Urteil des SozG Reutlingen vom 24.04.2007
SozG Reutlingen: eltern, darlehen, verordnung, verwaltungsakt, verfügung, form, krankenkasse, arbeitslosenhilfe, minderung, sozialhilfe
Sozialgericht Reutlingen
Urteil vom 24.04.2007 (rechtskräftig)
Sozialgericht Reutlingen S 2 AS 4151/06
Der Bescheid der Beklagten vom 17. Mai 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Oktober 2006
wird insoweit aufgehoben, als die Aufhebungs- und Erstattungsverfügung einen Betrag von 220 Euro übersteigt. Im
Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu einem Zehntel.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Rechtsstreit betrifft die Aufhebung der Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach
dem Sozialgesetzbuch (SGB) II.
Die Beklagte bewilligte der ... geborenen Klägerin sowie als weiteren Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft ihrem ...
geborenen Sohn ... und ihrer ... geborenen Tochter ... mit Bescheid vom 14. November 2005 Leistungen zur
Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für die Zeit vom 8. September 2005 bis zum 28. Februar 2006,
und zwar für die Zeit vom 8. September 2005 bis zum 30. September 2005 in Höhe von 183,35 Euro und für die Zeit
vom 1. Oktober 2005 bis zum 28. Februar 2006 in Höhe von monatlich 982,84 Euro.
Am 28. Januar 2006 stellte die Klägerin den Antrag auf Fortzahlung der Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Sie legte in diesem Zusammenhang Kontoauszüge vor, aus denen u.a. eine
Barzahlung in Höhe von 800 Euro am 31. Oktober 2005 ersichtlich ist. Des Weiteren ist eine Bareinzahlung von 300
Euro am 9. Januar 2006 sowie eine Bareinzahlung von 450 Euro am 17. Januar 2006 in den Kontoauszügen
verzeichnet.
Mit Bescheid vom 31. Januar 2006 bewilligte die Beklagte der Klägerin Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhaltes für die Zeit vom 1. März 2006 bis zum 31. August 2006. Sie fragte in dem Bescheid zudem bei der
Klägerin an, ob es sich bei den erwähnten Bareinzahlungen um Einkommen handele bzw. woher diese Beträge
stammten.
Die Klägerin teilte daraufhin mit Schreiben vom 13. April 2006 der Beklagten mit, dass es sich bei der Bareinzahlung
am 31. Oktober 2005 in Höhe von 800 Euro um Geld handele, das sie von ihren Eltern habe ausleihen müssen, um
die Miete bezahlen zu können. Bei der Bareinzahlung vom 9. Januar 2006 in Höhe von 300 Euro handele es sich um
Geldgeschenke zu Weihnachten. Bei der Bareinzahlung von 17. Januar 2006 in Höhe von 450 Euro handele es sich
um von ihren Eltern geliehenes Geld, da sie eine neue Brille benötigt habe.
Mit Bescheid vom 17. Mai 2006 hob die Beklagte ihre Entscheidung über die Bewilligung der Leistungen zur
Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für die Zeit vom 1. Januar 2006 bis zum 31. Januar 2006 teilweise
in Höhe von monatlich 250 Euro auf. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass das Geldgeschenk zu Weihnachten auf
die Leistungen angerechnet werden müsse.
Am 1. Juni 2006 legte die Klägerin gegen diesen Bescheid Widerspruch ein. Mit Schreiben am 15. Juni 2006 trug sie
vor, dass ihr in ihrer Mitteilung vom 13. April 2006 ein "gravierender Fehler" unterlaufen sei. Bei der Bareinzahlung
über 300 Euro vom 9. Januar 2006 handele es sich nicht ausschließlich um ein Geldgeschenk zu Weihnachten. Nur
50 Euro seien ein Weihnachtsgeschenk ihrer Eltern gewesen. Weitere 250 Euro seien ihr von den Eltern geliehen
worden, da sie wussten, dass sie in naher Zukunft hohe Gesundheitskosten haben würde. Diese erhöhten
Gesundheitskosten resultierten aus einer bevorstehenden Operation. Außerdem hätte sie Schulmaterialien und
Geschirr angeschafft sowie Geld für im Februar anfallende Geburtstage im Verwandten- und engen Freundeskreis
benötigt. Zudem stelle sich ihr die Frage, ob in ihrem Fall mit ihren zwei Kindern dreimal 50 Euro jährlich nicht als
Einkommen zu berücksichtigen seien.
Mit Bescheid vom 12. Oktober 2006 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung
wurde ausgeführt, dass die Klägerin im Januar 2006 eine Einmalzahlung in Höhe von 300 Euro von ihren Eltern
bezogen habe. Diese Einnahmen würden als Einkommen berücksichtigt. Durch den Bezug der Einmalzahlung in Höhe
von 300 Euro im Januar 2006, von der nur 250 Euro berücksichtigt worden seien, seien die Klägerin und die mit ihr in
einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen in Höhe des genannten Betrages nicht hilfebedürftig gewesen. Auch
Einmalzahlungen, die als Darlehen gewährt werden, würden als zu berücksichtigendes Einkommen gelten, welches
jeweils in dem Monat, in dem es zugeflossen sei, anzurechnen sei. Zwar müsse die Klägerin unter Umständen diese
Gelder wieder zurückzahlen, jedoch habe sie, wenn sie das Darlehen erhalte, dieses Geld zunächst zur freien
Verfügung, ohne insoweit einer Beschränkung zu unterliegen. Es sei nicht maßgeblich, ob und wann der
Rückzahlungsverpflichtung nachgekommen werde bzw. werden müsse, denn zunächst sei der Betrag frei verfügbar
vorhanden und daher auch geeignet, für den Lebensunterhalt eingesetzt zu werden.
Mit ihrer am 10. November 2006 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie behauptet, dass mit
ihren Eltern vereinbart sei, den als Darlehen gewährten Betrag zurückzuzahlen, wenn sich ihre finanziellen
Verhältnisse gebessert hätten, insbesondere, wenn sie wieder eine Arbeit gefunden hätte. Da dies bislang nicht der
Fall gewesen sei, sei eine Rückzahlung noch nicht erfolgt. Die Klägerin ist der Ansicht, dass es falsch sei, das von
den Eltern gewährte Darlehen als Einkommen anzusehen. Ein Darlehen werde vom Darlehensgeber dem
Darlehensnehmer nur für einen vorübergehenden Zeitraum zur Verfügung gestellt, verbunden mit der Verpflichtung,
nach Ablauf dieses Zeitraums diesen Betrag wieder an den Darlehensgeber zurückzuzahlen. Der darlehensweise
gewährte Betrag sei mithin bereits zum Zeitpunkt des Eingangs beim Darlehensnehmer mit der
Rückzahlungsverpflichtung belastet. Als Einnahmen könne jedoch nur das verstanden werden, was der Berechtigte
erhalte, um es behalten zu können. Beträge, bei denen feststehe, dass sie zurückzuzahlen seien, könnten
denknotwendig kein Einkommen sein. Im Übrigen liege kein Einkommen vor, da die Einnahmen einem anderen Zweck
als die Leistungen nach dem SGB II dienten, nämlich der Abdeckung eines in der Regelleistung nicht enthaltenen
zusätzlichen Bedarfs.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 17. Mai 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Oktober 2006
aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hält an ihrer Entscheidung fest und verweist auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Akte des Gerichts sowie auf die Akte der
Beklagten, die beigezogen wurde, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Eine Einbeziehung der beiden, mit der anwaltlich vertretenen Klägerin in Bedarfsgemeinschaft lebenden Kinder als
weitere Kläger in den Rechtsstreit war nicht notwendig. Zwar ist das Gericht zur sachgemäßen Auslegung von
Klageanträgen befugt und berufen (vgl. § 123 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Dies soll nicht nur eine Auslegung der
Klageanträge selbst ermöglichen, sondern auch für die Frage, welche Personen überhaupt Klage erhoben haben,
gelten (so insbesondere BSG, Urteil vom 07.11.2006, Az.: B 7b AS 8/06 R; ferner etwa LSG Baden-Württemberg,
Beschluss vom 28.03.2007, Az.: L 7 AS 1214/07 ER-B; Spellbrink, NZS 2007, 121 [124]). Dieser im Hinblick auf das
sog. Meistbegünstigungsprinzip für eine Übergangszeit postulierte Vorgehensweise bedarf es indes regelmäßig nur,
wenn mit der Klage ein Zahlungsanspruch verfolgt wird, und nicht, wenn es nur um die Aufhebung einer
Bewilligungsentscheidung geht. Die angefochtenen Bescheide waren nur an die Klägerin adressiert, so dass kein
Bedürfnis besteht, die weiteren Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft unmittelbar an dem Rechtsstreit zu beteiligen. Ihre
Rechtsstellung erfährt dadurch keinen Nachteil.
2. Die zulässige Klage ist nur in aus dem Tenor ersichtlichem Umfang begründet. Der Bescheid der Beklagten vom
17. Mai 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Oktober 2006 ist nur insoweit rechtswidrig und die
Rechte der Klägerin verletzend, als die Aufhebungsverfügung einen Betrag von 220 Euro übersteigt. Die Beklagte war
berechtigt, ihren Bescheid vom 14. November 2005 in Höhe von 220 Euro aufzuheben.
a) Ermächtigungsgrundlage für die Aufhebung ist § 48 Sozialgesetzbuch (SGB) X. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X
ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen
Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche
Änderung eintritt. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung
der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt (Ziffer 1), der Betroffene
einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der
Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist (Ziffer 2), nach Antragstellung oder Erlass des
Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, dass zum Wegfall oder zur Minderung des
Anspruchs geführt haben würde (Ziffer 3), oder der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche
Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakte ergebende Anspruch
kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist (Ziffer 4). Gemäß § 48 Abs. 4 SGB X
gelten die §§ 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Sätze 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 SGB X entsprechend, § 45 Abs. 4 Satz 2
SGB X jedoch nicht im Falle des § 48 Abs. 1 Satz 2 Ziffer 1 SGB X.
b) Diese Voraussetzungen für die teilweise Aufhebung des Verwaltungsaktes vom 14. November 2005 mit Wirkung
zum Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse liegen vor.
aa) Es handelt sich bei dem Bescheid vom 14. November 2005 um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, weil sich
dessen rechtliche Wirkung über eine einmalige Gestaltung der Rechtslage hinaus auf eine gewisse zeitliche Dauer
erstreckt (vgl. BSG, Urteil vom 29.06.1994, Az.: 1 RK 45/93), nämlich auf den Bewilligungszeitraum vom 8.
September 2005 bis zum 28. Februar 2006.
bb) Eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen ist insofern eingetreten, als die Klägerin im Januar
2006 eine einmalige Einnahme in Höhe von 250 Euro hatte. Diese Einnahme ist in Höhe von 220 EUR zu
berücksichtigendes Einkommen im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die
frühere Darstellung der Klägerin, dass es sich bei dem Geld um ein Geschenk ihrer Eltern zu Weihnachten, oder die
nunmehrige Behauptung, dass es sich um ein seitens ihrer Eltern gewährtes Darlehen gehandelt habe, zutreffend ist.
Einkommen sind – in Abgrenzung zum nach § 12 SGB II zu beurteilenden Vermögen – alle Einnahmen in Geld oder
Geldeswert, die, wenn ggf. auch nur für den nachfolgenden Verbrauch, den Vermögensstand dessen vermehren, der
solche Einnahmen hat (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 21.02.2007, Az.: L 7 AS 690/07 ER-B).
Entscheidend ist, ob die Mittel tatsächlich zum Bestreiten des Lebensunterhaltes eingesetzt werden können (Hänlein,
in: Gagel [Hrsg.], SGB III mit SGB II, § 11 SGB II [2006] Rdnr. 17).
(1) Diese Voraussetzungen sind bei Schenkungen ohne weiteres erfüllt (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss
vom 21.07.2006, Az.: L 7 AS 2129/06 ER-B; Mecke, in: Eicher/Spellbrink [Hrsg.], SGB II, 2005, § 11 Rdnr. 26), was
im übrigen auch sowohl im Kontext der Arbeitslosenhilfe (BSGE 41, 187 [189]) als auch der Sozialhilfe
(Umkehrschluss aus § 78 Abs. 2 BSHG bzw. § 84 Abs. 2 SGB XII; vgl. auch Bayerisches LSG, Urteil vom
09.03.2006, Az.: L 11 SO 11/05; VG Münster, Urteil vom 04.03.2003, Az.: 5 K 723/99) anerkannt war bzw. ist. Diese
Einordnung wird im Wege eines Umkehrschlusses bestätigt durch § 1 Abs. 1 Ziffer 2 ALG II-Verordnung, nach dem
Zuwendungen Dritter nur dann nicht als Einkommen im Sinne des § 11 SGB II zu berücksichtigen sind, wenn sie
einem anderen Zweck dienen als die Leistungen nach dem SGB II, soweit sie die Lage des Empfängers nicht so
günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht gerechtfertigt sind.
(2) Auch Einnahmen, die der Betroffene in Form eines Darlehens erhält, erfüllen grundsätzlich die Anforderungen, die
an den Einkommensbegriff es § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II gestellt werden. Derjenige, der ein Darlehen aufnimmt, hat
dieses Geld zunächst zu seiner freien Verfügung, ohne insoweit einer Beschränkung zu unterliegen (dies betont VG
Sigmaringen, Urteil vom 21.09.2004, Az.: 9 K 270/04). Entsprechend ist im Recht der Sozialhilfe davon ausgegangen
worden, dass auch die in Form eines Darlehens gewährte Hilfe Dritter den Sozialhilfeanspruch entfallen lassen kann
(BVerwG, Urteil vom 10.05.1967, Az.: 5 C 150.66) bzw. als Einkommen zu berücksichtigen ist (VGH Baden-
Württemberg, Urteil vom 20.06.1979, Az.: VI 3798/78; Hessischer VGH, Urteil vom 25.11.1987, Az.: 5 UE 1909/86;
VG Sigmaringen, Urteil vom 21.09.2004, Az.: 9 K 270/04).
Allerdings bedarf der Einkommensbegriff im Einzelfall einer am Sinn und Zweck des § 11 Abs. 1 SGB II orientierten
Einschränkung (Mecke, in: Eicher/Spellbrink [Hrsg.], SGB II, 2005, § 11 Rdnr. 9). Die insofern gebotene
wirtschaftliche Betrachtungsweise (so zur Arbeitslosenhilfe BSG, Urteil vom 13.06.1985, Az.: 7 RAr 27/84) streitet
dagegen, im Darlehenswege erlangte Einnahmen als Einkommen zu berücksichtigen, wenn die Einnahme sogleich
zurückzuzahlen wäre (vgl. Mecke, in: Eicher/Spellbrink [Hrsg.], SGB II, 2005, § 11 Rdnr. 27). Das bedeutet einerseits,
dass eine Einnahme dann keine bedarfsmindernde Berücksichtigung finden kann, wenn die
Rückzahlungsverpflichtung in vollständiger Höhe in denselben Bewilligungszeitraum fällt, weil dann die
Hilfebedürftigkeit insoweit nur scheinbar entfallen wäre (vgl. BVerwG, Urteil vom 10.05.1967, Az.: 5 C 150.66). Dies
schließt es aber nicht aus, eine im Darlehenswege erlangte Einnahme jedenfalls dann als Einkommen zu
berücksichtigen, wenn die Rückzahlungsverpflichtung auf einen Zeitraum datiert ist, der nicht nur außerhalb des
aktuellen Bewilligungszeitraumes, sondern auch außerhalb des Zeitraumes des Leistungsbezuges insgesamt liegt.
Diese differenzierte Betrachtungsweise trägt zum einen dem Umstand, dass Einkünfte in Form von Darlehen von
vorneherein mit der Pflicht zur Rückgewähr belastet und insofern einkommensneutral sind (vgl. BSG, Urteil vom
13.06.1985, Az.: 7 RAr 27/84), zum anderen aber auch dem an anderer Stelle im Gesetz verankerten und für die
übrigen Normen des Gesetzes interpretationsleitenden Grundsatz der Subsidiarität der staatlichen
Leistungsgewährung (vgl. Beschluss der Kammer vom 19.02.2007, Az.: S 2 AS 565/07 ER; Beschluss der Kammer
vom 20.02.2007, Az.: S 2 AS 564/07 ER) Rechnung. So müssen erwerbsfähige Hilfebedürftige und die mit ihnen in
einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung ihrer
Hilfebedürftigkeit ausschöpfen (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB II) und in eigener Verantwortung alle Möglichkeiten nutzen,
ihren Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln und Kräften zu bestreiten (§ 2 Abs. 2 Satz 1 SGB II). Dies spricht dafür,
jedes erzielte Einkommen leistungsreduzierend zu berücksichtigen (Spellbrink, JZ 2007, 28 [31]).
Schließlich ist diese differenzierte Betrachtungsweise auch geeignet, Missbrauch zu verhindern, der dadurch
entstehen könnte, dass eine Zahlung zunächst als Darlehen ausgegeben wird, die spätere Rückzahlungsverpflichtung
im weiteren zeitlichen Verlauf aber fallengelassen wird, so sie denn zunächst tatsächlich bestanden hätte.
Vor diesem Hintergrund war die Zahlung der Eltern der Klägerin als Einkommen zu berücksichtigen. Die Klägerin ist
nach ihrer eigenen, nicht widerleglichen Darstellung zur Zurückzahlung des von ihren Eltern zugewandten
Geldbetrages erst dann verpflichtet, wenn sie hierzu aufgrund verbesserter finanzieller Verhältnisse in der Lage ist,
insbesondere, wenn sie wieder erwerbstätig ist. Damit ist für die Rückzahlungsverpflichtung kein fester Termin
bestimmt, sondern diese wird bei lebensnaher Betrachtung erst dann aktiviert, wenn die Klägerin aufgrund
Erwerbseinkommen nicht mehr hilfebedürftig im Sinne von § 9 Abs. 1 SGB II ist.
Dahin stehen kann damit, ob ein Darlehen auch dann als Einkommen zu berücksichtigen ist, wenn der
Rückzahlungszeitpunkt nicht außerhalb des Zeitraums des Leistungsbezuges insgesamt, sondern lediglich außerhalb
des aktuellen Bewilligungszeitraumes liegt.
(3) Der Berücksichtigung als Einkommen stehen weder § 11 Abs. 3 SGB II noch § 1 ALG II-Verordnung entgegen.
Weder handelte es sich bei der Zahlung um zweckbestimmte Einnahmen (§ 11 Abs. 3 Ziffer 1 lit. a SGB II) noch um
Zuwendungen Dritter, die einem anderen Zwecke als Leistungen nach dem SGB II dienen (§ 1 Abs. 1 Ziffer 2 ALG II-
Verordnung). Bei beiden Vorschriften kommt es darauf an, ob die Einnahmen einem anderen Zweck dienen als die
Leistungen nach dem SGB II (Hänlein, in: Gagel [Hrsg.], SGB III mit SGB II, § 11 SGB II [2006] Rdnr. 60). Welche
Einnahmen einem anderen Zweck als die Leistungen nach dem SGB II dienen, lässt sich auf einer – hier allein
relevanten – ersten Stufe im Umkehrschluss anhand der nicht abschließenden Aufzählung in § 20 Abs. 1 SGB II
bestimmen. Danach umfasst die Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes insbesondere Ernährung,
Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung anfallenden Anteile, Bedarfe des
täglichen Lebens sowie in vertretbarem Umfang auch Beziehungen zur Umwelt und eine Teilnahme am kulturellen
Leben. Dies bedeutet, dass jedenfalls Einnahmen, die die in § 20 Abs. 1 SGB II genannten Bedarfe finanzieren sollen,
dem gleichen Zweck wie die Leistungen nach dem SGB II dienen (vgl. Hengelhaupt, in: Hauck/Noftz [Hrsg.], SGB II,
§ 11 [2006] Rdnr. 217).
Selbst bei Zugrundelegung des äußerst vagen klägerischen Vortrags, dass die Zahlung der Eltern zum Ausgleich von
besonderen Kosten aufgrund einer bevorstehenden Operation bzw. für Schulmaterialien, Geschirr und Geschenke für
Verwandte und Freunde benötigt wurde, diente damit die Schenkung bzw. Darlehensgewährung den gleichen Zwecken
wie die Leistungen des SGB II. Schulmaterialien, Geschirr und Geschenke für Verwandte und Freunde werden durch
die Regelleistung des § 20 Abs. 1 SGB II ("Bedarf des täglichen Lebens" und "Beziehungen zur Umwelt") abgedeckt.
Gleiches gilt aber auch für die geltend gemachten Krankheitskosten. Entweder handelt es sich um Kosten, die von
der gesetzlichen Krankenkasse, deren Mitglied die Klägerin als Empfängerin von Leistungen nach dem SGB II ist
(vgl. § 5 Abs. 1 Ziffer 2a SGB V) zu tragen sind und nicht den Bedarf über das in der Regelleistung enthaltene Maß
hinaus erweitern (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26.08.2005, Az.: L 19 B 41/05 AS ER). Oder es
handelt sich um Kosten, die nicht durch die Krankenkasse der Klägerin finanziert werden. Solche, nicht von der
Krankenkasse übernommene Krankheitskosten sind aber aus der Regelleistung zu bestreiten (LSG Berlin-
Brandenburg, Beschluss vom 28.08.2006, Az.: L 19 B 316/06 ER; SG Darmstadt, Urteil vom 19.01.2007, Az.: S 19
AS 238/06).
(4) Allerdings war von dem zu berücksichtigenden Einkommen ein Pauschbetrag in Höhe von 30 Euro für die Beiträge
zu privaten Versicherungen gemäß § 3 Abs. 1 Ziffer 1 ALG II-Verordnung abzusetzen. Diese Regelung gilt angesichts
ihres insoweit nicht eingeschränkten Wortlauts nicht nur für Einkommen aus nichtselbständiger Arbeit oder aus
selbständiger Arbeit, aus Gewerbebetrieb und Land- und Forstwirtschaft, sondern für jegliches zu berücksichtigende
Einkommen.
(5) Weitere Abzüge waren indes nicht vorzunehmen. Insbesondere war kein (weiterer) Abzug in Höhe von 50 Euro
gemäß § 1 Abs. 1 Ziffer 1 ALG II-Verordnung vorzunehmen. Nach dieser Norm sind einmalige Einnahmen und
Einnahmen, die in größeren als monatlichen Zeitabständen anfallen, nicht als Einkommen zu berücksichtigen, wenn
sie jährlich 50 Euro übersteigen. Abgesehen davon, dass die Beklagte bereits einen Abzug von 50 Euro von dem
Gesamtbetrag von 300 Euro ihrer Aufhebungsentscheidung zugrundegelegt hat, enthält § 1 Abs. 1 Ziffer 1 ALG II-
Verordnung angesichts seines Wortlauts ("wenn" statt "soweit") nicht etwa einen Freibetrag, sondern statuiert eine
Freigrenze mit der Folge, dass einmalige Einnahmen und Einnahmen, die in größeren als monatlichen Zeitabständen
anfallen, in voller Höhe als Einkommen zu berücksichtigen sind, sobald sie einen Betrag von 50 Euro überstiegen
haben. Daher kann auch dahinstehen, ob diese Freigrenze pro Mitglied der Bedarfsgemeinschaft gilt und zu einer
Gesamtfreigrenze zu addieren ist. Auch dann läge die erlangte Summe von 300 Euro über der Freigrenze der
Bedarfsgemeinschaft von 150 Euro.
cc) Der Bescheid vom 14. November 2005 war somit gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Ziffer 3 SGB X mit Wirkung vom
Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, da nach Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen erzielt
worden ist, das zur Minderung des Anspruchs geführt hat. Es liegt kein atypischer Sachverhalt vor, der eine
Ausnahme von der Aufhebung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse, die von Gesetzes wegen geregelt ist,
ermöglichen würde und der Beklagten Ermessen eingeräumt hätte.
dd) Auch die weiteren Voraussetzungen für die Aufhebung des Verwaltungsaktes sind erfüllt. Insbesondere hat die
gemäß § 48 Abs. 4 Satz 1 SGB X i.V.m. § 44 Abs. 3 SGB X zuständige Behörde gemäß § 48 Abs. 4 Satz 1 SGB X
i.V.m. § 45 Abs. 3 Satz 3 SGB X binnen zehn Jahren gehandelt.
ee) Auch die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 in Verbindung mit § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X ist gewahrt. Der
ursprüngliche Bescheid ist am 14. November 2005 ergangen, die Beklagte hat von der Einkommenserzielung am 28.
Januar 2006 erfahren und daraufhin ihre Bewilligung mit Bescheid vom 17. Mai 2006 teilweise aufgehoben.
b) Der Rechtmäßigkeit des Aufhebungsbescheides steht nicht entgegen, dass er lediglich an die Klägerin adressiert
war. Zwar handelt es sich bei den Ansprüchen auf Leistungen nach dem SGB II trotz der Konstruktion der
Bedarfsgemeinschaft stets um individuelle Ansprüche der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft und nicht um einen
gemeinsamen Anspruch der Bedarfsgemeinschaft (BSG, Urteil vom 07.11.2006, Az.: B 7b AS 8/06 R; LSG Baden-
Württemberg, Beschluss vom 21.07.2006, Az.: L 7 AS 2129/06 ER-B), die selbst keine Rechtspersönlichkeit ist (vgl.
BSG, Urteil vom 07.11.2006, Az.: B 7b AS 8/06 R). Dies spricht dafür, dass nicht nur die Bewilligungsbescheide
individuell adressiert werden müssen, sondern erst Recht Aufhebungs- und vor allem Erstattungsbescheide diesem
Umstand Rechnung tragen müssen (SG Koblenz, Urteil vom 14.06.2006, Az.: S 11 AS 305/06; a.A. aber LSG
Schleswig-Holstein, Beschluss vom 23.11.2006, Az.: L 6 B 292/06 AS ER), wenn die Aufhebungs- und
Erstattungsforderung hinsichtlich des auf die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft entfallenden Betrages, an die der
Bescheid nicht adressiert worden ist, nicht schon deshalb rechtswidrig sein soll.
Indes erscheint in der vorliegenden Konstellation eine solche Individualisierung und Adressierung des
Aufhebungsbescheides jedenfalls für eine Übergangszeit (vgl. BSG, Urteil vom 07.11.2006, Az.: B 7b AS 8/06 R, dort
allerdings zugunsten des Anspruchsstellers und nicht – wie hier – zugunsten der Allgemeinheit) entbehrlich, weil die
Klägerin gesetzliche Vertreterin ihrer beiden, mit ihr in der Bedarfsgemeinschaft lebenden Kinder ist, und daher auch
insofern richtiger Adressat der Bescheide der Beklagten. Auch die gesonderten Aufhebungsbescheide hinsichtlich der
ihren Kindern bewilligten Leistungen hätten daher an die Klägerin selbst adressiert werden müssen. Nur deshalb ist es
nicht zu beanstanden, dass die Beklagte eine solche Individualisierung bei Erlass der angefochtenen Bescheide
unterlassen hat.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG, wobei der Umstand zu berücksichtigen war, dass die
Klägerin nur zu einem geringen Teil obsiegte.
4. Die Berufung war gemäß § 144 Abs. 2 Ziffer 1 SGG zuzulassen, da die Frage, ob darlehensweise empfangene
Leistungen als Einkommen im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II zu berücksichtigen sind, grundsätzliche
Bedeutung hat.