Urteil des SozG Münster vom 29.06.2004

SozG Münster: ambulante behandlung, sachleistung, badekur, krankenkasse, aufspaltung, abrede, öffentlich, krankenversicherung, rechtskraft, behandlungskosten

Sozialgericht Münster, S 11 KR 127/04
Datum:
29.06.2004
Gericht:
Sozialgericht Münster
Spruchkörper:
11. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
S 11 KR 127/04
Sachgebiet:
Krankenversicherung
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Berufung
wird zugelassen.
Tatbestand:
1
Streitig ist ein Anspruch des Klägers auf Erstattung von Kosten einer stationären
Badekur.
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Diese war vom Kläger gem. § 12 Abs. 3 BVG bewilligt worden einer bei der Beklagten
versicherten Ehefrau eines Versorgungsberechtigten. Die Badekur fand statt vom
01.08.02 bis 29.08.02.
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Mit Schreiben vom 06.12.02 machte der Kläger gegenüber der Beklagten einen
Anspruch auf Kostenerstattung geltend. Diesen wies die Beklagte mit Schreiben vom
16.01.03 zurück mit der Begründung, der MDK sei zu der Beurteilung gekommen, die
vorzeitige Kur sei medizinisch nicht notwendig gewesen.
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Mit Schreiben vom 21.04.04 reduzierte der Kläger daraufhin seinen Erstattungsanspruch
auf die von der Beklagten ersparten Behandlungskosten am Wohnort. Auch dies lehnte
die Beklagte mit Schreiben vom 10.05.04 ab.
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Daraufhin hat der Kläger am 21.05.04 Klage erhoben mit dem Antrag,
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die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin die Aufwendungen für ambulante
Behandlungsmaßnahmen am Wohnort gem. § 18 c Abs. 5 Satz 2
Bundesversorgungsgesetz (BVG) zu erstatten, die sie dadurch erspart hat, dass die
Klägerin Behandlungsmaßnahmen bereits am Kurort C in der Zeit vom 01.08. bis
29.08.02 durchgeführt und bezahlt hat.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zu den Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte und die
Verwaltungsakten der Beteiligten Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Kammer konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil sich die Beteiligten
ausdrücklich damit einverstanden erklärt haben (§ 124 SGG).
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Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
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Die Kammer bleibt bei ihrer Rechtsauffassung im Urteil vom 30.10.01 - S 11 KR 203/00
(im Ergebnis ebs. Gerichtsbescheid SG Münster vom 10.07.01 - S 3 KR 10/01 -; Urt. SG
Münster vom 01.09.99 - S 3 KR 61/99 -).
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In § 18 c Abs. 2 BVG heißt es:
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"Erbringt ein anderer öffentlich-rechtlicher Leistungsträger eine Sachleistung ...nicht,
weil bereits aufgrund dieses Gesetzes eine Sachleistung gewährt wird, ist er
erstattungspflichtig, soweit er sonst Leistungen gewährt hätte."
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Die Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Eine stationäre Reha-Maßnahme hätte die
Beklagte gemäß § 40 nicht gewährt, bzw. nicht gewähren dürfen, weil eine ambulante
Behandlung am Wohnort zur Erreichung der in §§ 27, 11 SGB V beschriebenen Ziele
ausreichend gewesen wäre. Dies wird auch vom Kläger ausdrücklich außer Streit
gestellt und auch von der Kammer nicht bezweifelt.
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Daraus ergibt sich jedoch kein Anspruch auf Erstattung der Kosten der am Kurort
durchgeführten Behandlungsmaßnahmen. Zwar hätte u.U. die Beklagte diese
Behandlungen als Sachleistung am Wohnort erbracht, wenn sie nicht bereits während
der Kur erbracht worden wären, jedoch verbietet sich nach Auffassung der Kammer im
Rahmen des § 18 c Abs. 5 Satz 2 BVG eine solche Aufspaltung einer stationären
Rehabilitationsmaßnahme in deren Einzelbestandteile.
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Wie sich nicht zuletzt auch aus der in § 40 SGB V postulierten Rangfolge (ambulante
Behandlung, ambulante Reha, stationäre Reha) ergibt, stellt eine stationäre Reha-
Maßnahme eine ganzheitliche Leistung dar, die auch nur und gerade in ihrer
Ganzheitlichkeit erst geeignet ist, die in den §§ 27, 11 SGB V beschriebenen Ziele zu
erreichen. Das heißt, eine stationäre Badekur stellt in diesem Sinne gegenüber
ambulanten Behandlungen am Wohnort nicht nur ein Mehr an Behandlung dar, sondern
eine ihrer Natur nach andere Behandlung, bzw. völlig andere Sachleistung.
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Dass jedoch zwischen der erbrachten Leistung und der "ersparten" Leistung im Sinne
des § 18 c BVG zumindest eine gewisse Identität bestehen muss, hat auch das BSG im
Urteil vom 16.11.1999 (B 1 KR 17/98 R) nicht in Abrede gestellt.
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Jedenfalls kann nach Auffassung der Kammer die Versorgungsverwaltung keine
Kostenerstattung geltend machen, wenn der Krankenkasse aufgrund der nach dem BVG
erbrachten Leistung eine völlig andere Leistung erspart geblieben ist.
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Die Klage war daher abzuweisen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG i.V.m. § 197a SGG i.v.m. § 2 Abs. 1
GKG.
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Die Kammer hat die Berufung zugelassen, weil sie die hier entschiedene Frage für eine
grundsätzliche hält und die Versorgungsverwaltung zunehmend derartige (reduzierte)
Ansprüche im Klageweg geltend macht (s. Urt. v. 29.06.04, Az.: S 11 KR 55/04, S 11 KR
40/04, S 11 KR 98/04, S 11 KR 97/04, S 11 KR 94/04, S 11 KR 96/04, S 11 KR 100/04,
S 11 KR 116/04, S 11 KR 92/04, S 11 KR 36/04, S 11 KR 53/04, S 11 KR 56/04, S 11
KR 93/04, S 11 KR 140/04 und Urt. v. 27.07.04 - S 11 KR 126/04 - Parallelverf.)
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