Urteil des SozG Saarbrücken vom 28.02.2006

SozG Saarbrücken: krankenkasse, kündigung, abwerbung von kunden, unverzüglich, krankenversicherung, mitgliedschaft, abgabe, wiederholungsgefahr, form, erfüllung

SG Saarbrücken Entscheidung vom 28.2.2006, S 23 KR 500/05
Krankenversicherung - Krankenkasse - unverzügliche Ausstellung der
Kündigungsbestätigung - persönliche Übergabe der Kündigungsbestätigung - Verstoß gegen
die gemeinsamen Wettbewerbsgrundsätze der Aufsichtsbehörden
Leitsätze
Es ist wettbewerbswidrig, die Kündigungsbestätigung für einen Versicherten dadurch zu
verzögern, dass diesem angeboten wird, die Kündigungsbestätigung persönlich zu
überbringen.
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der
Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 EUR,
ersatzweise Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten, zu unterlassen, im geschäftlichen
Verkehr die Übersendung der Kündigungsbestätigung an einen Versicherten, der die
Mitgliedschaft bei der Beklagten aufgekündigt hat, dadurch zu verzögern, dass dem
Versicherten die persönliche Überbringung der Kündigungsbestätigung angeboten und ihm
zugleich mitgeteilt wird, man werde sich deshalb in den nächsten Tagen mit ihm in
Verbindung setzen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits, einschließlich der außergerichtlichen
Kosten der Klägerin.
Tatbestand
Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen rechtswidriger Werbermaßnahmen auf
Unterlassung in Anspruch.
Die Klägerin ist eine I.K., die auch in Rheinland-Pfalz zugelassen ist. Bei der Beklagten
handelt es sich um eine ebenfalls in Rheinland-Pfalz tätige Primärkrankenkasse.
Die Beklagte stellt seit einiger Zeit im Falle der Kündigung eines Mitglieds nicht eine
entsprechende Kündigungsbestätigung aus und übersendet sie dem Mitglied, sondern
kündigt zunächst schriftlich an, dass sie beabsichtigt diese Kündigungsbestätigung
persönlich vorbeizubringen und sie sich deshalb in den nächsten Tagen mit dem Mitglied
noch einmal in Verbindung setzen wird.
Wörtlich heißt es in den entsprechenden Schreiben:
"Die Kündigungsbestätigung erhalten Sie von uns persönlich. Da dieses Dokument sehr
wichtig ist, bieten wir Ihnen an, diese Kündigungsbestätigung vorbeizubringen. Wir werden
uns daher in den nächsten Tagen mit Ihnen in Verbindung setzen. "
Mit anwaltlichem Schreiben vom 14.09.2005 forderte die Klägerin und eine weitere I.K. -
I.K.P. - die Beklagte zur Unterlassung des entsprechenden Verhaltens auf, sowie zur
Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung.
Mit Telefaxschreiben vom 21.09.2005 lehnte die Beklagte die Abgabe der begehrten
Unterlassungserklärung mit dem Hinweis ab, dass ihr Vorgehen von der zuständigen
Aufsichtsbehörde bisher nicht beanstandet worden sei.
Die Klägerin trägt vor,
der Gesetzgeber habe gesetzlich Versicherten in den §§ 173 ff. SGB V zugestanden, frei zu
wählen, bei welcher Krankenkasse sie Mitglied sein möchten. Zum Krankenkassenwechsel
sei es erforderlich, bei der zukünftigen Krankenkasse eine Kündigungsbestätigung der
vorherigen Krankenkasse vorzulegen. Nach § 175 Abs. 4 S. 3 SGB V habe diese
Krankenkasse dem vorherigen Mitglied unverzüglich, jedoch spätestens innerhalb von zwei
Wochen nach Eingang der Kündigung eine Kündigungsbestätigung auszustellen.
Die Klägerin habe gegen die Beklagte einen Anspruch auf Unterlassung ihres Verhaltens im
Falle einer Kündigung eines Mitglieds nach § 8 Abs. 1 UWG.
Die Klägerin sei im Verhältnis zur Beklagten Mitbewerber im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3
UWG. Sie stehe in Rheinland-Pfalz in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis zur
Beklagten.
Das Verhalten der Beklagten verstoße gegen die §§ 3, 4 Nr. 11 UWG und die
"Gemeinsamen Wettbewerbsgrundsätze der Aufsichtsbehörden der gesetzlichen
Krankenversicherung vom 19.03.1998 in der Fassung vom 20.10.2000".
Die Formen und Grenzen der Werbung der Krankenkassen bestimmten sich nach ihren
Aufgaben und ihrem gesetzlichen Auftrag. Inhaltliche und formale Beschränkungen der
grundsätzlich zulässigen Werbung ergäben sich aus der Pflicht der Krankenkassen gemäß
der §§ 13 bis 15 SGB I zur Aufklärung, Beratung und Information des Versicherten sowie
aus dem Gebot, bei der Erfüllung dieser und anderer gesetzlicher Aufgaben mit den übrigen
Sozialversicherungsträgern, zu denen auch die konkurrierenden Krankenkassen gehörten,
zusammenzuarbeiten. Damit korrespondierend bestehe die Pflicht zur Unterlassung von
Tätigkeiten, die diesem Ziel zuwider laufen. Die konkurrierenden Krankenkassen hätten sich
im Rahmen ihrer gesetzlichen Verpflichtungen zu bewegen und auf die Belange anderer
Krankenversicherungsträger Rücksicht zu nehmen. Dabei seien zur Konkretisierung des
rechtmäßigen Wettbewerbsverhaltens der Krankenkassen die "Gemeinsamen
Wettbewerbsgrundsätze der Aufsichtsbehörden der gesetzlichen Krankenversicherung vom
19.03.1998 in der Fassung vom 20.10.2000" heranzuziehen. Daraus folge, dass die
Krankenkassen in ihrem Wettbewerbsverhalten die allgemeinen Wertmaßstäbe der §§ 1, 3
UWG zu beachten hätten gem. Rn. 4 der Gemeinsamen Wettbewerbsgrundsätze. Das
Wettbewerbsverhalten der Krankenkassen nicht sittenwidrig sein.
Das Verhalten der Beklagten verstoße gegen § 175 Abs. 4 S. 3 SGB V. Danach habe die
Beklagte die Kündigungsbestätigung unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von zwei
Wochen nach Eingang der Kündigung, auszustellen. Unverzüglich bedeute nach der auch im
Sozialrecht geltenden Legaldefinition des § 121 Abs. 1 BGB: ohne schuldhaftes Zögern. Ein
schuldhaftes Zögern der Beklagten bei der Absendung der Kündigungsbestätigung sei
allerdings schon darin zu sehen, dass dem Versicherten angeboten werde, diese persönlich
vorbeizubringen. Dies werde in der Regel länger dauern als die üblichen Laufzeiten der Post.
Dafür könne nicht die besondere Wichtigkeit der Kündigungsbestätigung für den
Versicherten als Rechtfertigung herangezogen werden, weil eine entsprechend sichere
Versendung der Kündigungsbestätigung auch auf dem Postwege erfolgen könnte. Ein
schuldhaftes Zögern der Beklagten ist weiter darin zu sehen, dass die Übermittlung der
Kündigungsbestätigung von einer weiteren Kontaktaufnahme der Beklagten mit dem
Versicherten "in den nächsten Tagen" abhängig gemacht werde. Das Verhalten der
Beklagten verfolge erkennbar den Zweck, ein "Nachbearbeiten" des Versicherten zu
ermöglichen, der seine Kündigung gegenüber der Beklagten bereits ausgesprochen hat.
Diese Absicht ergebe sich erkennbar auch aus dem Wortlaut des vorgelegten Schreibens
vom 08.08.2005. Dem Versicherten werde nochmals eine Checkliste vorgelegt, mit der er
das Angebot der neuen Krankenkasse überprüfen solle, sowie Informationsmaterial, in dem
die Vorteile der Beklagten zusammengefasst würden. Nach der gesetzlichen Verpflichtung
habe die Beklagte lediglich die Kündigungsbestätigung zu übersenden. Das Verhalten der
Beklagten ziele darauf ab, dass sich der Versicherte, der bereits seine Kündigung
ausgesprochen habe, nochmals mit dem Angebot der Beklagten auseinandersetzen und im
weiteren Kontakt mit der Beklagten seine Kündigung rechtfertigen müsse. Das Verhalten
der Beklagten verstoße daher gegen den Sinn und Zweck des vom Gesetzgeber
vorgesehenen Wahlrechts der Versicherten, das gerade durch die unverzügliche
Übersendung der Kündigungsbestätigung sichergestellt werden solle. § 175 Abs. 4 S. 3
SGB V verfolge zumindest auch den Zweck, das Marktverhalten der Krankenkasse im
Interesse von konkurrierenden Krankenkassen und Versicherten zu regeln.
Eine Wiederholungsgefahr sei gegeben. Sie ergibt sich schon aus dem Umstand, dass die
Beklagte die Abgabe, einer strafbewehrten Unterlassungserklärung verweigert habe.
Die Beklagte könne sich nicht damit rechtfertigen, dass ihr wettbewerbswidriges Verhalten
bisher nicht von der zuständigen Aufsichtsbehörde beanstandet worden sei.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der
Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 EUR,
ersatzweise Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten, zu unterlassen, im geschäftlichen
Verkehr die Übersendung der Kündigungsbestätigung an einen Versicherten, der die
Mitgliedschaft bei der Beklagten aufgekündigt hat, dadurch zu verzögern, dass dem
Versicherten die persönliche Überbringung der Kündigungsbestätigung angeboten und ihm
zugleich mitgeteilt wird, man werde sich deshalb in den nächsten Tagen mit ihm in
Verbindung setzen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte trägt vor,
aus dem Klagevorbringen der Klägerin ergebe sich kein wettbewerbswidriges Verhalten der
Beklagten. Ein von der Klägerin behaupteter Verstoß gegen die §§ 3, 4 Nr. 11 UWG und die
Gemeinsamen Wettbewerbsgrundsätze der Aufsichtsbehörden liege insbesondere nicht
vor.
Die Klägerin sehe einen Verstoß gegen § 175 Abs. 4 Satz 3 SGB V durch die Beklagte;
damit einhergehend unlauteren Wettbewerb durch die Beklagte in Form der
Zuwiderhandlung gegen eine gesetzliche Vorschrift, die auch dazu bestimmt sei, im
Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln.
Das fehlerhafte Rechtsverständnis der Klägerin liege in ihrer Definition des Begriffs
"unverzüglich" i.S. des § 175 Abs. 4 Satz 3 SGB V, ihrer Überzeugung, der Beklagten sei
jegliches "Nacharbeiten" einer Kündigung untersagt und ihrer Auffassung im
Klageschriftsatz, "nach der gesetzlichen Verpflichtung hat die Beklagte lediglich die
Kündigungsbestätigung zu übersenden."
Die Klägerin sei also der Auffassung, dass die Verpflichtung, eine Kündigungsbestätigung
auszustellen gleichbedeutend sei mit der Verpflichtung zur Übersendung einer
Kündigungsbestätigung. Die Auslegung durch die Klägerin sei diesbezüglich unzutreffend,
werde von ihr auch nicht begründet und belaste sich aufgrund des eindeutigen Wortlautes
dieser gesetzlichen Vorschrift auch nicht begründen.
Des Weiteren sei natürlich ein Nachbearbeiten einer Kündigung dem Grunde nach zulässig.
Es sei im Wettbewerbsrecht unbestritten und auch durch die Sozialgerichte bestätigt (vgl.
LSG-Beschluss vom 03.05.2005, Au: L 1 ER 11/05 KR), dass die Abwerbung von Kunden
grundsätzlich erlaubt ist. Ebenso gelte dies für die "Nachbearbeitung" von Kündigungen.
Auch hier dürfe das gekündigte Unternehmen Anstrengungen unternehmen, um mit dem
Kunden in Kontakt zu treten. Hierzu gehöre natürlich auch die Übersendung von weiterem
Informationsmaterial.
Letztlich - und von entscheidender Bedeutung - ergebe sich ein Gesetzesverstoß schon aus
der Formulierung der beanstandeten Vorschrift nicht. Ausdrücklich spreche § 175 Abs. 4
Satz 3 SGB V davon, dass die Kündigungsbestätigung unverzüglich, spätestens jedoch
innerhalb von zwei Wochen nach Eingang der Kündigung, auszustellen sei. Hier gebe der
Gesetzgeber sogar den Zeitrahmen vor, innerhalb dessen von einer unverzüglichen
Ausstellung auszugehen sei. Er sehe einen Zeitrahmen von zwei Wochen als Vorgabe an.
Ein Vergleich zur Regelung in § 175 Abs. 2 Satz 1 SGB V bestätige diese Auffassung.
Hiernach habe die gewählte Krankenkasse nach Ausübung des Wahlrechts unverzüglich
eine Mitgliedsbescheinigung auszustellen. Hier verzichte der Gesetzgeber ausdrücklich auf
eine klarstellende zeitliche Vorgabe, so dass (lediglich) in diesem Fall auf die geltende
Legaldefinition des § 121 Abs. 1 BGB (ohne schuldhaftes Zögern) abgestellt werden könne.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
Das angerufene Sozialgericht ist sachlich und örtlich zuständig.
Der Rechtsweg zum Sozialgericht ist bei Streitigkeiten zwischen gesetzlichen
Krankenkassen und Innungskrankenkassen über Maßnahmen zur Werbung von Mitgliedern
eröffnet.
Das angerufene Sozialgericht ist auch gemäß § 57 SGG örtlich zuständig.
Der Klägerin steht gegenüber der Beklagten der geltend gemachte Unterlassungsanspruch
zu, da das beanstandete Verhalten der Beklagten wettbewerbswidrig ist und auch
Wiederholungsgefahr besteht.
Die Rechtswidrigkeit des Handelns der Antragsgegnerin ergibt sich zwar nicht direkt aus
dem UWG, da dieses nicht unmittelbar auf die Rechtsbeziehungen zwischen Gesetzlichen
Krankenkassen anwendbar ist (vgl. BSG, Urteil vom 25.9.2001, Az.: B 3 KR 3/01).
Beschränkungen ergeben sich jedoch hinsichtlich von Form und Inhalt von Maßnahmen der
Mitgliederwerbung aus der Pflicht zur Aufklärung, Beratung und Information der
Versicherten (§§ 13 – 15 SGB I) sowie aus dem Gebot, bei der Erfüllung dieser und anderer
gesetzlicher Aufgaben mit den übrigen Sozialversicherungsträgern zusammenzuarbeiten (§
15 Abs. 3 SGB I; § 86 SGB X). Wie bei jeder Handlungspflicht korrespondiert damit eine
Pflicht zur Unterlassung von Tätigkeiten, die dem Handlungsziel zuwider laufen. Wird
deshalb bei der Werbung die Pflicht zur sachbezogenen Information und zur
Rücksichtnahme auf die Belange der anderen Krankenversicherungsträger nicht beachtet,
kann sich daraus ein Anspruch des beeinträchtigten Trägers auf Unterlassung der
unzulässigen Werbemaßnahmen ergeben (BSG, Urteil vom 31.3.1998, Az.: B 1 KR 9/95
R).
Dabei sind die „gemeinsamen Wettbewerbsgrundsätze der Aufsichtsbehörden der
Gesetzlichen Krankenversicherung vom 19.3.1998“ in der Fassung vom 20.10.2000 zu
beachten. Diese sind zwar keine Rechtsnormen, sondern Verwaltungsvorschriften zur
Auslegung des einschlägigen Sozialrechts, aber unter dem Gesichtspunkt der
Selbstbindung der Verwaltung auch im gerichtlichen Verfahren zu berücksichtigen (vgl.
hierzu Koenig, Engelmann, Hentschel, „Die wettbewerbsrechtliche Beurteilung von
Werbemaßnahmen Gesetzlicher Krankenkassen“, WRP 2003, 831, 834).
Durch das streitgegenständliche beanstandete Verhalten der Beklagten hat diese gegen die
oben genannten Grundsätze bereits dadurch verstoßen, dass sie ihrer gesetzlichen
Verpflichtung nicht nachkommt.
Gemäß § 175 Abs.4 S.3 SGB V hat die Krankenkasse, deren Mitglied gekündigt,
unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von zwei Wochen nach Eingang der Kündigung
eine Kündigungsbestätigung auszustellen. Dadurch, dass die Beklagte die zwingend
vorgeschriebene Kündigungsbestätigung nicht übersendet, sondern anbietet, diese bei dem
Mitglieder „vorbeizubringen“ und sich zu diesem Zwecke in den nächsten Tagen mit
diesem in Verbindung zu setzen, erfüllt sie die genannte Verpflichtung nicht. Dabei verkennt
die Beklagte in kaum nachvollziehbarer Weise den Begriff „unverzüglich“ in der genannten
Vorschrift. Gemäß der Legaldefinition des § 121 BGB bedeutet dieser „ ohne schuldhaftes
Zögern“. Dies bedeutet, dass die Beklagte verpflichtet ist, sofort nach Überprüfung der
vorgenommenen Kündigung durch das Mitglied diesem die Kündigungsbestätigung
zukommen zu lassen. Dieser Verpflichtung kommt die Beklagten nicht nach, wenn sie die
Mitglieder zuerst anschreibt und in diesem Schreiben erst einmal anbietet, die
Kündigungsbestätigung persönlich vorbeizubringen. Ein Zögern im o. g. Sinne tritt – ohne
dass dies weiterer Erläuterung bedarf – allein dadurch ein, dass in diesem Anschreiben
nicht, wie es technisch möglich wäre, die Kündigungsbestätigung enthalten ist, sondern
lediglich das oben genannte Anbieten der Beklagten. Dadurch dass das Mitglied durch ein
solches Vorgehen der Beklagten gezwungen ist, sich mit der Beklagten als Antwort auf das
Anschreiben zuerst noch einmal mit dieser in Verbindung zu setzen und danach erst – je
nach Antwort des Mitglieds – die Kündigungsbestätigung entweder übersandt oder
persönlich vorbeigebracht wird, entsteht eine nicht unerhebliche Verzögerung, die in jedem
Fall schuldhaft im Sinne der genannten Vorschrift ist.
Entgegen der Ansicht der Beklagten kann die Vorschrift des §175 Abs.4 S.3 SGB V auch
nicht dahingehend ausgelegt werden, dass die Krankenkassen stets zwei Wochen für die
Übermittlung der Kündigungsbestätigung Zeit haben. Denn die in der Vorschrift genannte
Zweiwochenfrist stellt eine absoluten Fristbeschränkungen dar, wie sich aus der
Formulierung „ spätestens“ unschwer ergibt. Dies bedeutet, das unabhängig von einem
etwa unverschuldeten Zögern spätestens nach Ablauf der Zweiwochenfrist die
Kündigungsbestätigung dem Mitglied zur Verfügung stehen muss.
Dabei ist der Beklagten zuzugestehen, dass das Gesetz nicht vorschreibt, in welcher Art
und Weise die Kündigungsbestätigung dem Mitglied übermittelt wird. Keineswegs darf die
Übermittlung jedoch davon abhängig gemacht werden, dass das kündigenden Mitglied den
persönlichen Besuch eines Mitarbeiters der Krankenkasse auf sich nehmen muss. Allein das
Ansinnen der Beklagten, die Kündigungsbestätigung persönlich vorbeibringen zu wollen ist
in der Regel für das Mitglied nicht zumutbar. Dabei ist es durchaus zulässig, bei der
Kündigung eines Mitgliedes durch weitere Informationen zu versuchen, die Kündigung noch
abzuwenden. Dies darf jedoch nicht mit der Übermittlung der Kündigungsbestätigung in der
Art und Weise verknüpft werden, wie dies die Beklagte vorliegend tut. Zu berücksichtigen
ist dabei, dass das Mitglied in der Regel dringend auf die Kündigungsbestätigung
angewiesen ist, da gemäß § 175 Abs.2 S.2 SGB V eine Mitgliedsbescheinigung bei einer
anderen Krankenkasse nur nach Vorlage der Kündigungsbestätigung ausgestellt werden
darf, wenn, wie dies häufig der Fall ist, innerhalb der letzten 18 Monate vor Beginn der
Versicherungspflicht eine Mitgliedschaft bei einer anderen Krankenkasse bestanden hat.
Durch das Verhalten der Beklagten wird das Mitglied somit in der freien Ausübung eines
Wahlrechts in unzulässiger Weise eingeschränkt. Um zeitnah eine Kündigungsbestätigung
seitens der Beklagten zu erhalten sind Mitglieder, wie dies die Klägerin in ihrem Schriftsatz
vom 21. Februar 2006 an Hand eines Versicherten, der dies auch an Eides statt versichert
hat, dargestellt hat, darauf angewiesen, sich die Kündigungsbestätigung bei der Beklagten
abzuholen. Dies widerspricht nicht nur, wie oben dargelegt, dem Wortlaut der gesetzlichen
Vorschrift, sondern auch dem Sinn und Zweck dieser Regelung.
Die Beklagte hat ihr Vorgehen offensichtlich allein deshalb so angelegt, um ein
„Nachbearbeiten “ durch persönliche Kontaktaufnahme mit dem Versicherten zu erreichen.
Dies folgt erkennbar aus dem Wortlaut des von der Beklagten verwandten Schreibens.
Dort wird dem Versicherten nochmals eine Checkliste vorgelegt, mit er das Angebot der
neuen Krankenkasse überprüfen soll, sowie Informationsmaterial, in dem die Vorteile der
Beklagten zusammengefasst werden. Zwar ist dies für sich allein zulässig, nicht jedoch
dann, wenn es in unmittelbarem Zusammenhang mit der Übermittlung der
Kündigungsbestätigung geschieht. Es ist davon auszugehen, dass ein Mitglied, das die
Mitgliedschaft bei einer Krankenkasse nicht mehr wünscht und sich für eine andere
Krankenkasse entschieden hat, keinen Hausbesuch eines Mitarbeiters der gekündigten
Krankenkasse wünscht, da er dann sein Verhalten rechtfertigen muss. Solche
Hausbesuche haben daher in der Regel einen belästigenden Charakter und verstoßen somit
gegen die gemeinsame Wettbewerbsgrundsätze der Aufsichtsbehörden der gesetzlichen
Krankenversicherung.
Als mit der Beklagten im Wettbewerb stehende Krankenversicherung hat die Klägerin somit
einen Anspruch auf Unterlassung des streitgegenständlichen Verhaltens.
Denn die Beklagte hat nicht nur der Vergangenheit sich in dem oben genannten Sinne
wettbewerbswidrig verhalten, es besteht auch für die Zukunft Wiederholungsgefahr. Dies
folgt nicht nur daraus, dass die Beklagten die von der Klägerin begehrte strafbewehrte
Unterlassungserklärung nicht abgegeben hat, sondern auch daraus, dass die Beklagte in
dem vorliegenden Rechtsstreit die Meinung vertritt, sich wettbewerbskonform zu
verhalten.
Der Klage war daher in vollem Umfang stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG.