Urteil des SozG Reutlingen vom 20.10.2005

SozG Reutlingen: arbeitskraft, unternehmen, arbeitsentgelt, besondere härte, ausführung, mitarbeit, gütergemeinschaft, versicherungspflicht, güterstand, vergütung

Sozialgericht Reutlingen
Urteil vom 20.10.2005 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Reutlingen S 10 KR 2199/03
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist im Streit, ob die Klägerin in der Zeit vom 01.03.1987 bis 31.10.2004 (mit
Unterbrechungen) im Unternehmen ihres Ehemannes ... (dem Beigeladenen zu Ziffer 2) sozialversicherungspflichtig
beschäftigt war.
Die am ... geborene Klägerin beantragte am 30.12.2002 unter Vorlage einer Vollmacht für ... von der Firma ...,
Projektkoordination in ..., die versicherungsrechtliche Beurteilung ihrer Tätigkeit als "Geschäftsführerin". Nach der
vorgelegten Bescheinigung ihres Ehemannes, dem Beigeladenen zu Ziffer 2, vom 20.12.2002, war die Klägerin ab
dem 01.03.1987 als Geschäftsführerin für den Bereich Buchhaltung/Rezeptabrechnung in seinem Unternehmen " ..."
(Physiotherapie u.a.) tätig. Die Klägerin sei von den Beschränkungen des §§ 181 BGB befreit, arbeite stets
weisungsfrei und habe Alleinvertretungsvollmacht. Ihre fachlichen Kenntnisse hätten maßgeblichen Einfluss und ihre
Tätigkeit sei aufgrund von familienhaften Rücksichtnahmen durch ein gleichberechtigtes Nebeneinander zum Inhaber
geprägt. Unter gewissen Voraussetzungen erhalte sie Gewinnbeteiligung und müsse auch evtl. Verluste mittragen. Im
"Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen
Angehörigen" erklärten die Klägerin und der Beigeladene zu Ziffer 2 mit Datum vom 15.01.2003, die Tätigkeit der
Klägerin werde nicht aufgrund einer arbeitsvertraglichen Vereinbarung ausgeübt. Sie sei nicht wie eine fremde
Arbeitskraft in den Betrieb eingegliedert. Ohne ihre Mitarbeit müsste nicht eine andere Arbeitskraft eingestellt werden.
An Weisungen des Betriebsinhabers über die Ausführung der Arbeit sei sie nicht gebunden. Sie könne ihre Tätigkeit
frei bestimmen und gestalten und wirke bei der Führung des Betriebes - z.B. aufgrund besonderer Fachkenntnisse -
mit. Die Mitarbeit sei durch ein gleichberechtigtes Nebeneinander zum Betriebsinhaber geprägt. Ein Urlaubsanspruch
und/oder eine Kündigungsfrist sei nicht vereinbart. Bei Arbeitsunfähigkeit werde das Arbeitsentgelt fortgezahlt. Das
Arbeitsentgelt entspreche nicht dem tariflichen bzw. dem ortsüblichen Lohn/Gehalt. Als Grund hierfür wurde die
Ertragslage des Betriebes angegeben. Das Arbeitsentgelt werde regelmäßig gezahlt. Darüber hinaus erhalte die
Klägerin sonstige Bezüge in Form von Tantiemen. Das Arbeitsentgelt werde auf ein privates Bank-/Girokonto
überwiesen, für das die Klägerin verfügungsberechtigt sei. Von diesem Arbeitsentgelt würde Lohnsteuer entrichtet und
es werde als Betriebsausgabe gebucht. Bei dem Betrieb handle es sich um eine Einzelfirma. Die Klägerin habe für
den Betrieb Bürgschaften in Höhe von ca. 200.000 Euro übernommen. Der Betrieb verfüge über Anlagevermögen und
Umlaufvermögen im Alleineigentum/Miteigentum der Klägerin. Die Klägerin und ihr Ehemann führten hierzu aus, laut
Ehevertrag bestehe der Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Die Klägerin sei Verpächterin der Betriebsstätte und
erhalte hierfür eine monatliche Pacht in Höhe von 3.100 Euro. Als Tag der Eheschließung wurde der ...1988
angegeben. Im beigefügten Schreiben des Bevollmächtigten der Klägerin vom 21.01.2003 wurde um eine
versicherungsrechtliche Beurteilung des Inhalts gebeten, dass die Klägerin nicht in einem abhängigen
Beschäftigungsverhältnis im Sinne der Sozialversicherung stehe sowie um Bestätigung, dass in diesem Fall eine
besondere Härte vorliege. Die Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge werde dann bei den Versicherungsträgern
selbst beantragt werden. Die Klägerin legte ferner mehrere Unterlagen vor: Kopien der Jahreslohnkonten bezüglich der
Jahre 1995 bis 2002, gegenüber der Volksbank ... abgegebene Bürgschaftserklärung vom 19.06.2002
(selbstschuldnerische Bürgschaft bis zum Betrag von 50.000 Euro) zur Sicherung von Forderungen der Bank gegen
den Beigeladenen Ziffer 2, mit der Volksbank ... geschlossene Darlehensverträge vom 30.07.1999 (über ein Darlehen
in Höhe von 615.000 DM, u.a. zur "Nachfinanzierung Massagepraxis und Ablösung Fördermittel") und ebenfalls vom
30.07.1999 über ein Darlehen in Höhe von 745.000 DM mit demselben Verwendungszweck. Von der Klägerin
vorgelegt wurde ferner der Mietvertrag vom 22.10.1994 zwischen ihr und dem Beigeladenen zu Ziffer 2 über die
gewerbliche Nutzung von Praxisräumen ab 01.11.1994 mit einem vereinbarten Nettomietzins in Höhe von monatlich
5.000 DM zuzüglich der jeweils geltenden gültigen gesetzlichen Mehrwertsteuer. In dem ebenfalls vorgelegten
Grundbuchauszug sind nach Auflassung vom 31.01.1994 die Klägerin (zu 71/100) und ihr Ehemann (zu 29/100) als
Eigentümer des Flurstückes ... in ... mit Gebäude- und Freifläche in der ...- ...-Straße eingetragen. Nach der ferner
vorgelegten Teilungserklärung gem. § 8 WEG (Urkundenrolle 1994 Nr. 148 des Notariats ...) erfolgte am 16.03.1994
die Teilung des Flurstückes ... in der ...-Straße in ... in der Form, dass die Klägerin als Sondereigentum die im
Aufteilungsplan bezeichneten gewerblichen Räume im Erd- und Untergeschoss (Teileigentum) und ihr Ehemann die im
Aufteilungsplan bezeichnete Wohnung im Dachgeschoss (Wohnungseigentum) zugewiesen erhielt. Nach dem
außerdem vorgelegten Ehe- und Erbvertrag zwischen der Klägerin und deren Ehemann (Urkundenrolle 1992 Nr ...,
Notariat ...) vom 13.07.1992 lag der Güterstand der Zugewinngemeinschaft vor.
Mit Anhörungsschreiben vom 07.04.2003 an die Klägerin führte die Beklagte aus, unter Berücksichtigung der
eingereichten Unterlagen sei die Klägerin als abhängig beschäftigte Arbeitnehmerin im Sinne der Sozialversicherung
anzusehen. Mit Wirkung vom 01.03.1987 sei sie von ihrem späteren Ehegatten als Arbeitstherapeutin zur
gesetzlichen Sozialversicherung angemeldet worden (Eheschließung sei erst am ...1988) erfolgt. Wäre der Schutz der
Solidarversicherungen nicht gewollt gewesen, wäre das Beschäftigungsverhältnis, zumindest vom Zeitpunkt der
Eheschließung an, anders gestaltet worden (z.B. Ehevertrag der Gütergemeinschaft, bei dem der Betrieb zum
Gesamtgut der Gütergemeinschaft gehört). Die Richtigkeit des Beschäftigungsverhältnisses sei vom Arbeitgeber der
Klägerin jährlich, zuletzt mit der Abgabe der Jahresmeldung für das Jahr 2001 bzw. mit der Unterbrechungsmeldung
für das Jahr 2002 bestätigt worden. Auch bei den in der Vergangenheit stattgefunden Betriebsprüfungen seien weder
von der Klägerin noch von ihrem Ehemann Einwände gegen ihr Beschäftigungsverhältnis vorgebracht worden.
Außerdem sei das Gewerbe auf den Namen des Ehemannes angemeldet. Die seit 1987 gezahlten durchschnittlichen
monatlichen Jahresbruttoverdienste (1987: 1.902 DM, 1988: 1.494 DM, 1989: 2.381 DM, 1995: 2.2430 DM, 1996:
2.002 DM, 1997: 2000 DM, 1998: 2167 DM, 1999: 3.933 DM, 2000: 4.278 DM, 2001: 5.070 DM, 2002: 3.939 Euro)
würden durchaus eine angemessene Vergütung im Sinne einer tariflichen oder sonst ortsüblichen Vergütung darstellen
und könnten einem Fremdvergleich standhalten, zumal es für die tatsächlich geleisteten Stunden keine konkreten
Belege oder Stundennachweise gebe. Aber selbst bei einer ggf. untertariflichen Bezahlung des Ehegatten schließe die
höchstrichterliche Rechtsprechung das Vorliegen eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses
nicht aus. Auch könne aufgrund der Höhe der gezahlten Vergütung nicht von einer familienhaften Mithilfe gesprochen
werden. Außerdem sei in der Vergangenheit und werde noch von dem tatsächlich regelmäßig gezahlten
Arbeitsentgelt, welches auf das Privatkonto der Klägerin überwiesen werde, Lohnsteuer entrichtet und das
Arbeitsentgelt auch als Betriebsausgabe gebucht. Zudem bestehe ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im
Krankheitsfalle nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz. Allein aus der weisungsfreien Ausführung einer fremd
bestimmten Arbeit könne nicht auf eine selbständige Tätigkeit geschlossen werden. An die Stelle der
Weisungsgebundenheit trete die "funktionsgerecht dienende Teilhabe am Arbeitsprozess". Auch müsse davon
ausgegangen werden, dass ohne die Mitarbeit der Klägerin eine andere Arbeitskraft eingestellt werden müsste, selbst
wenn dieser Person nicht die Rechte eingeräumt würden, die der Klägerin eingeräumt seien.
Hierzu äußerte sich die Klägerin mit Schreiben vom 11.04.2003. Sie trug im Wesentlichen vor, wesentliches Kriterium
sei, ob der äußere Rahmen der Geschäftsführertätigkeit durch einseitige Weisungen der Gesellschafter geregelt werde
bzw. geregelt werden könne. Insoweit komme es weniger auf den Wortlaut der einschlägigen Regelungen im
Gesellschafts- und/oder Anstellungsvertrag an, sondern vor allem auf die praktische Durchführung dieser Regelung im
Leben der Gesellschaft. Bestehe die Weisungsgebundenheit des zur Dienstleistung verpflichteten Geschäftsführers
allein darin, dass dieser in seiner Entscheidungsfreiheit bei bestimmten Geschäften beschränkt sei, ohne zugleich
einem Direktionsrecht des Dienstberechtigten in Bezug auf die Ausführung der Arbeit unterworfen zu sein, so sei der
Geschäftsführer trotz seiner gesellschaftsrechtlichen Bindung an den, in Beschlüssen konkretisierten Willen der
Gesellschaftermehrheit nicht abhängig beschäftigt. Wenn der beschäftigte Familienangehörige nicht in den Betrieb
eingegliedert bzw. dem Weisungsrecht des Arbeitgebers nicht unterstellt sei, sei von einer familienhaften Mithilfe oder
von einer selbständigen Tätigkeit auszugehen. Mit Schreiben vom 13.05.2003 gab der Ehemann der Klägerin des
Weiteren eine Erklärung ab, wonach diese nicht wie eine fremde Arbeitskraft in den Betrieb eingegliedert sei und auch
nicht anstellt einer anderen Arbeitskraft beschäftigt sei. Keine andere Person würde die notwendigen langjährigen
Erfahrungen und Branchenkenntnisse besitzen wie die Klägerin; auch wäre keine andere angestellte Arbeitskraft dazu
bereit, 7 Tage die Woche ca. 10 bis 12 Stunden täglich zu arbeiten. Die Klägerin arbeite absolut weisungsfrei. Da er
den ganzen Tag mit der Physiotherapie, Krankenbesuchen, Trainingsstunden etc. beschäftigt sei, habe er keine Zeit,
sich um die Buchhaltung, Personalwesen, Rezeptabrechnungen, d.h. um die kaufmännische Leitung seines Betriebes
zu kümmern. Diesen Bereich erledige seine Ehefrau weisungsfrei, eigenständig und besitze alleinige
Vertretungsbefugnis. Ferner habe seine Ehefrau Bürgschaften in Höhe von ca. 200.000 Euro übernommen. Des
Weiteren habe sie die Räumlichkeiten an ihn vermietet und trage auch hier ein hohes wirtschaftliches Risiko, da im
Falle einer Betriebsaufgabe mit Sicherheit kein anderer Mieter gefunden werden könne. Die Räumlichkeiten seien
branchenspezifisch konzipiert und somit für andere Branchen nicht interessant. Dass die Klägerin nicht ab
Eingliederung in seinen Betrieb seit dem 01.03.1987 von ihm gleich als selbständig gemeldet worden sei, beruhe auf
seiner Unwissenheit. Zudem hätten sie einen Ehevertrag der Gütergemeinschaft, bei dem der Betrieb zum Gesamtgut
der Gütergemeinschaft gehöre.
Mit Bescheid vom 06.05.2003 stellte die Beklagte nach versicherungsrechtlicher Beurteilung fest, dass die Klägerin
aufgrund ihres Beschäftigungsverhältnisses seit 01.03.1987 der Versicherungspflicht zur Sozialversicherung
unterliege. Zur Begründung wurde im Wesentlichen der Inhalt des Anhörungsschreibens vom 07.04.2003 wiederholt.
Ergänzend wurde ausgeführt, der Vortrag der Klägerin, dass es sich bei ihrem nunmehr seit über 16 Jahren
bestehenden Beschäftigungsverhältnis um familienhafte Mithilfe oder um eine selbständige Tätigkeit gehandelt habe,
sei als Vorwand zu werten, der ausschließlich darauf abziele, eine rückwirkende Beitragserstattung zu erlangen. Die
im Schreiben der Klägerin vom 11.04.2003 zitierten BSG-Urteile würden sich auf die versicherungsrechtliche
Beurteilung von Gesellschafter/Geschäftsführer von GmbH’s beziehen. Sie seien deshalb für die Beurteilung der
Versicherungspflicht von Mitarbeitern und Familienangehörigen nicht relevant.
Hiergegen wandte sich die Klägerin mit ihrem Widerspruch vom 21.05.2003. Sie wies insbesondere darauf hin, dass
sie im Rahmen der mitunterschriebenen Darlehen in Höhe von 200.000 Euro zu 50% ein eigenes Unternehmerrisiko
trage. Mit Schreiben vom 15.07.2003 an die Beklagte führte der Ehemann der Klägerin, der Beigeladene zu Ziffer 2
aus, eine Weiterversicherung seines neuen Mitarbeiters sowie seiner anderen Arbeitnehmer bei der Beklagten sei nur
dann gewährleistet, wenn dem Widerspruch bezüglich der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung seiner Ehefrau
stattgegeben würde. Mit Widerspruchsbescheid vom 17.07.2003 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin
zurück. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der eheliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft laut
Ehe- und Erbvertrag vom 13.07.1992 habe unmittelbar keinen Einfluss auf die versicherungsrechtliche Beurteilung der
Tätigkeit der Klägerin beim Ehemann. Die Vermietung des Betriebsgebäudes zur gewerblichen Nutzung an ihren
Ehemann widerlege gar ihre Mitunternehmerschaft. Durch die Mitunterzeichnung des Darlehensvertrages werde keine
Mitunternehmerschaft begründet, obwohl die Erfüllung der Verpflichtungen aus dem Darlehensvertrag durchaus vom
Unternehmenserfolg abhängig sein könne.
Hiergegen hat die Klägerin am ... Klage erhoben. Gestützt auf die bereits im Verwaltungsverfahren vorgelegten
Unterlagen führt sie aus, die dokumentierten tatsächlichen Verhältnisse widerlegten die Rechtsauffassung der
Beklagten. Sie arbeite frei von Weisungen innerhalb der von den Eheleuten in gleichberechtigter Absprache
vorgenommenen Aufgabenverteilung. Irgendwelche Vorgaben hinsichtlich Arbeitszeit und Arbeitsort, soweit sie sich
nicht aus der Natur der zu erledigenden Aufgaben ergeben würden, habe sie nicht zu beachten. Die Ausführungen in
der Widerspruchsbegründung erschienen demgegenüber lebensfremd. Weder die Gestaltung ihrer Tätigkeit noch das
von ihr übernommene Finanzierungsrisiko in der nachgewiesenen Größenordnung seien typisch für das Vorliegen
einer Arbeitnehmereigenschaft. Die Eheleute würden vielmehr gemeinsamen einen Geschäftsbetrieb führen, dort
gleichberechtigt ihre Arbeitskraft einbringen und auch das geschäftliche Risiko gemeinsam tragen. Äußerlichkeiten
und Förmlichkeiten, wie zum Beispiel die Firmierung bzw. Anmeldung des Unternehmens auf den Namen des
Beigeladenen zu Ziffer 2, würden hieran nichts ändern. Untypisch seien schließlich auch ihre stark schwankenden
bescheinigten Jahresbruttoverdienste.
Mit Beschluss vom 23.02.2005 sind zum Verfahren beigeladen worden: 1. Die Bundesversicherungsanstalt für
Angestellte (BfA), 2. die Pflegekasse der AOK Baden-Württemberg, Bezirksdirektion ... 3 ... (der Ehemann der
Klägerin), 4. die Bundesagentur für Arbeit (Agentur für Arbeit ...).
Mit Schreiben vom 02.05.2005 hat die Klägerin ausgeführt, zwischenzeitlich lebe sie von ihrem Ehemann getrennt, sei
zum 30.10.2004 aus dessen Unternehmen ausgeschieden und seither als Angestellte tätig. Ein Scheidungsverfahren
sei mangels Ablauf des Trennungsjahres noch nicht anhängig. Es werde nochmals darauf hingewiesen, dass von den
Eheleuten das Unternehmen gemeinsam aufgebaut und all die Jahre geführt worden sei, zunächst allein ohne weitere
Mitarbeiter, dann als das erste von insgesamt drei Kindern geboren worden sei mit einer, später mit zwei
Vollzeitbeschäftigten und einigen 400 Euro-Kräften. Die Aufgaben seien, unter Berücksichtigung der
Erziehungsleistung der Klägerin, gleichmäßig verteilt gewesen nach bestimmten Therapieformen und (Sport-
)medizinischen Bereichen, abhängig von den jeweiligen Fachkenntnissen der Eheleute. Auch die kaufmännischen
Aufgaben seien verteilt gewesen und hätten zu 2/3 beim Ehemann und zu 1/3 bei ihr gelegen. Das Unternehmen habe
viele Jahre so gut wie keine Gewinne abgeworfen. Auch wenn sie formal mit einem Festgehalt "angestellt" gewesen
sei, habe sie in vollem Umfang das Geschäftsrisiko getragen und für Geschäftskredite gebürgt, teilweise auch
Geschäftsdarlehen in eigenem Namen aufgenommen. Auch nach der Trennung sei sie daher weiterhin einem hohen
Haftungsrisiko ausgesetzt, sollte der Ehemann den übernommenen Zahlungsverpflichtungen gegenüber den
Gläubigern nicht nachkommen. Sie habe über 17 Jahre lang die ihr als erziehende Mutter verbleibende Arbeitskraft, ihr
ganzes Vermögen und ihren ganzen persönlichen Einsatz in das Unternehmen investiert, um daraus langfristig eine
Existenzgrundlage für ihre Familie zu schaffen. Sie sei daher in jeder Hinsicht einem Unternehmer vergleichbar.
Auf Anfrage des Gerichts hat die Klägerin (mit Fax vom 17.10.2005) erklärt, sie habe den Beruf der Masseurin und
medizinischen Bademeisterin erlernt und im Unternehmen Ihres Ehemannes folgende Aufgaben verrichtet: Massagen,
Lymphdrainage, Krankengymnastik, Gruppengymnastik, med. Trainingstherapie, Ayurvedabehandlung,
Fußreflexzonentherapie, Anmeldung (Terminierung), Rezeptabrechnung. Der Geschäftsführer, ihr Ehemann, habe die
zu erledigenden Aufgaben bestimmt und Beginn und Ende der Arbeitszeit festgelegt. Er habe ferner alle im Bereich
seiner Ausbildung befindlichen, organisatorischen und finanziellen Aufgaben verrichtet. Bei Arztbesuchen habe sie
sich bei ihm abmelden und sich ferner mit ihm hinsichtlich des Urlaubstermins absprechen müssen. Ein
Urlaubsanspruch oder ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit sei nicht festgelegt worden. Im
Unternehmen seien 5 bis 8 Personen tätig.
Frau ... von der Volksbank ... hat in einer am 12.10.2005 telefonisch eingeholten Auskunft erklärt, es sei im Jahr 1999
(aber auch derzeitig) üblich gewesen, dass bei Gewährung von Darlehen in Höhe von ca. DM 600.000,- oder 700.000,-
mit den in der Praxis mitarbeitenden, insbesondere über eigene Vermögenswerte (z.B. Grundeigentum) verfügenden
Ehegatten des Praxisinhabers (auch) ein Darlehensvertrag geschlossen worden sei. Das selbe gelte für Bürgschaften,
die von dem Ehegatten des Betriebsinhabers zur Sicherung von Darlehensrückzahlungen gefordert worden seien.
In der mündlichen Verhandlung vom 20.10.2005 hat der Bevollmächtigte der Beklagten erklärt, die Klägerin sei vom
01.03.1987 bis 31.07.1989, vom 01.08.1995 bis 01.01.1997 und vom 01.11.1997 bis 31.10.2004 als abhängig
Beschäftigte gemeldet gewesen. In den Zeiträumen vom 23.01.1997 bis 31.10.1997 und vom 01.07.2005 bis
30.09.2005 habe sie Leistungen wegen Arbeitslosigkeit bezogen. Der Beigeladene zu Ziff. 2 hat angegeben, die
Klägerin sei in der Zeit vom 01.08.1989 bis 31.07.1995 wegen der Erziehung der Kinder zu Hause geblieben. Die Zeit
der Arbeitslosigkeit vom 23.01.1997 bis 31.10.1997 habe auf einem Geschäftsrückgang beruht; daher habe die
Klägerin nicht mehr beschäftigt werden können.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 06.05.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
17.07.2003 zu verurteilen, festzustellen, dass sie in folgenden Zeiträumen: 01.03.1987 bis 31.03.1989, 01.08.1995 bis
01.01.1997, 01.11.1997 bis 31.10.2004 nicht als Arbeitnehmerin bei ihrem Ehemann, dem Beigeladenen zu Ziffer 2, in
einem abhängigen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis stand.
Der Bevollmächtigte der Beklagten beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beigeladene zu Ziff. 2 schließt sich dem Antrag der Klägerin an.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungs- und Gerichtsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet. Die Beklagte hat zutreffend festgestellt, dass die Klägerin in der Zeit
vom 01.03.1987 bis 31.10.2004 (mit Unterbrechungen) im Unternehmen des Beigeladenen zu Ziff. 2
versicherungspflichtig beschäftigt war.
Nach § 28 h Abs. 2 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB IV) entscheidet die Krankenkasse als
Einzugsstelle über die Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie
nach dem Recht der Arbeitsförderung. Die Versicherungs- und Beitragspflicht richtet sich in den einzelnen Zweigen
der Sozialversicherung nach besonderen Bestimmungen (§§ 24, Abs. 1, 25 Abs. 1 S. 1 SGB III für die
Arbeitslosenversicherung, § 5 Abs. 1 Nr. 5 SGB V für die Krankenversicherung, § 1 Nr. 1 SGB VI für die
Rentenversicherung und § 20 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI für die Soziale Pflegeversicherung). Voraussetzung hiernach ist für
die Versicherungs- und Beitragspflicht in der im vorliegenden Verfahren einzig denkbaren Alternative jeweils eine
abhängige Beschäftigung gegen Entgelt im Sinne des § 7 SGB VI.
Gemäß § 7 Abs. 1 SGB IV in der seit 01.07.1977 geltenden Fassung ist Beschäftigung die nicht selbständige Arbeit,
insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Am Kern dieser Regelung änderten sich durch die zunächst mit Wirkung ab
01.01.1998 vorgenommenen Ergänzungen (§ 7 Abs. 1a und 1b) und die folgenden Ergänzungen nichts. Eine weitere
Änderung wurde, allerdings erst mit Wirkung ab 01.01.1999, durch Gesetz vom 19.12.1997 (BGBl. I S. 3843)
eingeführt, in dem namentlich ein als Vermutung formulierter - mittlerweile wieder eliminierter - Tatbestand hinzugefügt
und damit als Auslegungsregel bestimmt wurde, dass (gem. § 7 Abs. 4 SGB IV) bei Personen (außer bestimmten
Handelsvertretern), die erwerbsmäßig tätig sind und im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit mit Ausnahme von
Familienangehörigen keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen, regelmäßig und im Wesentlichen nur
für einen Auftraggeber tätig sind, für Beschäftigte typische Arbeitsleistungen erbringen, insbesondere Weisungen des
Auftraggebers unterliegen, und in die Arbeitsorganisation des Auftraggebers eingegliedert sind oder nicht aufgrund
unternehmerischer Tätigkeit am Markt auftreten, vermutet wird, dass sie gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, wenn
mindestens zwei der genannten Merkmale vorliegen. Mittels einer zusätzlichen, durch Artikel 1 Nr. 1a des Gesetzes
zur Förderung der Selbständigkeit vom 20.12.1999 (BGBl. I 2000 S. 2), ebenfalls ab 01.01.1999 geltenden Änderung,
wurden in § 7 Abs. 1 S. 2 SGB IV als "Anhaltspunkte für eine Beschäftigung" ..."eine Tätigkeit nach Weisungen und
eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers" aufgenommen.
Nach der Begründung zum Entwurf eines SGB IV stellt die Vorschrift des § 7 Abs. 1 SGB IV klar, dass eine
Beschäftigung dann vorliegt, wenn eine Arbeit unselbständig, d.h. mit dem Weisungsrecht eines Arbeitgebers
ausgeübt wird. Darüber hinaus bestimmt sie, dass eine Beschäftigung stets dann anzunehmen ist, wenn nach
arbeitsrechtlichen Grundsätzen ein Arbeitsverhältnis besteht. Dabei kommt es nicht darauf an, ob ein wirksamer
Arbeitsvertrag geschlossen worden ist oder ob es sich um ein so genanntes faktisches Arbeitsverhältnis handelt. Wie
nach bisherigem Recht (d.h. vor dem SGB IV) ist jedoch das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses mit dem
Beschäftigungsverhältnis nicht vollkommen identisch; eine Beschäftigung im Sinne der Sozialversicherung kann auch
bei arbeitnehmerähnlichen Tätigkeiten vorliegen (vgl. zu diesen Grundsätzen Urteil des BSG vom 10.08.2000 in SozR
3-2400, § 7 SGB IV Nr. 15).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), welcher sich auch die Kammer zur Auslegung
der Definition des § 7 Abs. 1 SGB IV anschließt, setzt eine Beschäftigung vor allem voraus, dass der Arbeitnehmer
vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Dies ist der Fall bei einer Betätigung in einem fremden Betrieb, wenn der
Betroffene in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden
Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Insgesamt kann von einer Beschäftigung stets gesprochen werden, wenn
der Arbeitende in einem Arbeitsorganismus tätig werden oder wenigstens "funktionsgerecht dienen" muss (etwa als
leitender Mitarbeiter bei Diensten höherer Art, vgl. Urteil des BSG vom 25.01.2001, SV 2100 S. 329). Nach der
Rechtsprechung des BSG (vgl. BSGE 51 S. 164, 167) zeigt sich die persönliche Abhängigkeit an der Einordnung in
das auf Rechnung eines anderen gehenden, mithin fremden Unternehmens, wobei z.B. zur Beurteilung des
Weisungsrechts die tatsächliche Qualität der rechtlichen Beziehungen bei objektiver Betrachtung maßgebend ist. In
einem Arbeitsverhältnis steht, wer seine Arbeitskraft aus freier Entschließung berufsmäßig in den Dienst eines
anderen stellt, sie also in unselbständiger Stellung und in wirtschaftlicher Abhängigkeit verwertet. Hierbei ist die
tatsächliche Gestaltung der Verhältnisse und die Art der Tätigkeit entscheidend (vgl. BSGE 8 S. 278, 282; 24 S. 29).
Zu den typischen Merkmalen abhängiger Beschäftigung gehört überdies in der Regel die Verpflichtung, seine
Arbeitsleistung persönlich zu erbringen (BSG SozR Nr. 27 und Nr. 36 zu § 165 RVO), wenngleich es
Beschäftigungsverhältnisse gibt, bei denen es nicht unbedingt auf die persönliche Arbeitsleistung ankommt, sondern
eine Vertretung durch Dritte möglich und sogar üblich ist.
Demgegenüber ist derjenige selbständig erwerbstätig, bei dem objektive Merkmale fremdbestimmter Tätigkeit nach
dem Gesamtbild der Verrichtungen fehlen. Die selbständige Tätigkeit wird vornehmlich durch das eigene
Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigener Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene
Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig
beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (vgl. Urteil des BSG vom
17.05.2001, B 12 KR 34/00 R). In seiner Entscheidung vom 28.01.1999 (BSGE 83 S. 246 ff.) hat das
Bundessozialgericht ferner betont, dass ein Arbeitsverhältnis (nur) dann anzunehmen sei, wenn die betroffenen
Personen innerhalb eines bestimmten zeitlichen Rahmens ihre Arbeitsleistung verfügbar halten müssten. Selbständig
Erwerbstätige unterscheiden sich von den Beschäftigten insbesondere dadurch, dass sie ein unternehmerisches
Risiko tragen, indem sie eigenes Kapital mit der Gefahr des Verlustes einsetzen und der Erfolg des Einsatzes ihrer
Kapitalien oder sonstiger sächlicher oder persönlicher Mittel ungewiss ist (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr. 13) und dadurch ,
dass sie in der Regel über eigene Betriebsstätten verfügen, wo sie über den Einsatz der eigenen Arbeitskraft und
sonstiger Produktionsmittel frei entscheiden, also ihre Tätigkeit nach ihren Bedürfnissen gestalten können (BSGE 45
S. 199). Als weiteres Indiz für die Bewertung einer Tätigkeit kommt in Betracht, ob in dem jeweiligen Tätigkeitsbereich
ein Beschäftigungsverhältnis oder der Abschluss eines Vertrages über eine selbständige Dienstleistung allgemein
üblich und sachlich berechtigt ist (BSG SozR 2200 § 165 Nr. 36). Auch die steuerrechtliche Behandlung der erzielten
Einkünfte ist zu würdigen. Zwar ist die Versicherungspflicht ausschließlich nach Sozialversicherungsrecht ohne
rechtliche Bindung an die Verwaltungsakte der Finanzbehörden und die Entscheidung der Finanzgerichte zu beurteilen
(vgl. Kassler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Bd. 1, Stand Dezember 2004, § 7 SGB IV, RdNr. 79) unter
Hinweis auf BSG-Rechtsprechung) und der Sozialversicherungsträger oder das Gericht der Sozialgerichtsbarkeit ist
nicht der selbständigen Prüfung im Einzelfall enthoben, ob ein Beschäftigungsverhältnis oder eine selbständige
Tätigkeit vorliegt. Dennoch stellt die steuerrechtliche Behandlung einen wichtigen Anhaltspunkt für die
versicherungsrechtliche Beurteilung einer Tätigkeit dar (vgl. z.B. BSG SozR Nr. 8 und 34 zu § 165 RVO), indem
Lohnsteuerpflicht für das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses spricht, während eine Veranlagung zur
Einkommenssteuer- und Gewerbesteuerpflicht auf eine selbständige Tätigkeit hindeutet.
Das Bundesverfassungsgericht hat einen Verstoß des § 7 SGB IV gegen das verfassungsrechtliche
Bestimmtheitsgebot verneint und die Kennzeichnung einer Beschäftigung nach den in Rechtsprechung und Literatur
festgelegten Merkmalen sowie dem Gesamtbild des Sachverhalts im Einzelfall gebilligt (Nichtannahmebeschluss der
2. Kammer des I. Senats vom 20.05.1996, SozR 3-2400, § 7 Nr. 11). Nach diesen Grundsätzen ist auch bei einem
Beschäftigungsverhältnis zwischen Eheleuten oder Verwandten die Arbeitnehmereigenschaft zu prüfen und
auszuschließen, dass der Verwandte oder der Ehegatte Mitunternehmer ist. Des weiteren erfordert eine Beschäftigung
unter Verwandten oder Ehegatten die Abgrenzung zur familienhaften Mithilfe. Der Annahme eines (entgeltlichen)
Beschäftigungsverhältnisses steht grundsätzlich nicht entgegen, dass die Abhängigkeit unter Ehegatten im
allgemeinen weniger stark ausgeprägt und das Weisungsrecht möglicherweise mit gewissen Einschränkungen
ausgeübt wird (vgl. für das Ehegattenarbeitsverhältnis: BSG-Urteil vom 30.01.1990 - 11 RAr 47/88). Bei engen
persönlichen Beziehungen zwischen den Beteiligten hängt die Abgrenzung zwischen einem abhängigen
Beschäftigungsverhältnis und familienhafter bzw. freundschaftlicher Mitarbeit von allen Umständen des Einzelfalles
ab, wobei das Gesamtbild der jeweiligen Arbeitsleistung unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung maßgebend
ist. Auch wenn vielfach auf die familiäre oder persönliche Beziehung Rücksicht genommen wird, kann auf gewisse
Mindestanforderungen an ein entgeltliches Beschäftigungsverhältnis nicht verzichtet werden, da ein solches
ansonsten in einer dem Gesetz nicht mehr entsprechenden Weise lediglich rechtsmissbräuchlich fingiert oder verneint
werden könnte. Neben der Eingliederung in den Betrieb und einem, ggf. abgeschwächten Weisungsrecht ist daher
erforderlich, dass der Beschäftigte ein Entgelt erhält, das einen angemessenen Gegenwert für die geleistete Arbeit
darstellt, mithin über einen freien Unterhalt, ein Taschengeld oder eine Anerkennung für Gefälligkeiten hinausgeht (vgl.
Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 27.04.2004, Az. L 1 KR 1114/00). Weitere Abgrenzungskriterien
sind, ob ein schriftlicher Arbeitsvertrag abgeschlossen worden ist, ob das gezahlte Entgelt der Lohnsteuer unterliegt,
als Betriebsausgabe verbucht und dem Arbeitenden zur freien Verfügung ausgezahlt wird und schließlich, ob dieser
eine fremde Arbeitskraft ersetzt (vgl. Urteil des LSG Berlin vom 31.03.2004 L 9 KR 8/02 unter Hinweis auf die
Rechtsprechung des Bundessozialgerichts).
Zwar hat die Beklagte jahrelang Beiträge entgegengenommen. Das schließt jedoch nach der ständigen
Rechtsprechung (unter bestimmten Voraussetzungen) eine Überprüfung der versicherungspflichtigen Beschäftigung
nicht aus (vgl. Urteil des BSG vom 30.01.1990, Az. 11 RAr 47/88).
Nach der vorzunehmenden Gesamtabwägung sprechen die vorliegenden Umstände überwiegend für eine abhängige
Beschäftigung der Klägerin bei dem Beigeladenen zu Ziff. 2.
Zum einen hat die Klägerin, insbesondere nach ihren Angaben im Schreiben vom 17.10.2005 typische Aufgaben einer
abhängig Beschäftigten in einer Physiotherapiepraxis mit zusätzlichen Kenntnissen im kaufmännischen Bereich
ausgeübt. Sie erhielt hierfür monatliche Lohnbezüge, war insoweit keinem finanziellen Risiko (Unternehmerrisiko)
ausgesetzt. Die Höhe des von der Klägerin bezogenen Arbeitsentgelts spricht ebenfalls für das Vorliegen eines
abhängigen Beschäftigungsverhältnisses. Ob ein leistungsgerechtes Entgelt bezahlt wird, stellt ein
Abgrenzungsmerkmal eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen Ehegatten und Verwandten und einer
familienhaften Mithilfe dar. Das Entgelt braucht zwar nicht die Höhe des Gehalts eines vergleichbaren fremden
Beschäftigten erreichen, es muß aber andererseits über bloße Unterhaltsleistungen (freie Kost, Wohnung,
Taschengeld) deutlich hinausgehen. Ein leistungsentsprechendes Entgelt bei Beschäftigungsverhältnissen innerhalb
der Familie kann etwa durch Zahlung der Hälfte des sonst üblichen Tariflohns gegeben sein (vgl. LSG Rheinland-
Pfalz, Urteil vom 26.02.2004, L 1 AL 57/07, unter Hinweis auf BSG-Rechtsprechung). Die von der Klägerin bezogene
Arbeitsentgelte gehen deutlich über die Gewährung bloßer Unterhaltsleistungen hinaus und sind für die von der
Klägerin ausgeübte Tätigkeit als Physiotherapeutin/Masseurin/Bürokraft im Unternehmen ihres Ehegatten als
leistungsentsprechend anzusehen. Abgesehen von einem leichten Rückgang des monatlichen Arbeitsentgelts in
einzelnen Jahren (1988, 1996 bis 1997), was wohl auch damit zusammenhängt, dass die Klägerin infolge der
Erziehung ihrer im streitigen Zeitraum geborenen 3 Kinder in zeitlich geringerem Umfang berufstätig war, erhöhte sich
das monatliche Arbeitsentgelt der Klägerin kontinuierlich. Die in den letzten Jahren erfolgten höheren Arbeitsentgelte
entsprechen zum einen der Tatsache, dass die Klägerin aufgrund ihrer mehrjährigen Tätigkeit eine zunehmende
Fachkenntnis besaß und daher nicht mehr mit dem Anfangsentgelt entlohnt wurde. Zum anderen mag auch die
wirtschaftlich positive Ertragslage des Unternehmens hierfür maßgeblich gewesen sein. Das Arbeitsentgelt wurde
desweiteren auf ein privates Bank-/Girokonto überwiesen, für das die Klägerin verfügungsberechtigt war.
Zum anderen unterlag die Klägerin während ihrer Tätigkeit auch dem Weisungsrecht des Beigeladenen zu Ziff. 2 als
Inhaber der Einzelfirma. Ein Beschäftigungsverhältnis zwischen Ehegatten ist in der Regel von einer milderen Form
des Über- und Unterordnungsverhältnisses gekennzeichnet. Trotz der familiären Bindungen ist von einem
Weisungsrecht des Beigeladenen zu Ziff. 2 gegenüber der Klägerin in Bezug auf Ihre Arbeit auszugehen. Dies ergibt
sich aus den Angaben der Klägerin im Schreiben vom 17.10.2005, wonach ihr Ehemann die zu erledigenden Aufgaben
bestimmt und Beginn sowie Ende der Arbeitszeit festgelegt habe. Zwar ist nicht auszuschließen, dass die eine oder
andere Unternehmerentscheidung auch nach Rücksprache mit der Klägerin gefällt wurde. Hierdurch wird jedoch ein
ansonsten bestehendes, durch die familiären Bindungen modifiziertes Weisungsrecht des Ehemannes nicht
ausgeschlossen. Eine Absprache bestimmter Unternehmerentscheidungen mit dem Ehepartner, zumal wenn dieser
noch davon betroffen ist, entspricht dem Normalfall in einer Ehe (vgl. Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 26.02.2004,
L 1 AL 57/02). Auch ist die eigenverantwortliche Ausführung gewisser Arbeiten durch die Klägerin im therapeutischen
sowie im kaufmännischen Bereich kein Anzeichen dafür, dass dem Ehemann diesbezüglich kein Weisungsrecht
zugestanden wäre. Es ist nachvollziehbar, dass aufgrund der Ausbildung der Klägerin diese von ihrem Ehemann mit
derartigen Aufgaben betraut wurde. Letztlich hatte aber der Ehemann der Klägerin als Inhaber des Betriebes auch die
Gesamtverantwortung für die Arbeiten der Klägerin zu tragen. Ferner ist davon auszugehen, dass durch die
Beschäftigung der Klägerin im Betrieb ihres Ehemannes die Einstellung einer fremden Arbeitskraft eingespart wurde.
Auch wenn die Klägerin sich aufgrund ihrer langjährigen Tätigkeit spezielle Kenntnisse angeeignet hat, so ist
angesichts der von der Klägerin genannten Arbeitsstunden pro Woche davon auszugehen, dass ohne ihre Tätigkeit im
Unternehmen eine fremde Arbeitskraft hätte eingestellt werden müssen. Es kann ferner nicht davon ausgegangen
werden, dass einzig die Klägerin in der Lage gewesen wäre, die branchentypischen, therapeutischen und
kaufmännischen Arbeiten zu erledigen, die aufgrund der Art des Unternehmens erforderlich waren.
Da die Klägerin für ihre Tätigkeit auch einen zu versteuernden und sozialversicherungspflichtig geführten Lohn erhielt,
der über die gesamte Dauer ihres Beschäftigungsverhältnisses als Betriebsausgabe verbucht wurde, liegt hierin ein
weiteres Indiz für eine abhängige Beschäftigung. Der Umstand, dass die Klägerin und ihr Ehemann im Güterstand der
Zugewinngemeinschaft lebten, bietet keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Klägerin (Mit-) Unternehmerin im Betrieb
ihres Ehemannes war.
Die Kammer schließt sich hinsichtlich der Beurteilung der Vermietung des Betriebsgebäudes durch die Klägerin an
ihren Ehemann der Auffassung der Beklagten im angefochtenen Widerspruchsbescheid an. Wäre eine
Mitunternehmerposition der Klägerin mit Kapitaleinsatz und Tragung des Unternehmerrisikos beabsichtigt gewesen, so
wäre diese Vermietung entbehrlich gewesen. Die Klägerin hätte vielmehr die in ihrem Eigentum befindlichen
Räumlichkeiten als eigenes Kapital eingebracht. Naheliegend ist, dass durch die Zahlung des Mietzinses durch den
Ehemann steuerliche Vorteile wahrgenommen werden sollten, indem diese Kosten als Betriebsausgaben
steuerrechtlich geltend gemacht werden konnten.
Der Umstand, dass die Klägerin einen Darlehensvertrag mitunterzeichnet sowie Bürgschaften übernommen hat, ist
zwar für das Verhältnis Arbeitnehmer/Arbeitgeber untypisch. Andererseits ist auch die Gewährung eines Darlehens
von einem Arbeitnehmer an einen Arbeitgeber grundsätzlich nicht ausgeschlossen (vgl. Urteil des Schleswig-
Holsteinischen LSG vom 16.12.2003, L 1 KR 110/02). Im vorliegenden Fall ist zu berücksichtigen, dass die
Mitunterzeichnung von Darlehensverträgen bzw. die Übernahme von Bürgschaften durch den Ehepartner des
Unternehmers von den kreditgebenden Geldinstituten häufig gefordert wird. Dies führt (zumindest nicht für sich allein)
nicht zur Einordnung der Tätigkeit als Selbständige.
Außerdem spricht gegen die Annahme einer selbständigen Tätigkeit, dass die Klägerin für die Zeit vom 23.01.1997 bis
31.10.1997 arbeitslos gemeldet war und Leistungen wegen Arbeitslosigkeit bezog. Ursächlich hierfür war nach den
Angaben des Beigeladenen zu Ziff. 2 ein Geschäftsrückgang, infolge dessen die Klägerin nicht mehr habe beschäftigt
werden können. Die Klägerin erhielt daher zu Lasten der Solidargemeinschaft Leistungen, die voraussetzten, dass sie
- ab abhängig Beschäftigte - beitragspflichtig zur Arbeitslosenversicherung war. Das Klageziel der Klägerin für den
streitgegenständlichen Zeitraum als Selbständige beurteilt zu werden (d.h. auch für die Zeit vor dem Bezug von
Arbeitslosengeld) steht hierzu in Widerspruch. Unter Abwägung der insgesamt vorliegenden Umstände überwiegen
deutlich die Merkmale, die für eine abhängige Beschäftigung der Klägerin sprechen.
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.