Urteil des SozG Regensburg vom 04.01.2010

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Sozialgericht Regensburg
Beschluss vom 04.01.2010 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Regensburg S 2 P 112/09 ER
I. Der Antrag auf Unterlassung der geplanten Veröffentlichung des vorläufigen Transparenzberichts im Rahmen einer
einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. II. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt. III. Die Kosten trägt die
Antragstellerin.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die geplante Veröffentlichung des Transparenzberichtes bzw. der Pflegenoten im Internet.
Die Antragsgegnerin betreibt im vorliegenden Verfahren (das Verfahren S 2 P 111/09 ER wurde mit Beschluss vom
28. Dezember 2009 mit vorliegendem Verfahren verbunden) Pflegeeinrichtungen im L.O. und im L.P ... Im Rahmen
eines sogenannten Transparenzverfahrens stellen die Landesverbände der Pflegekassen sicher, dass die Ergebnisse
der Qualitätsprüfungen in den Pflegeeinrichtungen umgehend im Internet veröffentlicht werden. Das Verfahren und die
Inhalte dieser sogenannten Transparenzberichte sind durch eine Transparenzvereinbarung niedergelegt. Beide
genannten Einrichtungen verfügen seit dem 01.07.2008 bzw. 01.11.2009 über einen Versorgungsvertrag und sind
Vertragspartner der Landesverbände der Pflegekassen. Die Antragstellerin ist ebenso Mitglied im Bundesverb., der
ebenso Vertragspartner der Transparenzvereinbarung ist.
Nach Prüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) wurde der Transparenzbericht für die
Einrichtung P. am 02.12.2009 in elektronischer Form zur Verfügung gestellt. Die Kommentierungsmöglichkeit bzw. die
diesbezügliche Frist ist am 30.12.2009 abgelaufen. Die Antragsgegnerin zu 1 hat gegenüber dem Gericht dargetan,
dass eine Veröffentlichung in der ersten Januarwoche des Jahres 2010 nicht beabsichtigt wird. Der
Transparenzbericht für die Einrichtung O. wurde am 01.12.2009 elektronisch zur Verfügung gestellt, die Frist zu
Einwendungen lief am 29.12.2009 ab. Kommentierungen wurden auch hier nicht vorgenommen.
Der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin begehrt, es vorläufig zu unterlassen, den Transparenzbericht zur
Qualitätsprüfung vom 27.10.2009 und vom 05.11.2009 nach Ablauf der Frist zur Stellungnahme am 29.12.2009 im
Internet zu veröffentlichen.
Die Antragstellerin trägt vor, dass vor einer Veröffentlichung zuerst das Verwaltungsverfahren durchzuführen sei, um
ein feststehendes Ergebnis der Qualitätsprüfung zu erhalten. Dieses Ergebnis sei in einem zweiten Schritt im Internet
zu veröffentlichen. Über die Feiertage hätte der MDK keine Möglichkeit, Einwendungen zu kommentieren und zu
überprüfen. Eine Fristverlängerung konnte bisher nicht erreicht werden. Dies bedeute, dass eine inhaltliche Klärung
der Feststellungen nicht vor Veröffentlichung erfolgen könne.
Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag zurückzuweisen.
Sie führt aus, dass weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund gegeben sei. Eine Änderung der
Transparenzberichte würde nur aufgrund offensichtlicher Fehler in Betracht kommen. Die Anspruchsgrundlage sei
nicht ersichtlich. Es sei gerade Wille des Gesetzgebers, eine Veröffentlichung möglichst schnell herzustellen. Zur
Ergänzung der Gründe wird Bezug genommen auf die Verwaltungsakten der Antragsgegnerin sowie die Gerichtsakte
und die Gerichtsakte in dem verbundenen Verfahren S 2 P 111/09 ER. Sämtlicher Inhalt war Gegenstand der
Entscheidungsfindung.
Entscheidungsgründe:
Der Antrag ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Soweit sich der Antrag gegen die Antragsgegnerin zu 7 richtet, wird der Antrag durch die Antragstellerin nicht mehr
aufrechterhalten.
Gemäß § 86b Abs.2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige
Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des
bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden
könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges
Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der
Antrag ist schon vor Klageerhebung zulässig. Erfasst werden somit in § 86b Abs.2 SGG sowohl die sogenannte
Sicherungsanordnung als auch die sogenannte Regelungsanordnung.
Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist, dass sowohl ein Anordnungsanspruch und ein
Anordnungsgrund gegeben sind. Anordnungsanspruch ist dabei der materielle Anspruch, für den der Antragsteller
vorläufigen Rechtsschutz sucht, Anordnungsgrund ist die Eilbedürftigkeit der begehrten Sicherung oder Regelung (vgl.
§ 86b Abs.2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 ZPO). Das Gericht prüft, ob Anspruch und Grund im Sinne einer
überwiegenden Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht worden sind. Eine endgültige Entscheidung in der Hauptsache
wird durch die einstweilige Anordnung nicht vorweggenommen.
Aufgrund der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zulässigen summarischen und pauschalen Prüfung der
Sach- und Rechtslage kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass weder ein Anordnungsanspruch noch ein
Anordnungsgrund gegeben ist, obwohl das Verfahren gemäß § 86b Abs.2 SGG auch bei Unterlassungen betrieben
werden kann.
Gemäß § 115 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) haben die MDK`s bzw. die von den Landesverbänden der
Pflegekassen für Qualitätsprüfungen bestellten Sachverständigen das Ergebnis einer jeden Qualitätsprüfung sowie die
dabei gewonnenen Daten den Landesverbänden der Pflegekassen u.a. mitzuteilen. Dabei stellend die Landesverbände
der Pflegekassen sicher, dass die von den Pflegeeinrichtungen erbrachten Leistungen und deren Qualität übersichtlich
und vergleichbar sowohl im Internet als auch in anderer geeigneter Form kostenfrei veröffentlicht werden. Zugrunde zu
legen sind die Ergebnisse der Qualitätsprüfung durch den MDK. Soweit Qualitätsmängel festgestellt werden, ist der
Träger der Pflegeeinrichtung anzuhören. Darüber ist ein Bescheid zu erteilen und eine angemessene Frist zur
Beseitigung der festgestellten Mängel zu setzen. Bei Nichtbeseitigung der Mängel ist eine Kündigung möglich. Die
Qualitätsprüfungen sind dabei in den §§ 114 bzw. 114a SGB XI näher beschrieben. Weitere Vereinbarungen wurden
am 17. Dezember 2008 als Vereinbarung über die Kriterien der Veröffentlichung bzw. der Bewertungssystematik der
Qualitätsprüfungen zwischen dem GKV Spitzenverband und u. a. der Vereinigung der Träger der Pflegeeinrichtungen
auf Bundesebene geschlossen. Hinzukommt das Verfahren zur Notenberechnung vom 05.11.2009. Es existieren
Richtlinien des GKV-Spitzenverbandes über die Prüfung der in Pflegeeinrichtungen erbrachten Leistungen und deren
Qualität nach § 114 SGB XI vom 11.06.2009.
Unabhängig von der Tatsache, wie die Beigeladenen 2 bis 6 durch die Beigeladene zu 1 vertreten sein könnten, ist
jedenfalls ein materieller Anspruch auf Unterlassung der Veröffentlichung nicht zu sehen. Denn aus der
Zusammenschau der oben erwähnten Vorschriften ist zu erkennen, dass dem Gesetzgeber einiges Gewicht an dem
Umstand liegt, dass die Pflegeheime zugunsten der Pfleglinge in einem möglichst qualitativ hohem Ausmaß betrieben
werden. Insoweit haben sich die Beteiligten auf die Vorgehensweise durch die zitierten Vereinbarungen geeinigt. Das
Gericht kann nicht erkennen, inwieweit ein Anspruch auf Unterlassung der Veröffentlichung im Internet gesehen
werden soll. In formeller Hinsicht muss nur beachtet werden, dass die Träger der Pflegeeinrichtung angehört werden.
Dies ist erfolgt. Es wurde sogar eine Fristverlängerung über den genannten Termin hinaus gewährt. Hinzukommt, dass
gegen Bescheide der Landesverbände der Pflegekassen ein Vorverfahren nicht stattfindet und die Klage keine
aufschiebende Wirkung hat. Die Pflegeeinrichtung muss die Maßnahmen, die ihr abverlangt werden, vornehmen, auch
wenn Klage eingereicht ist (vgl. Krauskopf, Kommentar Soziale Pflegeversicherung § 115 SGB XI Rdnr.7). Bei der
Einrichtung P. wurden die Einwände der Antragstellerin beurteilt, der MDK konnte jedoch zu keinem anderen Ergebnis
kommen. Offensichtliche Fehler der Prüfung waren nicht erkennbar. Bezüglich der Einrichtung O. steht eine
Stellungnahme des MDK noch aus, offensichtliche Fehler sind jedoch nicht zu erwarten. So kann das Gericht mit der
Antragsgegnerin einen Anspruch nach § 823 BGB wegen eines Angriffs auf den eingerichteten und ausgeübten
Gewerbebetrieb und damit auf die Berufsausübungsfreiheit nach Art.12 Grundgesetz nicht erkennen, da die bloße
Veröffentlichung im Internet noch keine Sanktionen gegenüber der Antragstellerin darstellt. Ebenso kann ein
Unterlassungsanspruch z. B. aus § 1004 BGB heraus schon deswegen nicht durchdringen, da eine offensichtliche
Rechtswidrigkeit des Vorgehens, sprich: der Veröffentlichung der Prüfungsnoten, nicht gesehen wird. So benennt
tatsächlich der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin keine Anspruchsgrundlage, die einen Anordnungsanspruch
rechtfertigen würde. Aus § 115 SGB XI heraus ist ein solcher Anspruch jedoch nicht herleitbar.
Es fehlt zudem auch am Anordnungsgrund, da eine Eilbedürftigkeit nicht vorliegt. Die baldige Veröffentlichung der
Prüfungsnoten nach Durchführung der Qualitätsprüfung wird durch die Gesetzeslage geradezu bezweckt, darauf
deutet die Einräumung einer Frist für Einwendungen hin. Denn das Wohlergehen der Pfleglinge, also der Schutz von
Leib und Leben, ist ein hohes Gut, das der Hinausschiebung der Veröffentlichung der Pflegenoten vorgeht. Für die
Einrichtung P. kommt noch hinzu, dass der MDK die Einwendungen geprüft hat und offensichtliche Fehler nicht finden
konnte. Damit ist die Antragstellerin darauf festgelegt, die erneute Prüfung abzuwarten bzw. eine
Wiederholungsprüfung zu beantragen. Dies reicht aus. Die Prüfung der Berechnungsergebnisse, wie sie im
Antragsschreiben dargestellt werden, rechtfertigt nicht eine Eilbedürftigkeit einer Anordnung dahingehend, die
Veröffentlichung der Prüfungsnoten hinauszuschieben. Aus § 115 SGB XI ergibt sich nicht, dass alle
Unstimmigkeiten zwischen den Vertragspartnern geklärt werden müssten, bevor Pflegenoten veröffentlicht werden.
Dies würde die Veröffentlichung zu Lasten der Betroffenen allzu weit hinausschieben.
Ein Anspruch auf Unterlassung der Veröffentlichung ist somit nicht zu sehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf 53 Abs.2 Nr.4 i.V.m. mit § 52 Abs.2 Gerichtskostengesetz (GKG). Obwohl im
Rahmen einer einstweiligen Anordnung nicht vom höchsten Streitwert, das ist der Streitwert von 5.000,00 EUR,
nachdem ein ande-rer Anspruch nicht beziffert wurde, auszugehen ist, ist im vorliegenden Verfahren jedoch zu
bedenken, dass zwei Klagen ursprünglich anhängig waren, also zwei Einrichtungen zu überprüfen waren. Das Gericht
sieht in Ansetzung eines verminderten Streitwerts von je 2.500,00 EUR wiederum den Regelstreitwert von 5.000,00
EUR als erreicht an. Gemäß § 154 Abs.1 VwGO trägt die Antragstellerin als unterliegender Teil die Kosten des
Verfahrens.