit weiteren Nachweisen). Nun hat der BGH am
5.4.2006 entschieden, dass „die in einem Wohnraummietvertrag enthaltene formularmäßige Klausel, die
einen starren Fristenplan enthält, gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam ist (Az.: VIII ZR 106/05). Denn
Formularmietverträge unterliegen derselben Prüfung, wie sie bei der Prüfung allgemeiner
Geschäftsbedingungen zu erfolgen hat (vgl. Gesetz zur Regelung des Rechts der allgemeinen
Geschäftsbedingungen). Nach der Rechtsprechung des BGH muss der Fristenplan so abgefasst sein,
dass er nur den Charakter einer Richtlinie hat, von der im Einzelfall bei gutem Erhaltungszustand bei
Mieträumen auch nach oben abgewichen werden kann. Die Klausel in § 8 des von der Klägerin
vorgelegten Mietvertrages, welche die Schönheitsreparaturen betrifft, ist danach unwirksam, denn sie
enthält einen solchen starren Fristenplan, der die Klägerin verpflichtet, die Schönheitsreparaturen nach
vorgelegten Zeiträumen, von denen nicht abgewichen werden kann, durchzuführen.
Die Unwirksamkeit dieser Fristenbestimmung führt zur Unwirksamkeit der gesamten
Schönheitsreparaturverpflichtung. Der Mietvertrag richtet sich dann nach den allgemeinen gesetzlichen
Bestimmungen (§ 306 Abs. 2 BGB). Nach den allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen im Mietrecht des
BGB obliegt die Vornahme von Schönheitsreparaturen aber allein dem Vermieter. Er muss die
Schönheitsreparaturen ebenso wie alle anderen Reparaturen tragen (§ 535 Abs. 1 Satz 2 BGB).
Die Beklagte darf die Klägerin also an ihren Vermieter verweisen, der wegen der Unwirksamkeit des
Mietvertrages in § 8 zur Vornahme regelmäßiger Schönheitsreparaturen verpflichtet ist. Der Kammer ist
bewusst, dass sich diese Rechtsprechung des BGH auf dem Gebiet des Mietrechts im Rahmen des SGB II
ungünstig auf viele SGB II Leistungsempfänger auswirken wird. Denn diese sind nunmehr verpflichtet,
gegen ihren Vermieter Schönheitsreparaturen durchzusetzen oder auf eine Änderung des Mietvertrages
hinzuwirken. Dabei ist durchaus fraglich, in welcher rechtsgültiger Weise in Zukunft
Schönheitsreparaturen in Mietverträgen auf die Mieter übergewälzt werden können (vgl. dazu Emmerich,
starre Schönheitsreparaturfristen und die Folgen, in NZM 2006, Heft 20, Seite 761 f.). Empfänger von Alg 2
tragen in dieser Hinsicht ein erhöhtes Risiko, dass ihre Wohnung für längere Zeit nicht renoviert werden
wird. Ein Ausweg könnte darin bestehen, dass die Kosten im Wege des § 23 SGB II, ggf. in analoger
Anwendung übernommen werden. Dies ist aber nur im Wege der Darlehensgewährung möglich und
bedeutet deshalb ebenfalls eine Belastung der Leistungsempfänger. Die Klägerin hat diesen Weg über
ein Darlehen von vornherein ausgeschlossen, so dass die Kammer einen Anspruch der Klägerin auf
Gewährung eines Darlehens nicht zu prüfen braucht.
Die Klage ist deshalb abzuweisen. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Die Kammer hat die Berufung zugelassen, soweit sie über die Übernahme von Kosten der
Schönheitsreparaturen entschieden hat. Denn soweit ersichtlich, gibt es dazu bisher noch keine
obergerichtliche oder höchstgerichtliche Rechtsprechung.