Urteil des SozG Münster vom 01.12.2005

SozG Münster: krankenversicherung, tod, beerdigungskosten, streichung, essentialia, kostenregelung, ersetzung, betrug, rechtskraft, datum

Sozialgericht Münster, S 16 KR 22/05
Datum:
01.12.2005
Gericht:
Sozialgericht Münster
Spruchkörper:
16. Kammer
Entscheidungsart:
Gerichtsbescheid
Aktenzeichen:
S 16 KR 22/05
Nachinstanz:
Landessozialgericht NRW, L 16 KR 229/05
Sachgebiet:
Krankenversicherung
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten werden nicht
erstattet.
Tatbestand:
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Die Beteiligten streiten um Sterbegeld.
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Bei der Beklagten krankenversichert war die Ehefrau des Klägers. Diese verstarb am
21. Juli 2004. Den Antrag auf Sterbegeld lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 02.
August 2004 ab. Seit dem 01. Januar 2004 habe der Gesetzgeber die Zahlung von
Sterbegeld aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen gestrichen.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein. Die alte Sterbegeldregelung
der § 58, 59 SGB V alter Fassung würden für das Jahr 2004 noch fortgelten.
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Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12. Oktober
2004 als zulässig aber unbegründet zurück. Durch das am 01. Januar 2004 in Kraft
getretene Gesundheitsmodernisierungsgesetz (GMG) sei der Anspruch auf Sterbegeld
ohne Übergangsfrist nämlich für die Zeit ab des Inkrafttretens des
Gesundheitsmodernisierungsgesetztes am 01. Januar 2004 ersatzlos gestrichen
worden.
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Gegen diesen Widerspruchsbescheid und den Ausgangsbescheid richtet sich die mit
einem Widereinsetzungsgesuch verbundene am 30. März 2005 zunächst beim
Sozialgericht Detmold erhobene, später an das Sozialgericht Münster verwiesene
Klage, mit der der Kläger vorträgt, das Gesundheitsmodernisierungsgesetz habe die §§
58 und 59 SGB V nicht ausdrücklich aufgehoben. Vielmehr sei der Gesetzesabschnitt
neu gefasst und mit zwei neuen Paragraphen überschrieben worden. Die vormalige
Sterbegeldregelung der §§ 58 und 59 SGB V gelte daher für Versicherte noch im Jahre
2004 fort.
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Diese hier anstehende Rechtsfrage sei unter den Sozialgerichten und in der Literatur
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umstritten sowie auch Gegenstand mehrerer Musterverfahren.
Der Kläger beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen unter Abänderung ihres Bescheides vom 02. August 2004 in
der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Widerspruchsausschusses der Beklagten
vom 12. Oktober 2004 dem Kläger Sterbegeld nach Maßgabe der gesetzlichen
Bestimmungen zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt
der Gerichts- und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten.
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Entscheidungsgründe:
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Das Gericht kann gemäß § 105 Abs. 1 SGG einen Gerichtsbescheid erlassen. Nach
dieser Vorschrift kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch
Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten
tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Der
Gerichtsbescheid wirkt wie ein Urteil. Die Vorschriften über Urteile gelten entsprechend.
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Die Beteiligten sind zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid gehört worden. Die
Zustimmung der Beteiligten ist hierzu nicht erforderlich. Die Beteiligten haben sich
allerdings mit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid einverstanden erklärt.
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Die Klage, deren Zulässigkeit zweifelhaft ist, ist in der Sache jedenfalls nicht begründet.
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Beim Tod eines Versicherten nach dem 31. Dezember 2003 (hier 21. Juli 2004) besteht
kein Anspruch auf Sterbegeld.
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Seit dem Inkrafttreten zum 01. Januar 1989 enthielt das SGB V im Siebten Abschnitt des
Dritten Kapitels unter der Überschrift Sterbegeld zwei Vorschriften über die
Voraussetzungen und die Höhe des Anspruches auf Sterbegeld. Beim Tod eines
Versicherten erhielt nach diesen Vorschriften derjenige, der die Beerdigungskosten trägt
einen Zuschuss zu den Beerdigungskosten (Sterbegeld), wenn der Verstorbene am
01.Januar 1989 versichert war (§ 58 SGB V a.F.). Das Sterbegeld betrug beim Tod
eines Mitglieds zuletzt 525,- Euro (§ 59 SGB V a.F.)
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Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass es das Ziel des Gesetzgebers war, durch
das Gesetz zur Modernisierung des Gesundheitswesens (GMG) auch die Gewährung
des Sterbegeldes abzuschaffen, um zur Sicherung der Finanzierbarkeit des Systems
der gesetzlichen Krankenversicherung eine Einsparung von prognostizierten 400
Millionen Euro jährlich zu erreichen (Bundestags Drucks. 15/1525, S. 171).
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Der in diesem Zusammenhang vom Kläger vertretenen Ansicht, das Inkrafttreten der §§
58 Abs. 1, 2 und 4, 59 SGB V der neuen Fassung erst zum 01. Januar 2005 in
Verbindung mit dem Fehlen einer konkreten und separaten Aufhebung der alten
Regelungen bedeute, dass die §§ 58, 59 SGB V in der bisherigen Fassung bis zum
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31.Dezember 2004 fortgalten, vermag das Gericht nicht zu folgen.
Der Gesetzgeber hat mit dem GMG vom 14. November 2003 (BGBI. I S. 2190 ff.) den
Siebten Abschnitt des Dritten Kapitels des SBG V neu gefasst. Diese Neufassung des
Siebten Abschnittes trat zum 01. Januar 2004 in Kraft (Art. 37 Abs. 1 GMG). Nur die
neuen Regelungen der 55, 58 Abs. 1, 2 und 4 der neue § 59 traten über Art. 37 Abs. 8
GMG erst zum 01. Januar 2005 in Kraft. Durch die Neufassung des kompletten Siebten
Abschnitt durch das GMG wurde die alte Fassung des Siebten Abschnittes komplett
gelöscht und teilweise mit Wirkung bereits ab dem 01. Januar 2004, zum 01. Januar
2005 dann vollständig neu gefüllt (so auch SG Duisburg S 11 KR 133/04, Urteil vom 28.
Februar 2005 und SG Chemnitz Gerichtsbescheid vom 24. November 2004, Az.: S 13
KR 684/04). Durch die Neufassung, d.h. vollständige Ersetzung eines Abschnitts
werden die darin zuvor enthaltenen Regelungen automatisch aufgehoben, ohne dass es
einer zusätzlichen ausdrücklichen Aufhebung dieser Regelungen bedarf (so auch SG
Nürnberg, Gerichtsbescheid vom 19. November 2004, Az.: S 11 KR 506/04 und SG
Duisburg Urteil vom 28. Februar 2005, Az.: S 11 KR 133/04).
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Verdeutlicht wird die Aufhebung der Regelungen über das Sterbegeld auch noch durch
die zusätzliche Aufhebung der Regelung der § 11 Abs.1 Satz 2 SGB V und 21 Abs. 1
Nr. 5 SGB I. Diese bestimmten bisher, dass der Anspruch auf Sterbegeld zum
Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung gehörte. Diese Regelungen
wurden durch Art. 37 Abs.1 GMG ausdrücklich zum 01. Januar 2004 aufgehoben. Der
Gesetzgeber hat durch die Neufassung des Siebten Abschnittes und die ergänzende
Aufhebung der genannten Regelungen eindeutig und ausreichend bestimmt die
Regelungen über die Gewährung von Sterbegeld mit Wirkung zum 01. Januar 2004
aufgehoben. Eine Diskrepanz zwischen dem inneren und dem tatsächlich geäußerten
gesetzgeberischen Willen besteht nicht, eine ergänzende Auslegung der streitigen
Regelungen ist deshalb nicht notwendig. Mit anderen Worten: entgegen der Auffassung
des Klägers ist der Wille des Gesetzgebers, die alte Leistung, Sterbegeld, mit Wirkung
zum 01. Januar 2004 aufzuheben, durch das GMG umgesetzt worden. Die Regelungen
darüber sind ausreichend bestimmt, einer ergänzenden Auslegung nach dem Willen
des Gesetzgebers bedarf es daher aus Sicht des Gerichts schon von Ansatz her nicht.
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Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Streichung des Anspruchs auf Sterbegeld
bestehen, da Sterbegeld nicht zu den notwendigen Essentialia der
Krankenversicherung gehört, nicht und wurden auch von dem Kläger mit seiner Klage
nicht geltend gemacht.
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Die Kostenregelung folgt aus §§ 183, 193 SGG.
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