Urteil des SozG Neubrandenburg vom 30.11.2006

SozG Neubrandenburg: krankenkasse, stationäre behandlung, öffentliches verkehrsmittel, verordnung, genehmigung, fahrkosten, systematische auslegung, leistungserbringer, taxi, krankenversicherung

Sozialgericht Neubrandenburg
Urteil vom 30.11.2006 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Neubrandenburg S 4 KR 25/06
Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern L 6 KR 2/07
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 7.791,70 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz aus 715,04 EUR seit dem 10.05.2006 aus 209,85 EUR seit dem 15.06.2006 aus 722,91 EUR seit dem
15.06.2006 aus 155,44 EUR seit dem 28.06.2006 aus 754,50 EUR seit dem 10.07.2006 aus 1.044,91 EUR seit dem
17.08.2006 aus 1.237,87 EUR seit dem 05.09.2006 aus 155,44 EUR seit dem 15.09.2006 aus 270,20 EUR seit dem
25.09.2006 aus 1.443,19 EUR seit dem 12.10.2006 aus 77,72 EUR seit dem 24.10.2006 aus 1.004,63 EUR seit dem
10.11.2006 zu zahlen.
2. Die Kosten des Verfahrens werden der Beklagten auferlegt.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte auch diejenigen vorgerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen hat, die nicht
auf die außergerichtlichen Kosten des Klägers im gerichtlichen Verfahren anzurechnen sind.
4. Der Streitwert für das Verfahren wird auf 7791,70 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Streitig ist die Vergütung von Krankentransportleistungen im Sinne von § 60 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 Fünftes Buch
Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGBV).
Der Kläger ist Inhaber eines einzelkaufmännischen Krankentransportunternehmens und u.a. gegenüber der Beklagten
durch einen Vertrag gemäß § 133 SGB V vom 13.07.2001 zum Transport ihrer Versicherten mittels behördlich
zugelassener Krankentransportwagen (KTW s) nach entsprechender vertragsärztlicher Verordnung verpflichtet. Wegen
der weiteren Einzelheiten wird auf den vorgenannten Vertrag, Bl. 9 - 15 der Akten, Bezug genommen.
Die Parteien streiten vorliegend über die Vergütung des Klägers für 98 einzelne Krankentransporte, die er für
Versicherte der Beklagten durchgeführt und ihr im Zeitraum 03.04. bis 06.10.2006 über einen Abrechnungsdienst in
Rechnung gestellt hat.
Die Beklagte hat erstmals mit Schreiben vom 10.05.2006 gegenüber dem Abrechnungsdienst die Begleichung der
klägerischen Forderungen mit der Begründung abgelehnt, dass die jeweiligen Fahrten dem Transport zu bzw. von
ambulanten Leistungen gedient hätten, ohne dass eine vorherige Genehmigung dieser Fahrten durch die Beklagte
erteilt worden wäre.
Mit gleicher Begründung lehnte die Beklagte auch nachfolgend die Begleichung weiterer Rechnungen des Klägers ab.
Darüber hinaus machte sie in mehreren einzelnen Fällen geltend, dass die Notwendigkeit des Transports ihrer
Versicherten mittels KTW nicht erkennbar und ein Transport mittels Taxi/Mietwagen ausreichend gewesen sei. Für
sämtliche streitige Fahrten lagen vertragsärztliche Verordnungen von Krankentransporten mittels KTW auf dem dafür
nach der Vordrucksverordnung vorgesehenen Formblatt sowie eine den Vorgaben des zwischen den Parteien
bestehenden Vertrages entsprechende Rechnungsstellung des Klägers vor.
Die streitgegenständliche Forderung ist ihrer Höhe nach zwischen den Parteien nicht streitig. Sie berücksichtigt die
vertraglich vereinbarte Höhe der Vergütung und die von den Versicherten zu entrichtenden Zuzahlungen, die vom
Kläger vertragsgemäß in Abzug gebracht wurden, soweit keine Bescheinigung über eine vollständige Befreiung des
jeweiligen Versicherten gemäß § 62 SGB V vorlag.
Die Einzelforderungen des Klägers hat dieser gegenüber der Beklagten zunächst außergerichtlich durch seinen
späteren Prozessbevollmächtigten angemahnt, wobei er die Auffassung vertrat, dass eine vorherige Genehmigung der
Beklagten weder verlangt noch überhaupt rechtzeitig eingeholt werden könne, da ihm die Transportaufträge jeweils
kurzfristig erteilt würden und er gemäß § 7 Abs. 2 des Gesetzes über den Rettungsdienst für das Land Mecklenburg-
Vorpommern und der ihm erteilten behördlichen Genehmigung gehalten sei, Krankentransporte binnen 30 Minuten ab
Auftragserteilung durchzuführen.
Mit Schreiben vom 14.06.2006 verweigerte die Beklagte erneut die Zahlung. Sie führte zur Begründung aus, dass seit
dem 01.01.2004 Fahrten zur ambulanten Behandlung nur noch in besonderen Ausnahmefällen eine Leistung der
gesetzlichen Krankenversicherung darstellten und der vorherigen Genehmigung der Krankenkasse bedürften.
Der Kläger hat am 19.06.2006 Klage erhoben, welche er unter dem 24.08. und 27.11.2006 auf die endgültige
Klageforderung erweitert hat, nachdem er über seinen Rechtsanwalt auch die weiteren Forderungen außergerichtlich
angemahnt und die Beklagte vergeblich aufgefordert hatte, sich dahingehend zu erklären, dass noch nicht
rechtshängige Ansprüche im Falle einer rechtskräftigen Entscheidung im sozialgerichtlichen Verfahren von ihr analog
behandelt werden.
Der Kläger beantragt:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 7.791,70 EUR nebst Zinsen - wie erkannt - zu zahlen.
Die Beklagte beantragt:
Die Klage wird abgewiesen.
Sie vertritt die Auffassung, dass ohne die gemäß § 60 Abs. 1 S 3 SGB V und § 8 Abs. 1 der Richtlinien des
Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von Krankenfahrten, Krankentransportleistungen und
Rettungsfahrten (Krankentransport-Richtlinien) vor Durchführung der Fahrt einzuholende Genehmigung
(Vorabgenehmigung) ein Vergütungsanspruch nicht entstehen könne. Hierauf sei u.a. der Kläger bereits mit Schreiben
vom 23.12.2003 hingewiesen worden.
Das Gericht hat eine Stellungnahme des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) vom 10.10.2006 zu der Frage der
gesetzlichen Grundlage für das in § 6 Abs. 3 der Krankentransport-Richtlinien geregelte Erfordernis der
Vorabgenehmigung von Krankentransporten zu einer ambulanten Behandlung eingeholt, in welcher der GBA die
Auffassung vertritt, dass sich dieses Erfordernis bereits unmittelbar aus dem Gesetz ergebe, weshalb die Richtlinien
lediglich die gesetzliche Anordnung wiederholten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Stellungnahme selbst,
Bl. 79 f. der Akten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I. Die Klage ist als reine Leistungsklage im Gleichordnungsverhältnis nach § 54 Abs 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG)
zulässig (vgl. nur BSG vom 24.7.2003, B 3 KR 28/02 R).
II. Die Klage ist auch begründet.
Der Zahlungsanspruch des Klägers ergibt sich aus § 133 Abs. 1 S. 1 SGB V in Verbindung mit dem Vertrag zwischen
den Parteien vom 13.07.2001. Die der Höhe nach nicht streitigen und vom Kläger für jede Fahrt im einzelnen
dargelegten Zahlungsforderungen sind mit den zugunsten der Versicherten der Beklagten aufgrund vertragsärztlichern
Verordnung erbrachten Transportleistungen entstanden, ohne dass es weiterer Voraussetzungen bedurft hätte.
Einwendungen der Beklagten stehen nicht entgegen.
1. Zum einen kommt es nicht darauf an, ob für jeden Einzelfall die medizinische Notwendigkeit für einen Transport mit
den besonderen Einrichtungen eines Krankenkraftwagens oder einer fachlichen Betreuung durch geschultes Personal
tatsächlich bestanden hat. Im Verhältnis der Krankenkasse zum nichtärztlichen Leistungserbringer kann die
Krankenkasse die fehlende medizinische Notwendigkeit der erbrachten Leistung nicht einwenden, wenn eine
ordnungsgemäße vertragsärztliche Verordnung der konkreten Leistung gemäß § 73 Abs. 2 Nr. 7 SGB V vorgelegen
hat. Die vertragsärztliche Verordnung, die der Vertragsarzt im Verhältnis zum nichtärztlichen Leistungserbringer für
diesen verbindlich als Vertreter der Krankenkasse trifft, kann und darf vom Leistungserbringer nicht hinsichtlich ihrer
inhaltlichen Richtigkeit überprüft werden. Die insoweit die gesetzlichen Vorgaben erläuternden Richtlinien des
Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von Krankenfahrten, Krankentransportleistungen und
Rettungsfahrten (Krankentransport-Richtlinien) in der Fassung vom 22. Januar 2004 (BAnz. Nr. 18 vom 28. Januar
2004) bestimmen in § 2 (Verordnung):
(1) Für die Verordnung einer Krankenbeförderungsleistung hat der Vertragsarzt - die Notwendigkeit der Beförderung
nach § 3 zu prüfen und - das erforderliche Transportmittel nach Maßgabe der §§ 4 bis 7 auszuwählen.
Hält eine Krankenkasse eine vertragsärztlich verordnete, von nichtärztlichen Leistungserbringern zu erbringende
Leistung entgegen der vertragsärztlichen Entscheidung für nicht notwendig oder unwirtschaftlich, ist sie auf die
Möglichkeiten der Wirtschaftlichkeitsprüfung des § 106 Abs. 2 SGB V zu verweisen. Sie kann jedoch etwaige
Regressmöglichkeiten gegenüber dem Vertragsarzt im Verhältnis zum nichtärztlichen Leistungserbringer nicht
einwenden.
Etwas anderes gilt nur dann, wenn das Gesetz über die vertragsärztliche Verordnung hinaus, wie etwa für Leistungen
zur medizinischen Rehabilitation in § 40 Abs. 3 SGB V, eine eigene Entscheidung der Krankenkasse als konstitutiv
für den Leistungsanspruch des Versicherten voraussetzt. Einer derartigen Entscheidung der Beklagten bedarf es für
Krankentransporte im Sinne von § 60 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 SGB V indes nicht.
2. Erst recht bedurfte es entgegen der Auffassung der Beklagten einer derartigen Entscheidung nicht bereits vor der
Leistungserbringung, also im Sinne einer Vorabgenehmigung. Ein derartiges Erfordernis ergibt sich weder aus dem
Gesetz noch aus einer (wirksamen) untergesetzlichen Norm.
a) Die maßgeblichen Bestimmungen des SGB V sehen eine derartige, für den Vergütungsanspruch des
Leistungserbringers notwendige Bedingung nicht vor.
§ 60 SGB V (Fahrkosten), hat seit dem 01.01.2004 folgenden Wortlaut:
(1) Die Krankenkasse übernimmt nach den Absätzen 2 und 3 die Kosten für Fahrten einschließlich der Transporte
nach § 133 (Fahrkosten), wenn sie im Zusammenhang mit einer Leistung der Krankenkasse aus zwingenden
medizinischen Gründen notwendig sind. Welches Fahrzeug benutzt werden kann, richtet sich nach der medizinischen
Notwendigkeit im Einzelfall. Die Krankenkasse übernimmt Fahrkosten zu einer ambulanten Behandlung unter Abzug
des sich nach § 61 Satz 1 ergebenden Betrages nur nach vorheriger Genehmigung in besonderen Ausnahmefällen,
die der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 festgelegt hat. (2) Die
Krankenkasse übernimmt die Fahrkosten in Höhe des sich nach § 61 Satz 1 ergebenden Betrages je Fahrt
übersteigenden Betrages 1. bei Leistungen, die stationär erbracht werden; dies gilt bei einer Verlegung in ein anderes
Krankenhaus nur, wenn die Verlegung aus zwingenden medizinischen Gründen erforderlich ist, oder bei einer mit
Einwilligung der Krankenkasse erfolgten Verlegung in ein wohnortnahes Krankenhaus, 2. bei Rettungsfahrten zum
Krankenhaus auch dann, wenn eine stationäre Behandlung nicht erforderlich ist, 3. bei anderen Fahrten von
Versicherten, die während der Fahrt einer fachlichen Betreuung oder der besonderen Einrichtungen eines
Krankenkraftwagens bedürfen oder bei denen dies auf Grund ihres Zustandes zu erwarten ist (Krankentransport), 4.
bei Fahrten von Versicherten zu einer ambulanten Krankenbehandlung sowie zu einer Behandlung nach § 115a oder §
115b, wenn dadurch eine an sich gebotene vollstationäre oder teilstationäre Krankenhausbehandlung (§ 39) vermieden
oder verkürzt wird oder diese nicht ausführbar ist, wie bei einer stationären Krankenhausbehandlung. Soweit Fahrten
nach Satz 1 von Rettungsdiensten durchgeführt werden, zieht die Krankenkasse die Zuzahlung in Höhe des sich nach
§ 61 Satz 1 ergebenden Betrages je Fahrt von dem Versicherten ein. (3) Als Fahrkosten werden anerkannt 1. bei
Benutzung eines öffentlichen Verkehrsmittels der Fahrpreis unter Ausschöpfen von Fahrpreisermäßigungen, 2. bei
Benutzung eines Taxis oder Mietwagens, wenn ein öffentliches Verkehrsmittel nicht benutzt werden kann, der nach §
133 berechnungsfähige Betrag, 3. bei Benutzung eines Krankenkraftwagens oder Rettungsfahrzeugs, wenn ein
öffentliches Verkehrsmittel, ein Taxi oder ein Mietwagen nicht benutzt werden kann, der nach § 133
berechnungsfähige Betrag, 4. bei Benutzung eines privaten Kraftfahrzeugs für jeden gefahrenen Kilometer den jeweils
auf Grund des Bundesreisekostengesetzes festgesetzten Höchstbetrag für Wegstreckenentschädigung, höchstens
jedoch die Kosten, die bei Inanspruchnahme des nach Nummer 1 bis 3 erforderlichen Transportmittels entstanden
wären. (4) Die Kosten des Rücktransports in das Inland werden nicht übernommen. § 18 bleibt unberührt. (5) Im
Zusammenhang mit Leistungen zur medizinischen Rehabilitation werden Fahr- und andere Reisekosten nach § 53
Abs. 1 bis 3 des Neunten Buches übernommen.
Nach dem Gesetzeswortlaut stellt zwar die Erstreckung des Erfordernisses der vorherigen Genehmigung in Abs. 1 S.
3 auf jegliche Fahrt zu einer ambulanten Behandlung eine mögliche Auslegung dar. Sie stünde jedoch in Widerspruch
sowohl zur Systematik der Gesamtnorm (hierzu unter aa) als auch zur Entstehungsgeschichte (bb) und zum Zweck
(cc) der Vorschrift.
aa) § 60 SGB V regelt zwei grundlegend verschiedene Fälle der Kostenübernahme für Fahrkosten; zum einen in Abs.
1 S. 1 i.V.m. den Katalogfällen des Abs. 2, zum anderen in Abs. 1 S. 3 i.V.m. den Richtlinien des GBA. Hierbei
unterscheidet die Norm bereits hinsichtlich der gesetzlichen Regelungsdichte eindeutig zwischen den beiden
vorgenannten Fällen. Hinsichtlich der Katalogfälle des Abs. 2 trifft das Gesetz selbst bereits eine abschließende und
detaillierte Regelung derjenigen Fahrten, für die die Krankenkasse die entstehenden Kosten stets übernimmt. Sowohl
der einleitende Abs. 1 S. 1 als auch der dort in Bezug genommene Abs. 2 ordnet die Kostenübernahme verbindlich
an, ohne dass es der näheren Ausgestaltung durch untergesetzliche Normen bedürfte ("Die Krankenkasse übernimmt
..."). Welche Voraussetzungen hierfür im einzelnen vorliegen müssen, regelt das Gesetz in jeder der vier Ziffern des
Abs. 2 S. 1 in Verbindung mit den bereits in Abs. 1 S. 1 vorausgesetzten zwingenden medizinischen Gründen selbst
und abschließend. Hierbei betreffen die Ziffern 2. bis 4. ausschließlich Fahrten zu ambulanten Behandlungen.
Dagegen stellt Abs. 1 S. 3 eine über die Katalogfälle des Abs. 2 S. 1 hinausgehende Öffnungsklausel für solche Fälle
dar, die vom Gesetz selbst grundsätzlich von der Kostenübernahme ausgeschlossen werden und lediglich im Wege
einer vom GBA in Form von Richtlinien vorzunehmenden Konkretisierung ("in besonderen Ausnahmefällen") entgegen
dem Regelfall zu einem "Kostenübernahmeanspruch" des Versicherten führen sollen.
Wollte man die Vorschrift des Abs. 1 S. 3 auch auf die Katalogfälle des Abs. 2 beziehen, käme etwa eine
Kostenübernahme für Fälle des Abs. 2 S. 1 Nr. 2 niemals in Betracht, da der Charakter einer Rettungsfahrt einer
Vorabgenehmigung durch die Krankenkasse per se entgegensteht. Auch die Fälle des Abs. 2 S. 1 Nr. 4 würden
regelmäßig keinen Anspruch des Versicherten begründen können. Zwar wäre hier die Einholung der Genehmigung der
Kasse vor Fahrtantritt denkbar; jedoch wird etwa in der Mehrzahl der stationsersetzenden ambulanten Operationen
nicht zugleich ein besonderer Ausnahmefall im Sinne von Abs. 1 S. 3 i.V.m. mit den Richtlinien vorliegen, da die
Möglichkeit der ambulanten Durchführung einer Operation bei sochen Patienten oftmals entfällt, die die
Voraussetzungen von § 8 Abs. 2 bzw. 3 der Krankentransport-Richtlinien erfüllen und bei denen vielfach ein stark
eingeschränkter Allgemeinzustand vorliegen wird, vgl. Anlage 2 zum Vertrag nach § 115b Abs. 1 SGB V und den
Katalog der sogenannten G-AEP Kriterien zu § 17 c Krankenhausfinanzierungsgesetz.
Mithin bezieht sich § 60 Abs. 1 S. 3 SGB V ausschließlich auf solche Fahrten, die nicht bereits von einem der
privilegierten Katalogtatbestände des Abs. 2 S. 1 erfasst werden.
Diese systematische Auslegung wird ausdrücklich auch in KassKomm-Höfler, § 60 SGB V, Rdz. 19, und in
Krauskopf-Baier, a.a.O., Rdz. 19, vertreten, ohne dass eine weitere Begründung für erforderlich gehalten wird, ebenso
offenbar Hauck-Gerlach, a.a.O., Rdz. 24 a. Eine gegenteilige Auffassung lässt sich der Literatur nicht entnehmen.
Selbst KassKomm-Hess, § 73 SGB V, Rdz. 22, der auf die bei der Verordnung zu beachtenden Richtlinien des GBA
verweist, trifft hinsichtlich des Genehmigungserfordernisses bei Krankentransporten i.S.v. § 60 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB
V keine Aussage.
bb) Die gesonderte Stellung der privilegierten Katalogfälle des § 60 Abs. 2 S. 1 SGB V wird auch bei einer
Betrachtung der Entstehungsgeschichte der Norm deutlich. Die Regelung der Kostenübernahme sah bereits vor der
Änderung durch das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz -
GMG) vom 14.11.2003, BGBl. I, 2190, grundsätzlich den Ausschluss der Kostenübernahme vor, wenn die jeweilig
Fahrt nicht von einem der (weitgehend identischen) Katalogfälle erfasst wurde. Mit der Formulierung "im übrigen" in §
60 Abs. 2 S. 2 SGB V a.F. erfasste das Gesetz seinerzeit - gesetzestechnisch eindeutig - all diejenigen Fahrten, die
nicht im Sinne des abschließenden Kataloges (§ 60 Abs. 1 S. 1 a.F.) privilegiert waren, und sah insofern lediglich eine
Kostenübernahme in Fällen der Unzumutbarkeit (vollständige oder teilweise Befreiung i.S.v. §§ 61, 62 a.F.) vor.
Die Trennlinie zwischen regelmäßg gegebener Kostenübernahme und regelmäig ausgeschlossener Kostenübernahme
verlief mithin bereits seinerzeit nicht deckungsgleich mit dem Ziel der Fahrt (Behandlung ambulant oder stationär)
sondern allein danach, ob ein Katalogfall vorlag oder nicht. Ausdrücklich hieß es bereits in der Gesetzesbegründung
bei der erstmaligen, weitgehenden Begrenzung der Fahrkostenübernahme durch das Gesetz zur Strukturreform im
Gesundheitswesen (Gesundheits-Reformgesetz - GRG) vom 20.12.1988, BGBl. I, S.2477, im Bericht des
Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung vom 24.11.1988, BT-Drucks. 11/3480, S. 56 (zum seinerzeitigen § 68
SGB V):
Auch bei "Krankentransporten" sollen die Fahrkosten ( ...) unabhängig davon übernommen werden, ob Versicherte
ambulant oder stationär behandelt werden müssen.
Mit den Änderungen des § 60 SGB V durch das GMG wurden dann auch derartige Kosten grundsätzlich dem Bereich
der allgemeinen Lebensführung zugewiesen, die bislang wegen Unzumutbarkeit von den Kassen übernommen wurden,
ohne dass am Verhältnis der Katalogfälle zu den übrigen Fahrten eine grundlegende Änderung vorgenommen worden
wäre. Dass die jetzige Fassung des § 60 SGB V redaktionell missglückt ist, so auch Höfler, a.a.o., Rdz. 16 a, und zu
Fehlinterpretationen Anlass gibt, ändert letztlich nichts an dem überkommenen Verhältnis der Katalogfälle zu den
"übrigen".
Diese Auffassung wird durch die Materialien eindeutig unterstützt. So heißt es in der Begründung zum Gesetzentwurf
der Fraktionen SPD, CDU/CSU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 08.09.2003 (BT-Drucks. 15/1525, S. 77):
Fahrkosten für Taxi- und Mietwagenfahrten werden in der ambulanten Versorgung grundsätzlich nicht mehr erstattet.
Ausnahmen gelten nur nach Genehmigung durch die Krankenkassen.
Auch der Gesetzgeber beabsichtigte danach, die Kostenübernahme ausschließlich für solche Fahrten weiter
einzuschränken, die nicht vom Katalog der privilegierten Fahrten erfasst werden, insbesondere nämlich Kosten für
Taxi- und Mietwagenfahrten. Hiernach lässt sich zwar im Wege eines Erst-Recht-Schlusses der Ausschluss der
Kostenübernahme auf die regelmäßig niedrigeren Kosten bei Verwendung öffentlicher Verkehrsmittel übertragen, nicht
jedoch auf die regelmäßig wesentlich höheren Kosten für den im Katalog aufgeführten Transport mittels KTW.
cc) Diese Auslegung gebietet auch der Zweck des Regel-Ausnahmeverhältnisses des § 60 SGB V.
Während in den Katalogfällen des § 60 Abs. 2 S. 1 SGB V die Kostenübernahme zumeist (Nrn. 2 und 3,
Verlegungsfahrten im Sinne von Nr. 1) wegen der regelmäßig mit derartigen Fahrten verbundenen erbeblichen Höhe
der Fahrkosten und dem daher schützenswerten Risiko der Versicherten angeordnet wird, werden die Kosten für
andere Fahrten (mit privatem Pkw, öffentlichen Verkehrsmitteln, Taxi und Mietwagen) grundsätzlich der
andere Fahrten (mit privatem Pkw, öffentlichen Verkehrsmitteln, Taxi und Mietwagen) grundsätzlich der
Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet, was angesichts der zumeist deutlich geringeren Kosten mit dem
Solidarprinzip vereinbarbar erscheint. Für § 60 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 SGB V gilt der besondere Zweck, ambulante
Behandlungen als Alternative zu stationären attraktiver zu gestalten und so zur Kostendämpfung im
Gesundheitssystem beizutragen. Die Kostenübernahm für Fahrten im Sinne von Nr. 1, die keine Verlegungsfahrten
sind, mag seinen Grund in der Annahme haben, dass hier oftmals längere Wegstrecken mit dementsprechend
höheren Kosten zurückzulegen sind, ohne dass dieser Katalogtatbestand zwingend geboten erscheint.
Der demnach festzustellende Hauptzweck der Privilegierung der Katalogfahrten, die Höhe der regelmäßig durch die
Fahrt zu erwartenden Kosten, ist aber in erster Linie von der Art des Beförderungsmittels abhängig. Bereits die
einfache Fahrt mittels KTW verursacht bei Anwendbarkeit der hier maßgeblichen vertraglichen Regelung Kosten in
Höhe von mindestens 77,72 EUR, sodass ohne Kostenübernahme durch die Krankenkasse dem Versicherten für
einen einzigen Behandlungstermin Kosten von über 150 EUR entstünden. Für Rettungsfahrten (auch ohne
nachfolgende stationäre Aufnahme) fallen noch weitaus höhere Kosten an. Für eine Auslegung des Gesetzes derart,
dass auch bei solchen, extrem kostenaufwändigen Fahrten, die Kostenübernahme durch die Krankenkasse von den
engen Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 S. 3 SGB V i.V.m. den Krankentransport-Richtlinien abhängig sein soll, liegt
keinerlei Anhaltspunkt vor. Auch der spezielle Zweck des § 60 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 SGB V würde durch die von der
Beklagten und vom GBA vertretene Auffassung konterkariert. Da auch von dieser Norm erfasste Fahrten zu
ambulanten Behandlungen führen, müssten für eine Kostenübernahme konsequenterweise nicht nur die
Vorabgenehmigung der Krankenkasse sondern auch die weiteren Voraussetzungen des Abs. 1 S. 3 i.V.m den
Richtlinien (hohe Behandlungsfrequenz über einen längeren Zeitraum) verlangt werden, womit die Entscheidung der
Versicherten für eine ambulante statt stationäre Behandlung zuungunsten der kostengünstigeren ambulanten
Behandlung beeinflusst würde.
Schließlich ist in keiner Weise ersichtlich, wie die von der Beklagten verlangte Vorabgenehmigung rein technisch
überhaupt ein sinnvolles Kontrollinstrument darstellen soll. Die Krankenkassen verfügen selbst über keinerlei
medizinischen Sachverstand. Auch liegen ihnen regelmäßig bereits aus datenschutzrechtlichen Gründen keine
näheren Informationen zum Gesndheitszustand ihrer Versicherten vor. Ohne vorherige Einschaltung des MDK wäre
die Krankenkasse mithin nicht in der Lage, eine sachgemäße Entscheidung über einen Genehmigungsantrag zu
treffen, was aber mit einem so erheblichen Zeitverlust einherginge, dass jedenfalls dringende Fälle nicht mehr zu
Lasten der Krankenversicherung transportiert werden könnten. Dies gilt erst Recht für Fahrten, die ab Freitag
nachmittags erforderlich werden, da dann für mehrere Tage eine Entscheidung der kasse nicht herbeigeführt werden
könnte.
b) Das Erfordernis der Vorabgenehmigung der Krankenkasse ergibt sich auch nicht aus den Krankentransport-
Richtlinien.
Zwar ist in § 6 Abs. 3 der Richtlinie auch für Krankentransporte zur ambulanten Behandlung die vorherige
Genehmigung der Krankenkasse vorgesehen. § 6 hat folgenden Wortlaut:
§ 6 Krankentransporte (1) Ein Krankentransport kann verordnet werden, wenn der Versicherte während der Fahrt einer
fachlichen Betreuung oder der besonderen Einrichtungen des Krankentransportwagens (KTW) bedarf oder deren
Erforderlichkeit aufgrund seines Zustandes zu erwarten ist. Die fachliche Betreuung in Krankentransportwagen wird
nach den maßgeblichen landesrechtlichen Vorschriften durch qualifiziertes nicht-ärztliches Personal gewährleistet. Die
medizinisch-technische Einrichtung ist auf die Beförderung von Nicht-Notfallpatienten ausgelegt. (2) Der
Krankentransport soll auch dann verordnet werden, wenn dadurch die Übertragung schwerer, ansteckender
Krankheiten der Versicherten vermieden werden kann. (3) Krankentransporte zur ambulanten Behandlung bedürfen der
vorherigen Genehmigung durch die Krankenkasse. Dies gilt nicht für Fahrten zu einer vor- oder nachstationären
Behandlung gemäß § 115 a SGB V oder zu einer ambulanten Operation gemäß § 115 b SGB V.
Wollte man die in § 6 Abs. 3 S. 1 der Richtlinie geforderte Vorabgenehmigung im Sinne einer notwendigen Bedingung
für die Kostenübernahme verstehen, fehlte es hierfür an einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage. Der GBA kann
die gesetzlich statuierte Kostenübernahmepflicht der Kassen für Krankentransporte nicht durch eine Richtlinie
einschränken.
Die Regelungskompetenz des GBA richtet sich vorliegend zum einen nach § 60 Abs. 1 S 3 SGB V. Wie oben gezeigt,
gilt diese Vorschrift jedoch nur für die Konkretisierung der besonderen Ausnahmefälle im Rahmen der "übrigen", nicht
von den Katalogfällen des Abs. 2 S. 1 erfassten Tatbestände. Hierzu verhält sich insbesondere § 8 der Richtlinien.
Eine weitergehende Kompetenz, insbesondere im Sinne einer Ermächtigung für eine nähere, über die abschließende
gesetzliche Regelung hinausgehende Einschränkung auch der Katalogfälle enthält die Norm nicht.
Zum anderen weist § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 12 SGB V dem GBA die Aufgabe zu, Richtlinien über die Verordnung von
Krankentransporten zu beschließen. Hiervon hat der GBA bereits vor dem Jahr 2004 mit den Krankentransport-
Richtlinien in den seinerzeit geltenden Fassungen Gebrauch gemacht, indem er Näheres zu Form, Inhalt und
Zeitpunkt der vertragsärztlichen Verordnung geregelt hat. Auch für die weiteren Ausführungsbestimmungen bezüglich
Auswahl des notwendigen Transportmittels und Bestimmung der medizinischen Voraussetzungen für bestimmte
Transportmittel liegt mit der allgemeinen Regelung in § 92 Abs. 1 S. 1 SGB V eine ausreichende
Ermächtigungsgrundlage vor. Nach dieser Vorschrift dienen die Richtlinien des GBA der Sicherung der ärztlichen
Versorgung und beinhalten Regelungen über eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der
Versicherten; er kann dabei die Erbringung und Verordnung von Leistungen einschließlich Arzneimitteln oder
Maßnahmen einschränken oder ausschließen, wenn nach allgemein anerkanntem Stand der medizinischen
Erkenntnisse der diagnostische oder therapeutische Nutzen, die medizinische Notwendigkeit oder die
Wirtschaftlichkeit nicht nachgewiesen sind sowie wenn insbesondere ein Arzneimittel unzweckmäßig oder eine
andere, wirtschaftlichere Behandlungsmöglichkeit mit vergleichbarem diagnostischen oder therapeutischen Nutzen
verfügbar ist. Ebenso wie in den §§ 135, 136 a, 136 b SGB V wird dem GBA mithin die Beurteilung und nähere
Konkretisierung der Leistungsansprüche der gesetzlich Krankenversicherten aus medizinischer Sicht zugewiesen, für
welche der GBA auch über den entsprechenden Sachverstand verfügt.
Hingegen lässt sich das über das Gesetz hinausgehende prozedurale Erfordernis einer Vorabgenehmigung von
Krankentransporten durch die Krankenkasse keineswegs dem Bereich der medizinischen Konkretisierung zuordnen.
Dementsprechend geht der GBA auch selbst - irrig - davon aus, mit § 6 Abs. 3 S. 1 seiner Richtlinien lediglich die
gesetzliche Regelung zu wiederholen, wofür es in der Tat keiner Ermächtigung bedürfte. Hier ließe sich dann
allerdings fragen, woher die Richtlinienkompetenz rührt, die - unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des GBA -
aus dem Gesetzeswortlaut folgende Notwendigkeit der Vorabgenehmigung von Fahrten zu stationsersetzenden
Behandlungen mit § 6 Abs. 3 S. 2 der Richtlinien für entbehrlich zu erklären.
§ 6 Abs. 3 S. 1 der Krankentransport-Richtlinien entbehrt daher einer gesetzlichen Grundlage und ist damit nicht
geeignet, die vertraglichen Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte einzuschränken. Gegenteiliges ergibt sich nicht
etwa aus § 91 Abs. 9 SGB V. Zwar hat der Gesetzgeber mit dieser umstrittenen Norm (vgl. etwa Schimmelpfeng-
Schütte, NZS 2006, 567-572) angeordnet, dass die Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses ( ...) für die
Versicherten, die Krankenkassen und für die an der ambulanten ärztlichen Versorgung teilnehmenden
Leistungserbringer und die zugelassenen Krankenhäuser verbindlich sind. Dies gilt aber allenfalls dann, wenn der
jeweilige (Richtlinien-)Beschluss selbst mit höherrangigem Recht, insbesondere also mit den Vorschriften des SGB V
vereinbar ist. Das ist aber vorliegend nicht der Fall.
3. Die ausgeurteilten Zinsansprüche kann der Kläger als privatrechtlich organisierter Leistungserbringer unter dem
Gesichtspunkt des Verzuges verlangen, vgl. BSG, B 3 KR 7/06 R, vom 03.08.2006. Die Zinshöhe folgt aus § 288 Abs
2 BGB, da ein Verbraucher im Vertragsverhältnis der Parteien nicht beteiligt ist. Für den jeweiligen Verzinsungsbeginn
gilt § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB. Die Beklagte ist spätestens mit ihren ausdrücklichen Weigerungen, die aufgelaufenen
Rechnungen des Klägers zu begleichen, in der jeweiligen Forderungshöhe in Verzug geraten. Wegen der Einzelheiten
wird auf die tabellarische Darstellung im klägerischen Schriftsatz vom 23.11.2006 Bezug genommen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 154 Abs 1 Verwaltungsgerichtsordnung.
5. Die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten, auch diejenigen vorgerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen,
die nicht auf die außergerichtlichen Kosten des Klägers im gerichtlichen Verfahren anzurechnen sind, war
antragsgemäß auszusprechen, da vorliegend dem gerichtlichen Verfahren kein Verwaltungsverfahren vorausgegangen
ist - ein Verwaltungsakt lag nicht vor - weshalb die vorgerichtliche Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten des Klägers
von der Kostenentscheidung grundsätzlich nicht erfasst wird, die Anrechnungsvorschriften des
Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes jedoch im Gegensatz zur außer Kraft getretenen BRAGO nur eine teilweise
Anrechung der außergerichtlichen Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens vorsieht,
Vorbemerkung 3 Abs. 4 zu Teil 3 der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG.
6. Die Entscheidung über die Streitwertfestsetzung folgt aus § 63 Abs 2, § 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz.
7. Die Statthaftigkeit der Berufung folgt aus § 143 SGG.