Urteil des SozG Reutlingen vom 10.06.2015

gerichtsbarkeit, ausschluss, überzeugung

SG Reutlingen Beschluß vom 10.6.2015, S 8 SF 3388/14 E
Sozialgerichtliches Verfahren - Bezugnahme auf Kostenfestsetzungsbeschluss
im Erinnerungsverfahren
Leitsätze
Zur Möglichkeit der Bezugnahme auf die Gründe des Kostenfestsetzungsbeschlusses
gem. § 142 Abs 2 S. 3 SGG im Erinnerungsverfahren.
Tenor
1. Die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der
Geschäftsstelle vom 04.12.2014 wird zurückgewiesen.
2. Die Erinnerungsführerin trägt die außergerichtlichen Kosten des
Erinnerungsgegners.
Gründe
1 Die Erinnerung ist statthaft und zulässig, vgl. § 197 Abs. 2 SGG.
2 Sie ist jedoch nicht begründet, da der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle zurecht
eine Terminsgebühr nach der Nr. 3106 VV RVG angesetzt und die Gebühren auch
in der Höhe zutreffend festgestellt hat.
3 Zur weiteren Darstellung der Gründe wird auf die zutreffenden Ausführungen des
Urkundsbeamten der Geschäftsstelle im Kostenfestsetzungsbeschluss vom
04.12.2014 in entsprechender Anwendung des § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG Bezug
genommen, denen das Gericht folgt.
4 Nach dieser Regelung bedürfen Beschlüsse, die über ein Rechtsmittel
entscheiden, keiner weiteren Begründung, soweit das Gericht das Rechtsmittel
aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.
5 Nach dem Wortlaut ist diese Regelung zwar nur auf Beschlüsse anwendbar,
welche über ein Rechtsmittel entscheiden, wohingegen die hier gegenständliche
Erinnerung lediglich ein Rechtsbehelf ist, da es ihr an der sog. Devolutivwirkung
mangelt.
6 Das Gericht geht hier jedoch von einer unbeabsichtigten Regelungslücke seitens
des Gesetzgebers aus. Nach dem Gesetzentwurf zum 6. Gesetz zur Änderung
des Sozialgerichtsgesetzes (Bundestagsdrucksache 14/5943), der
diesbezüglichen Beschlussempfehlung und dem Bericht des Ausschusses für
Arbeit und Sozialordnung (Bundestagdrucksache 14/6335), welche der Einführung
dieser Regelungen vorangingen, sollten die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit
entlastet und die gerichtlichen Verfahren beschleunigt werden. Eine Begründung,
weswegen dies nur für Rechtsmittel und nicht für Rechtsbehelfe wie die Erinnerung
gelten solle, findet sich nicht. Ebenso keine Einschränkung dieses
Entlastungsvorhabens auf die Beschwerdegerichte, es wird vielmehr die
Sozialgerichtsbarkeit an sich als Begünstige benannt.
7 Auch unabhängig von den Ausführungen des Gesetzgebers sind sachliche
Gründe für diese Einschränkung nicht ersichtlich (vgl. Pawlak in Hennig, SGG, §
142 Randnummer 32 b), Hintz in BeckOK SGG § 142 Rn. 2 - gegen die
entsprechende Anwendung: Bolay in Handkommentar SGG, § 142, Rn. 14).
8 Nach Überzeugung des Gerichts lässt sich ein Ausschluss der
Begründungserleichterung des § 142 Abs. 2 S. 3 SGG für das
Erinnerungsverfahren schlussendlich nicht damit begründen, bei Entscheidungen
über Rechtsmittel sei zuvor bereits eine richterliche Entscheidung erfolgt, bei
Kostenfestsetzungsbeschlüssen jedoch nicht. Denn das Sozialgerichtsgesetz
bietet im Rahmen des § 136 Abs. 3 SGG sogar die Möglichkeit, im Rahmen von
Urteilen und Gerichtsbescheiden von einer weiteren Darstellung der
Entscheidungsgründe durch Bezugnahme auf die Begründung des angefochtenen
Verwaltungsaktes bzw. Widerspruchsbescheides abzusehen. In diesem Fall liegt
nicht nur keine vorhergehende richterliche Entscheidung vor - ebenso keine
vorherige Entscheidung einer unabhängigen Stelle aus der Gerichtsbarkeit, wie sie
bei einem Kostenfestsetzungsbeschluss gerade gegeben ist -, sondern lediglich
eine Entscheidung eines am Rechtsstreit unmittelbar Beteiligten.
9 Da Sinn und Zweck dieser Regelung somit die Vereinfachung des
sozialgerichtlichen Verfahrens ist, gelangt das Gericht unter dem Gesichtspunkts
des argumentum a maiore ad minus zu der Auslegung, dass diese Regelung nicht
nur auf Entscheidungen im Beschlusswege über Rechtsmittel als den
weitestgehenden Rechtsbehelfen anzuwenden ist, sondern auch auf
Entscheidungen über Rechtsbehelfe wie die Erinnerung.
10 Die auch in Erinnerungsverfahren gebotene Kostenentscheidung (vgl. Meyer-
Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 11. Aufl., § 197, Rn. 10) beruht auf
einer analogen Anwendung des § 193 SGG.
11 Diese Entscheidung ist endgültig, § 197 Abs. 2 SGG.