Urteil des SozG Saarbrücken vom 02.07.2008

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SG Saarbrücken Urteil vom 2.7.2008, S 12 AL 289/08
Arbeitslosengeld - Sperrzeit wegen verspäteter Arbeitsuchendmeldung - frühzeitige
Arbeitsuche - Ablauf der 3-Tages-Frist nur an Tagen mit Dienstbereitschaft
Leitsätze
Die 3-Tagesfrist des § 37b Satz 2 SGB III läuft nur an Werktagen (Öffnungstagen der
Agentur für Arbeit).
Tenor
1. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 30.01.2008 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 25.03.2008 verurteilt, an den Kläger Arbeitslosengeld mit
Beginn ab dem 26.01.2008 ohne eine Sperrzeit zu zahlen.
2. Die Beklagte hat dem Kläger dessen notwendige außergerichtliche Kosten zu erstatten.
3. Die Sprungrevision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich mit seiner Klage gegen ein Ruhen seines Anspruchs auf
Arbeitslosengeld durch die Anordnung einer Sperrzeit.
Der Kläger erhielt am Freitag, dem 11.01.2008, vom Arbeitgeber persönlich übergeben,
die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses bei der Firma F.B-F. GmbH. Die Kündigung
wurde zum 25.01.2008 ausgesprochen. Am Dienstag, dem 15.01.2008, meldete sich der
Kläger bei der Beklagten arbeitslos und stellte einen Antrag auf Bewilligung von
Arbeitslosengeld.
Mit Bescheid vom 30.01.2008 bewilligte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld gemäß
§ 117 SGB III ab dem 26.01.2008 für 360 Kalendertage. Dabei verfügte die Beklagte für
den Zeitraum vom 26.01.2008 bis 01.02.2008 eine Sperrzeit wegen verspäteter
Arbeitsuchendmeldung gemäß § 144 Abs. 1 Satz 2 Ziffer 7 SGB III. Vom 02.02.2008 bis
zum 25.01.2009 bewilligte die Beklagte sodann einen täglichen Leistungsbetrag in Höhe
von 26,34 EUR.
Mit Schreiben vom 26.02.2008 erhob der Kläger gegen diesen Bescheid am 28.02.2008
wegen der festgesetzten Sperrzeit Widerspruch und führte aus, dass er sich unverzüglich
nach Zugang der Kündigung mit der Beklagten am 15.01.2008 in Verbindung gesetzt
habe.
Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Bescheid vom 25.03.2008 als unbegründet
zurück. Die Anordnung der Sperrzeit ergebe sich aus den §§ 144 Abs.1 Satz 2 Ziffer 7,
Abs. 2 und Abs. 6, 37b SGB III. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruhe für die Dauer einer
Sperrzeit, wenn der Arbeitslose sich versicherungswidrig verhalten habe, ohne einen
wichtigen Grund zu haben. Ein solches versicherungswidriges Verhalten liege vor, wenn der
Arbeitslose seiner Meldepflicht nach § 37b SGB III nicht nachkomme. Der Kläger hätte sich
gemäß § 37b Satz 2 SGB III spätestens innerhalb von drei Tagen nach Kenntnis des
Beendigungszeitpunktes des Arbeitsverhältnis, also am 14.01.2008, persönlich bei der
Beklagten arbeitsuchend melden müssen. Da die Meldung erst am 15.01.2008 erfolgt sei,
habe sich der Kläger verspätet arbeitsuchend gemeldet, ohne dass ein wichtiger Grund
erkennbar sei.
Gegen diesen am 25.03.2008 zur Post gegebenen Bescheid hat der Kläger mit Schriftsatz
vom 16.04.2008 am 18.04.2008 Klage erhoben. Die Verhängung der Sperrzeit durch die
Beklagte sei unbegründet. Der Kläger habe die Kündigungserklärung am Freitag, dem
11.01.2008, nach Arbeitsende ausgehändigt erhalten. Eine Arbeitsuchendmeldung am
gleichen Tage sei ihm nicht möglich gewesen, da nach Arbeitsende die Geschäftsstelle der
Beklagten bereits geschlossen gehabt habe. Die ursprünglich geplante Vorsprache am
darauffolgenden Montag, dem 14.01.2008, sei an einer vorzuziehenden
Fahrzeugreparatur gescheitert. Der Kläger habe sich dann am darauffolgenden Dienstag,
dem 15.01.2008, bei der Beklagten arbeitsuchend gemeldet. Nach Auffassung des Klägers
könne die Bestimmung des § 37b SGB III bei verfassungskonformer Auslegung (Artikel 3
könne die Bestimmung des § 37b SGB III bei verfassungskonformer Auslegung (Artikel 3
GG) nur dahingehend zu verstehen sein, dass gerade bei dieser sehr kurzen Frist eine
solche von drei Werktagen gemeint sei. Würde man die Frist als Wochentage verstehen, so
läge eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung zu Arbeitnehmern vor, die eine
Kündigung etwa montags oder dienstags erhielten und denen sodann drei Werktage für
eine Arbeitsuchendmeldung zur Verfügung stünden. Dabei sei darauf hinzuweisen, dass
eine Arbeitsuchenmeldung bei der Beklagten, ob persönlich oder telefonisch, nur an
Werktagen möglich sei.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom
30.01.2008 und Aufhebung des Widerspruchsbescheids vom
25.03.2008 zu verurteilen, an den Kläger Arbeitslosengeld mit
Beginn ab dem 26.01.2008 ohne eine Sperrzeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen und die Berufung zuzulassen.
Die Beklagte hat zur Begründung ihres Antrages auf die Ausführungen im angefochtenen
Widerspruchsbescheid verwiesen. Entgegen der Auffassung des Klägers handele es sich bei
der Fristbestimmung des § 37b SGB III um drei Wochentage, nicht um drei Werktage.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf sämtliche
Schriftsätze der Beteiligten samt Anlagen und die sonstigen Aktenteile der Gerichtsakte
sowie weiter auf die beigezogene Leistungsakte der Beklagten unter dem Aktenzeichen
S369086 ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist in der Sache begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 30.01.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 25.03.2008 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Die Beklagte
hat zu Unrecht den Eintritt einer Sperrzeit wegen verspäteter Arbeitsuchendmeldung
gemäß §§ 144 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Ziffer 7, Satz 4, Abs. 2 und Abs. 6, 37b Satz 2 SGB
III festgestellt. Nach Auffassung der Kammer hat sich der Kläger fristgerecht bei der
Beklagten arbeitsuchend gemeldet.
Gemäß § 37b Satz 1 SGB III sind Personen, deren Arbeits- oder Ausbildungsverhältnis
endet, verpflichtet, sich spätestens drei Monate vor dessen Beendigung persönlich bei der
Agentur für Arbeit arbeitsuchend zu melden. Liegen, wie im vorliegenden Fall, zwischen der
Kenntnis des Beendigungszeitpunktes und der Beendigung des Arbeits- oder
Ausbildungsverhältnisses weniger als drei Monate, hat die Meldung innerhalb von drei
Tagen nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes zu erfolgen. Zur Wahrung der Frist nach
Satz 1 und 2 reicht eine fernmündliche Meldung aus, wenn die persönliche Meldung nach
terminlicher Vereinbarung nachgeholt wird.
Nach Auffassung der Kammer kann § 37b Satz 2 SGB III nur so verstanden werden, dass
die dort benannte Frist von drei Tagen drei Werktage meint. Die Gesetzesbegründung zu §
37b SGB III (Bundestagdrucksache 16/109 Seite 6) führt aus, dass die grundsätzlich
geltende Frist von drei Monaten die Möglichkeit einer freiwilligen, früheren
Arbeitsuchendmeldung unberührt lasse. So könnten die Agenturen für Arbeit
Arbeitsuchende auch schon früher als drei Monate vor Eintritt der Arbeitslosigkeit in die
Suche nach geeigneten Bewerbern einbeziehen. Leistungsrechtliche Konsequenzen bei
versicherungswidrigem Verhalten sollten grundsätzlich erst in einem Zeitraum von drei
Monaten vor dem tatsächlichen Eintritt der Arbeitslosigkeit erfolgen, da dann alle
Möglichkeiten genutzt werden müssten, um das Ziel, aus einer bestehenden Beschäftigung
heraus eine neue Arbeit zu finden, zu erreichen. Durch den einheitlichen dreimonatigen
Meldetermin könne die bisher erforderliche Sonderregelung für befristet Beschäftigte
entfallen. Dies sowie die Einführung einer nach Tagen bestimmten Reaktionsfrist in Satz 2
diene auch der Verwaltungsvereinfachung.
Aus dieser Gesetzesbegründung wird klar erkennbar, dass Sinn und Zweck der frühzeitigen
Arbeitsuchendmeldung derjenige ist, alle Möglichkeiten für den Betroffenen zu nutzen, um
aus einem bestehenden Beschäftigungsverhältnis heraus eine neue Arbeit zu finden.
Insbesondere sind die Personen, die sich arbeitsuchend melden, seitens der Agenturen für
Arbeit in die Suche nach geeigneten Bewerbern für offene Arbeitsstellen einzubeziehen.
Dies wiederum freilich setzt voraus, dass derartige Vermittlungsbemühungen der Agentur
für Arbeit ausgeführt werden können. Das jedoch ist nur an Werktagen als Öffnungstagen
der Agenturen für Arbeit, nicht an Wochenend- oder Feiertagen der Fall.
Auch soweit die Gesetzesbegründung von einer „Reaktionsfrist“ spricht, versteht die
Kammer den Willen des Gesetzgebers dahin, dass überhaupt die Möglichkeit zu einer
erwünschten Reaktion bestehen muss. Auch dies setzt die Möglichkeit voraus, dass die
Agentur für Arbeit zur Arbeitsuchendmeldung überhaupt persönlich aufgesucht oder
telefonisch erreicht werden kann. An Tagen fehlender Dienstbereitschaft ist das gerade
nicht möglich.
Zuletzt ist zur Gesetzesbegründung auszuführen, dass der Gesetzgeber auch selbst nicht
ausdrücklich von einer nach Kalendertagen zu bemessenden Frist spricht (vergleiche zu
Vorstehendem und wie hier vertreten auch Urteil des Sozialgerichts Dresden vom
01.04.2008, Aktenzeichen S 34 AL 769/07 – zitiert nach juris; Gerichtsbescheid des
Sozialgerichts Hamburg vom 20.04.2007, Aktenzeichen S 18 AL 829/06 – zitiert nach
juris; Niesel, SGB III Kommentar, München 2007, 4. Auflage, § 37b Rn 15; Winkler in Gagel,
SGB III Kommentar, München, Stand September 2007, § 37 b Rn 16).
Unter Beachtung der Auslegung von § 37b Satz 2 SGB III, wie soeben dargestellt, erfolgte
die Arbeitsuchendmeldung des Klägers am 15.01.2008 fristgerecht, so dass der Klage
stattzugeben war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht der Entscheidung in der
Hauptsache.
Die Zulassung der Sprungrevision (zugleich konkludente Zulassung der Berufung gemäß §
144 Abs. 2 Ziff. 1 SGG) folgt aus den §§ 161 Abs. 1 und Abs. 2, 160 Abs. 2 Ziffer 1 SGG,
da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.