Urteil des SozG Neuruppin vom 02.02.2011

SozG Neuruppin: versicherungspflicht, persönliches erscheinen, gesellschafterversammlung, geschäftsführer, vergütung, pflege, arbeitslosenversicherung, anstellungsvertrag, sozialversicherung, satzung

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Gericht:
SG Neuruppin 25.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
S 25 KR 197/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 25 Abs 1 SGB 3, § 7 Abs 1 SGB
4, § 5 Abs 1 Nr 1 SGB 5, § 1 S 1
Nr 1 SGB 6, § 20 Abs 1 S 2 Nr 1
SGB 11
Sozialversicherungspflicht - Fremdgeschäftsführer einer
Familien-GmbH - Ehegatte - Abgrenzung - abhängige
Beschäftigung - selbständige Tätigkeit
Leitsatz
1. Bei der Abgrenzung der versicherungspflichtigen Beschäftigung von der selbständigen
Tätigkeit setzt die Annahme einer Beschäftigung wesentlich voraus, dass der Arbeitnehmer
vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit
vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko und die frei gestaltete Tätigkeit und
Arbeitszeit gekennzeichnet.
2. Diese Grundsätze sind auch beim sog. Fremdgeschäftsführer einer GmbH regelmäßig auch
anzuwenden. Ist der Geschäftsführer nicht am Kapital der Gesellschaft beteiligt, so liegt in der
Regel ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vor.
3. Dies gilt auch dann, wenn der Betroffene seine Arbeit praktisch frei gestalten kann und sich
Ort, Zeit und Dauer der Arbeitsleistung allein aus den betrieblichen Erfordernissen und nicht
aus Weisungen des Arbeitgebers ergeben.
4. Bei der Frage der Versicherungspflicht eines Fremdgeschäftsführers einer Familien - GmbH
ist regelmäßig auf die (Rechts)macht, unliebsame Entscheidungen auch im nur theoretischen
Konfliktfall zu verhindern, abzustellen.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Versicherungspflicht der Klägerin in ihrer Tätigkeit als
Geschäftsführerin für die Beigeladene zu 1) im Zeitraum ab dem 01. Juli 2000.
Die im März 1957 geborene Klägerin war nach Abschluss ihres Studiums
wissenschaftliche Assistentin an der Ingenieurhochschule Cottbus und ab dem Jahre
1983 Themenbearbeiterin im Bereich Brückenbau der Deutschen Reichsbahn. Im Jahre
1982 heiratete sie den Alleingesellschafter der Beigeladenen zu 1). Im Jahre 1994 gab
sie ihre bisherige Tätigkeit auf und engagierte sich im Einzelunternehmen des
Ehemannes, der zu diesem Zeitpunkt bereits als Einzelunternehmer ein Ingenieurbüro
für Baustatik betrieb. Fünf Jahre später gründete sie zusammen mit ihrem Ehemann und
der Zeugin G M die I S GbR. Zum 01. Juli 2000 wurde die GbR in die Beigeladene zu 1)
umfirmiert; die Einzelfirma des Ehemannes der Klägerin bestand daneben weiterhin fort.
Ausweislich des § 2 der Satzung der Gesellschaft vom 21. Juni 2000, die am 24. Februar
2004 hinsichtlich des Gesellschaftszweckes geändert wurde, sind Gegenstand des
Unternehmens Planungs- und Ingenieurleistungen des Bauwesens, die Prüfung
bautechnischer Unterlagen wie Standsicherheitsnachweise, Ausführungsplanungen,
bauphysikalische Nachweise, die Bauüberwachung und die Bauzustandsbesichtigung
sowie die Erstellung von baufachlichen Gutachten. Das Stammkapital der Beigeladenen
zu 1) beträgt 25.000,00 EUR, die allein von dem Ehemann der Klägerin gehalten werden;
er ist alleiniger Gesellschafter der Beigeladenen zu 1). Die Klägerin selbst wurde mit
Wirkung vom 01. Juli 2000 zur alleinigen Geschäftsführerin bestellt. Gemäß § 9 der
Satzung ist bei Vorhandenseins nur eines Geschäftsführers dieser zur alleinigen
Vertretung berechtigt und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. Der
Geschäftsführer hat nach § 9 Ziffer 7 der Satzung die Beschlüsse der
Gesellschafterversammlung zu beachten. Geschäfte, die die Beteiligung an oder die
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Gesellschafterversammlung zu beachten. Geschäfte, die die Beteiligung an oder die
Übernahme von anderen Unternehmen betreffen sowie die Errichtung von
Zweigniederlassungen bedürfen nach § 10 der Satzung in jedem Fall der vorherigen
Zustimmung der Gesellschafterversammlung. Im Übrigen soll gesondert geregelt
werden, zu welchen Geschäften die vorherige Zustimmung der
Gesellschafterversammlung einzuholen ist. Eine solche gesonderte Regelung haben die
Vertragsparteien indes nicht getroffen.
Der zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1) unter dem 30. Juni 2000
geschlossene und mit Wirkung ab dem 01. März 2004 geänderte Anstellungsvertrag
vom 18. Februar 2004 enthielt im Wesentlichen folgende Regelungen:
- Berechtigung zur alleinigen Geschäftsführung und Vertretung,
- Gesamtleitung des Betriebes,
- monatliches Gehalt in Höhe von 4.500,00 DM bzw. ab dem 01. März 2004 in Höhe von
7.200,00 EUR,
- ein ganzes Urlaubsgehalt sowie ein jährliches Weihnachtsgeld in Höhe des derzeitigen
monatlichen Bruttogehaltes,
- eine Tantieme bemessen nach dem handelsrechtlichen Gewinn,
- Anspruch auf Benutzung eines Personenkraftwagens zu Lasten der Beigeladenen zu 1)
bei ausdrücklicher Untersagung der privaten Nutzung des Dienstwagens,
- Jahresurlaub von 30 Werktagen, Vergütung von nicht erhaltenem Urlaub,
- Anspruch auf Spesenersatz bei Dienstreisen
und
- Anspruch auf Vergütung derjenigen Kosten, die der Klägerin aus der Wahrnehmung
ihrer Tätigkeit entstehen.
Mit Schreiben vom 11. Januar 2005 übersandte die Klägerin der Beklagten einen
Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung, der von der Klägerin und
ihrem Ehemann als Gesellschafter der Beigeladenen zu 1) unterzeichnet worden ist.
Hierin gaben sie unter anderem an,
- dass ein Stimmrecht nicht vertraglich vereinbart wurde,
- dass die Klägerin durch Sonderrechte keine Gesellschaftsbeschlüsse herbeiführen oder
verhindern könne,
- dass die Klägerin der Beigeladenen zu 1) oder den Gesellschaftern kein Darlehen
gewährt oder Bürgschaften übernommen habe,
- dass die Klägerin als einzige Geschäftsführerin die für die Führung des Unternehmens
erforderlichen einschlägigen Branchenkenntnisse habe,
- dass die Tätigkeit - auf Grund von familienhaften Rücksichtsnahmen - nicht durch ein
gleichberechtigtes Nebeneinander zu anderen Gesellschaftern geprägt sei,
- dass sie ausschließlich nur im Rahmen des Gesellschaftsvertrages zur Mitarbeit
verpflichtet sei,
- dass die Mitarbeit in einem besonderen Arbeitsvertrag/Dienstvertrag geregelt sei
und
- dass die regelmäßige tarifliche wöchentliche Arbeitszeit 40 Stunden und die
tatsächliche durchschnittliche wöchentliche Arbeitzeit 55 Stunden betrage.
Ferner gaben sie an, dass die Klägerin wie ein fremder Arbeitnehmer dem
Direktionsrecht (Weisungsrecht) der Gesellschaft bezüglich Zeit, Ort und Art der
Beschäftigung unterliege und dieses Weisungsrecht von der Gesellschaft bzw. vom
Gesellschafter tatsächlich laufend ausgeübt werde. Die Klägerin könne ferner - ggf. von
bestimmten wichtigen Geschäften abgesehen - ihre Tätigkeit in der Gesellschaft frei
bestimmen und gestalten, wobei Einschränkungen im Rahmen des
Gesellschaftsvertrages bestünden. Die Gestaltung der Tätigkeit sei von den betrieblichen
Erfordernissen, insbesondere von dem eigenen wirtschaftlichen Interesse zum Wohl und
Gedeih des Unternehmens abhängig, ferner könne die Klägerin ohne Einschränkungen
selbstständig Personal einstellen und / oder entlassen, sie müsse sich ihrem Urlaub
genehmigen lassen, ihre Abberufung/Kündigung sei auch nur aus wichtigem Grund
möglich. Es sei ausweislich des Anstellungsvertrages eine Kündigungsfrist vereinbart, es
werde unabhängig von der Ertragslage des Unternehmens eine monatlich gleich
bleibende Vergütung in Höhe von 7.200,00 EUR als Gegenleistung für die geleistete
Arbeit gezahlt. Diese Vergütung werde im Falle der Arbeitsunfähigkeit nicht weiter
gewährt, von der Vergütung werde jedoch Lohnsteuer entrichtet, sie sei am Gewinn
beteiligt bzw. erhalte erfolgsabhängige Bezüge und schließlich sei in der Vergangenheit
von einer Krankenkasse / einem Rentenversicherungsträger über die
Versicherungspflicht ein Beitragsbescheid erlassen worden.
Mit Bescheid vom 08. März 2005 stellte die Beklagte fest, dass die Klägerin seit dem 01.
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Mit Bescheid vom 08. März 2005 stellte die Beklagte fest, dass die Klägerin seit dem 01.
Juli 2000 in einem abhängigen und damit sozialversicherungspflichtigen
Beschäftigungsverhältnis stehe. Zur Begründung führte sie aus, bei
Fremdgeschäftsführern liege grundsätzlich ein abhängiges und damit
sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vor. In seinem Urteil vom 22.
August 1973 habe sich das Bundessozialgericht ausführlich mit der
versicherungsrechtlichen Beurteilung von Fremdgeschäftsführern auseinandergesetzt
und ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis festgestellt. Insbesondere habe es
dargelegt, dass alleine aus der weisungsfreien Ausführung einer fremdbestimmten
Arbeit nicht auf eine selbstständige Tätigkeit geschlossen werden könne, da der
Fremdgeschäftsführer ansonsten in einer nicht von ihm selbst gegebenen Ordnung des
Betriebes eingegliedert sei und auch nur im Rahmen des Gesellschaftsvertrages und der
Gesellschafterbeschlüsse handeln dürfe, so dass er - selbst bei Belassung großer
Freiheiten - der Überwachung durch die Gesellschafter unterliege. Dies gelte auch dann,
wenn die Gesellschafter von ihrer Überwachungsbefugnis regelmäßig keinen Gebrauch
machten. Die Weisungsgebundenheit des Fremdgeschäftsführers verfeinere sich dabei -
wie bei Diensten höherer Art üblich - zur funktionsgerecht dienenden Teilhabe am
Arbeitsprozess. Dem stehe auch nicht entgegen, dass Fremdgeschäftsführer -
gegenüber den sonstigen Arbeitnehmern - Funktionen eines Arbeitgebers wahrnehmen,
denn auch wer selbst Arbeitgeberfunktionen ausübe, kann seinerseits - als leitender
Angestellter - bei einem Dritten persönlich abhängig beschäftigt sein. Im Übrigen fehle
das für die selbstständige Tätigkeit kennzeichnende Unternehmerrisiko. Die Klägerin sei
seit dem 01. Juni 2000 Geschäftsführerin der Beigeladenen zu 1), an der Beigeladenen
sei sie selbst nicht beteiligt und der Ehemann sei Alleingesellschafter. In Ausnahmefällen
könne bei einem Fremdgeschäftsführer ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis dann
ausgeschlossen werden, wenn die Gesellschafter Familienangehörige seien und die
Tätigkeit auf Grund von familienhaften Rücksichtnahmen durch ein gleichberechtigtes
Nebeneinander geprägt seien bzw. der Geschäftsführer auf Grund besonderer
Fachkenntnisse die anderen Gesellschafter derart dominiere, dass er in der Gesellschaft
"frei walten und schalten" könne. Nach ihren eigenen Angaben unterliege die Klägerin
bzgl. Zeit, Ort und Art der Beschäftigung wie ein fremder Arbeitgeber dem
Weisungsrecht der Gesellschaft. Der Anstellungsvertrag enthalte Regelungen, wie sie bei
Diensten höherer Art üblich seien. Die Klägerin erhalte unabhängig von der Ertragslage
des Unternehmens eine monatlich gleich bleibende Vergütung als Gegenleistung für die
geleistete Arbeit. Es sei ferner davon auszugehen, dass der Ehemann der Klägerin als
Alleingesellschafter ebenfalls über die für die Führung des Unternehmens erforderlichen
Branchenkenntnisse verfüge. Nach dem hier vorliegenden Sachverhalt stehe die
Klägerin in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis und unterliege darin der
Versicherungspflicht in der Kranken -, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung.
Aufgrund der Erhöhung des Arbeitsentgeltes ab März 2004 sei sie zum 31. Dezember
2004 aus der Krankenversicherung ausgeschieden.
Hiergegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 08. April 2005 Widerspruch, der mit
anwaltlichen Schreiben vom 21. April 2005 im Wesentlichen wie folgt begründet wurde:
Die tatsächlichen Umstände der zur Überprüfung gestellten Tätigkeit der Klägerin fänden
sich in Ergebnis und Begründung des angefochtenen Bescheides nicht wieder, weil die
maßgeblichen Voraussetzungen zur Annahme eines versicherungspflichtigen
Beschäftigungsverhältnisses bei Bewertung der gesamten Umstände nicht vorlägen. Die
Klägerin sei letztendlich weder wie eine fremde Arbeitskraft in den Betrieb eingegliedert,
noch unterliege sie einem tatsächlichen Direktionsrecht. Ferner trage die Klägerin über
die im Jahre 2002 hingegebenen umfangreichen Sicherheiten einerseits und die
erfolgsabhängig variable Tantiemeregelung gemäß schriftlichem Anstellungsvertrag vom
30. Juni 2000 ein erhebliches und die typischen Arbeitnehmerinteressen deutlich
zuwiderlaufendes unternehmerisches Risiko. Die Klägerin sei entgegen der Auffassung
der Beklagten nicht, wie es ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne von § 7
SGB IV voraussetze, wie eine fremde Arbeitkraft in den ehelichen Betrieb eingegliedert.
Die von der Rechtssprechung hierzu aufgestellten Grundsätze seien vorliegend nicht
erfüllt. Denn die Ordnung im oben genannten Sinne gebe seit Gründung der GmbH im
Jahre 2000 nicht der Ehemann der Klägerin vor, sondern die im Betrieb anfallenden
Tätigkeiten werden von beiden Eheleuten gemeinsam und gleichberechtigt "arbeitsteilig"
in gegenseitiger Abstimmung erledigt. Der Klägerin fehle es zudem zur Annahme eines
fremdbestimmten Arbeitsverhältnisses auch an einer Weisungsgebundenheit, denn sie
unterliege in Bezug auf Zeit, Dauer und Art der Arbeitsführung keiner Maßgabe des
Ehemannes, sondern entscheide stets eigenverantwortlich und allenfalls in
gleichberechtigter Abstimmung mit Ihrem Ehemann stets allein ausgerichtet an den
betrieblichen Belangen des Unternehmens. Weil die Eheleute die betrieblichen Aufgaben
- eben familientypisch - gleichberechtigt nebeneinander ausnahmslos arbeitsteilig
gestalten würden, sei die persönliche Abhängigkeit, die die Rechtsprechung als
notwendige Voraussetzung für die Annahme einer versicherungspflichtigen Tätigkeit
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notwendige Voraussetzung für die Annahme einer versicherungspflichtigen Tätigkeit
fordere, schlicht nicht gegeben. Ausweislich der Anlage zum Kreditvertrag vom 07.
Februar 2000 zwischen der Beigeladenen zu 1) und der Berliner Volksbank e. G. vom 25.
Februar 2002 habe die Klägerin nicht nur eine selbstschuldnerische Bürgschaft für
Einzelforderungen der GmbH über 12.000,00 EUR übernommen, sondern zudem die ihr
und ihrem Ehemann gemeinsam gebührenden Rechte und Ansprüche aus der
Beteiligung der DG - Immobilienanlage bei der DG - Anlagegesellschaft mbH über
500.000,00 DM abgetreten. Das hiermit verbundene erhebliche wirtschaftliche Risiko
spreche nach einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Lehre mit deutlichem
Gewicht für eine nicht abhängige Beschäftigung im Sinne von § 7 SGB IV.
Mit Schreiben vom 26. August 2005 teilte die Beklagte mit, noch nicht abschließend über
den Widerspruch entscheiden zu können, da die Ausführungen in der
Widerspruchsbegründung den Angaben der Eheleute im Feststellungsbogen
widersprächen. Ferner würden zu den Sicherheitsleistungen keine Nachweise vorliegen,
zumal im Feststellungsbogen hierzu auch keine Aussage getroffen worden sei.
Mit Schreiben vom 17. Januar 2006 teilte die Klägerin mit, sie habe nicht so recht
gewusst, wie sie mit den Fragen im Feststellungsbogen umgehen sollte. Deshalb habe
sie sich mit der Beklagten ins Benehmen gesetzt. Diese hätte darauf erklärt, dass selbst
wenn das Eine oder Andere von ihr nicht richtig ausgefüllt werde, sie - die Beklagte - in
der Lage sei, das Richtige schon zu erkennen. Daran wie die Klägerin nun einzelne
Fragen beantwortet habe, vermöge sie sich nicht mehr wirklich zu erinnern. Mit weiterem
Schreiben übersandte die anwaltlich vertretende Klägerin noch einen Kreditvertrag der
Berliner Volksbank e. G. vom 07. Februar 2002 in Höhe eines Betrages von 10.000,00
EUR, mit dem der Beigeladenen zu 1) ein Betriebsmittelkredit in Höhe von 10.000,00
EUR ausgereicht wurde. Als Sicherheiten werden eine selbstschuldnerische Bürgschaft
für Einzelforderungen über 12.000,00 EUR der Klägerin einerseits und ihres Ehemannes
andererseits festgehalten sowie ferner eine offene und bestätigte Abtretung der Rechte
und Ansprüche in voller Höhe aus der Beteiligung an der DG- Immobilien - Anlage Nr. 43
bei der DG Anlagegesellschaft mbH über 500.000,00 DM.
Mit Widerspruchsbescheid vom 17. Oktober 2006 wies die Beklagte den Widerspruch als
unbegründet zurück. Hierin vertieft sie ihre bisherigen Erwägungen im
Verwaltungsverfahren. Ergänzend führt sie aus, die Merkmale der abhängigen
Beschäftigung würden überwiegen. Die Klägerin sei am Stammkapital nicht beteiligt,
auch der Ehemann verfüge über die erforderlichen Branchenkenntnisse. Die Gestellung
der Sicherheitsleistungen seien nur ein einziges Argument, dass den Argumenten
gegenüberstehe, die für eine abhängige Beschäftigung sprechen würden, im Übrigen
würden die Sicherheitsleistungen der Klägerin auch keine weiteren Einflussmöglichkeiten
verschaffen. Versicherungspflicht bestehe daher in der Renten- und
Arbeitslosenversicherung. In der Kranken- und Pflegeversicherung habe
Versicherungsschutz lediglich bis zum 31. Dezember 2004 bestanden, während seit dem
01. Januar 2005 wegen des Überschreitens der Jahresentgeltgrenze
Versicherungsfreiheit eingetreten sei.
Hiergegen hat die Klägerin mit anwaltlichem Schriftsatz vom 23. Oktober 2006 Klage
erhoben, mit der sie ihr Begehren weiter verfolgt und zur Begründung auf ihre
Ausführungen im Widerspruchsverfahren verweist.
Sie beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 08. März in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 17. Oktober 2006 aufzuheben und festzustellen, dass die
Klägerin im Rahmen ihrer Tätigkeit bei der Firma I S P und It mbH, R Straße in 16909 W
seit dem 01. Juli 2000 nicht der Versicherungspflicht zur Kranken-, Pflege-, Renten- und
Arbeitslosenversicherung unterliegt.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung bezieht sie sich auf die Ausführungen im Verwaltungs- und im
Widerspruchsverfahren.
Mit Beschlüssen vom 19. März 2007 und 08. Juni 2007 hat die Kammer die I S P I
Gesellschaft mbH, die Deutsche Rentenversicherung Bund, die Bundesagentur für Arbeit
sowie die Pflegekasse der Beklagten beigeladen.
Die Kammer hat die Klägerin und den Alleingesellschafter der Beigeladenen zu 1)
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Die Kammer hat die Klägerin und den Alleingesellschafter der Beigeladenen zu 1)
persönlich angehört. Ferner hat sie Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen F
und M. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme und der persönlichen Anhörungen
wird auf die Sitzungsniederschrift vom 02. Februar 2011 Bezug genommen. Im Rahmen
des Termins zur mündlichen Verhandlung und zur Beweisaufnahme vom 02. Februar
2011 hat die Klägerin in dem parallel geführten Klageverfahren - S 25 KR 198/06 -
betreffend den Zeitraum vom 01. Juli 1994 bis zum 30. Juni 2000 ihre Klage zurück
genommen.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakte und des
Verwaltungsvorganges der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen lagen vor
und waren - soweit wesentlich - Gegenstand von Beratung und Entscheidungsfindung.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat keinen Erfolg.
Die Kammer durfte in Abwesenheit der ordnungsgemäß geladenen Beigeladenen zu 3),
deren persönliches Erscheinen in ordnungsgemäßer Vertretung nicht (mehr) angeordnet
war, verhandeln und entscheiden, weil die Beigeladene zu 3) mit ordnungsgemäßer
Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist (§§ 110 Abs. 1 S. 2, 126 des
Sozialgerichtsgesetzes (SGG)).
1. Streitgegenstand des Verfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 08. März 2005
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Oktober 2006, mit dem die Beklagte
über die Versicherungspflicht der Klägerin zur Kranken-, Sozialen Pflege-, Renten- und
Arbeitslosenversicherung ab dem 01. Juli 2000 entschieden hat. Mangels Begrenzung
des klägerischen Antrages hatte die Kammer daher darüber zu entscheiden, ob die
Klägerin im Zeitraum ab dem 01. Juli 2000 der Versicherungspflicht in allen Zweigen der
Sozialversicherung unterliegt. Das für den vorherigen Zeitraum vom 01. Juli 1994 bis
zum 30. Juni 2000 bei dem erkennenden Gericht parallel geführte Klageverfahren - S 25
KR 198/06 - erledigte sich durch Klagerücknahme.
2. Die - so verstandene (§ 123 SGG) - gemäß § 54 Abs. 1 und § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG als
kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage statthafte und auch im Übrigen
zulässige Klage ist unbegründet. Zu Recht hat die Beklagte in den angegriffenen
verwaltungsbehördlichen Entscheidungen festgestellt, dass die Klägerin bei der
Beigeladenen zu 1) abhängig beschäftigt ist und sie der Sozialversicherungspflicht in
allen Zweigen der Sozialversicherungspflicht unterliegt; die Klägerin ist durch die
angegriffenen Entscheidungen der Beklagten nicht beschwert (§ 54 Abs. 2 S. 1 SGG).
Die angefochtenen Bescheide sind rechtlich nicht zu beanstanden. Zu Recht hat die
Beklagte festgestellt, dass die vom Kläger angefochtenen Bescheide der Beklagten nicht
zu beanstanden sind, denn die Klägerin unterlag - entgegen ihrer Auffassung - während
des hier streitigen Zeitraums ab dem 01. Juli 2000 bei ihrer Tätigkeit als
Fremdgeschäftsführerin der Beigeladenen zu 1) der Sozialversicherungspflicht, soweit
sie nicht aufgrund der Überschreitung der Jahresarbeitsentgeltgrenze schon von
Gesetzes wegen nicht der Versicherungspflicht in der Gesetzlichen Kranken- und der
Sozialen Pflegeversicherung unterliegt, was die Beklagte ebenfalls mit Wirkung ab dem
01. Januar 2005 zutreffend festgestellt hat. Dementsprechend besteht ein Anspruch der
Klägerin auf die begehrte - entgegen gesetzte - Feststellung ihrer
Sozialversicherungsfreiheit in allen Zweigen der Sozialversicherung nicht.
Die Beklagte ist bei der Entscheidung über die Versicherungspflicht und die Beitragshöhe
in dem von der Klägerin eingeleiteten Verfahren gemäß § 28h Abs. 2 S. 1 des Vierten
Buches Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (SGB
IV) auf Grund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls rechtsfehlerfrei zu
dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin, wie dies auch der geübten Beitragspraxis der
Beigeladenen zu 1) seit ihrer Gründung entspricht, im nur noch streitgegenständlichen
Zeitraum in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zu dieser stand und der
Versicherungspflicht unterlag.
a) Für eine solche Entscheidung war die Beklagte gemäß § 28h Abs. 2 S. 1 SGB IV als
Einzugsstelle zuständig. Einzugsstelle ist jeweils die Krankenkasse, von der die
Krankenversicherung eines abhängig Beschäftigten durchgeführt wird (vgl. § 28i SGB IV).
Gemäß § 28h Abs. 2 S. 1 Hs. 1 SGB IV entscheidet die Einzugsstelle über die
Versicherungspflicht und die Beitragshöhe in der Kranken-, Sozialen Pflege- und
Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Sie erlässt auch den
Widerspruchsbescheid (Halbsatz 2). Das Gesetz trägt mit dieser umfassenden
Zuständigkeitszuweisung an die Einzugsstelle dem Umstand Rechnung, dass in den
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Zuständigkeitszuweisung an die Einzugsstelle dem Umstand Rechnung, dass in den
genannten Versicherungszweigen die Versicherungspflicht mit der Anknüpfung an die
abhängige Beschäftigung weithin gleichen Grundsätzen folgt und die Beiträge für alle
Versicherungszweige einheitlich berechnet und als Gesamtsozialversicherungsbeitrag
abgeführt werden. Diese Zuständigkeit gemäß § 28h Abs. 2 S. 1 SGB IV ist nicht auf
Entscheidungen zur Versicherungspflicht und zur Beitragshöhe gegenüber dem
Arbeitgeber als dem Schuldner der Beiträge beschränkt. Sie besteht vielmehr auch,
wenn entsprechende Fragen, wie vorliegend, vom Beschäftigten aufgeworfen werden und
entschieden werden müssen (Bundessozialgericht, Urteil vom 23. September 2003, - B
12 RA 3/02 R, zitiert nach juris).
b) Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Kranken-,
Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- und Beitragspflicht (§
5 Abs. 1 Nr. 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung -
(SGB V); § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Elften Buches Sozialgesetzbuch - Soziale
Pflegeversicherung - (SGB XI); § 1 Satz 1 Nr. 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch -
Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) und § 25 Abs. 1 des Dritten Buches
Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - (SGB III)). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen
einer abhängigen Beschäftigung ist dabei § 7 Abs. 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung
die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte
für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die
Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Nach der ständigen Rechtsprechung des
Bundessozialgerichts, der die Kammer folgt, setzt eine Beschäftigung voraus, dass der
Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in
einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb
eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden
Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann -
vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht
dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine
selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das
Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene
Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit
gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt
davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das gesamte Bild der
Arbeitsleistung. Dieses bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen, zu denen
die rechtlich relevanten Umstände gehören, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung
zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Die Kriterien für die Annahme einer
abhängigen Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit sind im Rahmen einer
Gesamtbetrachtung gegeneinander abzuwägen. Jedes Kriterium hat dabei lediglich
indizielle Wirkung (vgl. hierzu eingehend: Bundessozialgericht, Urteil vom 11. März 2009,
- B 12 KR 21/07; Urteil vom 24. Januar 2007, B 12 KR 31/06 R sowie Urteil vom 04. Juli
2007, - B 11 a AL 5/06 R, jeweils zitiert nach juris). Die Abgrenzung ist ausgehend von
der Rechtslage vorzunehmen, die zwischen den Beteiligten des Arbeitsprozesses
bestanden hat. Maßgeblich sind die Vertragsvereinbarungen oder, wenn solche nicht
getroffen worden sind, der weitere rechtliche Rahmen, innerhalb dessen die Arbeiten
verrichtet werden. Eine im Widerspruch hierzu stehende tatsächliche Ausgestaltung der
Beziehungen oder die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich
gewollte Natur der Rechtsbeziehung zwischen den Beteiligte des Arbeitsprozesses geht
der insoweit nur formalen Vereinbarung vor, soweit eine formlose Abbedingung rechtlich
möglich ist. Andererseits ist es unerheblich, wenn eine Rechtsposition tatsächlich nicht
ausgeübt worden ist, solange sie nicht wirksam abbedungen ist. Entscheidend ist hierbei
auf die jeweilige Rechtsmacht der am Arbeitsprozess Beteiligten abzustellen
(Bundessozialgericht, Urteil vom 24. Januar 2007, B 12 KR 31/06 R, zitiert nach juris).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, die die Kammer für
überzeugend hält und der sie daher folgt, ist bei Geschäftsführern juristischer Personen
das Vorliegen von abhängiger Beschäftigung oder selbständiger Tätigkeit maßgeblich
davon abhängig, ob der Geschäftsführer gleichzeitig Gesellschafter des Unternehmens
oder aber ohne Gesellschaftsanteile reiner Geschäftsführer, so genannter
Fremdgeschäftsführer, ist. Im Fall eines Fremdgeschäftsführers liege regelmäßig eine
abhängige Beschäftigung vor, da der Fremdgeschäftsführer wie ein leitender
Angestellter fungiere, der seinerseits abhängig beschäftigt sei. Nur in strengen
Einzelfällen könne ausnahmsweise auch bei Fremdgeschäftsführern eine selbständige
Tätigkeit vorliegen, nämlich dann, wenn der Fremdgeschäftsführer mit den
Gesellschaftern familiär verbunden ist, die Gesellschafter persönlich dominiert oder
diese von ihm wirtschaftlich abhängig sind und er deshalb faktisch wie ein Alleininhaber
"nach eigenem Gutdünken handeln" und "schalten und walten könne, wie er wolle"; wobei
ihnen in jedem Falle ein unternehmerisches Risiko zugewiesen sein muss (vgl. hierzu
etwa: Bundessozialgericht, Urteil vom 24. Juni 1982, - 12 RK 45/80; BSGE 66, 168, 171;
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etwa: Bundessozialgericht, Urteil vom 24. Juni 1982, - 12 RK 45/80; BSGE 66, 168, 171;
Bundessozialgericht, Urteil vom 08. Dezember 1987, - 7 RAr 25/86; Bundessozialgericht,
Urteil vom 14. Dezember 1999, - B 2 U 48/98 R sowie Bundessozialgericht, Urteil vom
18. Dezember 2001, - B 12 KR 10/01 R, jeweils zitiert nach juris). Vom Vorliegen einer
solchen Ausnahmekonstellation, bei der auch beim Fremdgeschäftsführer einer GmbH
trotz fehlender Gesellschaftsanteile nicht von einem abhängigen
Beschäftigungsverhältnis auszugehen ist, ist die Kammer jedoch nicht mit der
erforderlichen Gewissheit (§ 128 Abs. 1 SGG) überzeugt. Die Klägerin kann als
Geschäftsführerin der Beigeladenen zu 1) nämlich gerade nicht nach eigenem
Gutdünken schalten und walten. Der streitgegenständliche Widerspruchsbescheid der
Beklagten vom 17. Oktober 2006 stellt die rechtlichen Zusammenhänge und Maßstäbe
zutreffend dar und würdigt den Sachverhalt überzeugend. Der Bewertung und
Gewichtung der einzelnen Merkmale durch die Beklagte schließt sich die Kammer nach
eigener Prüfung der Sach- und Rechtslage ausdrücklich an. Hierauf nimmt die Kammer
daher zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen Bezug. Die Kammer macht die
Erwägungen der Beklagten im angegriffenen Widerspruchsbescheid zur Grundlage ihrer
eigenen Entscheidung (§ 136 Abs. 3 SGG).
Nur ergänzend bleibt hinzuzufügen:
Der Tätigkeit der Klägerin für die Beigeladene zu 1) liegt für den hier zu beurteilenden
Zeitraum ein schriftlicher Anstellungsvertrag vom 30. Juni 2000 zugrunde, an den bei der
Beurteilung der Versicherungspflicht zunächst anzuknüpfen ist. Die Regelungen dieses
Vertrages sprechen eindeutig für eine abhängige Beschäftigung: Der Klägerin steht
danach - unabhängig von der Ertragslage des Unternehmens - ein festes monatliches
Entgelt für eine fest umrissene Tätigkeit sowie ein jährliches Weihnachtsgeld in Höhe des
monatlichen Bruttogehaltes zu und sie hat einen für Arbeitnehmer üblichen
Urlaubsanspruch. Gekündigt worden ist der Vertrag bis heute nicht, weder schriftlich
noch mündlich. Entsprechend der arbeitsvertraglichen Verpflichtung ist auch die äußere
Abwicklung erfolgt, das heißt die Beigeladene zu 1) hat u. a. die Personalausgaben für
die Klägerin als Betriebsausgabe verbucht sowie Lohnsteuer und
Sozialversicherungsbeiträge für diese entrichtet. Die Klägerin erhält für ihre Tätigkeit ein
festes Monatsgehalt, das durch Ergänzung des Anstellungsvertrages erhöht worden ist,
wobei in der Vertragsänderung auf den ursprünglichen Anstellungsvertrag vom 30. Juni
2000 Bezug genommen worden ist. Daraus ergibt sich für die Kammer, dass die
Beteiligten an der Arbeitnehmerstellung der Klägerin absichtlich nichts ändern wollten
und bis zum heutigen Tage - trotz des laufenden Verwaltungs- und Klageverfahrens -
auch nichts geändert haben.
In der Gesamtschau sind dies für die Kammer in einer wertenden Betrachtung
herausragende Indizien, die für eine abhängige Beschäftigung sprechen. Demgegenüber
hat der Umstand, dass die Klägerin nach ihren (späteren) Angaben im
Verwaltungsverfahren, im Klageverfahren und im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung
anlässlich des Termins zur mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme am 02.
Februar 2011 ihre Arbeit als Geschäftsführerin der GmbH selbst einteilen, sie Zeit, Ort
und Art ihrer Ausführung selbst bestimmen konnte und sie insoweit keinen Weisungen
Dritter unterlag und sie von den Beschränkungen des § 181 des Bürgerlichen
Gesetzbuches befreit war, keine entscheidende, gegen eine abhängige Beschäftigung
sprechende Bedeutung. Dies ist bei so genannten Diensten höherer Art nicht
ungewöhnlich. Entscheidend ist auch insoweit auf die jeweilige Rechtsmacht abzustellen.
Unerheblich ist insoweit, dass eine Rechtsposition tatsächlich nicht ausgeübt wird,
solange sie nicht wirksam abbedungen ist. Der Alleingesellschafter hat seiner Ehefrau
(der Klägerin) - nach seinen Ausführungen im Rahmen der mündlichen Verhandlung -
zwar bei der Unternehmensführung bis zu herausragenden organisatorischen und
strukturellen Entscheidungen weitgehend freie Hand gelassen. Seine Rechtsmacht hat
er jedoch nie aufgegeben. Deutlich wird dies insbesondere auch durch die ausdrücklich
getroffene Regelung in der Satzung vom 24. Februar 2004, wonach der Geschäftsführer
die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung zu beachten hat (§ 9 Nr. 7) sowie für
bestimmte Geschäfte in jedem Fall der vorherigen Zustimmung der
Gesellschafterversammlung bedarf (§ 10). Die Kammer vermag schließlich insbesondere
auch nicht zu erkennen, dass die Klägerin die Geschäfte der Beigeladenen zu 1) faktisch
wie eine Alleininhaberin nach eigenem Gutdünken führte, Geschäftspolitik trieb,
strategische Entscheidungen fällte und die gegebene Betriebsordnung für sie nicht
bestimmend war, zumal ihr Ehemann als Alleingesellschafter ebenfalls qualifizierte
Branchenkenntnisse besitzt. Hätte die Klägerin tatsächlich die Geschicke der
Beigeladenen zu 1) selbst geleitet, wäre es naheliegend gewesen, auch das
Haftungsrisiko zu verbreitern und eine entsprechende gesellschaftsrechtliche Anpassung
vorzunehmen. Dies war aber gerade nicht gewollt. Die Klägerin konnte aufgrund
fehlender Gesellschaftsanteile die entscheidenden, gestaltenden und
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fehlender Gesellschaftsanteile die entscheidenden, gestaltenden und
richtungsweisenden unternehmenspolitischen Entscheidungen nicht beeinflussen.
Demzufolge hat die Klägerin auch in dem Fragebogen gegenüber der Beklagten
angegeben, dass sie Weisungen ihres Ehemannes unterliege und dass das
Weisungsrecht von der Gesellschaft in der Praxis tatsächlich laufend ausgeübt wird. Die
(spätere) Einlassung der Klägerin, dass die ursprünglichen Angaben im
Feststellungsbogen falsch gewesen sein sollen und sich die Tatsachen gerade
umgekehrt darstellen, kann die Kammer nicht nachvollziehen. Die Kammer hat im
Rahmen der mündlichen Verhandlung den Eindruck gewonnen, dass die Klägerin und ihr
Ehemann im Hinblick auf deren Erwerbsbiographie im Geschäftsverkehr erfahren und
gewandt sind und um die rechtlichen Umstände einer abhängigen bzw. nicht abhängigen
Beschäftigung wissen, spätestens seit dem sie sich mit ihrem
Statusfeststellungsbegehren an die Beklagte gewandt haben. Die Kammer meint, dass
die späteren - umgekehrten - Angaben im Wesentlichen dem Umstand geschuldet sind,
dass die Klägerin mehr und mehr wusste, unter welchen Voraussetzungen von einer
nicht abhängigen Beschäftigung ausgegangen werden kann und dies - spätestens seit
ihrer anwaltlichen Vertretung im Widerspruchsverfahren - nun auch in dieser Art und
Weise darzustellen versuchte. Selbst wenn die Klägerin als Geschäftsführerin der
Beigeladenen zu 1) im fraglichen Zeitraum - entsprechend ihrem Vortrag und den
Angaben der im Rahmen des Termins zur mündlichen Verhandlung und
Beweisaufnahme gehörten Zeugen - über eine erhebliche Machstellung verfügt haben
mag und auch wichtige unternehmerische Entscheidung eigenständig treffen durfte,
ändert dies nichts an der Einstufung dieser "höheren" Tätigkeit als versicherungspflichtig.
Entscheidend bleibt, dass der Klägerin - zumindest im streitgegenständlichen Zeitraum -
die Rechtsmacht fehlte, Beschlüsse der Gesellschafterversammlung in ihrem Sinne
herbeizuführen, um ihr nicht genehme Entscheidungen zu verhindern. Einem
sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis steht ferner auch die Tatsache
nicht entgegen, dass der Alleingesellschafter der Beigeladenen zu 1) seine
Entscheidungen in Absprache mit der Klägerin (seiner Ehefrau) trifft. Es kann unterstellt
werden, dass in allen Unternehmen, in denen Familienangehörige mitarbeiten,
tatsächlich eine derartige Übung stattfindet. Daraus ist jedoch nicht zu folgern, dass die
Klägerin selbständig tätig wäre. Dass die Klägerin aufgrund ihrer familiären Bindung zu
ihrem Ehemann größeren Einfluss auf das Unternehmen gehabt haben mag als ein
familienfremder Arbeitnehmer, liegt - zumindest bei intakten
Verwandtschaftsverhältnissen - in der Natur derartiger familiärer
Beschäftigungsverhältnisse, erlaubt jedoch keinerlei Rückschlüsse auf eine selbständige
Tätigkeit. In diesen Fallkonstellationen kann daher der (naturgemäß) fehlende typische
Interessengegensatz zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer - soweit dieser überhaupt
bei Arbeitsverhältnissen mit leitenden Angestellten vorhanden ist - auch nicht den
Ausschlag für die Abgrenzung zwischen selbständiger Tätigkeit und abhängiger
Beschäftigung geben.
Weitere - das Gesamtbild abrundende - Indizien für eine abhängige Beschäftigung sind
schließlich, dass die Klägerin nach ihren eigenen Angaben im Feststellungsbogen einen
ansonsten anzustellenden Arbeitnehmer ersetzt hat und darüber hinaus keine eigene
Betriebsstätte inne hatte.
Schließlich stellt zwar die Gewährung von erheblichen Sicherheiten auch nach
Auffassung der Kammer ein Indiz für eine selbständige Tätigkeit der Klägerin dar, da ein
solches Engagement arbeitnehmeruntypisch ist. Andererseits erhielt die Klägerin (wie
ausgeführt) ein festes - von der monatlichen Ertragslage des Beigeladenen zu 1)
unabhängiges - monatliches Gehalt. Die Annahme einer selbständigen Tätigkeit ist indes
erst dann gerechtfertigt, wenn ein echtes Unternehmerrisiko getragen wird, wovon unter
anderem jedoch erst dann ausgegangen werden kann, wenn trotz fehlender Einnahmen
Betriebsausgaben zu tragen sind (Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom
11. November 2005, - L 13 R 112/05, zitiert nach juris), was hier zu keinem Zeitpunkt der
Fall gewesen ist. In der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung kann die Höhe des
finanziellen Engagements die gegen eine selbständige Tätigkeit der Klägerin
sprechenden Umstände nicht überlagern. Die Tatsache, dass sie weder tatsächlich noch
rechtlich zur Bestimmung der Geschicke des Beigeladenen zu 1) in der Lage war, wiegt
zu schwer. Im Übrigen ist aus der Tatsache der Mithaftung der Ehefrau für Darlehen, die
an den Betrieb gewährt werden, nichts Außergewöhnliches zu sehen, sondern entspricht
der banküblichen Praxis bei einer Darlehenshingabe an verheiratete Unternehmer.
Durch die Gewährung eines Darlehens erhält der Darlehensgeber jedoch keine
Befugnisse, die Geschicke des Betriebes zu beeinflussen. Hieraus entsteht auch kein
unternehmerisches Risiko, denn die Tragung dieses Risikos findet ihre Rechtfertigung
(allein) in den eherechtlichen Beziehungen. Insbesondere ist auch darauf hinzuweisen,
dass die Klägerin selbst angegeben hat, dass bei einem Fehlverhalten ihrerseits
haftungsrechtlich die Firma als Arbeitgeber (also der Beigeladene zu 1) bzw. die dort
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haftungsrechtlich die Firma als Arbeitgeber (also der Beigeladene zu 1) bzw. die dort
abgeschlossene Haftpflichtversicherung eingreift.
c) Die Kammer vermag auch nicht die Auffassung einer vollständigen Unabhängigkeit
der steuerrechtlichen von der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung der
klägerischen Tätigkeit zu teilen. Richtig ist zwar, dass zwischen diesen Rechtsgebieten
keine Bindungswirkung besteht, also der Einzugsstelle jeglicher Beurteilungsspielraum
und jegliche Entscheidungskompetenz bei Vorlage eines Steuerbescheides genommen
wäre, doch besteht eine starke Indizwirkung im Sinne eines Regel-Ausnahme-
Verhältnisses. Dies hat der Gesetzgeber etwa in § 28p SGB IV berücksichtigt, wonach bei
Betriebsprüfungen auf die Lohnsteuerprüfungen zurückgegriffen werden kann (§ 10 Abs.
2 der Beitragsverfahrensordnung). Auch findet sich ein entsprechender der Bezug in § 1
Abs. 1 Nr. 1 der Sozialversicherungsentgeltverordnung, als Nachfolgevorschrift der
früheren Arbeitsentgeltverordnung. Die Kammer kann und will nicht darüber
hinweggehen, dass die Klägerin bei Abgabe ihrer Steuererklärung - gegebenenfalls über
ihren Steuerberater - stets ihre Arbeitnehmereigenschaft vorgetragen hat. Im Übrigen
ist die steuerrechtliche Behandlung auch nicht nur eine bloße Formalie. Wenn gegenüber
dem Finanzamt über Jahre hinweg nach besten Wissen und Gewissen erklärt wird, als
Arbeitnehmer sein Geld zu verdienen und gegebenenfalls auch entsprechende
Vergünstigungen steuerlicher Art in Anspruch genommen werden, ist dies ein
gewichtiges Indiz, das für die Qualifizierung als abhängiges Beschäftigungsverhältnis
spricht. Dies gilt auch für die Betriebsprüfungen, auf die die Vertreterin der Beigeladenen
zu 2) im Rahmen der mündlichen Verhandlung noch einmal ausdrücklich hingewiesen
hat. Dass die in der Vergangenheit mehrfach durchgeführten Betriebsprüfungen
keinerlei Beanstandungen dieser Praxis ergeben haben, ist rechtlich nicht
ausschlaggebend, ergänzt aber das Bild einer zutreffend als abhängige Beschäftigung
eingestuften Tätigkeit der Klägerin. Anhaltspunkte dafür, dass sich die Klägerin und die
Beigeladene zu 1) bei der Frage, ob die Klägerin ein abhängiges
Beschäftigungsverhältnis ausübt, in einem Rechtsirrtum befanden, bestehen nicht, denn
in dem Betrieb des Beigeladenen zu 1) sind und waren fortlaufend Arbeitnehmer
beschäftigt, für die eine Meldung zur Sozialversicherung zu erfolgen hatte, für die die
Klägerin und ihr Ehemann die Verantwortung trugen. Die Frage der
Sozialversicherungspflicht und die diese begründenden Tatsachen waren daher der
Klägerin vertraut, so dass - entgegen ihrer Auffassung - nichts dafür spricht, die Meldung
habe auf einer fehlerhaften rechtlichen Einschätzung beruht.
d) Es sprechen schließlich auch keine rechtlich vernünftigen Gründe dafür, nunmehr
rückwirkend in das jahrelang mit Billigung aller Beteiligten bestehende
Versicherungsverhältnis einzugreifen. Schwerwiegende Fehler, Ungereimtheiten oder
Erschleichung eines Versicherungsschutzes sind auszuschließen. Gerade, weil eine
solche in die Vergangenheit zielende Umwandlung eines jahrelang aus dem Blickwinkel
verschiedenster Beteiligter zutreffenden Rechtszustandes zu Unklarheiten und
Unsicherheiten führt, hat das Bundessozialgericht den einleuchtenden Rechtssatz
formuliert, dass die Versicherungsverhältnisse grundsätzlich nicht nachträglich geändert
werden sollen (vgl. hierzu etwa: Bundessozialgericht, Urteil vom 08. Dezember 1999, - B
12 KR 12/99 R, zitiert nach juris). Der Gedanke von der Kontinuität eines
Versicherungslebens, wonach Änderungen darin erst für die Zukunft gelten sollen, ist ein
beachtlicher Grundsatz und Grundlage einer soliden Zukunftssicherung. Eine
Konstellation, die es gebieten würde, hiervon vorliegend eine Ausnahme zu machen,
liegt im Hinblick die vorstehenden Erwägungen zum Überwiegen der Merkmale, die für
eine abhängige Beschäftigung sprechen, nach Auffassung der Kammer nicht vor.
3. a) Wenn die Klägerin nach alledem mit ihrem Begehren auf Feststellung der
Versicherungsfreiheit in allen Zweigen der Sozialversicherung nicht durchzudringen
vermochte, war die Klage auch hinsichtlich des Anfechtungsbegehrens abzuweisen.
Denn die Klägerin war in dem zur Beurteilung gestellten Zeitraum ab dem 01. Juli 2000
mehr als nur geringfügig abhängig beschäftigt und unterlag daher nach § 5 Abs. 1 Nr. 1
SGB V, § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI, § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB XI sowie § 25 SGB III der
Versicherungspflicht in der Gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, in der
Sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung, wobei - auch
dies hat die Beklagte zutreffend festgestellt - die Versicherungspflicht in der Kranken-
und Pflegeversicherung wegen der Überschreitung der Jahresarbeitsentgeltgrenze am
31. Dezember 2004 endete (§ 6 Abs. 4 SGB V).
b) Schließlich hat die Beklagte mit den angegriffenen Bescheiden nach deren Auslegung
und ihrem Gesamtzusammenhang insbesondere nicht nur über die Versicherungspflicht
dem Grunde nach entschieden, sondern - zumindest im Widerspruchsbescheid vom 17.
Oktober 2006 - eine umfassende Entscheidung für den zur Beurteilung gestellten
Zeitraum herbeigeführt, so dass es sich nicht lediglich um eine rechtswidrige
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Zeitraum herbeigeführt, so dass es sich nicht lediglich um eine rechtswidrige
Elementenfeststellung handelt (vgl. zu diesem Aspekt eingehend: Bundessozialgericht,
Urteil vom 11. März 2009, - B 12 R 11/07 R, zitiert nach juris). Die Problematik der
unzulässigen Elementenfeststellung und der Verpflichtung zur konkreten
Verbescheidung über das Vorliegen der Versicherungspflicht stellt sich im Übrigen nach
Auffassung der Kammer schon deshalb nicht, weil für die Klägerin in der Vergangenheit -
entsprechend ihrem Bruttoarbeitsentgelt - tatsächlich
Gesamtsozialversicherungsbeiträge abgeführt worden sind und die entsprechenden
Beitragsbescheide nach Aktenlage bestandskräftig geworden sind (vgl. hierzu auch:
Sozialgericht Neuruppin, Urteil vom 15. September 2010, - S 25 KR 186/06 sowie Urteil
vom 06. Oktober 2010, - S 25 KR 73/06, jeweils zitiert nach juris).
4. Angesichts des Verfahrensausgangs besteht kein Anlass, der Klägerin ihre
außergerichtlichen Kosten zu erstatten (§ 193 SGG). Auch hält es die Kammer nicht für
geboten, der unterlegenen Klägerin eventuelle Kosten der Beigeladenen zu 1)
aufzuerlegen.
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