Urteil des SozG Reutlingen vom 03.03.2009

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Sozialgericht Reutlingen
Urteil vom 03.03.2009 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Reutlingen S 2 AS 1885/08
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Erstattung von Kosten für Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten Buch
Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 1. Januar 2008 bis zum 30. Juni 2008.
Der am ... geborene Kläger wohnte im streitgegenständlichen Zeitraum mit seiner Mutter in getrennten Wohnungen in
einem Haus in ..., das im Eigentum einer Erbengemeinschaft, bestehend aus der Mutter des Klägers, seiner
Schwester und seinem Bruder, steht. Der Kläger bezieht seit dem 1. Januar 2005 Leistungen zum Lebensunterhalt
nach dem SGB II.
Im zwischen den Beteiligten geführten Rechtsstreit mit dem Az. S 2 AS 4900/06, das die Übernahme der Kosten für
Unterkunft und Heizung für das Jahr 2006 betraf, legte der Kläger am 2. August 2007 einen zwischen den Mitgliedern
der Erbengemeinschaft als Vermieter und ihm als Mieter geschlossenen, auf dem 1. Juli 2007 datierten Mietvertrag
für die Zeit vom 1. Juli 2007 bis zum 30. Juni 2008 vor, nach dem der Kläger eine monatliche Kaltmiete in Höhe von
100 Euro bzw. ab dem 1. August 2007 eine monatliche Kaltmiete von 111 Euro und zusätzlich jeweils eine
Heizkostenvorauszahlung in Höhe von 15 Euro zu zahlen hat.
In dem Verfahren mit dem Az. S 2 AS 4900/06 wurde am 2. Oktober 2007 Beweis erhoben durch die Vernehmung der
Mutter des Klägers sowie der Schwester des Klägers. Die Mutter des Klägers führte dabei unter anderem aus, dass
der Kläger ihr bis zum Beginn seiner Arbeitslosigkeit monatlich 200 DM Kaltmiete sowie 30 DM für Strom gezahlt
habe. Als er dann arbeitslos geworden war, habe er den Betrag nicht mehr bezahlen können. An den Gedanken, ihn
deswegen aus der Wohnung "rauszuschmeißen", sei sie nicht gekommen, da es doch ihr Sohn sei. Er müsse doch
irgendwo wohnen. Inzwischen überweise er Miete.
Das Gericht wies die Klage mit Urteil vom 2. Oktober 2007 ab und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, dass
die Gestaltung des Mietverhältnisses zwischen dem Kläger und seiner Mutter nicht den zu stellenden Anforderungen
an einen Fremdvergleich standhalte. Es entspreche nicht dem zwischen Fremden Üblichen, wenn aus dem
Zahlungsverzug des Mieters nicht die Konsequenz der Beendigung eines Mietverhältnisses gezogen würde. Dies sei
hier der Fall, da die Mutter des Klägers ausgeführt habe, dass sie den Kläger nicht aus der Wohnung weisen könne
und würde, auch wenn er keine Mietzahlung leiste. Die hiergegen vom Kläger eingelegte Berufung wurde vom
Landessozialgericht Baden-Württemberg mit Beschluss vom 14. April 2008 (Az. L 8 AS 5247/07) als unzulässig
verworfen.
Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 17. Dezember 2007 Leistungen nach dem SGB II für Januar bis
Juni 2008 in Höhe von monatlich 152,10 Euro. Der Betrag setzt sich zusammen aus einer Regelleistung in Höhe von
347 Euro sowie einem Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung in Höhe von 51,13 Euro, von dem
Renteneinkommen in Höhe von 276,03 Euro (abzüglich der sog. Versicherungspauschale in Höhe von 30 Euro)
abzogen wurde. Leistungen für Unterkunft und Heizung wurden nicht gewährt.
Hiergegen legte der Kläger am 14. Januar 2008 Widerspruch ein, den die Beklagte mit Bescheid vom 23. April 2008
zurückwies.
Mit seiner am 21. Mai 2008 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheides vom 17. Dezember 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids
vom 23. April 2008 zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 1. Januar 2008 bis zum 30. Juni 2008 Leistungen nach dem
SGB II für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 115 Euro zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hält an ihrer Entscheidung fest.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Akte des Gerichts, die Akte des Gerichts im
Verfahren S 2 AS 4900/06 sowie auf die Akten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1. Die zulässige Klage ist unbegründet. Die angegriffenen Bescheide sind rechtmäßig. Der Kläger hat keinen
Anspruch auf Erstattung von Kosten für Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 1. Januar 2008 bis zum 30. Juni
2008.
a) Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen
Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Dies bedeutet allerdings – auch jenseits des Kriteriums der
Angemessenheit – nicht automatisch, dass Aufwendungen nur, aber stets dann erstattet werden müssen, wenn sie
tatsächlich anfallen. Vielmehr bedarf das Tatbestandsmerkmal der tatsächlichen Aufwendungen der Präzisierung, um
– zu Gunsten wie zu Lasten des Hilfebedürftigen – eine Missbrauchsmöglichkeit zu verhindern. Zu Gunsten des
Hilfebedürftigen kann ein Anspruch auf Erstattung von Kosten der Unterkunft und Heizung auch dann bestehen, wenn
er entsprechende Zahlungen tatsächlich im streitgegenständlichen Zeitraum nicht oder nur teilweise geleistet hat. Dies
ist namentlich dann nötig, wenn der Hilfebedürftige mangels Erstattungsleistungen seitens des Leistungsträgers gar
nicht in der Lage ist, seinen Verpflichtungen gegenüber dem Vermieter nachzukommen. Ansonsten hätte es – worauf
die 10. Kammer in ihrem zwischen den Beteiligten auch dieses Rechtsstreits ergangenen Urteil vom 22. August 2006
(Az.: S 10 AS 1281/05, n.v.) insoweit zu Recht hingewiesen hat – der Leistungsträger in der Hand, bei an sich
zustehenden Leistungen für Unterkunft und Heizung die Übernahme der Kosten zu verweigern und bei hierdurch
eintretendem Unvermögen, die Mietschulden zu bezahlen, endgültig von der Leistungsverpflichtung freizukommen.
Dies entbindet aber gerade nicht von der Feststellung, ob der Hilfebedürftige auch verpflichtet gewesen wäre,
Mietzinsen zu entrichten. Damit setzt ein Anspruch nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II nicht zwingend voraus, dass der
Hilfebedürftige die Unterkunftskosten tatsächlich geleistet hat, sondern nur, dass ihm die Aufwendungen in rechtlich
erheblicher Hinsicht tatsächlich entstanden sind. Umgekehrt reicht auch die tatsächliche Leistung der
Unterkunftskosten seitens des Hilfebedürftigen nicht aus, um den Anspruch aus § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II zu
begründen, sondern es bedarf auch insoweit einer im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II rechtlich erheblichen
Entstehung der Unterkunftskosten. Die objektive Beweislast dafür, dass die aufgezeigten Voraussetzungen für den
Anspruch aus § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II vorliegen, obliegt dem Hilfebedürftigen (vgl. Urteil der 12. Kammer des SG
Reutlingen vom 23.10.2006, Az.: S 12 AS 4496/05, n. v.; SG Frankfurt am Main, Gerichtsbescheid vom 21.03.2007,
Az.: S 47 AS 349/06, juris, Rdnr. 53).
Im vorliegenden Fall brauchte die Kammer nur zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen Unterkunftskosten in
rechtlich erheblicher Weise im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II entstehen, wenn zwischen dem Hilfebedürftigen
und dem vorgeblich hinsichtlich der Mietzahlungen Berechtigten ein enges Verwandtschaftsverhältnis besteht. Diese
Fälle können gewöhnlichen Mietverhältnissen nämlich nicht ohne weiteres gleichgestellt werden. Daher reicht in
diesen Fällen, die bloße – mündliche oder schriftliche – Abrede, dass ein Mietzins zu zahlen ist, nicht aus, da
ansonsten dem Leistungsmissbrauch nur schwer begegnet werden könnte (so – offenbar im Anschluss an die
Rechtsprechung der erkennenden Kammer – auch LSG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 22.01.2008, Az.:
L 8 B 247/07, juris, Rdnr. 21). Leistungen nach dem SGB II sind nämlich nicht dazu bestimmt, mittels des
Hilfebedürftigen Dritten zugute zukommen, die eigentlich keinen Anspruch darauf hätten. Insoweit ist obergerichtlich
anerkannt, dass Zahlungsverpflichtungen zwischen Angehörigen nur dann als rechtlich erheblich im Sinne von § 22
Abs. 1 Satz 1 SGB II anzuerkennen sind, wenn sowohl die Gestaltung als auch die Durchführung des Vereinbarten
dem zwischen Fremden Üblichen entspricht (sog. Fremdvergleich; siehe insbesondere LSG Baden-Württemberg,
Urteil vom 15.09.2006, Az.: L 8 AS 5071/05, juris, Rdnr. 39, im Anschluss an die finanzgerichtliche Rechtsprechung;
LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 13.07.2007, Az.: L 8 AS 2589/06, juris, Rdnr. 26; ferner LSG Berlin-Brandenburg,
Beschluss vom 25.01.2007, Az.: L 10 B 1195/06 AS PKH, juris, Rdnr. 8; LSG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss
vom 22.01.2008, Az.: L 8 B 247/07, juris, Rdnr. 21; Lang/Link, in: Eicher/Spellbrink [Hrsg.], SGB II, 2. Aufl. 2008, §
22 Rdnr. 38c).
Dabei ist die Kammer allerdings nicht der Auffassung, dass es im Kontext des Fremdvergleiches eines Rückgriffs auf
§ 117 Abs. 1 BGB (Scheingeschäft) bedarf, um einen Anspruch aus § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II zu verneinen (so aber
wohl LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 15.09.2006, Az.: L 8 AS 5071/05, juris, Rdnr. 39; LSG Baden-Württemberg,
Urteil vom 13.07.2007, Az.: L 8 AS 2589/06, juris, Rdnr. 27). Vielmehr erscheint es hinreichend, aber auch notwendig,
die anspruchsbegründenden Umstände insoweit unabhängig von zivilrechtlichen Wirksamkeitserwägungen zu
bewerten. Es ist nämlich durchaus denkbar, dass zwischen Verwandten eine Abrede etwa mit dem Inhalt getroffen
wird, dass eine Mietzinsverpflichtung nur dann besteht, solange und soweit der Sozialleistungsträger eine
entsprechende Erstattung vornimmt. In diesem Fall wäre die Abrede zwar nicht wegen § 117 Abs. 1 BGB nichtig, aber
doch nicht rechtlich relevant im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II, ohne dass es an dieser Stelle darauf ankommt,
ob eine zivilrechtliche Unwirksamkeit auf § 138 Abs. 1 BGB gestützt werden könnte, weil es sich um einen
sittenwidrigen Vertrag zu Lasten der Allgemeinheit handele (dazu aber noch unter c).
Die Gestaltung und Durchführung einer zwischen engen Verwandten geschlossenen Vereinbarung entspricht unter
anderem dann nicht dem zwischen Fremden Üblichen, wenn der "Mieter" nur dann zur Zahlung von Mietzinsen
verpflicht ist, wenn er seinerseits die Kosten vom Sozialleistungsträger erstattet bekommt (vgl. auch Urteil der 12.
Kammer des SG Reutlingen vom 23.10.2006, Az.: S 12 AS 4496/05, n. v., die insofern einen unzulässigen Vertrag zu
Lasten Dritter – des Leistungsträgers – annimmt). Von einer derart konditionierten – und damit im Rahmen von § 22
Abs. 1 Satz 1 SGB II unbeachtlichen – Mietzinszahlungsverpflichtung ist insbesondere dann auszugehen, wenn die
Nichtzahlung der Mietzinsen ohne entsprechende mietrechtliche Sanktionierung bleibt. Es entspricht nämlich gerade
nicht dem zwischen Fremden Üblichen, wenn sie aus dem Zahlungsverzug des Mieters nicht die Konsequenz in Form
der Beendigung des Mietverhältnisses (vgl. § 573 BGB) ziehen.
b) Vor diesem Hintergrund bestand zwischen dem Kläger und seiner Mutter bzw. der Erbengemeinschaft jedenfalls im
streitgegenständlichen Zeitraum keine im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II rechtlich relevante Mietzinsabrede.
Dies ergibt sich aus der Beweisaufnahme, die die Kammer im zwischen den Beteiligten dieses Rechtsstreits
geführten Verfahren S 2 AS 4900/06 am 2. Oktober 2007 durchgeführt hat. Die Kammer hat in ihrem Urteil vom
gleichen Tag dazu ausgeführt:
"Bei allen Vorbehalten gegenüber der Aussagetüchtigkeit der schon 83 Jahre alten und offenbar schwerhörigen Mutter
des Klägers, ist insofern deren in der mündlichen Verhandlung gemachte spontane und mit ihr Überzeugungskraft
verleihender Vehemenz vorgetragene Aussage, dass sie ihren Sohn nicht aus der Wohnung weisen könne und würde,
auch wenn er keine Mietzahlungen leiste, von entscheidender Bedeutung. Die Validität dieser Aussage wird
unterstrichen durch den Umstand, dass der Kläger jedenfalls zwischen April 2005 und August 2006 auch nach
eigenem Bekunden keinerlei Mietzahlungen geleistet hat, ohne dass hieraus mietrechtliche Konsequenzen zu seinen
Lasten gezogen worden wären, und durch seine im Erörterungstermin am 8. Mai 2007 gemachte Angabe, dass er
seiner Mutter Unterkunftskosten nur zahle, solange und soweit er sie von der Beklagten erstattet bekomme. Der zum
Beleg drohender mietrechtlicher Konsequenzen noch im Erörterungstermin vom 8. Mai 2007 angeführte Erlass eines
Mahnbescheides gegen den Klägers stellte sich in der mündlichen Verhandlung als vom Kläger selbst im Hinblick auf
die begehrten Kostenerstattung seitens der Beklagten veranlasst heraus, während der Kläger im Erörterungstermin
noch seine Geschwister als Urheber hierfür angab.
Auch die Aussage der Zeugin ... führt zu keiner Beurteilung. Ausgehend von der Nullhypothese (dazu insbesondere
BGH, Urteil vom 30.07.1999, Az.: 1 StR 618/99, BGHSt 45, 164 ff.) bestehen zwar kaum Anhaltspunkte dafür, dass
ihre Aussage glaubhaft war. Das Nichtinteresse an den Umständen, unter denen der Kläger bei seiner Mutter lebt,
erschien vielmehr durchaus bemerkenswert demonstrativ. Gleichwohl konnte durch sie aber auch nicht zur
Überzeugung des Gerichts der Beweis geführt werden, dass dem Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum bei
Nichtzahlung der Miete seitens seiner Geschwister oder auf deren Veranlassung durch seine Mutter mietrechtliche
Konsequenzen gedroht hätten."
Der vorliegende Rechtsstreit, der sich nur hinsichtlich des streitgegenständlichen Zeitraums vom Verfahren S 2 AS
4900/06 unterscheidet, gibt keine Veranlassung zur einer anderen tatsächlichen oder rechtlichen Beurteilung. Dies gilt
auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Kläger für die Zeit ab dem 1. Juli 2007 einen schriftlichen
Mietvertrag vorgelegt hat. Entscheidend ist nicht, was "auf dem Papier" steht, sondern ob der Vertrag auch
tatsächlich durchgeführt wurde. Daran fehlt es aber gerade, wenn dem Ausbleiben der Mietzahlung nicht die
mietrechtliche Konsequenz der Kündigung folgt. Dass die Beweiswürdigung der Kammer im Verfahren S 2 AS
4900/06 zutreffend war, hat der Kläger mittelbar übrigens in der mündlichen Verhandlung des vorliegenden Verfahrens
bestätigt. Er gab an, mit einer Kündigung nach den Aussagen seiner Mutter in der mündlichen Verhandlung am 2.
Oktober 2007 nicht gerechnet zu haben. Deswegen ist auch nicht erheblich, ob und in welcher Form – in der
mündlichen Verhandlung war von getätigten Einkäufen die Rede – der Kläger für das erste Halbjahr 2008 einen
Mietzins gezahlt hat. Abgesehen davon, dass er diesen nicht beziffern kann, hätte die Nichtzahlung eben gerade auch
keine nachteiligen Konsequenzen für den Kläger gehabt.
c) Etwas anderes folgt auch nicht aus der taggleich ergangenen Entscheidung des BSG vom 3. März 2009 (Az.: B 4
AS 37/08 R), soweit sich deren Inhalt aus dem bislang lediglich veröffentlichten Terminsbericht entnehmen lässt.
Zwar hat das BSG in der dortigen Konstellation den Rückgriff auf den sog. Fremdvergleich abgelehnt, aber gleichwohl
für erheblich gehalten, ob der Mietvertrag nur "auf dem Papier" stand oder auch praktiziert wurde. Damit bleibt es im
vorliegenden Fall auch ohne die Anwendung des sog. Fremdvergleiches bei den gefundenen Ergebnis, da der
schriftlich niedergelegte Mietvertrag eben gerade nicht praktiziert wurde. Praktiziert in diesem Sinne wird ein
Mietvertrag nur dann, wenn die Bereitstellung der Mietsache entweder durch die Zahlung des Mietzinses entgolten
wird – eine Zahlung an die Erbengemeinschaft erfolgte im übrigen nie – oder die Nichtzahlung des Mietzinses zur
Beendigung des Mietverhältnisses führt. Die letztere Möglichkeit stand aber zwischen den (vermeintlichen)
Mietparteien gerade nicht zur Diskussion.
Schließlich ergibt sich auch dann kein anderes Ergebnis, wenn man die Ausführungen des BSG so deuten würde,
dass es allein auf das Bestehen eines zivilrechtlichen Mietzinsanspruches gegenüber dem Hilfebedürftigen ankommt,
da das behauptete Mietverhältnis zwischen dem Kläger und seiner Mutter bzw. der Erbengemeinschaft gemäß § 138
Abs. 1 BGB nichtig war. Ein Mietverhältnis, das auf der Vereinbarung beruht, dass ein Mietzins nur zu entrichten ist,
wenn und soweit entsprechende Erstattungen seitens des Leistungsträgers erfolgen, ist ein Vertrag zu Lasten Dritter,
nämlich der Allgemeinheit der Steuerzahler, und damit sittenwidrig (vgl. grundsätzlich BGH, Urteil vom 09.07.1992,
Az.: XII ZR 57/91, NJW 1992, 3164; BGH, Urteil vom 08.12.1982, Az.: IVb ZR 333/81, NJW 1983, 1851 [1852]; Sack,
in: Staudinger, BGB, 2003, § 138 Rdnr. 359 ff. m. w.N.). Eine derartige Vereinbarung liegt hier aber nach dem bereits
oben Dargelegten vor, weil die Nichtzahlung des Mietzinses nicht zur Beendigung des Mietverhältnisses geführt hat
bzw. nicht führen sollte.
d) Die Kammer braucht nicht zu entscheiden, ob durch die in der mündlichen Verhandlung vorgelegte außerordentliche
Kündigung seitens der Erbengemeinschaft vom 14. Februar 2009 eine wesentliche Änderung des behaupteten
Mietverhältnisses eingetreten ist. Eine solche Änderung beträfe allenfalls spätere als die hier streitgegenständlichen
Zeiträume. Im übrigen erscheint es aber nahe liegend, dass diese Kündigung nicht zuletzt mit Blick auf die mündliche
Verhandlung in dieser Sache, jedenfalls aber mit Blick auf den – vom Kläger in der mündlichen Verhandlung
berichteten – Wunsch der Erbengemeinschaft, das Haus – die Mutter ist inzwischen in einem Altenwohnheim
untergebracht – zu verkaufen, erfolgte und nicht wegen der ausbleibenden Mietzinszahlungen.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.