Urteil des SozG Münster vom 23.07.2003

SozG Münster: zusammenarbeit, innere medizin, geriatrie, vergütung, gesundheit, versorgung, aufteilung, auskunft, budget, obsiegen

Sozialgericht Münster, S 3 KR 103/98
Datum:
23.07.2003
Gericht:
Sozialgericht Münster
Spruchkörper:
3. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
S 3 KR 103/98
Nachinstanz:
Landessozialgericht NRW, L 5 KR 138/03
Sachgebiet:
Krankenversicherung
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin die Beiträge auszuzahlen,
die sie unter Berufung auf § 14 Abs. 5 S. 2 BPflV gekürzt hat, soweit
Verlegungen aus den Häusern der Beigeladenen zu 2), 5), 8), 9), 10)
und 11) betroffen sind.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägeri zu 1/4 und
die außergerichltichen Kosten der Beigeladenen zu 2), 5), 6), 8), 9), 10)
und 11) zu erstatten.
Die Klägerin hat die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1),
3), 4) 7), und 12) zu erstatten.
Tatbestand:
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Die Klägerin begehrt die Zahlung von Beträgen, die die Beklagte unter Berufung auf §
14 Abs. 5 S. 2 Bundespflegesatzverordnung (BPflV) gekürzt hat. Die Klägerin betreibt
ein Krankenhaus für innere Medizin mit geriatrisch ausgerichtetem
Behandlungsschwerpunkt. Bei allen streitigen Beträgen geht es um Behandlungsfälle,
in denen die Behandlung zunächst in einem anderen Krankenhaus begonnen wurde
und von dort aus eine Verlegung zum Krankenhaus der Klägerin erfolgte während eines
Zeitraums, zu dem die Höchstverweildauer im Rahmen von Fallpauschalen noch nicht
erreicht war. Die Klägerin vertritt die Auffassung, dass eine volle Bezahlung erfolgen
müsse, da es eine Zusammenarbeit zwischen den verlegenden Krankenhäusern und
ihrem Krankenhaus im Sinne des § 14 Abs. 5 S. 2 BPflV nicht gebe. Es gebe keine
Kooperationsvereinbarung, auch nicht konkludent. Die Entscheidung über die
Verlegungen werde jeweils vom verlegenden Krankenhaus getroffen. Im übrigen sei die
geriatrische Behandlung eine eigenständige Behandlung, die nicht von Fallpauschalen
erfasst sei. Es liege auch in jedem Fall eine Kostenübernahmeerklärung durch die
Beklagte vor. Es gehöre auch nicht zum geplanten Behandlungsablauf, dass Patienten
nach Abschluss der Akutbehandlung automatisch etwa zur spezialisierten Nachsorge in
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das Hospital der Klägerin verlegt würden. Die isolierte Betrachtung der Anzahl der
verlegten Patienten sei auch ohne jede Aussagekraft, denn aus den Krankenhäusern,
aus denen in das Krankenhaus der Klägerin eingewiesen werde, würden auch
Patienten in andere Einrichtungen weiter überwiesen. Es fehle auch jeder Anhaltspunkt
für eine Dauerhaftigkeit einer Zusammenarbeit. Auch sei in aller Regel die stationäre
Heilbehandlung im Krankenhaus der Klägerin wegen zahlreicher Erkrankungen,
insbesondere der älteren Patienten erforderlich, die zwar zunächst in der definierten
Primärerkrankung ihren Auslöser fänden, dann jedoch von der Primärerkrankung
losgelöst auftreten und intensiver stationärer Behandlung bedürften. Dies seien vor
allem andere Erkrankungen als die, die zunächst zur stationären Einweisung geführt
hätten. Die Haupterkrankung sei für die Verlegung wegen des geriatrischen
Krankheitsbildes in des Hospital der Klägerin nicht mehr von Bedeutung. In aller Regel
könne auch die Fachabteilung Geriatrie nicht die Behandlung einer operativen
Abteilung des verlegenden Krankenhauses weiterführen. Die Fallpauschale könne
solche Erkrankungen gar nicht erfassen. Die geriatrische Leistungserbringung sei in die
Fallpauschalen auch gar nicht einkalkuliert. Die Klägerin hat eine Aufstellung
übersandt, aus der sich entnehmen lässt, in welchem Umfange von welchem
Krankenhaus Verlegungen in ihr Krankenhaus aufgeschlüsselt nach Jahren erfolgt sind.
Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, ihr die Beträge auszuzahlen, die die Beklagte unter
Berufung auf § 14 Abs. 5 S. 2 Bundespflegesatzverordnung gekürzt hat.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie vertritt weiterhin die Auffassung, dass eine planmäßige Zusammenarbeit zwischen
den verlegenden Krankenhäusern und dem Krankenhaus der Klägerin im Sinne des §
14 Abs. 5 S. 2 BPflV erfolgt ist. Mündliche Absprachen reichten dazu aus. Bereits das
häufige Verlegen nach vorheriger Absprache sei ausreichend, um die Rechtsfolge des §
14 Abs. 5 bzw. Abs. 11 BPflV auszulösen. Die Verlegung sei auch zur postoperativen
Nachsorge erfolgt.
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Das Lebensalter der Patienten in Verbindung mit den Behandlungsbildern lasse
erkennen, dass die Verlegung aus Gründen der geriatrischen Betreuung erfolgt sei.
Schon die Nachsorge der durchgeführten Behandlungen setze eine Absprache
zwischen verlegendem und aufnehmendem Haus voraus. Die im Rahmen der
Grenzverweildauer durchzuführende Nachsorge gehöre mit zum Behandlungsfall und
sei mit der Fallpauschale abgegolten. Im übrigen sei in der Kostenzusage eine Zusage
zur Höhe oder bezüglich des zu zahlenden Entgeltes nicht enthalten. Im übrigen
bezweifelt sie die von der Klägerin angegebenen Verlegungszahlen. Die verlegenden
Krankenhäuser sind zum Verfahren beigeladen worden. Sie alle haben sich zu der
Frage der Zusammenarbeit geäußert. Bezüglich der Einzelheiten wird auf die Schreiben
der Beigeladenen Bezug genommen.
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Wegen der Einzelheiten im übrigen wird auf den vorgetragenen Inhalt der Streitakte, die
Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Klage ist nur teilweise begründet. Die Klägerin hatte lediglich einen
Anspruch auf ungekürzte Zahlung der Pflegesätze, soweit Verlegungen aus den
Häusern der Beigeladenen zu 2), 5), 6), 8), 9), 10) und 11) betroffen sind. Bezüglich der
Beigeladenen zu 1), 3), 4), 7) und 12) besteht dieser Anspruch nicht. Die Vergütung
allgemeiner Krankenhausleistungen bei voll- oder teilstationärer Behandlung erfolgt
gemäß § 10 der gemäß §§ 16 und 17 Krankenhausfinanzierungsgesetz erlassenen
Verordnung zur Regelung der Krankenhauspflegesätze (BPflV) in der Fassung vom
18.12.1995 und späteren Änderungen durch Pflegesätze nach § 11 und einem
Gesamtbetrag nach § 12 sowie tagesgleiche Pflegesätze nach § 13, durch die das
Budget den Patienten oder ihren Kostenträgern anteilig berechnet wird. Mit den
Pflegesätzen werden alle für die Versorgung des Patienten und der Patientinnen
allgemeinen Krankenhausleistungen vergütet. In den vorliegenden Fällen erfolgte
unstreitig zunächst eine Behandlung, deren Vergütung gemäß § 11 Abs. 1 in
Verbindung mit § 14 Abs. 4 S.1 BPflV über eine Fallpauschale erfolgt. Diese
Fallpauschalen sind an die Häuser der Beigeladenen gezahlt worden. Hierdurch ist die
Krankenhausbehandlung der Versicherten im Rahmen der Grenzverweildauer
abgegolten, soweit es sich um Verlegungen aus den Häusern der Beigeladenen zu 1),
3), 4), 7) und 12) gehandelt hat. Diese Verlegungen erfolgten nämlich entgegen der
Ansicht der Klägerin im Rahmen einer Zusammenarbeit, für den der
Berechnungsausschluss einer Fallpauschale gemäß § 14 Abs. 5 Nr. 1 BPflV nicht gilt (§
14 Abs. 5 S. 2 BPflV). Für den Fall einer derartigen Zusammenarbeit wird die
Fallpauschale von dem Krankenhaus berechnet, das die für die Fallpauschale
maßgebende Behandlung erbracht hat und die Krankenhäuser haben über die
Aufteilung der Fallpauschale eine Vereinbarung zu treffen. Nach der Überzeugung des
Gerichts bedarf die in § 14 Abs. 5 S. 2 BPflV benannte Zusammenarbeit keiner
ausdrücklichen vertraglichen Kooperationsvereinbarung. Eine rein faktische
Zusammenarbeit bei der Behandlung der Patienten und Patientinnen im Rahmen eines
Krankheitsbildes ist ausreichend. Dies bestätigt auch die Auskunft des
Bundesministeriums für Gesundheit vom 27.11.1995 und ergibt sich auch aus dem
Wortsinn der Vorschrift. Dies ergibt sich auch durch die erfolgte Änderung zum
01.01.1998 und die Einfügung des neuen Absatzes 11. Demgemäss liegt eine
Zusammenarbeit von Krankenhäusern im Sinne von § 14 Abs. 5 S. 2 BPflV dann vor,
wenn die Verlegung von Patienten und Patientinnen zur weiteren Behandlung zwischen
zwei Krankenhäusern über einen längeren Zeitraum regelmäßig und damit über den
Einzelfall hinausgehend erfolgt. Allein die faktische Verlegung zur weiteren Behandlung
ist, sofern sie über eine gewisse Dauer erfolgt und mit dem Austausch medizinischer
Informationen einhergeht, für das Vorliegen einer Zusammenarbeit ausreichend (so
auch Sozialgericht Koblenz Urteil vom 22.04.1998 - S 5 K 74/96 - und Sozialgericht
Hannover Urteil vom 29.02.2000). Eine Zusammenarbeit liegt dann nicht vor, wenn es
sich um gelegentliche, mehr zufällige und einseitige Verlegungen handelt. Von der
Beigeladenen zu 7) sind im Jahr 1996 139 Patientinnen und Patienten in das
Krankenhaus der Klägerin verlegt worden, 1997 217, 1998 266, 1999 263 und 2000
280. Schon hieraus ist eine über einen Einzelfall hinausgehende und auf eine gewisse
Dauer angelegte Verlegungspraxis zu schließen. Eine solche Zusammenarbeit lässt
sich im übrigen auch aus dem Schreiben der Christophorus Trägergesellschaft mbH D
vom 25.02.1999 entnehmen, wonach beide Krankenhäuser in gemeinsamer
Trägerschaft der Christophorus-Trägergesellschaft mbH geführt werden und das Ziel
dieser Trägerschaft ist, eine optimierte Patientenversorgung zu sichern sowie eine
verbesserte wirtschaftliche Auslastung der Ressourcen beider Einrichtungen in der
Erbringung von Krankenleistungen. Nach Darstellung der Trägergesellschaft ergibt es
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sich dabei zwangsläufig, dass Patienten von einem Hospital in das andere verlegt
werden und umgekehrt. Dass es keine Vereinbarung gibt über eine geplante und auf
gleichgelagerte Behandlungsfälle ausgerichtete Zusammenarbeit in Form einer
Aufgabenteilung ist dabei unbeachtlich. Auch die für die Beigeladenen zu 1), 3), 4) und
12) angegebenen Zahlen sprechen für eine planvolle Zusammenarbeit, auch wenn dies
von den Beigeladenen verneint wird. Dagegen kann bei der Beigeladenen zu 10) schon
deshalb nicht von einer planmäßigen Zusammenarbeit gesprochen werden, weil von
dort aus lediglich in den Jahren 1998 und 2000 eine Person verlegt wurde und 1999 2
Personen. Die niedrige und zudem noch schwankende Verlegungszahl aus den
Häusern der Beigeladenen zu 5), 8) und 11) sowie der Beigeladenen zu 9) lässt
ebenfalls nicht auf eine planmäßige Zusammenarbeit schließen. Dies gilt auch für die
Beigeladene zu 6), die zwar in den Jahren 1996 und 1997 12 bzw. 15 Personen verlegt
hat, jedoch in den Jahren danach keine mehr. Die Kammer geht auch davon aus, dass
es mit der Beigeladenen zu 2) keine planmäßige Zusammenarbeit gegeben hat. Von
diesem Krankenhaus ist eine so unterschiedliche Anzahl in das Krankenhaus der
Klägerin verlegt worden, dass sich daraus eine planmäßige Zusammenarbeit nicht
schließen lässt, zumal die Verlegungszahlen im Jahr 1999 und 2000 wieder stark
zurückgegangen sind. Demgegenüber geht das Gericht im Fall der Beigeladenen zu 4)
trotz der stark unterschiedlichen Verlegungszahlen von einer planmäßigen
Zusammenarbeit aus, da diese in den Jahren 1996, 1997, 2000 40 Verlegungen und
mehr betragen haben und in den Jahren 1998 und 1999 immerhin noch 19 bzw. 18. Die
Kammer ist auch nicht der Auffassung, dass die Abrechnung von Fallpauschalen bei
Verlegungen in den geriatrischen Versorgungsbereich nicht in Ansatz gebracht werden
können. Es ist sicherlich richtig, dass eine Verlegung in den Bereich der Geriatrie
jeweils deshalb erfolgt, weil auch noch andere Krankheitsbilder zusätzlich zur
Akutbehandlung der Behandlung bedürfen. Erfolgt die Verlegung aber innerhalb eines
Krankenhauses von einer Fachabteilung zur anderen, wird dies im Rahmen der
Grenzverweildauer durch die Fallpauschale abgegolten, wie sich aus dem Schreiben
der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen an das Ministerium für Arbeit,
Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen vom 26.01.1996 entnehmen
lässt. Es kann nicht richtig sein, dass dies nur deshalb anders gehandhabt wird, weil
eine Verlegung in ein auf die Geriatrie spezialisiertes Krankenhaus erfolgt.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG und entspricht in etwa dem
Verhältnis vom Obsiegen zum Unterliegen.
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