Urteil des SozG Speyer vom 08.10.2004

SozG Speyer: körperliche unversehrtheit, öffentliche gewalt, krankenversicherung, ärztliche behandlung, therapie, krankenkasse, label, anerkennung, rechtsmittelbelehrung, zustellung

Krankenversicherung
Sozialrecht
SG
Speyer
08.10.2004
S 7 KR 805/03
Verkündet am:
8. Oktober 2004
lt. Protokoll,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
Sozialgericht
Speyer
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
- Klägerin -
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt …
gegen
- Beklagte -
hat die 7. Kammer des Sozialgerichts Speyer auf die mündliche Verhandlung vom 8. Oktober 2004 durch
den Richter …
sowie die ehrenamtlichen Richter Frau … und Herr …
für Recht erkannt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Kostenerstattung für eine photodynamische Therapie mit Visudyne.
Die am 14.1.1931 geborene Klägerin leidet an beiden Augen an einer altersbedingten
Makuladegeneration. Am rechten Auge zeigte sich eine trockene Makuladegeneration, am linken Auge
eine feuchte Makuladegeneration mit einer juxtafoveal gelegenen okkulten chorioidalen
Neovaskularisation. Die chorioidale Neovaskularisation am linken Auge wurde bereits am 8.2.2003
festgestellt. Am 23.7.2003 wurde bei der Klägerin eine photodynamische Therapie (PDT) mit Verteporfin
durchgeführt. Hierfür wurden ihr 2.325,06 Euro in Rechnung gestellt.
Am 29.7.2003 ging bei der Beklagten eine Bescheinigung der behandelnden Ärzte ein. Es wurde um eine
Einzelfallentscheidung gebeten.
Nach Rücksprache mit dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung lehnte die Beklagte die
Kostenerstattung mit Bescheid vom 12.9.2003 ab, da es sich bei der Therapie um ein außervertragliches
Verfahren handele.
Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein.
Durch Widerspruchsbescheid vom 2.12.2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Die PDT sei nur für eine bestimmte Indikation vom Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen
zugelassen worden, die bei der Klägerin nicht vorliege. Auch die Rechtsprechung des BSG zum sog. „Off-
label-Use“ von Arzneimitteln rechtfertige kein anderes Ergebnis.
Hiergegen hat die Klägerin am 29.12.2003 Klage eingereicht.
Es läge ein Fall des Off-label-Use vor. Zwar gebe es keine hinreichende Datenlage, die für einen
Behandlungserfolg spreche. Die Voraussetzungen, die das BSG insoweit aufstelle, seien aber vor dem
Hintergrund des Art.2 Absatz 2 Satz 1 GG zu eng gefasst. Die Erkrankung bei der Klägerin sei derart
selten, dass eine Studie, die den Anforderungen, die das BSG aufgestellt hat entspricht, nicht existiere.
Zudem gebe es für die Klägerin keine Behandlungsalternative. Zu berücksichtigen sei auch, dass die
Behandlung bei der Klägerin erfolgreich verlaufen sei.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 12.9.2003 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 2.12.2003 zu verurteilen, die Kosten für eine photodynamische Therapie
(PDT) mit Verteporfin in Höhe von 2.325,06 Euro zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie nimmt Bezug auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid.
Das Gericht hat wegen der PDT mit Verteporfin beim Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen
nachgefragt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte
der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Kostenerstattung nach § 13 Absatz 3. Diese Vorschrift bestimmt:
Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine
Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten
entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung
notwendig war.
Es besteht kein Anspruch auf Kostenerstattung, denn die Beklagte hätte den durchgeführten Eingriff auch
nicht als Sachleistung erbringen dürfen.
Der Ausschluss der durch die Klägerin durchgeführten Therapie ergibt sich aus § 135 Absatz 1 SGB V,
wonach neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen und
vertragszahnärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden dürfen, wenn die
Bundesausschüsse der Ärzte und Krankenkassen auf Antrag einer Kassenärztlichen Bundesvereinigung,
einer Kassenärztlichen Vereinigung oder eines Spitzenverbandes der Krankenkassen in Richtlinien nach
§ 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 Empfehlungen abgegeben haben über
1. die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen
Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit -
auch im Vergleich zu bereits zu Lasten der Krankenkassen erbrachte
Methoden - nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse
in der jeweiligen Therapierichtung,
2. die notwendige Qualifikation der Ärzte, die apparativen Anforderungen
sowie Anforderungen an Maßnahmen der Qualitätssicherung, um eine
sachgerechte Anwendung der neuen Methode zu sichern, und
3. die erforderlichen Aufzeichnungen über die ärztliche Behandlung.
Bei den BUB-Richtlinien handelt es sich um untergesetzliche Rechtsnormen, die in Verbindung mit § 135
Abs.1 SGB V verbindlich festlegen, welche neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden
Gegenstand der Leistungspflicht der Krankenkassen sind. Diese Richtlinien sind nicht nur von den
Vertragsärzten zu beachten, sie legen vielmehr auch zwischen Versicherten und Krankenkassen
verbindlich fest, was zum Leistungsumfang gehört (BSG, Urteil vom 16.09.1997, 1 RK 32/95, SozR 3 2500
§ 135 SGB V Nr. 5).
Bei der durchgeführten photodynamische Therapie mit Visudyne handelt es sich um eine neue
Behandlungsmethode, die grundsätzlich nur dann erbracht werden darf, wenn sie nach § 135 SGB V vom
Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen empfohlen wurde und die Methode in den sog.
Positivkatalog (Anlage A der BUB-Richtlinien) aufgenommen wurde. § 135 Absatz 1 SGB V ist anwendbar.
Dagegen spricht nicht, dass es (auch) um die Anwendung eines Medikamentes geht. Dies ergibt sich
daraus, dass der Wirkstoff Verteporfin ohne den Lasereinsatz der PDT nicht zu verabreichen ist, das
Medikament ohne die Behandlungsmethode also nicht denkbar ist (vgl. hierzu LSG Neubrandenburg, Urt.
v. 15.5.2002 – L 4 KR 19/01-). Es handelt sich bei der Methode auch immer noch um eine neue Methode,
da sie für die meisten Indikationen immer noch kein fester und unumstrittener Bestandteil der
vertragsärztlichen Versorgung ist.
Die photodynamische Therapie mit Verteporfin ist zwar mittlerweile zugelassen, dies aber nur bei der sog.
altersabhängigen feuchten Makuladegeneration mit subfoveolarer klassischer choriodaler
Neovaskularisation, also für eine Indikation, die bei der Klägerin unstreitig nicht vorliegt (vgl. zu der
Unterscheidung von subfovealer und juxtafovealer CNV und zur Unterscheidung zwischen „klassischer“
und „okkulter“ CNV S.18 des Zusammenfassenden Berichts des Arbeitsausschusses „Ärztliche
Behandlung“ des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Beratungen gem. § 135
Abs.1 SGB V über die PDT vom 22.1.2001 (im Folgenden „Bericht“)). Somit konnte die Beklagte die PDT
mit Visudyne schon aus diesem Grunde nicht erbringen.
Die Kammer kann auch nicht erkennen, dass die Nichtanerkennung der PDT für die Indikation der
Klägerin auf einem sog. Systemversagen beruht. Ein Anspruch auf Behandlung mittels PDT ist hier nicht
deshalb gegeben, weil die fehlende Anerkennung dieser Behandlungsmethode auf einem Mangel des
gesetzlichen Leistungssystems beruhen würde. Zwar hat das Bundessozialgericht entschieden, dass ein
Anspruch auf eine bisher nicht vom Bundesausschuss anerkannte Behandlungsmethode ausnahmsweise
dann bestehen kann, wenn z.B. das Anerkennungsverfahren trotz Erfüllung der für eine Überprüfung
erforderlichen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nicht zeit gerecht durchgeführt oder sonst
durch sachfremde Erwägungen geprägt wird (vgl. BSG SozR 3-2500 § 135 SGB V Nr.4).
Nach Auskunft des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen vom 25.8.2004 haben sich die
Beratungen im Vorfeld des Beschlusses vom 16.10.2000 auf die Indikationen beschränkt, für die das
Medikament Verteporfin auch zugelassen war.
Nach dem Bericht bezog sich der damals vorliegende Antrag auch auf die Indikation choriodale
Neovaskulariationen (CNV) anderer Genese. Zudem sei die PDT u.a. bei der altersabhängigen
Makuladegeneration (AMD) mit CNV erprobt worden (vgl. S.25 des Berichts).
Bei der Klägerin liegt am rechten Auge eine trockene Makuladegeneration, am linken Auge eine feuchte
Makuladegeneration mit einer juxtafoveal gelegenen okkulten chorioidalen Neovaskularisation vor. Die
Erkrankung am linken Auge könnte also von dem insoweit weit gefassten Antrag umfasst bzw.
Gegenstand von klinischen Studien gewesen sein. Allerdings sprachen sich die an den Bundesausschuss
gerichteten Stellungnahmen für die Anwendung der PDT nur bei den Indikationen aus, die in einer sog.
TAP-Studie belegt wurden (vgl. S.32 des Berichts). Diese TAP-Studie ist auf S.76 ff. des Berichts
ausführlich besprochen worden. Aus der Darstellung der Studie wird deutlich, dass Erkenntnisse letztlich
nur zur feuchten neovaskulären AMD und subfovealen CNV (mit klassischen Anteilen) vorlagen. Daher
kann es von der Kammer auch nicht als Systemversagen angesehen werden, wenn der
Bundesausschuss die Indikation der Klägerin nicht in seine Empfehlungen aufgenommen hat.
Insoweit kann das Gericht nicht erkennen, dass die unterbliebene Stellungnahme des
Bundesausschusses zur Indikation der Klägerin auf einem Systemversagen beruht, da offensichtlich bei
der Klägerin eine derart seltene Indikation vorliegt, dass es medizinische Stellungnahmen zu dieser nicht
gibt.
Liegt nach diesem klassischen Verständnis ein Systemversagen nicht vor, so wird vom LSG
Neubrandenburg vertreten (Urt. 15.5.2002 – L 4 KR 19/01-), ein Systemversagen müsse für extrem
seltene Erkrankungen weiter verstanden werden. Es stellt – kurz zusammengefasst – folgende
Bedingungen an die Anerkennung einer neuen Behandlungsmethode im extremen Seltenheitsfall:
1. Die Behandlung dürfe nicht aus anderen Gesichtspunkten (außerhalb der BUB-Richtlinien) mit der
Rechtsordnung in Widerspruch stehen, so sei insbesondere das Arzneimittelrecht zu beachten.
2. Die Behandlungsmethode deren Erforschung für das fragliche Krankheitsbild wegen der
Seltenheit nicht in Betracht kommt, müsse sodann hilfsweise bei anderen Indikationen (hier der
altersbedingten Makuladegeneration) mit seriösen wissenschaftlichen Methoden einen gewissen
Erforschungsgrad erreicht haben.
3. Es sei zu fordern, dass die Methode jedenfalls dort, wo sie diskutiert wird, keine wissenschaftlich
beachtlichen Gegenstimmen gefunden hat.
4. Es dürften keine Nebenwirkungen bekannt und auch nur zu befürchten sein, die von ihrer Wirkung
her ähnlich gefährlich sind, wie die zu behandelnde Krankheit selbst.
5. Es dürften keine ernsthaft möglichen und erfolgversprechenden bereits anerkannten
Alternativmethoden zur Behandlung zur Verfügung stehen.
6. Schließlich fordere es die gebotene restriktive Handhabung und Annahme eines
Systemversagens, dass die zu behandelnde und wegen Seltenheit nicht hinreichend erforschbare
Erkrankung dringlichst behandlungsbedürftig ist.
Für die Grunderkrankung „Aderhautkolobom im juvenilen Alter“ kommt das LSG Neubrandenburg zu dem
Ergebnis, dass ein Systemversagen im oben beschriebenen Sinne vorliegt.
Die Kammer kann offen lassen, ob die oben genannten Punkte auch für die Grunderkrankung der
Klägerin zur Annahme eines Systemversagens führen würden. Jedenfalls überzeugt die weit gefasste
Begrifflichkeit des „Systemversagens“ nicht. Die Auffassung des LSG Neubrandenburg führt nach
Auffassung der Kammer im Ergebnis zu einer Besserstellung solcher Versicherter, die eine extrem seltene
Erkrankung aufweisen. Diese Besserstellung ist nicht zu rechtfertigen, weil bei neuen
Behandlungsmethoden im Hinblick auf häufiger vorkommende Indikationen, die durch den
Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen nicht anerkannt werden, in aller Regel nicht nur
ablehnende, sondern auch befürwortende Stimmen in großer Zahl vorliegen. Im Ergebnis würden nach
dem LSG Neubrandenburg Methoden, für die es auch befürwortende Stimmen gibt, nicht vom
Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung umfasst sein, dagegen Methoden, für die es
(jedenfalls bei bestimmten Indikationen) keine befürwortenden Stellungnahmen gibt, durch die
Krankenkassen bezahlt werden.
Die Auffassung des LSG Neubrandenburg setzt auch in unzulässiger Weise bestimmte Tatsachen voraus.
So werden nach dieser Auffassung Schlüsse von der anerkannten Indikation auf die „seltene“ Indikation
gezogen. Es stellt schlicht eine Behauptung dar – die zudem durch das Gericht sachkundig nicht
aufgestellt werden kann -, dass z.B. die Anerkennung der PDT für die altersbedingte Makuladegeneration
Schlüsse auch für eine andere Indikation zulässt. Ebenso bedenklich ist es, darauf abzustellen, dass eine
Methode für die Indikationen, für die sie diskutiert wird, keine bedeutenden Gegenstimmen erfahren hat,
weil man nur vermuten kann, ob es nicht Gegenstimmen gäbe, würde die Methode für die „seltene“
Indikation diskutiert.
Will man eine zuverlässige Aussage über die Wirksamkeit einer Methode für eine seltene Indikation
treffen, muss man letztlich eine eigene Studie – bezogen auf diese seltene Indikation - anstrengen. Eine
solche ist aber nicht mehr Aufgabe des Gerichts. Da zudem die gerichtlich angestrengte Studie auch
durch das Gericht bewertet würde, würde zudem die Entscheidungskompetenz des Bundesausschusses
der Ärzte und Krankenkassen in unvertretbarer Weise beschnitten.
Ein anderes Ergebnis rechtfertigt sich auch nicht aus den offenbar nunmehr neu gestellten Anträgen. Am
6.5.2002 ist ein Antrag zur PDT bei hoher Myopie gestellt worden, die bei der Klägerin nicht vorliegt. Am
18.9.2003 ist ein weiterer Antrag für einige neue Indikationen gestellt worden. Maßgeblich ist indes die
Sach- und Rechtslage zum Behandlungszeitpunkt, hier also am 23.7.2003. Zu dieser Zeit, wo ein
entsprechender Antrag noch nicht vorlag, lag ein Systemversagen offenkundig nicht vor. Dass es aber für
die Frage, ob eine Behandlungsmethode anerkannt bzw. systemwidrig nicht anerkannt wurde, auf den
Behandlungszeitpunkt ankommt, hat das BSG bereits entschieden (vgl. BSG, 8.2.2000 – B 1 KR 18/99 B -
). Daher musste das Gericht auf den Schriftsatz der Klägerin vom 3.9.2004 auch nicht vertagen.
Ein Anspruch der Klägerin kann sich auch nicht aus einer entsprechenden Anwendung der
Rechtsprechung des BSG zum sog. „Off-Label-Use“ von Arzneimitteln (vgl. BSG, 19.3.2002 – B 1 KR
37/00 R-) ergeben. Diese Entscheidung beruht maßgeblich auf Besonderheiten des Arzneimittelrechts
und kann schon deshalb nicht ohne weiteres auf die neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden
übertragen werden.
Zu berücksichtigen ist weiter, dass es einer entsprechenden Anwendung der Rechtsprechung zum „Off-
Label-Use“ nicht bedarf. Das BSG hat für die neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden mit den
Fällen des Systemversagens bereits Ausnahmefälle definiert, für deren Erweiterung es keinen Grund gibt.
Schließlich läge auch bei entsprechender Anwendung der Voraussetzungen des Off-label-use die dritte
Voraussetzung (nach Datenlage begründet Erfolgsaussicht), wie die Klägerin auch einräumt, nicht vor.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Behandlung bei der Klägerin offenbar erfolgreich
verlaufen ist. Es ist dem Versicherten, der sich eine vom Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen
nicht empfohlene Behandlung auf eigene Rechnung beschafft, im Kostenerstattungsverfahren der
Einwand abgeschnitten, die Methode sei gleichwohl zweckmäßig und in seinem konkreten Fall wirksam
gewesen bzw. lasse einen Behandlungserfolg zumindest als möglich erscheinen (vgl. BSG, 16.9.1997 – 1
RK 28/95 -).
Schließlich kann sich die Klägerin auch nicht auf Art.2 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) berufen.
Aus Art 2 Absatz 2 Satz 1 Grundgesetz kann kein Anspruch auf Bereithaltung spezieller
Gesundheitsleistungen hergeleitet werden, wie das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit Beschlüssen
vom 5. März 1997 (1 BvR 1071/95 - NJW 1997, 3085 = Breith 1997, 764 - Edelfosin; 1 BvR 1953/97 -
MedR 1997, 318 - Jomol; vgl. auch Beschluss vom 15. Dezember 1997 - 1 BvR 1953/97 - NJW 1998,
1775, 1776 - Heilpraktiker) bekräftigt hat. Die Bestimmung begründet zwar eine objektivrechtliche Pflicht
des Staates, sich schützend und fördernd vor das Rechtsgut Leben bzw. körperliche Unversehrtheit zu
stellen. Daran hat sich auch die Auslegung des geltenden Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung
zu orientieren. Der mit einer solchen Schutzpflicht verbundene grundrechtliche Anspruch ist jedoch im
Hinblick auf die den zuständigen Stellen einzuräumende weite Gestaltungsfreiheit bei der Erfüllung der
Schutzpflichten nur darauf gerichtet, dass die öffentliche Gewalt Vorkehrungen zum Schutz des
Grundrechts trifft, die nicht völlig ungeeignet oder völlig unzulänglich sind. Dies ist im SGB V durch die
Bereitstellung von Leistungen, die dem allgemein anerkannten Stand der Wissenschaft entsprechen,
geschehen. Durch die Rechtsprechung des BSG zum Systemversagen wird im übrigen sichergestellt,
dass eine ausreichend erprobte bzw. bewährte Methode auch dann dem Versicherten zur Verfügung
steht, wenn sie - aus Gründen, die in den Verantwortungsbereich der Ärzte und Krankenkassen fallen -
noch nicht in die NUB-RL aufgenommen wurde. Soweit der Versicherte auch die Bereitstellung von nicht
ausreichend erprobten Methoden begehrt, steht dem das öffentliche Interesse am Schutz des Versicherten
vor unbekannten Nebenwirkungen sowie am Erhalt der finanziellen Stabilität der Krankenversicherung
entgegen. Das in § 12 Absatz 1 SGB V enthaltene Wirtschaftlichkeitsgebot markiert die finanziellen
Grenzen, die der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung von der Belastbarkeit der
Beitragszahler und der Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaft gezogen werden (vgl. BSG, 28.3.2000 – B 1
KR 11/98 R -).
Hilfsweise sei zudem erwähnt, dass die Kammer erhebliche Zweifel daran hat, dass der sog.
„Beschaffungsweg“ eingehalten worden ist.
Die Beklagte hätte für die Kosten der am 23.7.2003 durchgeführten Behandlung nur aufzukommen, wenn
diese der Klägerin aufgrund einer rechtswidrigen Ablehnung der Kasse entstanden gewesen wären
(Kausalzusammenhang). Dies bedeutet, dass Kosten für eine selbstbeschaffte Leistung nur zu ersetzen
sind, wenn die Krankenkasse die Leistungsgewährung vorher abgelehnt hatte; ein Kausalzusammenhang
und damit eine Kostenerstattung scheiden aus, wenn der Versicherte sich die streitige Behandlung
außerhalb des vorgeschriebenen Beschaffungsweges selbst besorgt, ohne sich vorher mit seiner
Krankenkasse ins Benehmen zu setzen und deren Entscheidung abzuwarten (BSG, Beschluss vom
15.04.1997 - 1 BK 31/96; vgl. auch Urteil vom 10.02.1993 - 1 RK 31/92 = SozR 3-2200 § 182 Nr. 15). Die
Kostenerstattung ist im System der gesetzlichen Krankenversicherung gegenüber der Sachleistung die
Ausnahme. Den Krankenkassen muss zur Vermeidung von Missbräuchen vorab die Prüfung ermöglicht
werden, ob die beanspruchte Behandlung im Rahmen des vertragsärztlichen Versorgungssystems
bereitgestellt werden kann und, falls dies nicht möglich ist, ob sie zum Leistungsumfang der gesetzlichen
Krankenversicherung gehört, insbesondere den Anforderungen der Geeignetheit, Zweckmäßigkeit und
Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung (§ 12 Absatz 1 SGB V) genügt. Der Versicherte ist deshalb vor
Inanspruchnahme einer Behandlung außerhalb des Systems grundsätzlich gehalten, sich an seine
Krankenkasse zu wenden und die Gewährung zu beantragen. Er darf der Entscheidung der Kasse nicht
dadurch vorgreifen, dass er sich die erstrebte Behandlung außerhalb des Sachleistungssystems selbst -
privatärztlich - beschafft und die erforderliche Prüfung in das Verfahren der Kostenerstattung verlagert
(BSG a.a.O.). Da die Klägerin die Behandlung am 23.7.2003 hat durchführen lassen, ohne die Beklagte
einzuschalten und deren Entscheidung abzuwarten und erst nachträglich bei der Beklagten
vorgesprochen hat, scheitert ein Kostenerstattungsanspruch schon an der Einhaltung des
Beschaffungsweges.
Auch ein Notfall im Sinne des § 13 Absatz 3 SGB V hat zur Überzeugung der Kammer nicht vorgelegen.
Dies geht insbesondere aus der Stellungnahme des Klinikums … vom 24.7.2003 hervor, wonach die
chorioidale Neovaskularisation am linken Auge bereits am 8.2.2003 festgestellt worden sei. Auch am
2.7.2003 ist offenbar noch mal der Visus der Klägerin bestimmt worden. Es wäre also ohne weiteres Zeit
gewesen, einen Antrag vor Beginn der Behandlung zu stellen.
Die Klage ist nach alledem unbegründet, weil die PDT für die bei der Klägerin vorliegenden Indikation
nicht zugelassen ist und wohl auch der sog. Beschaffungsweg nicht eingehalten wurde.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits.
- Rechtsmittelbelehrung -
Rechtsmittelbelehrung
Dieses Urteil kann mit der Berufung angefochten werden.
Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils bei dem Landessozialgericht
Rheinland-Pfalz, Ernst-Ludwig-Straße 1, 55116 Mainz, schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des
Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Monatsfrist bei dem Sozialgericht
Speyer, Schubertstraße 2, 67346 Speyer, schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten
der Geschäftsstelle eingelegt wird.
Die Berufungsschrift muss innerhalb der Monatsfrist bei einem der vorgenannten Gerichte eingehen. Sie
soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung der
Berufung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.
Auf Antrag kann von dem Sozialgericht durch Beschluss die Revision zu dem Bundessozialgericht
zugelassen werden, wenn der Gegner schriftlich zustimmt. Der Antrag auf Zulassung der Revision ist
innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils bei dem Sozialgericht Speyer schriftlich zu stellen. Die
Zustimmung des Gegners ist dem Antrag beizufügen.
Lehnt das Sozialgericht den Antrag auf Zulassung der Revision durch Beschluss ab, so beginnt mit
der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Berufungsfrist von neuem, sofern der Antrag auf
Zulassung der Revision in der gesetzlichen Form und Frist gestellt und die Zustimmungserklärung des
Gegners beigefügt war.
Bei Zustellungen im Ausland gilt anstelle der oben genannten Monatsfristen eine Frist von drei Monaten.
gez. …
Ausgefertigt:
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Der Berufungsschrift und allen folgenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten
beigefügt werden.
Sp S 550 - Rechtsmittelbelehrung bei zulässiger oder zugelassener Berufung gegen Urteil ohne
zugelassene Revision
(§§ 87 Abs. 1 Satz 2, 136 Abs. 1 Nr. 7, 143, 144 Abs. 1, 151, 153, 161 SGG)