Urteil des SozG Neubrandenburg vom 27.06.2008

SozG Neubrandenburg: unterbringung, stationäre behandlung, psychiatrische behandlung, medizinische rehabilitation, einvernehmliche regelung, psychiatrische klinik, psychotherapeutische behandlung

Sozialgericht Neubrandenburg
Beschluss vom 27.06.2008 (rechtskräftig)
Sozialgericht Neubrandenburg S 4 ER 116/08 KR
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller als Hilfe für junge
Volljährige gemäß § 41 i.V.m. § 35a Abs 2 Nr 4 SGB VIII ab dem 27. Juni 2008 die Unterbringung und Betreuung im
Übergangswohnheim XXX zu gewähren.
Die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers werden der Antragsgegnerin auferlegt.
Gründe:
I. Streitig ist die vorläufige Regelung der Unterbringung des Antragstellers nach seiner anstehenden Entlassung aus
der psychiatrischen Klinik eines Plankrankenhauses, insbesondere die Zuständigkeit der Antragsgegnerin als
gesetzliche Krankenkasse oder des Beigeladenen zuständiger Träger der öffentlichen jugendhilfe für die Entscheidung
über den Antrag des Antragstellers auf Unterbringung in einem Übergangswohnheim.
Der im Jahre 1989 geborene Antragsteller wurde nach mehrjährigem Alkohol- und Drogenmißbrauch seit November
2007 viermal wegen depressiv-suizidaler Krisen nach unterbringungsrechtlichen Vorschriften in die geschlossene
psychiatrische Klinik des Krankenhauses U eingewiesen, zuletzt am 19.03.2008. Die zu Lasten der Antragsgegnerin
durchgeführten Behandlungen erfolgten jeweils für mehrere Wochen. Der zweite und dritte Aufenthalt machte sich
jeweils bereits am Tag der Entlassung erforderlich, während zwischen drittem und viertem Aufenthalt eine Woche
verging.
Durch die behandelnde Oberärztin Dr. A wurde in einer Stellungnahme vom 05.05.2008 eingeschätzt, dass auch nach
Beendigung des Klinikaufenthalts eine Unterbringung in einer geschlossenen Einrichtung zur Vermeidung einer
Selbstschädigung angezeigt sei, da bislang keine hinreichende Stabilität und Absprachefähigkeit habe erzielt werden
können.
Ein hieraufhin vom Betreuer des Antragstellers beim Beigeladenen am 06.05.2008 gestellter Antrag auf geschlossene
Unterbringung für zunächst sechs Monate in einer geeigneten und verfügbaren Einrichtung in Schleswig-Holstein
wurde vom Beigeladenen durch mündlichen Bescheid mit der Begründung abgelehnt, die Antragsgegnerin sei für diese
Leistung zuständig. Den entsprechenden, an die Antragsgegnerin gerichteten Antrag vom 15.05.2008 lehnte diese mit
der Begründung ab, dass Leistungen der Eingliederungshilfe wie die beantragte Heimunterbringung in die
Zuständigkeit der Sozialhilfeträger fielen (Bescheid vom 16.05.2008). Der Beigeladene leitete zudem den an sie
gerichteten Antrag mit Schreiben vom 20.05.2008 "entsprechend des § 14 SGB IX" an die Antragsgegnerin weiter.
Über die gegen die Bescheide beider Behörden erhobenen Widersprüche des Betreuers des Antragstellers, die er
jeweils damit begründete, dass der Zuständigkeitsstreit nicht auf dem Rücken des Antragstellers sondern im
Erstattungsverfahren auszutragen sei, wurde soweit ersichtlich nicht entschieden. Auch ein offenbar unter dem
14.05.2008 ergangener, die Unterbringung in Schleswig-Holstein betreffender Beschluss des Vormundschaftsgerichts
Ueckermünde ist nicht zur Ausführung gekommen.
Nach zwischenzeitlich weiteren drei Wochen stationärer Behandlung in Ueckermünde gab die behandelnde Oberärztin
Dr. A unter dem 28.05.2008 eine erneute Stellungnahme des Inhalts ab, dass es zwischenzeitlich zu einer deutlichen
Stabilisierung des psychischen Befundes des Antragstellers gekommen sei. Er habe sich absprachefähiger gezeigt
und sehe auch ein, dass nach Entlassung eine betreute Wohnform erforderlich sei. Sie halte daher nunmehr eine
offene Unterbringung, etwa in einem ÜWH (Übergangswohnheim) für realistischer.
Unter Vorlage dieser Stellungnahme beantragte der Antragsteller durch seinen Betreuer mit Schreiben vom 30.05.2008
bei der Beigeladenen die "Kostenübernahme für einen Platz im Übergangswohnheim für chronisch psychisch Kranke
in XXX". Durch die dort gewährleistete Betreuung könne eine Verschlimmerung vermieden werden. Auch entspreche
dies den Wünschen des Antragstellers.
Auch diesen Antrag leitete die Beigeladene "zuständigkeitshalber" an die Antragsgegnerin weiter. Mit Schreiben vom
04.06.2008 vertrat sie die Auffassung, für den Antragsteller sei nach Beendigung der Behandlung in der
geschlossenen Abteilung der Psychiatrie zunächst eine Behandlung "in dem ganz normalen offenen Psyhiatriebetrieb"
angezeigt, um den Entwicklungsfortschritt des Antragstellers besser beurteilen zu können. Dem Betreuer des
Antragstellers teilte sie unter dem gleichen Datum mit, dass "die Zuständigkeit für die weitere Bearbeitung des
Gesundheitszustandes für Ihr Mündel beim Leistungsträger Gesetzliche Krankenkassen" liege.
Die Antragsgegnerin schickte die Antragsunterlagen unter dem 12.06.2008 dem Beigeladenen zurück. Ob das vom
Beigeladenen vorgeschlagene "Stufenprogramm" indiziert sei oder nicht, sei ärztlich zu beurteilen. Die behandelnde
Ärztin halte eine stationäre Behandlung nicht mehr für notwendig und stattdessen eine Überführung ins
Übergangswohnheim für angezeigt. Eine Unterbringung dort sei aber keine Kassenleistung sondern entweder vom
Bewohner selbst oder vom Sozialamt zu tragen. Es werde daher um kurzfristige Klärung der Kostenübernahme
gebeten. Man behalte sich vor, die Kosten einer weiteren Verzögerung in Rechnung zu stellen.
Am 16.06.2008 stellte der Antragsteller durch seinen Betreuer den vorliegenden Antrag auf einstweilige Anordnung.
Nach sieben Monaten sei eine Behandlung mit den Mitteln des Krankenhauses nicht mehr erforderlich. Gleichwohl
bedürfe der Antragsteller noch einer tagesstrukturierenden Betreuung in einem schützenden Rahmen sowie
beständige Ansprechpartner, was im Übergangswohnheim XXX gewährleistet sei. Auch eine parallele psychiatrische
Weiterbehandlung sei notwendig und geregelt.
Der Antragsteller beantragt (sinngemäß):
Die Antragsgegnerin, hilfsweise der Beigeladene, wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem
Antragsteller die Unterbringung und Betreuung im Übergangswohnheim XXX zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt:
Der Antrag wird abgewiesen.
Sie ist weiter der Auffassung, allein der Beigeladene sei für die an sich vom Antragsteller zu beanspruchende
Leistung zuständig. Auch unter Berücksichtigung der Zuständigkeitsregelung des § 14 SGB IX komme ihre
Verpflichtung jedenfalls im gerichtlichen Verfahren nicht in Betracht, da der eigentlich zuständige Beigeladene gemäß
§ 75 Abs 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zur Leistung unmittelbar verpflichtet werden könne.
Auf Anregung des Gerichts haben sowohl der amtsärztliche Dienst des Beigeladenen als auch der Medizinische
Dienst der Krankenversicherung (MDK) nach persönlicher Untersuchung des Antragstellers, sowie teils in Beisein
seines Betreuers und nach Rücksprache mit dem behandelnden Chefarzt Dipl.-Med. K und der behandelnden
Psychologin K und Einsichtnahme in die Behandlungsdokumentation ärztliche Stellungnahmen abgegeben.
Herr M, MDK, gelangt in seiner Stellungnahme vom 19.06.2008, Bl. 36-41 der Akten, ebenso wie Frau Dr. R,
Psychiaterin des Gesundheitsamtes des Beigeladenen, in ihrer Stellungnahme vom 23.06.2008, Bl. 46-48 der Akten,
zu der Einschätzung, dass eine weitere stationäre Behandlung des Antragstellers nicht mehr notwendig, eine
Entlassung in die Häuslichkeit jedoch nicht vertretbar sei. Der Antragsteller benötige feste Rahmenbedingungen und
Ansprechpartner, was in der Einrichtung in XXX gewährleistet sei. Nach Einschätzung der Amtsärztin sei mittelfristig
(in etwa drei Monaten) eine Maßnahme in einer Rehabilitationseinrichtung für psychisch Kranke angezeigt, womit der
Antragsteller derzeit aber noch überfordert wäre. Zu gegebener Zeit sei insoweit ein Hilfeplangespräch zu führen. Nach
den Angaben des MDK-Gutachters sei für den Fall der Unterbringung im Übergangswohnheim die weitere
psychiatrische Behandlung des Klägers ambulant derart sichergestellt, dass wöchentliche Vorstellungen bei Frau Dr.
A und bei Bedarf auch telefonische Konsultationen erfolgen könnten.
Mit Schriftsatz vom 27.06.2008, mit welchem der Beigeladene das amtsärztliche Gutachten übersandte, vertritt dieser
ohne einen eigenen Antrag zu stellen, die Auffassung, dass eine medizinische Rehabilitation des Antragstellers
angezeigt sei, weshalb die Antragsgegnerin oder ggfs. der Rentenversicherungsträger zuständig sei. Hauptanliegen
des SGB IX und insbesondere des § 14 sei die Koordination der Leistungen und die Kooperation der Leistungsträger
zur Vermeidung langwieriger Zuständigkeitsstreite. Der Träger, an welchen der Antrag weitergeleitet worden sie, könne
daher den Antrag nicht erneut weiter- oder gar zurückleiten. Damit sei die Antragsgegnerin vorliegend jedenfalls
vorläufig zuständig. Darüber hinaus sei auch von der eigentlichen Zuständigkeit des Antragsgegnerin (bzw. des
Rentenversicherungsträgers) auszugehen, da die Unterbringung in der stationären Einrichtung Übergangswohnheim
"wenig Erfolg versprechend" und letztlich eine Rehabilitation, etwa in der Fachklinik Vitense-Parber erforderlich sei.
Daran anschließende Teilhabeleistungen hätten dann eine ausreichende Grundlage. Soweit der Antragsteller nunmehr
(im Übergangswohnheim) stationär untergebracht werde und zugleich zu Lasten der Antragsgegnerin
psychotherapeutisch behandelt werde, stelle sich dies als ergänzende Leistung nach § 43 SGB VI dar, sodass die
gesamte Leistung in den Zuständigkeitsbereich der Krankenkasse falle.
II. Der Antrag ist zulässig. Insbesondere ist - jedenfalls für das Eilverfahren - der Rechtsweg zu den Sozialgerichten
eröffnet.
Gemäß § 51 Abs 1 Nr 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit über
öffentlich-rechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung. Es handelt sich
vorliegend um eine derartige Streitigkeit, wenngleich das Gericht als maßgebliche Anspruchsnorm letztlich eine
solche des Kinder- und Jugendhilfrechts (SGB VIII) ansieht. Entscheidend ist aber, dass gerade die Zugehörigkeit der
den streitigen Anspruch begründenden Norm zum Sozialversicherungs- oder Jugendhilferecht streitursächlich
geworden und letztlich die Antragsgegnerin, eine gesetzliche Krankenkasse, für die Entscheidung über den streitigen
Anspruch zuständig ist (s.u.). Vor diesem Hintergrund schied im Interesse des Antragstellers eine
Rechtswegverweisung an die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit aus. Eine derartige - zudem beschwerdefähige
und damit erst nach einem Monat wirksame - Verweisung hätte den längst eingetretenen, unsäglichen Zustand der
Unklarheit bei dringend erforderlicher Entscheidung in der Sache nur weiter unnötig perpetuiert.
Der Antrag ist auch begründet.
Gemäß § 86b Abs 2 Satz 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache, einstweilige Anordnungen zur Regelung eines
vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn eine solche Regelung zur
Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.
Ein solcher Eilfall liegt hier vor. Der Antragsteller kann zur Überzeugung des Gerichts ohne erhebliche Gefahren für
Leben und Gesundheit nicht aus der nicht mehr notwendigen stationären Behandlung entlassen werden, wenn nicht
eine geeignete Unterbringung gewährleistet ist. Nach den übereinstimmenden Bekundungen aller mit dem Fall
befasster Fach-Mediziner bestünde im Falle der Entlassung in die elterliche Häuslichkeit die akute Gefahr einer
erneuten Dekompensation mit Alkoholexzess und/oder depressiv-suizidaler Krise.
Diese Gefahr kann durch die Unterbringung im Übergangswohnheim erheblich minimiert wenn nicht gar abgewendet
werden. Auch diese Überzeugung gewinnt das Gericht aufgrund der sachverständigen Äußerungen von mindestens
drei Psychiatern. Soweit der Beigeladene verwaltungsseitig diese Einschätzung in Frage stellen möchte, ist bereits
nicht ersichtlich, inwieweit dies im Hinblick auf die in sich schlüssigen und auf eigenen Wahrnehmungen sowie
Auswertung der Krankengeschichte und Behandlungsdokumentation beruhenden Gutachten der Fachärzte überhaupt
berücksichtigt werden kann. Insoweit der Beigeladene im Gegensatz zur Einschätzung der Amtsärztin, die eine
Rehafähigkeit noch nicht zu erkennen vermag, lediglich ausdrücken möchte, eine andere Leistung (Aufenthalt in einer
Reha-Klinik) sei "noch geeigneter", verkennt er im übrigen zum einen das Wunsch- und Wahlrecht des
Hilfebedürftigen, zum anderen das den Streitgegenstand eingrenzende Dispositionsrecht der Parteien und zuletzt die
Tatsache, dass aktuell eine Rehabilitation in einer Fachklinik überhaupt nicht zur Verfügung steht, die Entlassung aus
der stationären Behandlung aber aktuell ansteht.
Nach der zwischenzeitlich durch den großen Senat des BSG geklärten Rechtsprechung richtet sich die Frage, ob
einem Versicherten vollstationäre Krankenhausbehandlung zu gewähren ist, allein nach medizinischen Erfordernissen.
Reicht nach den Krankheitsbefunden eine ambulante Therapie aus, so hat die Krankenkasse die Kosten eines
Krankenhausaufenthalts auch dann nicht zu tragen, wenn der Versicherte aus anderen, nicht mit der Behandlung
zusammenhängenden Gründen eine spezielle Unterbringung oder Betreuung benötigt und wegen des Fehlens einer
geeigneten Einrichtung vorübergehend im Krankenhaus verbleiben muss, GS 1/06 vom 25.9.2007. Bei mithin
feststehender fehlender Leistungspflicht der Antragsgegnerin für eine (noch) weitere stationäre
Krankenhausbehandlung muss kurzfristig eine geeignete Form der Unterbringung für den Antragsteller gefunden
werden, die mit dem Übergangswohnheim in XXX bereitsteht, weshalb der Verweis auf eine Kurklinik in Schwerin
wenig hilfreich erscheint. Ein weiterer Verbleib des Antragstellers in stationärer Behandlung ginge allein zu Lasten des
in privater Rechtsform betriebenen Krankenhauses, welches keinen Vergütungsanspruch gegen die Antragsgegnerin
mehr hätte.
Insoweit mit der Eilentscheidung die Hauptsache vorweggenommen wird, erscheint dies ausnahmsweise zulässig,
zumal zwischen den Beteiligten dieses Rechtsstreits nicht eigentlich der Anspruch des Antragstellers auf die
Unterbringung im Übergangswohnheim selber sondern vielmehr in erster Linie die Frage der Kostenträgerschaft streitig
ist, welche aber ohnehin nicht im Hauptsacheverfahren in der jetzigen Konstellation der Beteiligten sondern zwischen
der Antragsgegnerin und dem Beigeladenen im Erstattungsstreit zu klären ist.
Die Unterbringung im Übergangswohnheim stellt eine - eigentlich in die Zuständigkeit des Beigeladenen fallende -
Leistung im Sinne von § 41 i.V.m. § 35a Abs 2 Nr 4 SGB VIII dar.
Es handelt sich eindeutig nicht um eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung, insbesondere auch nicht um
eine ergänzende Leistung zur Rehabilitation nach § 43 SGB V. Nach Abs 1 Nr 1 dieser Vorschrift
(Patientenschulungen nach Nr 2 und Leistungen nach stationärer Behandlung für bis zwölfjährige Kinder nach Abs 2
scheiden augenscheinlich aus) kann die Krankenkasse neben den Leistungen, die nach § 44 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 sowie
nach §§ 53 und 54 des Neunten Buches als ergänzende Leistungen zu erbringen sind, solche Leistungen zur
Rehabilitation ganz oder teilweise erbringen oder fördern, die unter Berücksichtigung von Art oder Schwere der
Behinderung erforderlich sind, um das Ziel der Rehabilitation zu erreichen oder zu sichern, aber nicht zu den
Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder den Leistungen zur allgemeinen sozialen Eingliederung gehören.
Die in der Vorschrift erwähnten ergänzenden Leistungen nach § 44 SGB IX stellen Geldleistungen, diejenigen nach §§
53 und 54 SGB IX Reisekosten- und Haushaltshilfeleistungen dar und sind mithin ebenfalls nicht einschlägig.
Schließlich fällt die Heimunterbringung auch nicht unter die verbleibende Generalklausel (solche Leistungen zur
Rehabilitation, die unter Berücksichtigung von Art oder Schwere der Behinderung erforderlich sind, um das Ziel der
Rehabilitation zu erreichen oder zu sichern), da die Unterbringung im Übergangswohnheim als besondere Wohnform
eine Maßnahme zur allgemeinen sozialen Eingliederung darstellt und somit ganz allgemein aus dem Leistungskatalog
der gesetzlichen Krankenversicherung ausscheidet. Eine wie auch immer geartete Form des Wohnens wird nicht
dadurch zur medizinischen Rehabilitation, weil daneben eine ambulante ärztliche oder psychotherapeutische
Behandlung zu Lasten der Krankenversicherung beansprucht oder gewährt wird. Die diesbezügliche Argumentation
des Beigeladenen ist nicht nachvollziehbar.
Die Antragsgegnerin ist gleichwohl für (die Entscheidung über) den streitigen Anspruch zuständig und damit im
vorläufigen Rechtsschutzverfahren passivlegitimiert.
Dies folgt zwingend aus der Weiterleitung des Antrags des Antragstellers vom "eigentlich" zuständigen Beigeladenen
an die Antragsgegnerin. Sowohl die Antragsgegnerin als auch der Beigeladene sind Rehabilitationsträger im Sinne von
§ 6 SGB IX (Nrn. 1 und 6); die streitige Leistung (Unterbringung im Übergangswohnheim) ist eine Teilhabeleistung im
Sinne von §§ 4, 5 SGB IX (jeweils Nr. 4, nach Auffassung des Beigeladenen Nr. 1). Werden Leistungen zur Teilhabe
beantragt, so stellt gemäß § 14 Abs 1 SGB IX der Rehabilitationsträger innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des
Antrages bei ihm fest, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist. Stellt er bei
der Prüfung fest, dass er für die Leistung nicht zuständig ist, leitet er den Antrag unverzüglich dem nach seiner
Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger zu. Nach den zutreffenden Ausführungen des Bundessozialgerichts
(BSG) in der bereits im Beiladungsbeschluss zitierten Entscheidung B 7 AL 16/04 R vom 26. Oktober 2004 entsteht
unabhängig von der "eigentlichen", materiellen Zuständigkeit eines Rehabilitationsträgers sowohl in dem Fall, dass
durch ihn ein Antrag überhaupt nicht bzw. nicht innerhalb der Frist an einen anderen Leistungsträger weitergeleitet
wird, als auch wenn ihm von einem anderen Rehabilitationsträger ein Antrag weitergeleitet worden ist, seine - u.U. nur
vorläufige - Leistungspflicht und jedenfalls seine Pflicht, über den geltend gemachten Anspruch nach sämtlichen in
Betracht kommenden Leistungsnormen zeitgerecht gegenüber dem Antragsteller zu entscheiden.
Es kann dahinstehen, ob ähnlich wie im Falle einer gerichtlichen Verweisung wegen fehlender Zuständigkeit auch eine
Weiterleitung gemäß § 14 Abs 2 SGB IX im Falle offensichtlicher Willkür ausnahmsweise nicht mit Bindungswirkung
einhergeht (vgl. etwa BSG vom 08.04.1980, 1 S 9/79), da vorliegend - wie der beharrliche Vortrag des Beigeladenen
noch im Rechstsstreit zeigt - seitens des Beigeladenen echte Überzeugung vorzuliegen scheint, die zugleich die
Annahme von Willkür ausschließt. Die erneute Weiterleitung seitens der Antragsgegnerin zurück an den Beigeladenen
konnte an der endgültigen Entscheidungszuständigkeit des Antragsgegnerin daher nichts mehr ändern, da eine solche
Möglichkeit im Gesetz nicht vorgesehen ist und der bezweckten raschen Sachentscheidung unter Vermeidung von
Zuständigkeitsstreitigkeiten entgegenstünde.
Etwaige Erstattungsansprüche gegen den eigentlich bzw. endgültig zuständigen Träger können entweder nachträglich
geltend gemacht oder von vornherein dadurch vermieden werden, dass die Übernahme der Kosten im
Leistungserbringerverhältnis unmittelbar durch jenen endgültig zuständigen Träger veranlasst wird. Auch vorliegend
steht es der Antragsgegnerin frei,wie sie die vom Antragsteller als Sachleistung zu beanspruchende Unterbringung im
Übergangswohnheim bewirkt, ob durch eigenen Vertragsabschluss mit dessen Träger oder indem sie den
Beigeladenen dazu bewegt, die Kosten entsprechend dem zwischen diesem und dem Einrichtungsträger bestehenden
Rahmenvertrag direkt zu tragen.
Die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur vorläufigen Leistungserbringung wird schließlich nicht dadurch
"ausgehebelt", dass sie diese solange verweigert hat, bis der Antragsteller gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch
genommen und damit die prozessuale Möglichkeit der Verurteilung (bzw. vorläufigen Verpflichtung) eines notwendig
Beigeladenen gemäß § 75 Abs 5 SGG herbeigeführt hat. Dies folgt im vorliegenden Fall bereist daraus, dass die
Träger der öffentlichen Jugendhilfe nicht zu den in § 75 Abs 5 SGG genannten Beteiligten gehören. Auch im Übrigen
erscheint die vom 7. Senat des BSG in seiner oben zitierten Entscheidung angedeutete Möglichkeit der Verurteilung
des eigentlich zuständigen Trägers im Ergebnis eher fragwürdig, da § 14 SGB IX gerade eine echte, wenn auch nur
vorläufige Zuständigkeit herbeiführen soll, die im Verhältnis zum Versicherten, Leistungsempfänger, Behinderten usw.
nicht davon abhängen kann, ob dieser den Rechtsweg beschreitet.
Sollte sich zwischen dem Beigeladenen und der Antragsgegnerin keine einvernehmliche Regelung finden lassen, wäre
die gerichtliche Klärung des Erstattungsanspruchs herbeizuführen, für welche ebenfalls der Sozialrechtsweg eröffnet
wäre, § 114 Satz 2 Alt 1 SGB X, § 14 Abs 4 Satz 1 SGB IX, § 102 SGB X.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Statthaftigkeit der Beschwerde ergibt sich aus § 172 SGG.