Urteil des SozG Reutlingen vom 20.07.2005
SozG Reutlingen: untätigkeitsklage, erlass, gebühr, behörde, post, verwaltungsakt, erfüllung, vorverfahren, vergleich, sozialleistung
Sozialgericht Reutlingen
Beschluss vom 20.07.2005 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Reutlingen S 12 AS 2202/06 A
Die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 09.06.2006
wird zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten darüber, in welcher Höhe die Beklagte der Klägerin Kosten zu erstatten hat.
Die am 28.10.2005 erhobene Untätigkeitsklage wurde mit Schriftsatz vom 23.12.2005 zurückgenommen, nachdem die
Beklagte am 25.11.2005 den begehrten Widerspruchsbescheid erlassen hatte. Mit Schreiben vom 16.01.2005 erklärte
sich die Beklagte dem Grunde nach zur Tragung der außergerichtlichen Kosten bereit.
Mit Schreiben vom 16.03.2006 übersandte der Prozessbevollmächtigte folgende Kostenrechnung:
Geschäftsgebühr gem. § 14 I RVG, Nr. 2500 VV 240,00 Euro Verfahrensgebühr, § 14 I RVG, Nr. 3102 VV 250,00
Euro Erledigungsgebühr, § 14 I RVG, Nr. 1006 VV 190,00 Euro Auslagenpauschale für Post- und
Telekommunikationsdienstleistungen, Nr. 7002 VV 20,00 Euro 16,00 % Umsatzsteuer 112,00 Euro 812,00 Euro
Mit Schreiben vom 20.04.2006 teilte der Beklagte mit, dass er insgesamt nur bereit sei Kosten in Höhe von 252,30
Euro zu erstatten. Zur Begründung führte der Beklagte aus, vorliegend sei eine geringere Gebühr als die Mittelgebühr
anzusetzen. Außerdem sei für dieses Verfahren keine Erledigungsgebühr Nr. 1006 VV angefallen. Die bloße
Einlegung einer Klage und deren Begründung seien ebenso wenig geeignet diesen Gebührentatbestand zu erfüllen,
wie eine bloße Erledigungserklärung.
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 09.06.2004 setzte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle die dem Kläger zu
erstattenden Kosten auf 498,80 Euro nebst fünf Prozent Zinsen hieraus seit dem 20.03.2006 nach Maßgabe der
nachfolgend stehenden Kostenaufstellung fest: Geschäftsgebühr Nr. 2500 VV 240,00 Euro Verfahrensgebühr Nr. 3103
VV 170,00 Euro Auslagenpauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen, Nr. 7002 VV 20,00 Euro
16,00 % Umsatzsteuer 68,80 Euro 498,80 Euro
Zur Begründung wurde ausgeführt, dem Antrag vom 16.03.2006 habe nicht entsprochen werden können, da er unbillig
gewesen sei. Eine Gebühr nach 1006 VV sei nicht entstanden, da der Rechtstreit nicht durch Vergleich erledigt
worden sei. Da der Klägervertreter bereits im Vorverfahren tätig geworden sei entstehe eine Geschäftsgebühr aus VV
2500 und dadurch die Verfahrensgebühr des VV 3103 (und nicht aus 3102). Zum Ansatz komme die Regel- bzw.
Mittelgebühr. Gründe für eine Abweichung hiervon seien nicht erkennbar.
Hiergegen richtet sich die am 14.06.2005 beim Gericht eingegangene Erinnerung der Klägerin. Hierin führt der
Prozessbevollmächtigte der Klägerin aus, dass entgegen den Ausführungen im Kostenfestsetzungsbeschluss eine
Erledigungsgebühr entstehe, wenn sich die Rechtssache ganz oder teilweise durch Erlass eines bisher abgelehnten
Verwaltungsaktes erledige.
II.
Zu überprüfen war vorliegend die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der
Geschäftsstelle vom 09.06.2006. Die gemäß § 197 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Erinnerung ist
unbegründet. Die durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vorgenommene Festsetzung ist rechtlich nicht zu
beanstanden.
Zunächst wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die im Ergebnis zutreffenden Darstellungen der angefochtenen
Entscheidung Bezug genommen.
Streitig ist entsprechend der Begründung der eingelegten Erinnerung allein, ob hier zusätzlich eine Erledigungsgebühr
entstanden ist. Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass nur seitens der Klägerin Erinnerung eingelegt wurde
und eine Verböserung insoweit nicht zulässig ist (Meyer -Ladewig, SGG, § 197, Rn. 10). Es kann daher dahingestellt
beleiben, ob im Rahmen der vorliegend unproblematischen Untätigkeitsklage tatsächlich der Ansatz der Mittelgebühr
gerechtfertigt ist. Hieran könnten insoweit Bedenken bestehen als die Untätigkeitsklage lediglich darauf gerichtet war,
den Abschluss des Vorverfahrens zu erreichen und noch nicht dazu führen konnte, eine bestimmte Sozialleistung zu
erzielen.
Hinsichtlich der geltend gemachten Erledigungsgebühr sind folgende ergänzende Anmerkungen zu machen: Eine
Erledigungsgebühr entsteht, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit
einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsaktes durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt. Das gleiche gilt, wenn
sich eine Rechtssache ganz oder teilweise durch Erlass eines bisher abgelehnten Verwaltungsaktes erledigt (Nr. 1002
Vergütungsverzeichnis - VV - der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG). Die Erledigungsgebühr beläuft sich auf 30,00 bis
350,00 EUR (Nr. 1006 VV). Die Erledigungsgebühr nach Nr. 1002 i. V. m. Nr. 1006 VV setzt eine erhebliche
Mitwirkung des Rechtsanwalts im Sinne eines besonderen Bemühens um eine außergerichtliche Erledigung des
Rechtsstreits voraus. Dies gilt nach Ansicht des Gerichts auch nach Nr. 1002 S.2 VV, der nach seinem Wortlaut
("das gleiche gilt") auf die nach S.1 erforderliche Mitwirkung Bezug nimmt. Die bloße Einlegung und Begründung eines
Rechtsbehelfs, einer Klage oder eines Rechtsmittels ist damit ebenso wenig geeignet, den Gebührentatbestand zu
erfüllen, wie eine bloße Erledigungserklärung (so ausdrücklich LSG Baden - Württemberg, Beschluss vom 07.03.2006,
Az.: L 3 AL 353/06 NZB). Der Anwalt muss vielmehr über die bloße Erfüllung des Verfahrensauftrages hinaus
zusätzlich Besonderes gerade mit dem Ziel der Erledigung der Rechtssache geleistet haben, ohne welches es zu der
Erledigung in dieser Weise nicht gekommen wäre (Gerold/Schmidt - von Eicken, RVG, VV 1002, Rn. 8). Vor diesem
Hintergrund teilt das Gericht die teilweise vertretene Auffassung (vgl. Beschluss SG Aachen vom 16.03.2005, Az.: S
11 RJ 90/04; SG Mannheim, Beschluss vom 06.09.2005, Az.: S 4 KR 2037/05 KO-A; anzumerken ist hierzu, dass
von beiden SGs eine niedrigere Gebühr als die Mittelgebühr angesetzt wurde) im Rahmen einer Untätigkeitsklage falle
immer eine Erledigungsgebühr an, da sich die Rechtssache durch den Erlass des Verwaltungsaktes erledige, nicht
(ebenso wie das erkennende Gericht: SG Freiburg, Beschluss vom 18.02.2003, Az.: S 10 KA 207/03 KO-A;
Finanzgericht des Saarlandes, Beschluss vom, 14.11.1994, Az.: 2 S 184/94). Eine besondere Erledigungsbemühung
neben der reine Erhebung der Untätigkeitsklage ist weder ersichtlich noch vorgetragen.
Soweit Nr. 1002 S. 2 VV formuliert, die Gebühr entstehe auch dann, "wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise
durch Erlass eines bisher abgelehnten Verwaltungsaktes erledigt", bestehen beim Gericht zudem grundsätzliche
Bedenken, ob hierunter die Konstellation einer Untätigkeitsklage zu fassen ist. Im Gegensatz zur Verpflichtungsklage
ist die Konstellation einer Untätigkeitsklage nämlich in den allermeisten Fällen gerade nicht dadurch geprägt, dass die
Behörde es bisher abgelehnt hat einen Verwaltungsakt zu erlassen, sondern allein die faktische Untätigkeit führt zur
Notwendigkeit der Untätigkeitsklage. D.h. die Behörde hat bisher überhaupt keine Entscheidung und damit eben auch
keine Ablehnung getroffen. In einer solchen Situation, die auch dem vorliegenden Rechtsstreit zu Grunde lag, kann
nach Ansicht des Gerichts daher nicht davon gesprochen werden, dass die Behörde bisher den Erlass eines
Verwaltungsaktes abgelehnt hat.
Diese Entscheidung ist endgültig (§ 197 Abs. 2 SGG).