Urteil des SozG Münster vom 02.04.2007

SozG Münster: wohnung, vorläufiger rechtsschutz, erlass, internet, kauf, verfügung, bad, ausstattung, einsichtnahme, umzug

Sozialgericht Münster, S 5 AS 55/07 ER
Datum:
02.04.2007
Gericht:
Sozialgericht Münster
Spruchkörper:
5. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
S 5 AS 55/07 ER
Sachgebiet:
Grundsicherung für Arbeitssuchende
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
1. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, an den Antragsteller vorläufig
bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren 100,- EUR
zur Anschaffung von Gardinen zu zahlen.
2. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, dem Antragsteller
darlehnsweise bis zur rechtskräftigen Entscheidung im
Hauptsacheverfahren 170,- EUR zur Anschaffung einer Matratze zu
zahlen.
3. Die Antragsgegnerin trägt die außergerichtlichen Kosten des
Verfahrens.
Gründe:
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I. Der Antragsteller bezieht von der Antragsgegnerin Leistungen nach dem SGB II, die
zuletzt mit Bescheid vom 05.02.2007 für den Zeitraum vom 01.02.2007 bis 31.07.2007 in
Höhe von monatlich 839,80 EUR bewilligt worden waren. Hierbei hatte die
Antragsgegnerin Kosten der Unterkunft in Höhe von 462,80 EUR berücksichtigt, die
Regelleistung in Höhe von 345,- EUR sowie einen befristeten Zuschlag nach dem
Bezug von Arbeitslosengeld in Höhe von 32,- EUR.
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Seine derzeitige Wohnung bewohnt der Antragsteller seit dem 01.02.2007, nachdem er
sich im Rahmen einer Räumungsklage vergleichsweise zur Räumung seiner bisherigen
Wohnung verpflichtet hatte. Die jetzige Wohnung hat eine Wohnfläche von 73 m² und ist
nach Auffassung der Antragsgegnerin für eine Einzelperson unangemessen groß. Da
die Summe aus Grundmiete und Nebenkosten geringfügig über den Höchstgrenzen des
kommunalen Trägers für die angemessenen Aufwendungen für die Unterkunft liege,
wurden dem Antragsteller Leistungen für die Kaution und Umzugskosten mit Bescheid
vom 19.12.2006 abgelehnt. Einem entsprechenden Antrag auf Erlass einer
einstweiligen Anordnung unter dem Az.: S 3 AS 1/07 ER vor dem Sozialgericht Münster
wurde nicht entsprochen. Das Verfahren befindet sich derzeit zur Entscheidung über die
Beschwerde des Antragstellers bei dem LSG NW. Da die für den Antragsteller
verantwortlichen Sachbearbeiter bei dem Antragsteller mehrfach depressive
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Äußerungen vernommen hatten und man von Seiten der Antragsgegnerin die
Notwendigkeit einer Stabilisierung der Situation sehe, entschied sich die
Antragsgegnerin, die geringfügige Überschreitung der angemessenen Kaltmiete zu
akzeptieren und dem Antragsteller für die Mietkaution und Umzugskosten Leistungen zu
gewähren. Der Antragsteller erhielt am 20.02.2007 50,- EUR für die
Wohnungsrenovierung und am 27.02.2007 40,- EUR zur Anschaffung einer
Küchenarbeitsplatte, dieses darlehnsweise.
Am 30.01.2007 hatte der Antragsteller eine einmalige Beihilfe zur Erstausstattung der
Wohnung beantragt mit der Begründung, er benötige einen Wohnzimmerschrank, zwei
Stühle und Esstisch, Gardinen für Badezimmer, Schlafzimmer und Küche. Ferner
benötige er eine neue Matratze bezüglich seines Bandscheibenvorfalls, ein ärztliches
Attest liege bereits vor. Wie bekannt sei, sei es ihm nicht möglich, die Anschaffungen
aus eigener Kraft zu tätigen, es stünden ihm keinerlei finanzielle Mittel zur Verfügung.
Zur Not beantrage er die Gewährung eines Darlehns für die Anschaffung der
Gegenstände. Mit Bescheid vom 08.02.2007 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 28.02.2007 wegen Gewährung von Leistungen für die
Erstausstattung der Wohnung wurde der Antrag des Antragstellers abgelehnt. Auf die
Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden wird Bezug genommen. Gegen diese
Entscheidung hat der Antragsteller am 08.03.2007 vor dem Sozialgericht Münster unter
dem Az.: S 5 AS 56/07 Klage erhoben. Über die Klage ist noch nicht entschieden.
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Nachdem der Antragsteller zunächst mit Schreiben vom 17.01.2007 seinen Antrag
hinsichtlich der Bandscheibenmatratze zurückgenommen hatte, beantragte er unter dem
28.02.2007 erneut die Gewährung eines Darlehns zur Anschaffung einer solchen
Matratze, nachdem die Krankenkasse wohl die Übernahme der Kosten abgelehnt hatte.
Mit Schreiben vom 07.03.2007 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, der
Antrag könne nur als Antrag auf Gewährung eines Darlehns für den Kauf einer
regulären Matratze gewertet werden. Diese Kosten seien in der Regelleistung enthalten.
Nach den Richtlinien belaufe sich der Betrag zur Anschaffung einer Matratze auf 82,50
EUR. Der Antragsteller wurde aufgefordert, durch Vorlage geeigneter Belege
nachzuweisen, aus welchen Gründen er im Monat 3/07 nicht die Mittel zur Verfügung
habe, um den Bedarf für den Kauf einer Matratze zum Preis von 82,50 EUR zu tätigen.
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Mit Schriftsatz vom 08.03.2007 hat der Antragsteller den Erlass einer einstweiligen
Anordnung beantragt mit dem Ziel, ihm Leistungen für die Erstausstattung der Wohnung
sowie für die Übernahme der Kosten für eine bandscheibengerechte Matratze als
Vorschuss bzw. als Darlehn zu erhalten.
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Seines Erachtens sei es menschenunwürdig, dass er sich in seiner eigenen Wohnung
nicht frei bewegen könne, da ständig die Nachbarn der gegenüberliegenden Häuser
seine Wohnung einsehen könnten. Durch fehlende Gardinen, die die Antragsgegnerin
nicht bewillige, fühle er sich in seiner Intimsphäre gestört. Angesichts der Fenstergröße
errechne er einen Betrag von ca. 204,20 EUR Gardinenstoff zuzüglich 40,- EUR bis 50,-
EUR für das Nähen. Die Fenster in der Wohnung hätten folgende Größe: 2,6 m x 1,38 m
Schlafzimmer; 1,47 m x 1,36 m Arbeitsraum; 1,45 m x 1,36 m Küche; 3,32 m x 1,62 m
Wohnzimmer; 1,08 m x 2,22 m Balkontür. Für das Bad habe er zu keinerzeit Gardinen
beantragt.
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Seit dem Umzug schlafe er auf dem Sofa. Zwar verfüge er über ein Bett, die
dazugehörige Matratze sei jedoch etwa zehn Jahre alt und nicht bandscheibengerecht.
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Durch die nicht bandscheibengerechte Schlafgelegenheit habe er ständig
Rückenschmerzen und sei in ständiger orthopädischer Behandlung. Inzwischen erhalte
er Schlaf- und Schmerztabletten. Zur Vermeidung weiterer gesundheitlicher Schäden
sei eine bandscheibengerechte Matratze dringend erforderlich. Der Antragsteller macht
seine Angaben durch Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung glaubhaft.
Die Antragsgegnerin hält den Antrag für unbegründet. Es sei beabsichtigt, den Antrag
auf zusätzliche Leistungen nach § 23 Abs. 1 SGB II für den Kauf einer Matratze
abzulehnen. Bereits einen Tag, nachdem der Antragsteller einen Bedarf für eine
gesundheitlich dringend notwendige Matratze angezeigt habe, habe er Teile der
Regelleistung für die Einrichtung eines Telefonanschlusses verwendet. Er habe am
01.03.2007 90,09 EUR an die Firma I überwiesen als Kosten der Einrichtung für einen
Telefonanschluss. Der Antragsteller verfüge jedoch über einen Mobilfunkanschluss.
Damit habe er zum Ausdruck gebracht, dass die Deckung des Bedarfs an einer Matratze
für ihn nicht die höchste Priorität habe. Auch hinsichtlich des Bedarfs an Gardinen habe
er diesem geringere Priorität zugeordnet. Zudem sei sie, die Antragsgegnerin, der
Auffassung, dass der Bedarf zur Anschaffung von Gardinen aus der Regelleistung
gedeckt werden könne.
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Das Gericht hat die den Antragsteller betreffenden Verwaltungsvorgänge der
Antragsgegnerin, Band II ab Blatt 185, sowie die Streitakte des Sozialgerichts Münster
zum Az.: S 5 AS 56/07 beigezogen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen
auf die beigezogenen Akten sowie auf die im Verfahren gewechselten vorbereitenden
Schriftsätze. Diese sind Gegenstand der Entscheidung gewesen.
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Gründe:
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II. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig und auch begründet.
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Die Entscheidung beruht auf § 86 b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
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Gemäß § 86 b Abs. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache zur Regelung eines
vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweilige
Anordnung erlassen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher
Nachteile nötig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Vorliegen
eines Anordnungsanspruchs, das heißt, des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger
Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, das heißt
die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die
Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Der geltend gemachte Anspruch auf
Leistungen nach dem SGB II (Anordnungsanspruch) und die besonderen Gründe für die
Notwendigkeit der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund), die
Eilbedürftigkeit, sind glaubhaft zu machen.
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Der Antragsgegner hat sowohl Anordnungsanspruch als auch Anordnungsgrund
glaubhaft gemacht.
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Der Anspruch hinsichtlich der Anschaffung von Gardinen ergibt sich aus § 23 Abs. 3
Satz 2 in Verbindung mit Satz 1 Ziff. 1 SGB II. Danach werden Leistungen für
Erstausstattungen für die Wohnung einschließlich Haushaltsgeräten nicht von der
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Regelleistung umfasst. Sie werden gesondert erbracht. Bei der Anschaffung von
Gardinen handelt es sich um Gegenstände zur Ausstattung der Wohnung, die der
Antragsteller zum 01.02.2007 bezogen hat. Es liegt auch eine Erstausstattung der
Wohnung vor. Ganz vorrangig wird in Literatur und Rechtsprechung die Auffassung
vertreten, dass der Begriff der Erstausstattung nicht zeitbezogen, sondern
bedarfsbezogen auszulegen ist. Tritt der Bedarf erstmalig auf, so ist er nicht von der
Regelleistung umfasst, anders als die Ersatzbeschaffung. Der Antragsteller hat
glaubhaft gemacht, dass er in seiner alten Wohnung, einer Dachgeschosswohnung,
zum einen keine Gardinen hatte, zum anderen die Gardine, die im Wohnzimmer hing, für
die neue Wohnung nicht zu gebrauchen gewesen ist. Die Wohnzimmergardine der
bisherigen Wohnung war bedingt durch das kleinere Fenster zu klein, um sie in der
neuen Wohnung im Wohnzimmer oder einem der anderen Räume wieder verwenden zu
können. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ist der Bedarf nicht aus der
Regelleistung zu bestreiten. Der Begriff der Erstausstattung für Wohnung einschließlich
Haushaltsgeräten ist umfassend. Es zählen dazu alle Einrichtungsgegenstände, die für
eine geordnete Haushaltsführung notwendig sind und die dem Hilfeberechtigten ein an
den herrschenden Lebensgewohnheiten orientiertes Wohnen ermöglichen. Das Gericht
hat keinen Zweifel, dass auch die Anschaffung von Gardinen dazu dient, ein an den
herrschenden Lebensgewohnheiten orientiertes Wohnen zu ermöglichen. Selbst wenn
ein Großteil der Bevölkerung in ihren Wohnungen bzw. Wohnhäusern auf Gardinen
verzichtet, bedeutet dieses nicht, dass die herrschenden Lebensgewohnheiten dafür
sprechen könnten, ein Wohnen ohne Gardinen sei regelmäßig üblich geworden.
Hinsichtlich der Kosten für die Anschaffung von Gardinen geht das Gericht von
Folgendem aus: Das Gericht hält es für zumutbar, dass der Antragsteller die
kostengünstigste Möglichkeit nutzt, um Gardinen anzuschaffen. Ihm ist es zumutbar, sich
nicht nur, wie von ihm angegeben, bei der Firma S C nach Gardinenstoffen zu
erkundigen, sondern auch anderweitig, beispielsweise im Internet, ggfs. auch z.B. über
E-Bay gebrauchte Gardinen zu ersteigern. Ferner mag der Antragsteller auch darüber
nachdenken, ob er einzelne Fensterbereiche durch Gardinen nicht voll verhängt,
sondern Sichtschutz durch die Verwendung sogenannter Kurzstores erreicht. Dieses
hält das Gericht insbesondere auch für die Küche für zumutbar. Im Internet lassen sich
hier bereits Kurzstores mit der Größe 60 cm x 1,20 m für 14,- EUR neu erwerben.
Angesichts der Fensterbreite in der Küche des Antragstellers würde hier mithin ein
Betrag von 28,- EUR ausreichend sein. Im Internet-Shop gibt es Gardinen (Voile) im
Zweierpack bereits für 9,50 EUR mit einer Größe von 2,45 m x 1,4 m. Hiervon würde der
Antragsteller für das Schlafzimmer beispielsweise zwei Pakete benötigen, mithin 20,-
EUR, für das Wohnzimmer vier Pakete, mithin 40,- EUR. Ausgehend von einem
gerundeten Betrag von 100,- EUR muss es dem Antragsteller nach Auffassung des
Gerichts möglich sein, entsprechend kalkulieren zu können und Gardinen für Küche,
Schlafzimmer und Wohnzimmer anzuschaffen.
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Hinsichtlich des weiteren Raumes, der vom Antragsteller als Arbeitszimmer bezeichnet
wird, muss offen bleiben, ob angesichts der Wohnungsgröße hier überhaupt ein
Anordnungsanspruch gegeben ist. Aber selbst wenn dieses der Fall wäre, bliebe die
Entscheidung dafür dem Hauptsacheverfahren vorbehalten, da es insoweit jedenfalls
am Vorliegen eines Anordnungsgrundes fehlt, wie später noch ausgeführt wird.
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Das Gericht hat Badezimmergardinen bei der Berechnung unberücksichtigt gelassen,
da der Antragsteller im einstweiligen Anordnungsverfahren ausdrücklich vorgetragen
hatte, für das Badezimmer gar keine Gardinen beantragt zu haben. Dieses trifft zwar
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nicht zu, denn ausweislich des Antrags im Verwaltungsverfahren lautete dieser
ausdrücklich auf Gardinen für Bad, Schlafzimmer und Küche. In jedem Fall ergibt sich,
dass die Frage, ob der Antragsteller Anspruch auf Anschaffung für Gardinen für das
Badezimmer hat, nicht mehr Gegenstand des einstweiligen Anordnungsverfahrens ist.
Der Antragsteller hat auch einen Anordnungsgrund hinreichend glaubhaft gemacht.
Dem Antragsteller ist es nicht zuzumuten, die Entscheidung im Hauptsacheverfahren
abzuwarten. Er fühlt sich nachhaltig dadurch gestört, dass jeder aus der Nachbarschaft
Einsicht nehmen kann in seine Wohnräume. Dieses hält das Gericht für nachvollzlehbar
und glaubhaft, denn die Fenster in den Wohnräumen sind relativ groß und die
Nachbarbebauung nah. Es gehört zur Privatsphäre eines jeden einzelnen, sich
schützen zu können durch die ungewollte Einsichtnahme Dritter in die Privaträume.
Dieses gilt auch, obwohl der Antragsteller über Jalousien verfügt, die es ihm
ermöglichen, die Räume zu verdunkeln. Das Gericht hält es nicht für zumutbar, dass der
Antragsteller tagsüber bei Tageslicht, in dunklen Räumen zu leben hat, nur um sich vor
den Blicken der Nachbarn zu schützen. Ungeachtet der Tatsache, dass die
Verdunkelung der Räume zwangsläufig zur Folge hat, dass der Antragsteller auf
elektrische Lichtquellen angewiesen wäre und dieses den Stromverbrauch -
unnötigerweise - erhöhen würde, dürfte es auch keineswegs gesundheitsfördernd sein,
ständig im Dunkeln zu leben. Auch wenn sich der Antragsteller, wie von ihm selbst
vorgetragen, in der Woche im wesentlichen tagsüber zwecks Weiterbildung in V aufhält,
verbleiben noch die Wochenenden und die frühen Abendstunden, in denen sich der
Antragsteller ungestört in seiner Privatwohnung aufhalten kann und muss.
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Hinsichtlich etwaiger Gardinen für die Balkontür hält es das Gericht für zumutbar, dass
der Antragsteller die Entscheidung im Hauptsacheverfahren abwartet. Die Tatsache,
dass jedenfalls schräg in seinen Wohnraum Einsicht genommen werden kann, hindert
den Antragsteller nicht daran, sich jedenfalls vorläufig noch in den anderen
Raumbereichen angemessen aufhalten zu können. Ohnehin dürfte die Einsichtnahme
jedenfalls nach Aktenlage durch den davor liegenden Balkon weitestgehend begrenzt
sein. Ebenfalls für zumutbar wird es gehalten, zunächst im sog. "Arbeitszimmer" bis zur
Hauptsacheentscheidung auf Gardinen zu verzichten.
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Ausweislich des Antrags vom 30.01.2007 hatte der Antragsteller zunächst nur Gardinen
für Bad, Schlafzimmer und Küche gegenüber der Antragsgegnerin geltend gemacht.
Dieser Antrag ist im Laufe des einstweiligen Anordnungsverfahrens dahingehend
modifiziert worden, dass er nunmehr, abgesehen vom Badezimmer, die Ausstattung mit
Gardinen für alle Räume begehrt. Obwohl Gegenstand des Verwaltungsverfahrens noch
nicht die Entscheidung über Gardinen für das Wohnzimmer gewesen sind, hat das
Gericht diese im einstweiligen Anordnungsverfahren, wie vom Antragsteller auch
geltend gemacht, berücksichtigt. Es wird im Hauptsacheverfahren zu klären sein,
welche Gardinen für welche Räume im einzelnen Streitgegenstand des Verfahrens sind.
Jedenfalls zeigt die Haltung der Antragsgegnerin, dass sie in keinster Weise gewillt ist,
dem Antragsteller Geld zur Anschaffung von Gardinen, gleichgültig für welche Räume,
zur Verfügung zu stellen, da sie diese aus der Regelleistung bestritten sehen will. Den
Antragsteller jedenfalls im einstweiligen Anordnungsverfahren zunächst erst wieder auf
das Verwaltungsverfahren zu verweisen hinsichtlich der Gardinen für das Wohnzimmer,
hält das Gericht angesichts der unveränderten Rechtsstandpunkte der Beteiligten nicht
für zumutbar.
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Auch hinsichtlich er Anschaffung einer bandscheibengerechten Matratze hat der
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Antragsteller nicht nur einen Anordnungsanspruch, sondern auch einen
Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Der Anordnungsanspruch ergibt sich aus § 23
Abs. 1 SGB II. Kann im Einzelfall ein von den Regelleistungen umfasster und nach den
Umständen unabweisbarer Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts weder durch
das Vermögen nach § 12 Abs. 2 Nr. 4 noch auf andere Weise gedeckt werden, erbringt
die Agentur für Arbeit bei entsprechendem Nachweis den Bedarf als Sachleistung oder
als Geldleistung und gewährt dem Hilfebedürftigen ein entsprechendes Darlehn. Bei
Sachleistungen wird das Darlehn in Höhe des für die Agentur für Arbeit entstandenen
Anschaffungswertes gewährt. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Die Matratze, über
die der Antragsteller verfügt, ist ausweislich des Vermerks auf den Bl. 416, 418
Verwaltungsakte nicht mehr zu verwerten. Es handelt sich um eine
Schaumstoffmatratze, zwei ca. 5 bis 6 cm dicke Schaumstoffmatten waren
übereinandergelegt und mit Stoff ummantelt. Der Stoff seitlich ist defekt, es handelte sich
um das Billigste vom Billigen. Sie steht im Keller des Antragstellers und er selbst schläft
auf dem Sofa. Dieses ist unzumutbar. Der Antragsteller benötigt eine Matratze, die er auf
sein Lattenrost legen kann, das eine Größe von 1,4 m x 2 m hat. Bei der Anschaffung
der Matratze handelt es sich um einen unabweisbaren Bedarf. Der Antragsteller ist nicht
in der Lage, diesen Bedarf aus eigenen Mitteln zu decken. Dieses hat er allein dadurch
nachgewiesen, dass er wiederholt bei der Antragsgegnerin um Beihilfen gebeten hat, da
ihm bedingt durch den Umzug und auch aus gesundheitlichen Gründen Kosten
entstanden waren, die es ihm nicht möglich gemacht haben, einen entsprechenden
Betrag zur Anschaffung einer neuen Matratze anzusparen. Hiervon geht auch die
Antragsgegnerin offensichtlich selbst aus, hat sie doch in der Vergangenheit wiederholt
überlegt und auch den Antragsteller entsprechend angehört, hinsichtlich eines etwaigen
unwirtschaftlichen Verhaltens des Antragstellers. Nach Aktenlage jedenfalls konnte sich
das Gericht nicht davon überzeugen, dass der Antragsteller sich unwirtschaftlich
verhalten hat, indem er bislang jedenfalls noch keine Beträge zur Anschaffung einer
neuen Matratze angespart hat. Tatsächlich jedenfalls verfügt der Antragsteller über kein
Geld zur Anschaffung, der unabweisbare Bedarf liegt damit vor. Dieser wird auch nicht
dadurch widerlegt, dass der Antragsteller Kosten für einen Telefonanschluss investiert
hat. Es ist nachvollziehbar und wirtschaftlich, einen Festnetzanschluss mit einer Flatrate
der teureren Nutzung eines Handys vorzuziehen. Das Gericht hält einen Betrag von
170,- EUR für angemessen, um eine Matratze anzuschaffen, die den Anforderungen
genügt, dem Antragsteller ein gesundes Schlafen gerade auch unter Berücksichtigung
seines ärztlicherseits bestätigten Wirbelsäulen- und Bandscheibenleidens zu
ermöglichen. So führt der behandelnde Orthopäde Dr. I aus, der Antragsteller benötige
aufgrund einer orthopädischen Erkrankung eine bandscheibengerechte Matratze, um
eine Verschlimmerung der Beschwerden zu verhindern. Ausweislich von Recherchen
im Internet ist für eine ordentliche Federkernmatratze bei der Übergröße des Bettgestells
1,4 m x 2 m ein Betrag von 170,- EUR erforderlich. Eine Standardfederkernmatratze ist
zwar schon für den Preis von 119,- EUR zu erlangen, hierbei handelt es sich jedoch um
eine sehr einfache Ausführung, die dem ständigen Gebrauch nicht dienen soll.
Im einstweiligen Anordnungsverfahren dahingestellt bleiben mag, ob ein Anspruch des
Antragstellers auf Anschaffung der Matratze sich auch aus der Vorschrift des § 23 Abs. 3
Satz 1 Ziff. 1 SGB III ergibt nämlich deshalb, weil die bisherige Matratze des
Antragstellers, ungeachtet der Frage der Ersatzbeschaffung, möglicherweise als
Erstausstattung für die Wohnung zu sehen ist, weil der Antragsteller erstmals wegen
seines Wirbelsäulenleidens auf eine wirbelsäulenkonforme Matratze angewiesen ist.
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Eilbedürftigkeit ist zweifelsohne gegeben, da der Antragsteller derzeit gar nicht in einem
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Bett, sondern auf dem Sofa schläft, was das Gericht auf Dauer jedenfalls dann für
unzumutbar hält, wenn es sich nicht um ein Schlafsofa handelt.
Bei der vorstehenden Entscheidung ist das Gericht davon ausgegangen, dass der
Antragsteller im Wege des einstweiligen Anordnungsverfahrens nur die Frage der
Ausstattung mit Gardinen und die Anschaffung einer bandscheibengerechten Matratze
begehrt. Soweit der Antragsteller als Erstausstattung auch weitere Gegenstände geltend
gemacht hat, hat er auf Nachfrage des Gerichts nicht unmissverständlich zum Ausdruck
gebracht, dass diese auch Gegenstand des einstweiligen Anordnungsverfahrens sein
sollen. Das Gericht geht mit der Antragsgegnerin davon aus, dass es sich hierbei um
Gegenstände handelt, die ausschließlich das Hauptsacheverfahren betreffen und dort
streitig sind. Dieses gilt insbesondere deshalb, weil der Antragsteller hinsichtlich der
weiteren Gegenstände mit der Antragsschrift nichts vorgetragen hat. Seine
Eilbedürftigkeit hinsichtlich der Gewährung eines Wohnzimmerschrankes, der Lampen
für fünf Räume, einer Garderobe, eines Aliberts für das Badezimmer wäre zudem nicht
erkennbar. Sollte der Antragsteller auch diese Dinge zum Gegenstand des einstweiligen
Anordnungsverfahrens gemacht haben wollen, wäre der Antrag insoweit abzulehnen
gewesen, da ein Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht worden wäre.
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Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193
SGG.
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