Urteil des SozG Oldenburg vom 25.03.2010

SozG Oldenburg: sachliche zuständigkeit, örtliche zuständigkeit, anrechenbares einkommen, hauptsache, wohnung, erlass, rechtsschutz, bezirk, ausländer, heizung

Sozialgericht Oldenburg
Beschluss vom 25.03.2010 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Oldenburg S 47 AS 550/10 ER
Die Beigeladene wird im Wege der einstweiligen Anordnung unter dem Vorbehalt der Rückforderung für den Fall eines
abweichenden Ausganges eines Hauptsache-verfahrens verpflichtet an die Antragssteller für den Zeitraum vom 09.03.
bis zum 31.03.2010 627,00 EUR an Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch aus-zuzahlen, für den
Zeitraum vom 01.04. bis 07.04.2010 Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 209,00 EUR und für die Zeit vom
08.04. bis zum 30.04.2010 Leistungen in Hö-he von 714,00 EUR. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt. Die
Beigeladene trägt 2/3 der notwendigen außergerichtlichen Kosten der An-tragsteller.
Gründe:
I.:
Die Antragstellerin zu 1. ist im Jahre 1965 geboren (oder im Jahre 1974, hier bestehen widersprüchliche Angaben in
den Akten) und irakische Staatsangehörige. Der Antragstel-ler zu 2. ist ihr Sohn, der am 08.04.1996 geboren wurde,
also noch 13 Jahre alt ist, in Kürze das 14. Lebensjahrs vollendet haben wird. Die Antragstellerin ist verheiratet, lebt
aber getrennt von ihrem Ehemann. Sie ist Inhaberin eines aufenthaltsrechtlichen Titels nach § 23 Abs. 1
Aufenthaltsgesetz - Aufenthaltsgewährung durch die obersten Landes-behörden; Aufnahme bei besonders gelagerten
politischen Interessen -. Dieser Aufent-haltstitel ist mit einer Wohnsitzauflage für das Gebiet des Antragsgegners
versehen. Er wurde mit dem 29.12.2009 erteilt. Zuvor war die Antragstellerin zu 1. Inhaberin einer Fik-
tionsbescheinigung gemäß § 81 Abs. 4 Aufenthaltsgesetz ohne Beschränkung des Auf-enthalts auf ein bestimmtes
Gebiet. Die Antragstellerin zu 1. ist nach ausländerrechtli-chen Vorschriften damit zur Ausübung einer
Erwerbstätigkeit verpflichtet.
Bis Januar 2010 lebte die Antragstellerin zu 1. gemeinsam mit dem Antragsteller zu 2. in einer Wohnung mit ihrem
Ehemann und einem weiterem Kind im Gebiet des Antrags-gegners. Zuletzt mit Bescheid vom 29.12.2009 wurden den
Antragstellern gemeinsam mit dem Ehemann und zwei weiteren Kindern Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch
Zwei-tes Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) für den Monat Januar 2010 durch den Antragsgegner
bewilligt.
Aufgrund familiärer Probleme wollte die Antragstellerin zu 1. die räumliche Trennung von ihrem Ehemann erzielen. Sie
beantragte daher im Januar 2010 bei dem Antragsgegner - Gemeinde F. - eine Zusicherung des für sie bisher örtlich
zuständigen Leistungsträgers im Sinne des § 22 Abs. 2 SGB II. Eine entsprechende Zusicherung wurde mit
Schreiben des Antragsgegners vom 25.01.2010 erteilt. Ausweislich dieses Schreibens wurde fest-gestellt, dass der
Umzug der Antragstellerin erforderlich sei und dass die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen seien.
Die Antragsteller stellten mit dem 22.01.2010 einen Antrag bei der Beigeladenen auf Ge-währung von Leistungen nach
dem SGB II. Der Antrag wurde schriftlich mit Bescheid vom 15.03.2010 abgelehnt. Die Beigeladene stützte die
Ablehnung darauf, dass sie nicht im Sinne des § 36 SGB II für die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende
an die Antragsteller zuständig sei.
Zum 01.02.2010 schloss die Antragstellerin zu 1. einen Mietvertrag über die auch jetzt noch von ihr bewohnte
Wohnung im Gebiet der Stadt G ... Diese Wohnung bezog sie zum 01.02.2010 gemeinsam mit dem Antragsteller zu
2. Ausweislich der Mietbescheinigung sind die Antragsteller verpflichtet, für diese Wohnung eine Miete inklusiver
fester Neben-kosten in Höhe von 433,00 EUR monatlich an den Vermieter zu zahlen. 53,00 EUR fallen aus-weislich
des Abschlagsschreibens des lokalen Gasversorgers an Kosten für die Beliefe-rung mit Gas für die Heizung
monatlich als Abschlag an.
Der Antragsgegner stellte mit Bescheid vom 01.02.2010 die Leistungsbewilligung für die Antragstellerin zu 1. ein.
Die Antragstellerin zu 1. stellte mit dem 12.02.2010 einen neuen Antrag an den Antrags-gegner auf Bewilligung von
Leistungen nach dem SGB II, welcher mit Bescheid vom 19.02.2010 wegen fehlender örtlicher Zuständigkeit des
Antragsgegners im Sinne des § 36 SGB II abgelehnt wurde.
Die Antragsteller sind der Auffassung, dass ihnen entweder vom Antragsgegner oder von der Beigeladenen
Leistungen nach dem SGB II zu bewilligen seien. Es könnten sich nicht zeitgleich beide Leistungsträger auf eine
fehlende örtliche Zuständigkeit im Sinne des § 36 SGB II berufen. Einer von beiden müsse zuständig sein.
Die Antragsteller beantragen,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Antragstellern Leistungen nach dem
SGB II in gesetzlicher Höhe für die Zeit ab 1. Februar 2010 bis zur endgültigen Klärung der Leistungsverpflichteten zu
zah-len.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.
Er ist der Auffassung, dass der Antrag unbegründet sei, da er nicht zuständig sei. Nach § 36 SGB II sei für die
Leistungen der Grundsicherung nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB II der Leistungsträger zuständig, in dessen Bezirk der
erwerbsfähige Hilfebedürftige seinen gewöhnlichen Aufenthalt habe. Dies sei nicht im Gebiet seiner Zuständigkeit.
Die Beigeladene ist der Auffassung, dass sie ebenfalls nicht zuständig für eine Leis-tungsgewährung nach dem SGB
II an die Antragsteller sei. Aufgrund der im ausländer-rechtlichen Titel enthaltenen Wohnsitzauflage könne die
Antragstellerin einen gewöhnli-chen Aufenthalt im Sinne des § 36 SGB II nicht im Bereich der Beigeladenen
begründen.
Gegenstand der Entscheidungsfindung waren die Gerichtsakten mit den darin enthalte-nen Stellungnahmen von
Antragsgegner und Beigeladener und die vom Antragsgegner vorgelegten Verwaltungsakten.
II.:
Der Antrag der Antragsteller ist im tenorierten Umfange begründet. Die Beigeladene ist in diesem Umfang vorläufig
verpflichtet, den Antragstellern Leistungen nach dem SGB II zu bewilligen.
Die Erfolgsaussichten eines Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz beurteilen sich nach § 86b Abs. 2
Sozialgerichtsgesetz (SGG). Danach kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in
Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch die Veränderung des bestehenden
Zustandes die Verwirkli-chung eines Rechts der Antragstellerin vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (S.
1). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges
Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung nötig er-scheint (S. 2). Voraussetzung für den Erlass einer
einstweiligen Anordnung ist, dass ein geltend gemachtes Recht gegenüber der Antragsgegnerin besteht
(Anordnungsan-spruch) und die Antragstellerin ohne den Erlass der begehrten Anordnung wesentliche Nachteile
erleiden würde (Anordnungsgrund). Sowohl die hinreichende Wahrscheinlich-keit eines in der Sache gegebenen
materiellen Leistungsanspruchs als auch die Eilbe-dürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile
müssen glaubhaft ge-macht werden (§ 86b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung – ZPO -). Dabei
darf die einstweilige Anordnung jedoch wegen des summarischen Charakters des Verfahrens im einstweiligen
Rechtsschutz grundsätzlich nicht die Entscheidung in der Hauptsache vorwegnehmen. Bei offenem Ausgang des
Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- und/oder Rechtslage im Eilverfahren nicht
möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Dies jedenfalls dann, wenn die grundrechtlichen
Belange des Antragstellers betroffen sind, weil die Gerichte sich schützend und fördernd vor die Grundrechte des
Einzelnen stellen müssen. Bei offensichtlicher Betroffenheit der Grundrechte sind die grundrechtli-chen Belange der
Antragsteller umfassend in die Abwägung einzustellen. (Bundesverfas-sungsgericht Beschluss vom 12.05.2005 zum
AZ 1 BvR 569/05; Bundesverfassungsge-richt Beschluss vom 25.02.2009 zum AZ 1 BvR 120/09).
1.
Der Antrag der Antragsteller auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen den An-tragsgegner ist zwar zulässig,
jedoch unbegründet.
Unabhängig vom Vorliegen eventueller weiterer Leistungsvoraussetzungen nach dem SGB II zeigt eine summarische
Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache, dass kein Anordnungsanspruch der Antragssteller gegen den
Antragsgegner glaubhaft ge-macht werden konnte.
Bei dem Antrag handelt es sich um einen Antrag auf einstweilige Anordnung nach § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz
(SGG). Zwar besteht mit dem Bescheid vom 01.02.2010 ein ausdrücklicher Einstellungsbescheid, aber eine
Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 86b Abs. 1 SGG des Rechtsmittels gegen diesen Bescheid würden
dem Begeh-ren der Antragsteller nicht gerecht, denn die Leistungsbewilligung an die Antragsteller ist nur bis zum
31.01.2010 mit Bescheid vom 29.12.2010 erfolgt. Das Begehren der An-tragsteller ist ersichtlich auf eine
Leistungsgewährung für die Zeit ab dem 01.02.2010 gerichtet.
Eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache zeigt, dass kein An-ordnungsanspruch der
Antragsteller glaubhaft gemacht worden ist. Den Antragstellern steht kein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II
gegen den Antragsgegner zu. Eine Zuständigkeit des Antragsgegners für Leistungen an die Antragsteller ist nicht
erkennbar.
Dies ergibt sich aus der Regelung des § 36 SGB II. Hiernach ist für die Leistungen der Grundsicherung nach § 6 Abs.
1 Nr. 1 die Agentur für Arbeit zuständig, in deren Bezirk der erwerbsfähige Hilfebedürftige seinen gewöhnlichen
Aufenthalt hat. Ausweislich des eigenen Vortrags der Antragstellerin und des damit übereinstimmenden Vortrags des
Antragsgegners halten sich die Antragsteller nicht im örtlichen Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners auf.
Vielmehr leben sie im Bereich der Stadt G., und damit im örtlichen Zuständigkeitsbereich der Beigeladenen. 2.
Die Antragsteller haben für die Zeit ab dem Datum der Antragstellung, dem 09.03.2010, Anordnungsanspruch und
Anordnungsgrund bezüglich eines Antrages auf einstweilige Anordnung gegenüber der Beigeladenen glaubhaft
machen können.
a)
Die Beigeladene ist gemäß § 75 Sozialgerichtsgesetz (SGG) wirksam durch Beschluss beigeladen worden. Bei der
Beigeladenen handelt es sich um einen Träger der Grundsi-cherung für Arbeitsuchende, welcher nach § 75 Abs. 5
SGG nach Beiladung verurteilt werden kann. Diese Regelung bezieht sich nicht nur auf eine Beiladung im
Hauptsache-verfahren, sondern auch auf eine Verpflichtung im Rahmen eines Verfahrens des einst-weiligen
Rechtsschutzes. (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen vom 21.06.2007, Az. L 13 SO 5/07 ER; Leitherer in Meyer-
Ladewig/Keller/Leitherer SGG-Kommentar 9. Aufl. 2008 § 75 Rn. 18b)
b)
Bei dem Antrag der Antragsteller gegenüber der Beigeladenen handelt es sich ebenfalls um einen Antrag auf
einstweilige Anordnung nach § 86b Abs. 2 SGG. Zwar liegt mit dem Bescheid vom 15.03.2010 ein ausdrücklicher
Ablehnungsbescheid vor, aber eine Anord-nung der aufschiebenden Wirkung eines eventuellen Rechtsmittels nach §
86b Abs. 1 SGG gegen diesen Bescheid würde dem Begehren der Antragsteller nicht gerecht wer-den. Die Anordnung
der aufschiebenden Wirkung gegen diesen Ablehnungsbescheid würde nicht dazu führen, dass den Antragstellern die
begehrten Leistungen zu bewilligen wären. Eine vorherige Leistungsbewilligung, die wieder wirksam werden könnte,
besteht nicht.
c)
Der Anordnungsanspruch ergibt sich daraus, dass nach Auffassung des erkennenden Gerichts ein Anspruch der
Antragsteller auf Leistungen nach dem SGB II gegen den Bei-geladenen glaubhaft gemacht ist.
Die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunter-halts nach dem SGB II liegen
hier vor. Die Antragstellerin zu 1. ist Berechtigte i. S. des § 7 Abs. 1 SGB II. Sie hat das 15. Le-bensjahr vollendet
und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II) und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der
Bundesrepublik Deutschland (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II). Sie ist erwerbsfähig i. S. v. § 8 SGB II (§ 7 Abs. 1
Satz 1 Nr. 2 SGB II), da dem Sachverhalt keinerlei Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Krankheit oder Behinderung,
die sie an der Ausübung einer Erwerbstätigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes für
mindestens drei Stunden täglich hin-dern könnte, zu entnehmen sind. Zudem ist sie gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3
SGB II in Verbindung mit §§ 9, 11, 12 SGB II in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang hilfebe-dürftig, weil sie
voraussichtlich für die Dauer von sechs Monaten weder über ein eigenes, ihren Hilfebedarf deckendes Einkommen (§
11 SGB II) noch über für die sofortige Ver-wertung zu berücksichtigendes Vermögen im Sinne des § 12 SGB II
verfügt. Schließlich lebt sie nicht mit einer Person, die Einkommen oder Vermögen hat, in einer Bedarfsge-meinschaft
oder Haushaltsgemeinschaft nach § 7 Abs. 3 SGB zusammen.
Insbesondere kommt ein Leistungsausschluss bezüglich der Antragstellerin zu 1. auf-grund des von ihr
nachgewiesenen ausländerrechtlichen Titels nach § 23 Abs. 1 Aufent-haltsgesetz (AufenthG) nicht in Betracht. Der
Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB II in Verbindung mit § 1 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG)
ist nur dann einschlägig, wenn ein Leistungsberechtigter eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG wegen
eines Krieges in seinem Heimatland besitzt (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 AsylbLG). Dies ist bei der Antragstellerin zu 1. nicht der
Fall. Sie besitzt zwar eine Aufenthaltser-laubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG, diese ist aber nicht wegen eines Krieges
im Heimat-lande, sondern aufgrund der besonderen persönlichen und familiären Situation der An-tragstellerin zu 1.
erteilt worden. Da die Antragstellerin zu 1. berechtigt ist, eine Erwerbs-tätigkeit auszuüben und diese auch ausübt, ist
die Regelung des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB II nicht einschlägig.
Der Antragsteller zu 2. ist als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft der Antragstellerin zu 1. gemäß § 7 Abs. 3 SGB II
zum Bezug von Leistungen nach dem SGB II von der Beigela-denen berechtigt. Eigenes seinen Bedarf deckendes
Einkommen erzielt er nicht.
Die Zuständigkeit der Beigeladenen für Leistungen nach dem SGB II an die Antragsteller ergibt sich aus § 36 S. 1 u. 2
SGB II.
Nach § 36 S. 1 SGB II ist für die Leistungen der Grundsicherung nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 die Agentur für Arbeit
zuständig, in deren Bezirk der erwerbsfähige Hilfebedürftige seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Nach § 36 S. 2 SGB
II gilt dies auch für die Leistungen der Grundsicherung nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 bezüglich des jeweiligen kommunalen
Trägers. Die Beigeladene ist als ARGE gemäß § 44b SGB II für beide Leistungsarten zuständig. Dies gilt nach der
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 20.12.2007 zumindest bis zum 31.12.2010 weiter.
Der entscheidungserhebliche Begriff des gewöhnlichen Aufenthaltes wird für Fälle der Sozialleistungen in § 30 Abs. 3
S. 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil - (SGB I) definiert:
Den gewöhnlichen Aufenthalt hat jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an
diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt.
Diese Definition gilt auch im Rahmen der Leistungen nach dem SGB II, vergleiche § 37 S. 1 SGB I. Der Begriff des
gewöhnlichen Aufenthaltes im Sinne des Gesetzes ist als grundlegende, einheitlich zu verstehende und
anzuwendende Regelung anzusehen. Dies bedeutet, dass für die Auslegung des Begriffs des gewöhnlichen
Aufenthaltes alleine § 30 Abs. 3 S. 2 SGB I maßgebend ist. Eine bereichsspezifische Auslegung des Begriffes des
gewöhnlichen Aufenthaltes vor dem Hintergrund des jeweils anzuwendenden beson-deren Rechts scheidet aus. (BSG
vom 18.02.1998, Az. B 5 RJ 12/97 R)
Für die Auslegung des Begriffes kann daher der ausländerrechtliche Status eines Leis-tungsempfängers nicht
entscheidend sein. Für die Frage der örtlichen Zuständigkeit kommt es deswegen ausschließlich auf die tatsächlichen
Verhältnisse an. (vgl. BSG a.a.O.; Link in Eicher/Spellbrink SGB II - Kommentar 2. Aufl. 2008 § 36 Rn. 19 m.w.N.)
Maßgeblich ist also alleine der gewöhnliche Aufenthalt eines Ausländers, unabhängig von dem Inhalt seines
ausländerrechtlichen Titels. Dies entspricht der grundsätzlichen rechts- und sozialstaatlichen Wertung, dass für jeden,
der sich im Inland aufhält, ein Trä-ger der Grundsicherung für Arbeitsuchende örtlich zuständig sein muss. Es darf
nicht der Fall sein, dass kein Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende wegen wechselseiti-ger Zuweisung vor
dem Hintergrund einer eventuellen Unzuständigkeit gesetzmäßig zu-ständig ist. (vgl. Striebinger in Gagel SGB III
Stand 36. EL 2009 § 327 Rn. 34; Raabe in Fichtner/Wenzel SGB XII AsylbLG 4. Aufl. 2010 § 98 Rn. 17)
Die Zuständigkeit eines Leistungsträgers für Leistungen nach dem SGB II an Ausländer kann nicht über die Regelung
des § 36 SGB II wegen örtlicher Unzuständigkeit ausge-schlossen sein. Die Zuweisung der Zuständigkeit der
Leistungsträger erfolgt im Rahmen der Grundsiche-rung für Arbeitssuchende auf der sachlichen Ebene nach § 7 Abs.
1 S. 2 SGB II. Es fin-det sich keine von § 30 SGB I abweichende Regelung im SGB II, wonach Ausländer ei-nen
gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland nur dann haben, wenn bestimmte ausländerrechtliche
Voraussetzungen vorliegen. Vielmehr ist ein bestimmter ausländerrechtlicher Status für die grundsätzliche
Berechtigung zum Bezug von Leistun-gen nach dem SGB II erforderlich. Nach § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II ist gerade ein
Leistungs-ausschluss für bestimmte Gruppen von Ausländern geregelt. Ein Leistungssausschluss durch die Regeln
der örtlichen Zuständigkeit ist im SGB II nicht gegeben, sondern nur durch die sachliche Zuständigkeit.
Dementsprechend kommt auch bei Ausländern den tatsächlichen Verhältnissen bezüg-lich des Aufenthalts der
Leistungsbezieher allein entscheidende Bedeutung zu. Es ist also abzustellen auf die physische Anwesenheit des
Berechtigten im Bereich eines Leis-tungsträgers. Des Weiteren ist bezüglich der Frage, ob sich ein
Leistungsberechtigter vorübergehend an einem Ort oder in einem Gebiet aufhält, auf eine vorausschauende
Betrachtungsweise abzustellen. Es muss am gewöhnlichen Aufenthaltsort der Schwer-punkt der persönlichen
Lebensverhältnisse liegen. (BSGE 67, 243, 247 Link in Ei-cher/Spellbrink SGB II - Kommentar 2. Aufl. 2008 § 36 Rn.
18 m.w.N.)
Der Aufenthalt der Antragsteller ist im Bereich der örtlichen Zuständigkeit der Beigelade-nen zu sehen. Sie haben im
Gebiet der Beigeladenen ihren Wohnsitz genommen. Sie haben eine Wohnung angemietet und in diesem Gebiet
ausweislich ihres eigenen Vor-trages gewisse persönliche Beziehungen begründet und wollen dort zumindest für einen
gewissen Zeitraum ihren Aufenthalt beibehalten. Sie gehen ausweislich ihres Vortrags mit Rechtsmitteln gegen die
Wohnsitzauflage bezüglich des Gebietes des Antragsgeg-ners vor.
d)
Der Anordnungsgrund im Sinne des § 86b Abs. 2 SGG besteht im Grundsatz schon auf-grund der Tatsache, dass
daseinssichernde Leistungen für die Antragsteller in Streit ste-hen. Bezüglich des Zeitraums der Bewilligung von
Leistungen nach dem SGB II im Ver-fahren des einstweiligen Rechtsschutzes kann diese durch das erkennende
Gericht nur für die Zeit ab dem 09.03.2010 erfolgen.
Es besteht insoweit kein Anordnungsgrund, als einstweilige Anordnungen, die sich auf einen Zeitraum vor der
Antragstellung bei Gericht - hier den 09.03.2010 - beziehen, grundsätzlich ausscheiden (vgl. Landessozialgericht
(LSG) Niedersachsen-Bremen, Be-schluss vom 4. September 2007 - L 7 AS 282/07 ER; Beschluss vom 11. Januar
2006 - L 7 AS 432/05 ER; Beschluss vom 29. August 2006 - L 7 AS 51/06 ER). Die Notwendigkeit einer einstweiligen
Regelung für einen abgelaufenen Zeitraum besteht nicht. In einem solchen Fall ist der Abwarten einer Entscheidung in
der Hauptsache zumutbar. Denn Aufgabe des einstweiligen Rechtsschutzes in Fällen der vorliegenden Art ist es nur,
eine akute Notlage zu beseitigen. Nur dann kann von einem wesentlichen Nachteil ausgegan-gen werden, den es
möglicherweise abzuwenden gilt und bei dem ein Abwarten bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache nicht
zuzumuten wäre (vgl. Finkelburg/Jank, Vor-läufiger Rechtsschutz im Verwaltungsverfahren, 4. Auflage, RdZiff. 55
m.w.N.).
Bezüglich der Dauer der Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Bewilligung von Leistun-gen im Verfahren des
einstweiligen Rechtsschutzes muss nach Auffassung des erken-nenden Gerichts in Betracht gezogen werden, dass
der ausländerrechtliche Titel der An-tragstellerin zu 1. mit einer Wohnsitzauflage für das Gebiet des Antragsgegners
versehen ist. Eine länger andauernde Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II für die An-tragsteller scheidet vor
diesem Hintergrund aus. Die Antragsteller sind ausweislich der ausländerrechtlichen Situation verpflichtet, umgehend
ihren Wohnsitz im Gebiet des An-tragsgegners zu nehmen, so dass eine Leistungspflicht des Beigeladenen nur
momentan in Betracht kommt. Die Leistungsbewilligung für die Zeit bis Ende April 2010 erscheint dennoch im jetzigen
Zeitpunkt angezeigt, da ein sofortiger Umzug der Antragsteller in das Gebiet des Antragsgegners wohl kaum rein
tatsächlich zu bewältigen wäre.
e)
Die Höhe der tenorierten Leistungen nach dem SGB II an die Antragsteller resultiert zum einen daraus, dass der
Antragsteller zu 2. mit dem 08.04.2010 sein 14. Lebensjahr voll-endet und in das 15. Lebensjahrs eintritt. Zum
anderen resultiert die Höhe der Bewilli-gung daraus, dass für monatsanteilige Zeiträume eine Bewilligung vorzunehmen
ist.
Die Höhe der den Antragstellern zustehenden Leistungen ergibt sich aus folgender Be-rechnung:
Die Antragstellerin zu 1. hat einen Bedarf bezüglich der Regelleistung in Höhe von mo-natlich 359,00 EUR, hinzu
kommt ein Mehrbedarf für Alleinerziehende im Sinne des § 21 Abs. 3 Nr. 2 SGB II in Höhe von monatlich 43,00 EUR.
Die Antragstellerin zu 1. ist momentan in Bezug auf den Antragsteller zu 2. als alleiner-ziehend im Sinne des § 21
Abs. 2 SGB II anzusehen.
Für die Zeit bis zum 08.04.2010 ist der Bedarf an Regelleistungen des Antragstellers zu 2. nach § 74 SGB II
abweichend von § 28 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 SGB II mit 70 % der nach § 20 Abs. 2 S. 1 SGB II maßgebenden
Regelleistung, also mit gerundet 251,00 EUR anzu-setzen.
Bezüglich der Kosten für Unterkunft und Heizung haben die Antragstellerin zu 1. und der Antragsteller zu 2. insgesamt
einen Bedarf von 486,00 EUR (433,00 EUR Miete inklusive fester Nebenkosten und 53,00 EUR Kosten für die
Belieferung mit Gas für die Heizung). Diese Kosten der Unterkunft sind kopfanteilig auf die Antragsteller aufzuteilen
(vgl. nur BSG vom 27.01.2009, Az. B 14/7b AS 8/07 R m.w.N.). Von den Heizkosten sind für die Berei-tung von
Warmwasser nach § 20 Abs. 1 SGB II pauschale Beträge von 6,47 EUR für die Antragstellerin zu 1. und 4,53 EUR für
den Antragsteller zu 2., also insgesamt 11,00 EUR abzu-setzen. (vgl. BSG vom 22.09.2009, Az. B 4 AS 8/09 R
m.w.N.)
Auf den Gesamtbedarf an Leistungen nach dem SGB II der Antragsteller ist das anre-chenbare Einkommen der
Antragstellerin zu 1. bedarfsanteilig im Sinne des § 11 SGB II abzusetzen. Die Antragstellerin zu 1. hat ein
Einkommen brutto wie netto in Höhe von 391,00 EUR nachgewiesen, wovon nach Abzug der gesetzlichen Freibeträge
des § 11 Abs. 2 SGB II in Verbindung mit § 30 SGB II ein anrechenbares Einkommen in Höhe von 232,80 EUR
verbleibt. Weiteres Einkommen der Antragsteller ist nicht ersichtlich. Insbeson-dere ist aus den vorliegenden Akten
nicht erkennbar, dass der Antragsteller zu 2. mo-mentan ein Einkommen aus Kindergeldzahlungen bezieht.
Nach Abzug dieses Einkommens verbleibt ein Bedarf der Antragsteller an Leistungen nach dem SGB II für die Zeit
bis zum 08.04.2010 in Höhe von insgesamt (nach § 41 Abs. 2 SGB II gerundet) 895,00 EUR. (Antragstellerin zu 1.
Bedarf 507,00 EUR und Antragsteller zu 2. Bedarf 388,00 EUR)
Für die zu entscheidende Zeit vom 09.03. bis zum 31.03.2010 waren dementsprechend anteilig 21 Tagesanteile, also
627,00 EUR insgesamt anzusetzen. Für die Zeit vom 01.04. bis zum 07.04.2010 waren 7 Tagesanteile in Höhe von
209,00 EUR anzusetzen.
Für die Zeit vom 08.04. bis zum 30.04.2010 erhöhte sich aufgrund der Tatsache, dass der Antragsteller zu 2. sein 14.
Lebensjahr vollendet, sein Bedarf an Regelleistungen von 251,00 EUR auf 287,00 EUR. Nach Anrechnung des
Einkommens der Antragstellerin zu 1. verbleibt ein Bedarf für die beiden Antragsteller in Höhe von 931,00 EUR
(Antragstellerin zu 1. 511,00 EUR und Antragstel-ler zu 2. 420,00 EUR). Für die Zeit vom 08.04. bis zum 30.04.2010
waren tagesanteilig dem-entsprechend 714,00 EUR anzunehmen.
3)
Die Kostenentscheidung beruht auf der Anwendung von § 193 SGG entsprechend. Da die Antragsteller im Verfahren
des einstweiligen Rechtsschutzes Leistungen ab 01.02.2010 beantragt haben, aber nur für den Zeitraum ab dem
09.03.2010 obsiegt ha-ben, erscheint eine quotale Kostentragungspflicht von 2/3 der notwendigen außergericht-lichen
Kosten durch die unterliegende Beigeladene als sachgerecht.