Urteil des SozG Neuruppin vom 01.07.1992

SozG Neuruppin: freiwillige versicherung, private krankenversicherung, ärztliche behandlung, beihilfe, satzung, tarif, verfügung, krankheitskosten, zukunft, sachleistung

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Gericht:
SG Neuruppin 20.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
S 20 KR 184/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Beteiligten haben einander Kosten nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Gewährung eines Teilkostenerstattungstarifs sowie auf dessen
Grundlage die rückwirkende Beitragsanpassung und den rückwirkenden
Beitragsausgleich.
Der Kläger war seit dem 1. Juli 1992 Richter im Dienst des Landes Brandenburg und trat
zum 31. Dezember 2001 in Ruhestand. Der Kläger bemühte sich, für die nicht durch die
Beihilfe des Landes Brandenburg abgedeckten Krankheitskosten eine Absicherung bei
privaten Krankenversicherungen zu erlangen. Dies gelang ihm nach eigenen Angaben
jedoch nicht, da er bereits damals chronisch krank war und die privaten
Krankenversicherungen seine Aufnahme deshalb bereits im Vorfeld eines Antrags auf
Abschluss eines Versicherungsvertrags ablehnten. Der Kläger bemühte sich deshalb
schon frühzeitig bei der Beklagten, dessen freiwillig versichertes Mitglied er seit 1991 ist,
um die Gewährung eines Teilkostenerstattungstarifs, um die Lücke zu dem 70 %-igen
Beihilfeanspruch, den er seit seinem Eintritt in den Ruhestand hat, zu schließen.
Der Kläger beantragte bei der Beklagten unter dem 5. September 2006 erneut die
Umstellung seiner freiwilligen Mitgliedschaft auf einen 30 %-igen
Teilkostenerstattungstarif. Der Widerspruch gegen den ablehnenden Bescheid der
Beklagten vom 10. Juli 2007 wurde durch den Widerspruchsbescheid vom 19. Oktober
2007 zurückgewiesen.
Mit der am 12. November 2007 bei dem Sozialgericht Neuruppin erhobenen Klage
verfolgt der Kläger sein Begehren weiter und beantragt,
die Beklagte zu verurteilen,
1. die freiwillige Versicherung des Klägers rückwirkend ab 1. Oktober 2006 auf
Teilkostenversicherung zu 30 % umzustellen,
2. die Beiträge des Klägers auf diesen Prozentsatz zu reduzieren und
3. die seit dem Umstellungszeitpunkt zu viel erhobenen Beiträge plus den
üblichen Zinssatz zurückzugewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
und verweist auf den Inhalt der angegriffenen Bescheide, an denen sie festhält.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte sowie auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten, die zum
Gegenstand des Verfahrens gemacht worden ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nach verständiger Würdigung des klägerischen Begehrens (§ 123
Sozialgerichtsgesetz - SGG -) mit Bezug auf die Vergangenheit als kombinierte
Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 SGG) und mit Bezug auf die Zukunft als
Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) statthaft und auch sonst zulässig. Sie war
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Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) statthaft und auch sonst zulässig. Sie war
jedoch abzuweisen, da dem Kläger ein Anspruch auf Gewährung eines
Teilkostenerstattungstarifs weder für die Vergangenheit noch für die Zukunft zusteht und
deshalb ein Anspruch auf anteilige Beitragsrückerstattung nicht besteht.
1. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Gewährung eines Teilkostenerstattungstarifs
gegen die Beklagte nicht zu. Das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung ist vom
Sachleistungsprinzip (§ 2 Abs. 2 Satz 1 Fünftes Buch des Sozialgesetzbuchs - SGB V -)
geprägt (Bundessozialgericht, Urteile vom 14. März 2001 - B 6 KA 36/00 R - [juris]
m.w.N. und vom 7. August 1991 - 1 RR 7/88 - [juris] m.w.N.). Danach werden dem
Versicherten sächliche Mittel (z.B. Arzneien oder Heil- und Hilfsmittel) sowie persönliche
Dienste (z.B. Beratung oder ärztliche Behandlung) zur Verfügung gestellt, ohne dass der
Versicherte vorleistungspflichtig wäre (vgl. , in: LPK-SGB V, Rn. 4 zu § 2). Der vom
Kläger begehrte Teilkostenerstattungstarif ist eine Ausnahme von diesem Grundsatz, da
der Kläger nach eigener Vorstellung aus diesem Tarif Ansprüche auf Kostenerstattung in
einer Höhe herleiten will, die dem durch die Beihilfe des Landes Brandenburg nicht
gedeckten Anteil an den Kosten der Krankenbehandlung entspricht. Für diese begehrte
Durchbrechung des Sachleistungsprinzips bedürfte es einer gesetzlichen Grundlage (§ 2
Abs. 1 Satz 1 SGB V). An dieser fehlt es jedoch. Allein § 14 SGB V begründet für den in
dieser Vorschrift genannten Personenkreis die Möglichkeit, einen
Teilkostenerstattungstarif durch die Satzung der jeweiligen Krankenkasse einzuführen.
Der Kläger gehört jedoch nicht zu diesem privilegierten Personenkreis. Auch eine
analoge Anwendung der Norm kommt vorliegend nicht in Betracht. Zum einen hat die
Beklagte einen solchen Teilkostenerstattungstarif durch ihre Satzung für den in § 14 SGB
V genannten Personenkreis nicht geschaffen. Zum anderen hat der Gesetzgeber den
Kreis der begünstigten Personen bewusst klein gehalten. Ein allgemein auf die
Einbeziehung von Beamten gerichteter Änderungsvorschlag des Bundesrates wurde
abgelehnt (vgl. Landessozialgericht Berlin, Urteil vom 15. Oktober 2003 - L 15 KR 492/01
- [juris] m.w.N.). Daher verstößt eine erweiternde Auslegung von § 14 SGB V gegen den
Willen des Gesetzgebers und ist unzulässig (vgl. Verfassungsgericht des Landes
Brandenburg, Urteil vom 15. Dezember 2005 - VfGBbg 287/03 - [juris] m.w.N.). Aus
diesem Grund lässt sich der Klageanspruch auch nicht im Wege eines Anspruchs auf
Satzungsänderung gegenüber der Beklagten mit Erfolg geltend machen.
Nichts anderes folgt im Ergebnis mit Blick auf die seitens des Klägers gerügte
Verfassungswidrigkeit von § 14 SGB V. Insoweit hat das Gericht allerdings Zweifel, ob die
durch § 14 SGB V geschaffene Privilegierung einzelner Personengruppen dem
Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) standhält. Als tragfähiger
Differenzierungsgrund wird die Nähe der in § 14 SGB V genannten Personen auf Grund
des Beschäftigungsverhältnisses zum Arbeitgeber (Krankenkasse, deren Verbände,
Betriebskrankenkasse, knappschaftliche Krankenversicherung) gesehen
(Landessozialgericht Berlin, Urteil vom 15. Oktober 2003 - L 15 KR 492/01 - [juris] unter
Bezugnahme auf die Motive des Gesetzgebers). Es drängen sich dem Gericht jedoch
Zweifel auf, ob tatsächlich allein die angestrebte Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber
hinreichender Differenzierungsgrund sein kann. Immerhin wird der in § 14 SGB V
genannte Personenkreis unter Durchbrechung des die gesetzliche Krankenversicherung
tragenden Strukturprinzips der Sachleistung gegenüber anderen Versicherten erheblich
bevorzugt. Auf diese Bedenken kommt es jedoch nicht entscheidungserheblich an, da
die Beklagte die durch den Gesetzgeber eröffnete Möglichkeit, einen
Teilkostenerstattungstarif auf Grundlage von § 14 SGB V zu schaffen, nicht genutzt hat
und der Kläger mit Bezug auf die übrigen bei der Beklagten versicherten Personen eine
Ungleichbehandlung daher nicht rügen kann. Eine lediglich hypothetische
Ungleichbehandlung im Falle der Einführung eines Teilkostenerstattungstarifs gemäß §
14 SGB V durch die Beklagte genügt insoweit für die Annahme eines
Verfassungsverstoßes nach Überzeugung des Gerichts nicht. Auch ein Vergleich mit
Versicherten anderer Krankenkassen, für die durch die Satzung dieser Krankenkassen
ein Teilkostenerstattungstarif eingeführt worden ist, vermag eine verfassungswidrige
Ungleichbehandlung mit Bezug auf den Kläger nicht zu begründen. Vergleichsmaßstab
kann wegen der Selbstverwaltungshoheit der Beklagten (§§ 29 ff. Viertes Buch des
Sozialgesetzbuchs) nur die Gruppe der bei der Beklagten versicherten Personen sein,
zumal die Beklagte durch die Nichtschaffung eines ggf. gleichheitswidrigen Tarifs eine
ggf. nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung gerade nicht manifestiert hat.
Eine gleichheitswidrige Benachteiligung des Klägers ist im Ergebnis jedenfalls auch
deshalb nicht gegeben, da er auf andere Weise in der Lage war, die von ihm begehrte
Absicherung gegen Krankheitskosten, die nicht durch die Beihilfe des Landes
Brandenburg abgedeckt wurden und werden, sicherzustellen. Insoweit nimmt das Gericht
auf § 47 Bundesbeihilfeverordnung, die gemäß § 11 Richtergesetz des Landes
Brandenburg i.V.m. § 62 Beamtengesetz für das Land Brandenburg auch für die Richter
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Brandenburg i.V.m. § 62 Beamtengesetz für das Land Brandenburg auch für die Richter
des Landes Brandenburg anwendbar ist, Bezug. Der Verordnungsgeber hat in Ausfüllung
der dem Dienstherrn obliegenden Fürsorgepflicht hinreichende Möglichkeiten
geschaffen, die Beihilfesätze mit Blick auf Besonderheiten des jeweiligen
Beihilfeberechtigten anzuheben. Der Kläger hätte sich daher an seinen Dienstherrn
wenden können und mit Blick auf sein Begehren letztlich auch wenden müssen. Die
gesetzliche Krakenversicherung ist ihrer Struktur nach nicht dafür bestimmt, etwaige
Absicherungslücken für Beihilfeberechtigte zu schließen. Für diesen Ausgleich steht das
System der privaten Krankenversicherung zur Verfügung. Wenn private
Krankenversicherungen eine Absicherung wegen Vorerkrankungen ablehnen oder nur
gegen erhebliche Risikoaufschläge zuzulassen bereit sind, hat dieser Nachteilsausgleich
im Verhältnis zum Dienstherrn, nicht jedoch im Verhältnis zu einer gesetzlichen
Krankenkasse zu erfolgen. Insoweit stehen das System der Beihilfe mit der ergänzenden
Absicherung durch die private Krankenversicherung einerseits und das System der
gesetzlichen Krankenversicherung andererseits nebeneinander. Das Gericht nimmt zur
weiteren Begründung auf die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. Juni 1990 -
2 C 35/87 - und vom 8. Mai 1967 - VI C 18.67 - sowie auf den Beschluss des
Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 26. Mai 1998 - 6 A
640/97 - [alle juris] Bezug.
Einer Aussetzung des Verfahrens und Vorlage von § 14 SGB V an das
Bundesverfassungsgericht (Art. 100 Abs. 1 GG) bedarf es aus den vorstehenden
Gründen jedenfalls nicht.
2. Da die Beitragseinstufung bzw. Beitragserhebung nach dem Tarif für freiwillig
versicherte Mitglieder rechtlich nicht zu beanstanden ist, hat der Kläger in der
Vergangenheit auch nicht (teilweise) rechtsgrundlos Beiträge gezahlt. Die Klage war
daher auch hinsichtlich des Rückzahlungsbegehrens abzuweisen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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