Urteil des SozG Nürnberg vom 17.08.2007
SozG Nürnberg: altersrente, erlass, gerechtigkeit, verordnung, verwaltungsakt, rumänien, rechtssicherheit, bindungswirkung, behörde, schulausbildung
Sozialgericht Nürnberg
Urteil vom 17.08.2007 (rechtskräftig)
Sozialgericht Nürnberg S 17 R 177/05
Bayerisches Landessozialgericht L 19 R 927/07
I. Die Klage wird abgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Beklagte die ab 01.09.1997 gezahlte Altersrente des Klägers gemäß § 44 des Zehnten Buches
Sozialgesetzbuch (SGB X) auf Grundlage der Feststellungsbescheide vom 08.04.1981 und vom 07.06.1989 neu zu
berechnen und dem Kläger entsprechend höhere Rente zu gewähren hat.
Der am 16.08.1937 in Taterloch (Rumänien) geborene Kläger war am 18.08.1974 in die Bundesrepublik Deutschland
übergesiedelt.
Auf seinen Kontenklärungsantrag vom November 1980 hin hatte die Beklagte mit Bescheid vom 08.04.1981
Beitragszeiten in Rumänien nach dem Fremdrentengesetz (FRG) für die Zeit vom 15.09.1953 bis 01.07.1974
festgestellt, unter Einstufung in Leistungsgruppen. Für die Zeit vom 15.09.1953 bis 21.12.1957 war eine Kürzung auf
5/6 nach § 19 Absatz 2 FRG enthalten. Im Feststellungsbescheid vom 07.06.1989 waren die im beiliegenden
Versicherungsverlauf enthaltenen Zeiten bis 31.12.1982 verbindlich festgestellt worden. Hinsichtlich der Einzelheiten
wird hiermit auf die Bescheide einschließlich Anlagen Bezug genommen.
Die Beklagte hatte dem Kläger mit Schreiben vom März 1993 mitgeteilt, dass das Fremdrentenrecht in den
vergangenen Jahren wiederholt geändert worden sei und weitere Änderungen zu erwarten seien, weshalb die
Bearbeitung seines neuen Antrags auf Kontenklärung zurückgestellt werde. Die vom Kläger übersandten
Bescheinigungen waren zur Akte genommen worden.
Auf den Kontenklärungsantrag des Klägers vom 20.11.1995 hin hatte die Beklagte mit Vormerkungsbescheid vom
15.12.1995 die FRG-Zeiten Qualifikationsgruppen zugeordnet, eine Anrechnung der gesamten FRG-Zeiten zu 5/6
vermerkt und die Zeit der Schulausbildung vom 15.09.1953 bis 01.07.1956 als Ausbildungs-Anrechnungszeit
aufgenommen. Weiter heißt es auf Seite 1 des Rentenbescheides: "Es wurden Zeiten zurückgelegt, die bisher nach
der Versicherungsunterlagen-Verordnung oder dem Fremdrentengesetz – bzw. in entsprechender Anwendung des
Fremdrentengesetzes – berücksichtigt wurden. Diese Vorschriften sind zum Teil aufgehoben und geändert worden.
Wir haben geprüft, welche Zeiten nach den Neuregelungen anzurechnen sind. Sie sind in diesem Bescheid dargestellt.
Die bisherigen Feststellungen werden hiermit aufgehoben, soweit sie den folgenden Feststellungen entgegenstehen."
Mit Bescheid vom 17.06.1997 hatte die Beklagte dem Kläger die am 21.05.1997 beantragte Altersrente wegen
Arbeitslosigkeit ab 01.09.1997 gewährt. In Anlage 10 wurden die Zeiten nach dem FRG Qualifikationsgruppen
zugeordnet und zu 5/6 angerechnet.
Mit Schreiben vom 06.08.1999 hatte sich der Kläger gegen den Abzug von 40% für die Zeiten nach dem
Fremdrentengesetz gewandt. Die Beklagte hatte für den Fall einer günstigen Bundesverfassungsgerichtsentscheidung
und gesetzlichen Neuregelung den Erlass eines neuen, rechtsbehelfsfähigen Bescheides zugesagt. Wegen Änderung
des Krankenversicherungsverhältnisses war die Rente mit Bescheid vom 19.01.2002 ab 01.01.2002 neu berechnet
worden.
Unter Vorlage einer rumänischen Bescheinigung hatte der Klägerbevollmächtigte mit Schreiben vom 07.10.2003 eine
6/6-Anerkennung der Zeiten vom 17.05.1957 bis 08.07.1974 beantragt, die die Beklagte mit Bescheid vom 22.10.2003
abgelehnt hatte.
Mit Schreiben vom 07.01.2004 stellte der Klägerbevollmächtigte den hier streitgegenständlichen Antrag, die
Altersrente des Klägers unter Berücksichtigung der Werte des Feststellungsbescheides vom 08.04.1981 –nach den
sogenannten Leistungsgruppen- neu zu berechnen, da dieser Bescheid nach der Rechtsprechung des
Bundessozialgerichts nicht wirksam aufgehoben worden sei.
Mit Bescheid vom 24.08.2004 lehnte die Beklagte den Überprüfungsantrag gemäß § 44 SGB X ab. Entgegen der
Auffassung des Klägerbevollmächtigten seien die Feststellungen über die Anerkennung von FRG-Zeiten in den
Bescheiden vom 08.04.1981 und vom 07.06.1989 mit dem Feststellungsbescheid vom 15.12.1995 wirksam
aufgehoben worden. Durch den ausdrücklichen Hinweis im Bescheid vom 15.12.1995, dass eine gesetzliche
Änderung hinsichtlich der Bewertung von FRG-Zeiten eingetreten ist und die bisherigen Feststellungen ausgehoben
werden, soweit sie den im Bescheid folgenden Feststellungen entgegenstehen, sei für einen objektiven
Erklärungsempfänger eindeutig erkennbar gewesen, dass die bisherigen Feststellungen der FRG-Zeiten aufgehoben
werden sollten. Die detaillierte Aufstellung in Anlage 2 und 10 des Bescheides habe konkret und nachvollziehbar
dargestellt, welche Änderungen sich gegenüber den vorhergehenden Feststellungen ergeben hätten. Das Verhalten
des Versicherten zeige eindeutig, dass auch aus seiner Sicht keine Zweifel an der Aufhebung der bisherigen
Feststellungen bezüglich der FRG-Zeiten bestanden hätten. Weder nach Erlass des Feststellungsbescheides noch
des Rentenbescheides, dem diese neuen Feststellungen zu Grunde gelegt worden waren, habe er dies beanstandet.
Er habe sich in den folgenden Überprüfungsanträgen nicht auf den Bescheid vom 08.04.1981 berufen. Eine Aufhebung
der früheren Bescheide im Altersrentenbescheid nach Art. 38 RÜG sei nicht erforderlich gewesen. Zudem solle § 44
SGB X der materiellen Gerechtigkeit dienen, so dass der Kläger einen Anspruch darauf nicht stützen könne.
Zur Begründung des Widerspruchs vom 31.08.2004 führte der Klägerbevollmächtigte aus, dass die
Feststellungsbescheide exakt benannt werden müssten, damit sie aufgehoben werden könnten.
Nach Vorlage weiterer rumänischer Bescheinigungen rechnete die Beklagte mit Bescheid vom 08.10.2004 unter
Aufhebung des Rentenbescheides vom 17.06.1997 die Zeiten des Klägers vom 17.05.1957 bis 31.12.1957 und vom
09.05.1958 bis 08.07.1974 zu 6/6 an.
Hinsichtlich des Antrags des Klägerbevollmächtigten auf Neuberechnung der Altersrente des Klägers unter
Berücksichtigung von Leistungsgruppen wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom
23.02.2005 als unbegründet zurück. Auf die dortigen Ausführungen wird Bezug genommen.
Hiergegen richtet sich die am 18.03.2005 beim Sozialgericht Nürnberg erhobene Klage.
Der Klägerbevollmächtigte hat zur Klagebegründung insbesondere auf die Urteile des Bundessozialgerichts vom
29.04.1997 (Az. 4 RA 25/96) und vom 16.12.1997 (Az. 4 RA 56/96) hingewiesen und ausgeführt, eine Aufhebung
früherer Feststellungsbescheide erfordere deren konkrete Bezeichnung.
Die Beklagte hat unter Berufung auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 24.02.1999 unter dem Aktenzeichen 5
RJ 32/98 R ausgeführt, dass die konkludente Aufhebung eines früheren Feststellungsbescheides durch neuen
Feststellungsbescheid ausreiche. Zudem sei § 44 SGB X nicht anwendbar, da die Rente materiell rechtlich zutreffend
gewährt worden sei.
Auf die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten sowie das Protokoll zum Erörterungstermin vom 07.12.2006 und der
mündlichen Verhandlung am 17.08.2007 wird ausdrücklich Bezug genommen.
Der Klägerbevollmächtigte beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 24.08.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23.02.2005
aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, unter Abänderung der Altersrentenbescheide vom 17.06.1997, vom
19.01.2002 und vom 08.10.2004 die Beitragszeiten nach dem FRG entsprechend dem Bescheid vom 08.04.1981 und
dem Bescheid vom 07.06.1989 zu berücksichtigen und dem Kläger ab 01.01.2000 eine entsprechend höhere Rente zu
gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts auf die Prozessakte und die beigezogene Beklagtenakte Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht beim örtlich und sachlich zuständigem Sozialgericht Nürnberg erhobene Klage ist zulässig,
aber unbegründet.
Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 24.08.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom
23.02.2005 ist nicht zu beanstanden. Zu Recht hat die Beklagte es abgelehnt, die Altersrentenbescheide gemäß § 44
Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) abzuändern und die Altersrente des Klägers unter Berücksichtigung der
früheren Feststellungsbescheide vom 08.04.1981 und vom 07.06.1989, insbesondere unter Einstufung der Zeiten des
Klägers nach dem FRG in Leistungsgruppen anstelle von Qualifikationsgruppen, neu zu berechnen.
Gemäß § 44 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die
Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig
angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb
Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind.
Der Berechnung der dem Kläger bewilligten Altersrente liegen Beitragszeiten in Rumänien zu Grunde, deren
Berücksichtigung sich bei einem Rentenbeginn ab 01.01.1996 grundsätzlich nach Art. 6 § 4 Absatz 3 Fremdrenten-
und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetz (FANG) in Verbindung mit den §§ 15, 22 FRG, 256 b SGB VI richtet.
Danach findet für Renten, die ab 01.01.1996 gewährt werden, keine Einstufung der FRG-Zeiten in Leistungsgruppen
mehr statt, sondern die Zuordnung zu Qualifikationsgruppen und Wirtschaftsbereichen. Ferner sind Zeiten einer
schulischen Ausbildung gemäß § 58 Absatz 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI in der ab 01.01.1997 geltenden Fassung nur noch
Anrechnungszeiten, wenn sie nach dem vollendeten 17. Lebensjahr liegen.
Insoweit entsprechen die Regelungen im Rentenbescheid vom 17.06.1997 dem ab 01.01.1997 geltenden materiellen
Recht.
Der Kläger kann nach Überzeugung der Kammer die Aufhebung des rechtskräftigen Altersrentenbescheides vom
17.06.1997 sowie der Folgebescheide gemäß § 44 SGB X nicht mit der Begründung verlangen, die
Feststellungsbescheide vom 08.04.1981 und vom 07.06.1989 seien nicht wirksam aufgehoben worden.
Herstellungsbescheide gemäß § 11 Versicherungsunterlagenverordnung (VuVO) wie der Bescheid vom 08.04.1981
und Feststellungsbescheide nach § 1325 Reichsversicherungsordnung (RVO) wie der Bescheid vom 07.06.1989 sind
feststellende Verwaltungsakte mit Dauerwirkung, mit denen der Rentenversicherungsträger gesetzliche
Tatbestandsmerkmale einer künftigen Leistungsgewährung ausnahmsweise im voraus feststellen darf. Die
Bindungswirkung solcher Bescheide erfasst sowohl die anerkannten Versicherungszeiten als auch die Einstufung in
Leistungsgruppen (vgl. BSG im Urteil vom 29.04.1997, Az. 4 RA 25/96, veröffentlicht in juris). Sinn und Zweck ist die
Rekonstruktion des Versicherungsverlaufs und die möglichst zeitnahe verbindliche Feststellung von Tatsachen, die
möglicherweise in einem künftigen Leistungsfall rentenversicherungsrechtlich bedeutsam werden können (vgl. hierzu
BSG vom 29.04.1997, Az. 4 RA 25/96, a.a.O.).
Solche Feststellungsbescheide bleiben grundsätzlich wirksam und bindend, solange und soweit sie nicht
zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt sind (vgl.
BSG im Urteil vom 29.04.1997, Az. 4 RA 26/96, veröffentlicht in juris). Insbesondere entfällt ihre Bindungswirkung
nicht kraft Gesetzes durch den Rentenbewilligungsbescheid. Das BSG hat in ständiger Rechtsprechung entschieden,
dass ein mit der Klage angegriffener Rentenbescheid, der einem bindenden früheren Herstellungs- oder
Vormerkungsbescheid widerspricht, rechtswidrig ist, wenn er nicht gemäß Art. 38 des Gesetzes zur Herstellung der
Rechtseinheit in der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung (Renten-Überleitungsgesetz – RÜG) selbst den
Herstellungsbescheid bzw. Vormerkungsbescheid rechtswirksam aufhebt (vgl. so BSG im Urteil vom 29.04.1997, Az.
4 RA 25/96 sowie im Urteil vom 16.12.1997, Az. 4 RA 56/96, veröffentlicht in juris).
Art. 38 RÜG lautet folgendermaßen: "Bescheide, die außerhalb einer Rentenbewilligung aufgrund der
Versicherungsunterlagen-Verordnung oder des Fremdrentenrechts Feststellungen getroffen haben, sind zu überprüfen,
ob sie mit den zum Zeitpunkt des Rentenbeginns geltenden Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch und
des Fremdrentenrechts übereinstimmen. Beginnt eine Rente nach dem 31. Juli 1991, ist die für diese Rente nach
diesem Zeitpunkt maßgebende Fassung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch und des Fremdrentenrechts von
ihrem Beginn an auch dann anzuwenden, wenn der Feststellungsbescheid nach Satz 1 noch nicht durch einen neuen
Fest-stellungsbescheid ersetzt ist; der Feststellungsbescheid ist im Rentenbescheid mit Wirkung für die
Vergangenheit ohne Rücksicht auf die Voraussetzungen der §§ 24 und 48 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch
aufzuheben."
Hier waren die Bescheide vom 08.04.1981 und vom 07.06.1989 jedoch vor Erlass des Rentenbescheides bereits
durch den Feststellungsbescheid vom 15.12.1995 wirksam ersetzt worden, der zudem lange vor Erlass des
Altersrentenbescheides vom 17.06.1997 bestandskräftig geworden war. Einer weitergehenden Aufhebung von
Feststellungsbescheiden im Altersrentenbescheid nach Art. 38 RÜG bedurfte es daher nicht mehr.
Der Kläger war im Bescheid vom 15.12.1995 ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass sich die Vorschriften über
Zeiten, die bisher nach der Versicherungsunterlagen-Verordnung oder dem Fremdrentengesetz berücksichtigt worden
sind, zum Teil geändert haben, und dass der Bescheid diejenigen Zeiten darstellt, die nach den Neuregelungen
anzurechnen sind. Die bisherigen Fest-stellungen wurden aufgehoben, soweit sie den folgenden Feststellungen
entgegenstanden. Im sich anschließenden Versicherungsverlauf waren die Zeiten nach dem FRG
Qualifikationsgruppen zugeordnet und nicht mehr in Leistungsgruppen eingestuft. Zudem wurde die Zeit der
Schulausbildung vom 15.09.1953 bis 01.07.1956 auf Seite 1 ausdrücklich als Ausbildungs-Anrechnungszeit
bezeichnet.
Angesichts dessen ist nach Überzeugung der entscheidenden Kammer für einen verständigen Beteiligten
unzweideutig der Wille der Behörde zu erkennen, durch den Bescheid vom 15.12.1995 die früher ergangenen
Feststellungsbescheide vom 08.04.1981 und vom 07.06.1989 aufzuheben, soweit darin die FRG-Zeiten in
Leistungsgruppen eingestuft waren und die Zeit vom 15.09.1953 bis 01.07.1956 als Beitragszeit erfasst war. Dass der
Regelungsgehalt unter Berücksichtigung der Aufstellung der Zeiten im Versicherungsverlauf – also durch Auslegung –
zu ermitteln ist, beeinträchtigt die Bestimmtheit des Bescheides vom 15.12.1995 nicht (vgl. hierzu Engelmann in von
Wulffen, a.a.O. zu § 33 SGB X / Rn. 4).
Dass die früheren Feststellungsbescheide im Bescheid vom 15.12.1995 nicht ausdrücklich mit Datum genannt
wurden, steht ihrer wirksamen Aufhebung nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ebenfalls nicht
entgegen (vgl. hierzu BSG im Urteil vom 24.02.1999, Az. 5 RJ 32/98 R und vom 13.12.2000, Az. B 5 RJ 42/99 R,
beide veröffentlicht in juris). Vielmehr reicht es aus, wenn die früheren Bescheide im Rahmen eines
Kontenklärungsverfahrens mit hinreichender Deutlichkeit konkludent aufgehoben werden.
Zwar hat der 4. Senat des Bundessozialgerichts in den vom Klägerbevollmächtigten zitierten Urteilen vom 29.04.1997
(Az. 4 RA 25/96), vom 16.12.1997 (Az. 4 RA 56/96) und vom 30.03.2004 (Az. B 4 RA 36/02 R, alle Urteile
veröffentlicht in juris) ausgeführt, dass nur dann eine hinreichend bestimmte Aufhebung vorgemerkter Tatbestände
rentenrechtlicher Zeiten im Rentenbescheid nach Art. 38 RÜG vorliegt, wenn im Rentenbescheid selbst genannt wird,
welche früheren Verwaltungsakte, mit welchen Tatbeständen aufgehoben werden sollen, für welchen Zeitraum und in
welchem Umfang. Diese Urteile betrafen jedoch Fallgestaltungen, in denen die früheren Feststellungsbescheide vor
Erlass des Rentenbescheides gerade nicht aufgehoben oder ersetzt worden waren. Der 5. Senat des
Bundessozialgerichts selbst hat in seinem Urteil vom 24.02.1999 (Az. 5 RJ 32/98 R) ausdrücklich darauf hingewiesen,
dass er sich nicht in Widerspruch zu den Urteilen des 4. Senats vom 29.04.1997 und vom 16.12.1997 setzt, wenn er
eine ausdrückliche Benennung des auf-zuhebenden Feststellungsbescheides im neuen Feststellungsbescheid nicht
für erforderlich hält.
Selbst wenn man jedoch davon ausgeht, dass die Bescheide vom 08.04.1981 und vom 07.06.1989 durch den
Vormerkungsbescheid vom 15.12.1995 nicht wirksam ersetzt worden sind, hat der Kläger deswegen keinen Anspruch
auf Neuberechnung seiner Altersrente auf Grundlage dieser Bescheide.
Denn sowohl der Vormerkungsbescheid vom 15.12.1995 als auch der Altersrentenbescheid vom 17.06.1997 sind – da
beide vom Kläger nicht mit Rechtsbehelfen angegriffen wurde – bindend und bestandskräftig geworden.
Auch insoweit ist die Rechtslage im vorliegenden Fall nicht mit derjenigen zu vergleichen, die den vom
Klägerbevollmächtigten zitierten Urteilen des Bundessozialgerichts vom 29.04.1997 (Az. 4 RA 25/96), vom
16.12.1997 (Az. 4 RA 56/96) und vom 30.03.2004 (Az. B 4 RA 36/02 R) oder dem Urteil des Bayerischen
Landessozialgerichts vom 10.09.1997 (Az. L 13 An 34/96) zu Grunde lag. Denn dort waren die streitgegenständlichen
Rentenbescheide rechtzeitig mit Rechtsmitteln angegriffen worden und daher noch nicht bestandskräftig geworden.
Dementsprechend wurde in den zitierten Urteilen ausgeführt, dass die Rentenbescheide abzuändern sind, soweit sie
den bestandskräftigen Herstellungsbescheiden widersprechen.
Der Kläger hat aber keinen Anspruch darauf, dass der bestandskräftige Rentenbescheid vom 16.07.1997 aufgehoben
wird, soweit er den Feststellungen der Bescheide vom 08.04.1981 und vom 07.06.1989 widerspricht. Insbesondere
kann er diesen Anspruch nicht auf § 44 SGB X stützen.
Da an der Bestandskraft von Verwaltungsakten aus Gründen der Rechtssicherheit ein hohes rechtsstaatliches
Interesse besteht, darf diese nur ausnahmsweise durchbrochen werden (vgl. hierzu z.B. Wiesner in von Wulffen,
Kommentar zum SGB X, vor §§ 44 ff. SGB X / Rn. 8). Andererseits ist auch das Interesse an Einzelfallgerechtigkeit
ein hohes Gut. Im Falle bestandskräftiger, rechtswidriger Verwaltungsakte stehen diese Interessen in Kon-flikt. Der
Gesetzgeber hat deswegen für Ansprüche nach den Sozialgesetzbüchern – wie dem Anspruch auf Rente nach dem
SGB VI – mit § 44 SGB X eine Regelung getroffen, die eine Durchbrechung der Bestandskraft von Verwaltungsakten
ausnahmsweise zulässt, um weitgehend materielle Gerechtigkeit zu verwirklichen (vgl. hierzu Steinwedel im Kasseler
Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Hrsg. Niesel et alii, Stand Juni 2007, zu § 44 SGB X / Rn. 2).
Gemäß § 44 Absatz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für
die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig
angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb
Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Insoweit wird dem
materiellen Sozialrecht Vorrang vor dem Grundsatz der Fixierung der Rechtslage durch bestandskräftige
Verwaltungsakte eingeräumt (vgl. hierzu Vogelsang in Hauck / Noftz –Hrsg.- Kommentar zum SGB X, Berlin 2007, zu
§ 44 SGB X / Rn. 5).
Der Kläger hat im vorliegenden Fall aber nach § 44 Absatz 1 SGB X keinen Anspruch auf Durchbrechung der
Bestandskraft des Rentenbescheides vom 17.06.1997 zu Gunsten der Verwirklichung von materiellen Recht, denn
ihm sind keine Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden. Vielmehr entspricht es dem ab 01.01.1997
geltenden materiellen Recht, dass die Bewertung der FRG-Zeiten des Klägers unter Zuordnung zu
Qualifikationsgruppen vorgenommen wird und dass schulische Ausbildungszeiten vor Vollendung des 17.
Lebensjahres nicht als Anrechnungszeiten berücksichtigt werden. Die Höhe seiner Altersrente war und ist insoweit
nicht zu beanstanden.
Nach der Rechtsprechung des BSG soll das Zugunstenverfahren nach § 44 SGB X aber grundsätzlich nicht dazu
dienen, dem Antragsteller mehr zu gewähren, als ihm nach materiellem Recht zusteht, sondern die Verwirklichung des
materiell geltenden Rechts zu ermöglichen (vgl. BSG vom 22.03.1989, 7 RAr 122/87, veröffentlicht in juris). § 44 SGB
X wird geprägt vom Restitutionsgedanken: Der Kläger soll so gestellt werden, wie er stünde, wenn die Behörde von
vornherein richtig entschieden hätte; er soll aber nicht in vollem Umfang so gestellt werden, als habe er rechtzeitig
einen Rechtsbehelf gegen den Verwaltungsakt eingelegt (vgl. hierzu Steinwedel im Kasseler Kommentar, a.a.O. zu §
44 SGB X / Rn. 31). Demgemäß soll § 44 SGB X z.B. nicht der Korrektur reiner Formverstöße dienen (vgl. Steinwedel
im Kassler Kommentar, a.a.O., zu § 44 SGB X / Rn. 32 mit weiteren Nachweisen). Für eine so weitreichende
Durchbrechung des Prinzips der Rechtssicherheit gibt es keine Veranlassung, insbesondere kann dafür das Prinzip
der materiellen Gerechtigkeit nicht herangezogen werden.
Selbst wenn man im vorliegenden Fall annimmt, dass die Beklagte mit Bescheid vom 15.12.1995 die Feststellungen
des Bescheides vom 08.04.1981 und vom 07.06.1989 nicht hinreichend konkret aufgehoben hat, und man den Kläger
so stellt, wie er bei von vornherein rechtmäßigem Handeln der Beklagten gestanden hätte, ergibt sich aber kein
Anspruch des Klägers auf höhere Rente. Denn das dann zu unterstellende rechtmäßige Handeln der Beklagten hätte
nicht in einer höheren Rentengewährung bestanden. Die Beklagte hätte vielmehr die Feststellungen der Bescheide
vom 08.04.1981 und vom 07.06.1989 entweder mit Bescheid vom 15.12.1995 oder spätestens im Rentenbescheid
vom 17.06.1997 unter ausdrücklicher Bezeichnung der vorangegangenen Feststellungsbescheide aufgehoben. Dazu
war die Beklagte gemäß Art. 38 RÜG auch berechtigt.
§ 44 SGB X ist daher nicht geeignet, unter Durchbrechung der Bestandskraft des Rentenbescheides vom 17.06.1997
weitergehende Rentenansprüche des Klägers zu begründen. Andere Anspruchsgrundlagen sind weder vorgetragen
noch ersichtlich.
Dieses Ergebnis stimmt nach Ansicht der Kammer im Übrigen auch mit Sinn und Zweck der Herstellungs- bzw.
Vormerkungsbescheide überein, die im Rahmen von Kontenklärungsverfahren ergehen. Denn sie zielen auf
"Beweissicherung" ab, das heißt auf die möglichst zeitnahe verbindliche Feststellung von Tatsachen, die - nach der
Rechtslage im Zeitpunkt der Feststellung - möglicherweise in einem künftigen Leistungsfall rentenversicherungs-
rechtlich bedeutsam werden können (vgl. hierzu BSG vom 29.04.1997 , 4 RA 25/96). Ist jedoch der Rentenbescheid
bestandskräftig geworden, ist eine Beweissicherung nicht mehr nötig.
Das gilt zumindest, sofern - wie hier - nicht weitergehende Zeiten in den Feststellungsbescheiden genannt werden,
sondern lediglich die Frage im Raum steht, ob diese Zeiten Leistungsgruppen oder Qualifikationsgruppen zuzuordnen
sind bzw. ob eine Anrechnung von Ausbildungszeiten vor dem 17. Lebensjahr in Betracht kommt.
Soweit der Klägerbevollmächtigte auf das Urteil der 12. Kammer des Sozialgerichts Nürnberg unter dem Aktenzeichen
S 12 RJ 71/03 Bezug genommen hat, erlaubt sich die Kammer auf das dem Klägerbevollmächtigten bekannte Urteil
derselben Kammer unter dem Aktenzeichen S 12 R 926/04 zu verweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.