Urteil des SozG Münster vom 24.09.1998

SozG Münster (antrag, zulassung, kläger, öffentliches interesse, unterlagen, facharzt, treu und glauben, vollziehung, telefax, ehefrau)

Sozialgericht Münster, S 2 KA 18/98
Datum:
24.09.1998
Gericht:
Sozialgericht Münster
Spruchkörper:
2. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
S 2 KA 18/98
Sachgebiet:
Vertragsarztrecht
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Der Kläger hat dem Beklagten und dem Beigeladenen zu 1) vier Fünftel
ihrer außgerichtlichen Kosten zu erstatten. Im übrigen sind
außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
Tatbestand:
1
Der Kläger verlangt seine Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung als Facharzt für
Diagnostische Radiologie in N und wendet sich gegen die Zulassung des
Beigeladenen zu 1). Der XXXX geb. Kläger erhielt seine Approbation 1988 und bestand
die Prüfung als Facharzt für Diagnostische Radiologie 1996. Der XXXX geb.
Beigeladene zu 1) erhielt seine Approbation 1980 und seine Anerkennung als Facharzt
für Radiologische Diagnostik im Jahre 1992.
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Der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen für Westfalen-Lippe hatte durch
Beschluss vom 23.12.1994 festgestellt, dass für die Stadt Münster eine Überversorgung
für das Fachgebiet Radiologie vorlag, und den Bereich gesperrt.
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Nachdem sich Veränderungen in der örtlichen Versorgungslage ergeben hatten, hob
der Landesausschuss die Zulassungssperre durch Beschluss vom 25.07.1997 mit der
Maßgabe auf, dass Anträgen bis zum Erreichen des 110-prozentigen
Versorgungsgrades zu entsprechen seien, wobei über die Anträge auf Zulassung nach
Maßgabe der Reihenfolge ihres Einganges beim Zulassungsausschuss zu entscheiden
sei.
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Da der Versorgungsgrad seinerzeit 106,4 % betrug, konnte noch ein Facharzt für
Radiologie in Münster zugelassen werden.
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Der Beigeladene zu 1), der Kläger, die Ehefrau des Klägers und ein weiterer Radiologe
bewarben sich in der Folgezeit um den Facharztsitz in Münster.
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Am 23.08.1997 ging folgendes Schreiben des Beigeladenen zu 1) per Telefax beim
Zulassungsausschuss ein:
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"Sehr geehrte Damen und Herren, hiermit bewerbe ich mich auf den im Westfälischen
Ärzteblatt 97 per Beschluss vom 25.07.1997 freigewordenen Vertragsarztsitz in der
kreisfreien Stadt Münster.
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Meine Zulassungsunterlagen müssten Ihnen noch vorliegen. Für Rücksprachen stehe
ich Ihnen jederzeit zur Verfügung. Sollten Ihnen noch Unterlagen fehlen, bitte ich um
kurze Benachrichtigung.
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Mit freundlichen Grüßen"
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Dieses Schreiben enthielt im Briefkopf Namen und Anschrift des Beigeladenen zu 1),
aber nicht die Berufsbezeichnung Facharzt für Radiologie.
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Den Nachweis über seine Eintragung in ein Arztregister und die Teilnahme an einem
Einführungslehrgang sowie sein Führungszeugnis entnahm der Zulassungsausschuss
offenbar den Akten eines Verfahrens, in dem sich der Beigeladene zu 1) erfolglos um
die Zulassung als Facharzt für Radiologie in Recklinghausen beworben hatte. Die
Entscheidung des Zulassungsausschusses in jenem Verfahren war durch Beschluss
vom 10.07.1997 getroffen worden.
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Der Zulassungsausschuss forderte den Beigeladenen zu 1) durch Schreiben vom
01.09.1997 auf, bald möglichst das Antragsformular und die Erklärungen über die
Bereitschaft zur Teilnahme am Notfalldienst, sowie dass er nicht rauschgiftsüchtig sei,
einzureichen und die Gebühr einzuzahlen. Der formularmäßige Antrag und die
Erklärung des Beigeladenen zu 1) bezüglich des Notfalldienstes und der
Rauschgiftsucht tragen das Datum vom 04.09.1997; die Gebühr ist am 08.09.1997
eingegangen.
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Mit einem am 25.08.1997 morgens per Telefax eingegangenen Antrag verlangte der
Kläger seine Zulassung in Münster. Er wolle sich als Facharzt für Diagnostische
Radiologie in einer Gemeinschaftspraxis auf der W-T-Straße in Münster niederlassen.
Am Mittag des 25.08.1997 erschien der Kläger persönlich beim Zulassungsausschuss
und wiederholte seinen Antrag. Am 25.08.1997 gab er auch die Nachweise über seine
bisherige Tätigkeiten ab. Am 26.08.1997 ging sein Führungszeugnis beim
Zulassungsausschuss ein. Die Erklärung, dass er bereit sei, Notfalldienste zu versehen,
und nicht rauschgiftsüchtig sei, ging am 27.08.1997 beim Zulassungsausschuss ein und
seine Gebühr am 29.08.1997. Am 03.09.1997 nahm der Kläger an einem
Einführungslehrgang teil. Der Nachweis darüber ging am 04.09.1997 beim
Zulassungsausschuss ein, der ihn durch Schreiben vom 02.09.1997 um Vorlage der
noch fehlenden Unterlagen gebeten hatte.
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Der Zulassungsantrag der Ehefrau des Klägers ging am Nachmittag des 25.08.1997
und der des vierten Bewerbers am 03.11.1997 beim Zulassungsausschuss ein.
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Der Zulassungsausschuss der Ärzte und Krankenkassen für den Regierungsbezirk
Münster entschied auf Grund von drei Beschlüssen vom 18.12.1997 durch drei
Bescheide vom 19.01.1998, dass der Beigeladene zu 1) für Münster für den Praxissitz
T-Straße zur vertragsärztlichen Versorgung als Facharzt für Radiologische Diagnostik
zugelassen und dass die Anträge des Klägers und seiner Ehefrau abgelehnt würden.
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass nur einem Antrag hätte stattgegeben werden
dürfen. Da der Antrag des Beigeladenen zu 1) eher gestellt worden sei als der Antrag
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des Klägers und der Ehefrau des Klägers, seien deren Anträge abzulehnen gewesen.
Mit dem am 22.12.1997 eingegangenen Widerspruch wandte sich der Kläger sowohl
gegen die Zulassung des Beigeladenen zu 1) als auch gegen die eigene
Nichtzulassung. Er vertrat im Widerspruchsverfahren die Auffassung, dass es keine
Rechtsgrundlage dafür gebe, über die Anträge nach der Reihenfolge ihres Einganges
zu entscheiden. Außerdem trug er vor, dass der Antrag des Beigeladenen zu 1) nicht die
Angabe enthalten habe, für welchen Vertragsarztsitz und welches Fachgebiet sich der
Beigeladene zu 1) bewerbe. Seinerzeit sei in Münster nämlich auch eine Zulassung als
praktischer Arzt möglich gewesen.
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Die Ehefrau des Klägers erhob ebenfalls Widerspruch gegen die Zulassung des
Beigeladenen zu 1) und die eigene Nichtzulassung.
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Der Beklagte wies durch Bescheid vom 02.04.1998 auf Grund eines Beschlusses vom
10.03.1998 die Widersprüche des Klägers und seiner Ehefrau zurück. Er ordnete
bezüglich der Zulassung des Beigeladenen zu 1) die sofortige Vollziehung an und
entschied, dass der Kläger und seine Ehefrau dem Beigeladenen zu 1) dessen Kosten
zu erstatten haben. Zur Begründung wurde ergänzend ausgeführt, dass der Antrag des
Beigeladenen zu 1) wirksam gewesen sei, weil aus ihm hervorgehe, dass er sich in
Münster als Radiologe niederlassen wolle.
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Mit der am 15.04.1998 bei Gericht eingegangenen Klage wendet sich der Kläger gegen
die Entscheidung des Beklagten. Seine Ehefrau wendet sich mit der Klage S 2 KA
20/98 nur gegen die Verpflichtung, dem Beigeladenen zu 1) Kosten zu erstatten.
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Auf Antrag des Klägers hat das Gericht durch Beschluss vom 04.06.1998 - Az.: S 2 KA
19/98 ER - die Vollziehung des Bescheides der Beklagten vom 02.04.1998 auf Grund
des Beschlusses vom 10.03.1998 einstweilen bis zur Entscheidung in der Hauptsache
ausgesetzt.
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Der Kläger vertritt nunmehr auch die Auffassung, dass es auf die Reihenfolge ankomme,
in der die Anträge beim Zulassungsausschuss eingegangen sind. Er meint, sein Antrag
sei vorrangig gewesen, weil er zuerst alle Unterlagen eingereicht habe. Das müsse
jedenfalls dann maßgeblich sein, wenn es mehrere Bewerber gebe.
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Der Kläger bezweifelt, dass das per Telefax übersandte Schreiben des Beigeladenen
zu 1) vom 23.08.1997 überhaupt ein wirksamer Antrag war. Die Schriftform sei
vorgeschrieben. Wenn auch bei Rechtsmitteln davon ausgegangen werde, dass die
Schriftform durch ein Telefax gewahrt werde, so sei das doch bei besonders wichtigen
Willenserklärungen - wie einer Vollmacht für ein einseitiges Rechtsgeschäft oder einer
Bürgschaftserklärung - nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nicht der
Fall. Deshalb könne auch die Einreichung eines Telefaxes nicht als wirksamer Antrag
auf Zulassung gesehen werden.
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Außerdem müsse im Antrag angegeben werden, unter welcher Arztbezeichnung für
welchen Facharztsitz man sich bewerbe. Die Arztbezeichnung des Beigeladenen zu 1)
gehe aus dem Telefax vom 23.08.1997 nicht hervor.
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Der Antrag des Beigeladenen zu 1) habe die wesentlichen Unterlagen, die einem
Zulassungsantrag beizufügen seien, nicht enthalten. Es sei nicht zulässig, die
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Antragsunterlagen beim Zulassungsausschuss zu hinterlegen und dann, sobald eine
Zulassungssperre aufgehoben werde, darauf zurückzukommen.
Die Grundsätze eines fairen Verfahrens seien nur gewährt, wenn man davon ausgehe,
dass derjenige den ersten Antrag gestellt habe, dessen Antragsunterlagen zuerst
vollständig gewesen seien. Die Unterlagen des Klägers seien mit dem Eingang der
Bestätigung über die Teilnahme an dem Einführungslehrgang am 04.09.1997 eher als
die des Beigeladenen zu 1) vollständig beim Zulassungsausschuss gewesen.
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Der Kläger hält im übrigen die Kostenentscheidung des Beklagten für zu ungenau und
für falsch. Selbst wenn das Bundessozialgericht entschieden habe, dass in einer
Zulassungssache dem Arzt, der sich gegen den Widerspruch von Krankenkassen
gegen seine Zulassung erfolgreich gewehrt habe, von den Krankenkassen die Kosten
zu erstatten seien, so folge er dieser Rechtsprechung nicht. Sie könne aber auch nicht
auf den Fall angewendet werden, dass ein Arzt Widerspruch gegen die Zulassung eines
anderen Arztes erhoben habe.
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Der Kläger beantragt,
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den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 02.04.1998 zu verpflichten, ihn als
Facharzt für Diagnostische Radiologie in Münster zur vertragsärztlichen Versorgung
zuzulassen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er hält den Antrag des Beigeladenen zu 1) für wirksam. Ebenso wie bei Rechtsmitteln
müsse auch ein Antrag, in einem Verwaltungsverfahren durch Telefax als ausreichend
angesehen werden. Da Anträge nach § 16 des 1. Sozialgesetzbuches noch
vervollständigt werden könnten, reiche es, dass der Beigeladene auf seine bereits dem
Zulassungsausschuss vorliegenden Unterlagen Bezug genommen und die restlichen
Unterlagen bis zur Entscheidung des Zulassungsausschusses eingereicht habe. Damit
habe der Beigeladene zu 1) einen vollständigen wirksamen Antrag zeitlich früher als der
Kläger und die beiden anderen Bewerber gestellt.
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Der Beigeladene zu 1) beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Nach seiner Meinung ist die Angabe eines genauen Vertragsarztsitzes bei Stellung des
Antrages nicht erforderlich. Vielmehr müsse es ausreichen, dass er zunächst den Antrag
nur für Münster gestellt habe und sich dann später entschieden habe, wo er die Praxis
eröffnen wollte. Dass der Antrag für eine Zulassung als Facharzt für Radiologie gestellt
worden sei, ergebe sich durch die Bezugnahme auf den früheren Antrag, der dem
Zulassungsausschuss vorgelegen habe.
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Im übrigen komme es nicht auf die Reihenfolge der Anträge an. Vielmehr müssten die
Grundsätze über die Auswahl mehrerer Bewerber, wie sie im § 103 Abs. 4 Satz 4 des 5.
Sozialgesetzbuches (SGB V) für eine Praxisnachfolge aufgestellt seien, auch hier
Anwendung finden. Das führe dazu, dass der Antrag des Beigeladenen zu 1) dem des
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Klägers vorgegangen sei, weil er schon länger approbiert und Facharzt sei.
Die Beigeladenen zu 3) und 7) beantragen,
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die Klage abzuweisen.
38
Sie schließen sich dem Vorbringen des Beklagten an.
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Die Beigeladenen zu 4) und 5) stellen keinen Antrag.
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Die Beigeladenen zu 2), 6) und 8) haben sich im Termin zur mündlichen Verhandlung
nicht vertreten lassen.
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Die Beigeladene zu 6) hat schriftsätzlich Klageabweisung beantragt.
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Die Beigeladenen zu 2) und 8) haben sich auch schriftsätzlich nicht geäußert. In der
ordnungsgemäßen Terminsmitteilung waren sie darauf hingewiesen worden, dass im
Falle ihres Ausbleibens ohne sie verhandelt und entschieden werden könne.
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Der Beigeladene zu 1) beantragt weiter,
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die sofortige Vollziehung der Entscheidung des Beklagten bezüglich seiner Zulassung
wieder herzustellen.
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Der Beklagte schließt sich diesem Antrag an.
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Sie meinen, dass es eilbedürftig sei, klare Verhältnisse zu schaffen und festzulegen, wer
nun als Facharzt für Diagnostische Radiologie in Münster tätig werden dürfe.
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Der Kläger beantragt,
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den Antrag des Beigeladenen zu 1) bezüglich der sofortigen Vollziehung
zurückzuweisen.
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Er bezieht sich auf die Gründe des Beschlusses des Gerichtes in dem Verfahren S 2 KA
19/98 ER.
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Die übrigen Beigeladenen haben sich zu dem Antrag auf sofortige Vollziehung nicht
geäußert.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt
der von ihnen eingereichen Schriftsätze verwiesen. Bezug genommen wird auf die
Verwaltungsakten des Beklagten, deren Inhalt, soweit er entscheidungserheblich ist,
Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
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Entscheidungsgründe:
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Trotz Ausbleibens der Beigeladenen zu 2), 6) und 8) konnte das Gericht verhandeln und
entscheiden, weil sie in den ordnungsgemäßen Terminsmitteilungen auf diese
Möglichkeit hingewiesen worden waren.
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Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig, aber unbegründet.
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Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zulassung als Vertragsarzt für Diagnostische
Radiologie in Münster. Vielmehr ist zu Recht der Beigeladene zu 1) zugelassen und der
Zulassungsantrag des Klägers abgelehnt worden. Auch die vom Beklagten bezüglich
des Klägers getroffene Kostenentscheidung ist rechtmäßig, so dass der Kläger durch
den Bescheid des Beklagten vom 02.04.1998 auf Grund des Beschlusses vom
10.03.1998 nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert
ist.
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Mit dem Beschluss des Landesausschusses der Ärzte und Krankenkassen für
Westfalen-Lippe vom 25.07.1997 wurde die Zulassungssperre für den Planungsbereich
Münster für das Fachgebiet der Radiologie aufgehoben. Zugleich wurde gemäß Nr. 23
des 4. Abschnittes der Bedarfsplanungs-Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte
und Krankenkassen vom 09. März 1993 i.d.F. vom 08.07.1997 der
Aufhebungsbeschluss mit der Auflage versehen, dass Zulassungen nur in einem
solchen Umfang erfolgen dürften, bis für die Arztgruppe Überversorgung eingetreten sei
und dass über die Anträge nach Maßgabe der Reihenfolge ihres Eingangs beim
Zulassungsausschuss zu entscheiden sei.
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Daraus folgte, dass für Münster mit einem Versorgungsgrad von 106,4 % nur eine zu
besetzende Stelle für Radiologen frei wurde. Dieser Beschluss wurde im Westfälischen
Ärzteblatt veröffentlicht. Nach § 16 b Abs. 2 der Zulassungsverordnung für Ärzte (ZV-Ä)
hat diese Entscheidung verbindliche Wirkung für die Zulassungsgremien.
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Nr. 23 der Bedarfsplanungs-Richtlinien verstößt nicht gegen höherrangiges Recht. Nach
§ 103 Abs. 1 SGB V i.d.F. des Gesundheitsstrukturgesetzes (GSG) vom 21.12.1992
(BGBl. I 2266) hat der Landesausschuss nach den Vorschriften der ZV-Ä und unter
Berücksichtigung der Bedarfsplanungs-Richtlinien des Bundesausschusses
Zulassungsbeschränkungen anzuordnen, wenn er festgestellt hat, dass eine
Überversorgung vorliegt. Nach § 103 Abs. 3 SGB V hat er diese
Zulassungsbeschränkungen aufzuheben, wenn die Voraussetzungen für eine
Überversorgung entfallen sind.
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Gemäß § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 9 und § 101 SGB V sind die Bundesausschüsse zum Erlass
von Richtlinien über die Bedarfsplanung ermächtigt. Gegen die Übertragung der
Befugnisse zur Normenkonkretisierung auf ein Gremium der gemeinsamen Verwaltung
von Ärzten und Krankenkassen bestehen keine Bedenken (vgl. z.B. BSG SozR 3 -
2500, § 92 Nr. 6).
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Das Gericht folgt der Rechtsprechung des BSG ebenfalls hinsichtlich der Frage, dass
räumliche Zulassungsbeschränkungen bei vertragsärztlicher Überversorgungssituation
nicht gegen Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes verstoßen (vgl. z.B. BSG SozR 3 - 2500,
§ 103 Nr. 1), weil es sich jedenfalls, so lange es noch Gebiete gibt, die nicht wegen
Überversorgung gesperrt sind, nicht um eine objektive Sperre für die Zulassung als
Vertragsarzt handelt. Vielmehr ist nur die Wahl des Ortes für eine Vertragsarztzulassung
eingeschränkt.
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Zwar bestimmt § 103 SGB V nur, unter welchen Voraussetzungen
Zulassungsbeschränkungen zu beschließen und wieder aufzuheben sind. Diese
Befugnis umfasst aber auch das Recht der Landesausschüsse, die Aufhebung der
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Zulassungssperre mit einer Auflage zu versehen, die sicherstellt, dass Zulassungen nur
in einem solchen Umfang erfolgen dürfen, bis für die Arztgruppe Überversorgung
eingetreten ist. Das ergibt sich aus Sinn und Zweck, dem Zusammenhang und auch der
Vorgeschichte der Regelung über die Zulassungsbeschränkung wegen Überversorgung
(vgl. dazu Urteil des Bayerischen Landessozialgerichtes vom 26.11.1997 - L 12 Ka
141/96). Nur durch eine Begrenzung eines möglichen Umfanges von Neuzulassungen
auf eine Zahl, die bis zum erneuten Eintritt der Überversorgung frei ist, kann verhindert
werden, dass bei Aufhebung von Zulassungsbeschränkungen auf Grund einer Vielzahl
von neu gestellten Anträgen eine massive Überversorgung eintritt, bevor der
Landesausschuss erneut Zulassungsbeschränkungen anordnen kann.
Da bei der Aufhebung der Zulassungssperre wegen Überversorgung und auch bei der
partiellen Aufhebung nur für einen Vertragsarztsitz zunächst einmal keine
Zulassungssperre mehr vorliegt, können die Kriterien, die § 103 Abs. 4 S. 4 SGB V für
die Praxisnachfolge aufstellt, keine Anwendung finden, sondern es ist nicht zu
beanstanden, dass maßgeblich für die Entscheidung über die Zulassung die
Reihenfolge der Anträge ist (vgl. Bay. LSG a.a.O).
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Nach Maßgabe dieser Bestimmungen ist zu Recht der Beigeladene zu 1) als Facharzt
für Radiologie in Münster zugelassen worden.
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Sein Antrag ist am 23.08.1997 wirksam und damit eher als der des Klägers und seiner
Ehefrau (25.08.97) und des vierten Bewerbers (03.11.1997) gestellt worden.
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Nach § 95 Abs. 2 S. 1 SGB V setzt ein Antrag auf Zulassung nur die Eintragung ins
Arztregister voraus, die bei dem Beigeladenen zu 1) vorlag.
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Das Nähere ist gem. § 95 Abs. 2 S. 4 SGB V in der ZV-Ä zu regeln. Nach § 18 Abs. 1 S.
1 u. 2 ZV-Ä muss ein Antrag schriftlich sein und angeben, unter welcher
Arztbezeichnung für welchen Facharztsitz die Zulassung beantragt wird.
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Diesen Anforderungen entspricht der Antrag des Beigeladenen zu 1). Durch die
Übermittlung des Telefaxes ist die Schriftform gewahrt, denn es handelt sich bei dem
Telefax um eine Kopie des Schreibens, das der Beigeladene zu 1) in das Telefaxgerät
eingegeben hat und das von ihm unterschrieben war. Wenn auch wegen des
besonderen Schutzbedürfnisses bei Bürgschaftserklärungen und Vollmachten für
einseitige Willenserklärungen ein Telefax nicht ausreichend sein mag, so sind derartig
strenge Anforderungen an einen Antrag auf Eröffnung eines Verwaltungsverfahrens, d.
h. der Entscheidung über die Zulassung, nicht zu stellen. Ebenso wie es z. B. für eine
Klage, die gem. § 90 SGG auch schriftlich oder zur Niederschrift zu erheben ist,
ausreichend ist, wenn die Klage per Telefax eingereicht wird (vgl. Meyer - Ladewig, 6.
Aufl., § 90 SGG, Rdnr. 5 a), muß dies auch für die Antragstellung in einem
Verwaltungsverfahren gelten.
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Aus dem Telefax des Beigeladenen zu 1) ergibt sich, dass er sich für einen
Vertragsarztsitz in Münster bewirbt, und durch die Bezugnahme auf seinen früheren
Zulassungsantrag, über den der Zulassungsausschuss wenige Wochen vorher
entschieden hat, ergibt sich auch, dass er sich als Facharzt für Radiologie bewirbt und
nicht etwa als praktischer Arzt. Ein Antrag auf Zulassung ist eine empfangsbedürftige
Willenserklärung, die so auszulegen ist, wie der Empfänger sie nach Treu und Glauben
unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste (vgl. Palandt-Heinrichs, 56.
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Aufl., § 133 BGB, Rdnr. 9 aa). Da das Verfahren vor dem Zulassungsausschuss, dem
Empfänger des Telefaxbriefes des Beigeladenen zu 1), erst wenige Wochen vorher
stattgefunden hatte und sich die Unterlagen noch beim Zulassungsausschuss befanden,
war mithin für den Zulassungsausschuss klar, dass sich der Beigeladene zu 1) ebenso
wie bei dem Zulassungsantrag für Recklinghausen auch für Münster als Vertragsarzt für
Radiologie bewerben wollte.
Nach § 18 Abs. 1 S. 3 und Abs. 2 ZV-Ä sind dem Antrag auf Zulassung gewisse
Unterlagen beizufügen. Daraus ist aber nicht der Schluss zu ziehen, dass kein
wirksamer Antrag vorliegt, bevor alle Unterlagen eingereicht sind. Antragsunterlagen
können ganz allgemein, wie sich aus § 16 Abs. 3 des 1. Sozialgesetzbuches (SGB I)
ergibt, noch vervollständigt werden.
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Im übrigen kann auch deshalb nicht verlangt werden, dass mit der Antragstellung gleich
alle Unterlagen eingereicht und die neue Praxisanschrift angegeben wird, weil zunächst
in dem Planungsbereich in Münster für Radiologie Zulassungsbeschränkungen
bestanden haben, die dann aufgehoben worden sind. Danach konnten die Anträge
sofort gestellt werden, und die Reihenfolge der Anträge war entscheidend. Da nicht
erwartet werden kann, dass jeder Arzt seine gesamten Unterlagen schon parat hat und
auch schon eine Praxisanschrift kennt, wenn - für ihn überraschend - eine
Zulassungssperre aufgehoben wird, muss ausreichend sein, wenn die Unterlagen dann
alsbald nachgereicht werden und auch baldmöglichst angegeben wird, wo genau die
Praxis betrieben werden soll (vgl. BSG SozR 3 - 2500 S 103 Nr. 1). Dem entsprechend
hat der Zulassungsausschuss den Beigeladenen und später auch den Kläger auch nur
aufgefordert, diese Unterlagen möglichst umgehend nachzureichen, aber nicht darauf
hingewiesen, dass von dem Eingang aller Unterlagen die Reihenfolge der
Antragstellungen abhängig gemacht werden sollte. Das wäre für ein faires Verfahren
aber jedenfalls erforderlich gewesen, wenn es auf die Reihenfolge des Eingangs der
gesamten Unterlagen ankommen sollte.
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Da der Beigeladene zu 1) alle Zulassungsvoraussetzungen erfüllt hat, die Zulassung für
einen Vertragsarztsitz für Radiologie in Münster noch möglich war und er den Antrag
wirksam als erster gestellt hat, hat der Zulassungsausschuss ihn somit zu Recht
zugelassen und der Beklagte den dagegen vom Kläger erhobenen Widerspruch
zurückgewiesen.
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Obwohl auch der Kläger die Zulassungsvoraussetzungen erfüllt hat und einen
wirksamen Antrag gestellt hat, konnte er nicht zugelassen werden, weil ihm der Antrag
des Beigeladenen zu 1) vorging und nach Zulassung des Beigeladenen zu 1) nunmehr
wiederum die Zulassungssperre für den Bereich Radiologie in Münster eingetreten ist,
an die die Zulassungsgremien gem. § 16 b Abs. 2 ZV-Ä gebunden sind.
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Der angefochtene Bescheid des Beklagten ist auch hinsichtlich der
Kostenentscheidung, soweit er den Kläger betrifft und von ihm angefochten ist,
rechtmäßig. Der Kläger ist danach verpflichtet, dem Beigeladenen zu 1) dessen Kosten
für das Widerspruchsverfahren zu erstatten. Der Anspruch des Beigeladenen zu 1)
ergibt sich aus entsprechender Anwendung von § 63 Abs. 1 S. 1 SGB X.
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Zwar hatte der Zulassungsausschuss dem Antrag des Beigeladenen zu 1) auf
Zulassung bereits stattgegeben, so dass der Beigeladene zu 1) nicht Widerspruch
eingelegt hat, sondern der Kläger. Nach dem Wortlaut von § 63 Abs. 1 S. 1 SGB X
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kommt deshalb eine Kostenerstattung für den Beigeladenen zu 1) nicht in Betracht.
Normzweck des § 63 SGB X und die Interessenlage des Beigeladenen zu 1) gebieten
aber die analoge Anwendung dieser Vorschrift auf den vorliegenden Fall, in dem nicht
er, sondern der Kläger Widerspruch gegen seine Zulassung eingelegt hat und der
Beigeladene zu 1) in dem Vorverfahren erfolgreich war, weil der Widerspruch des
Klägers vom Beklagten zurückgewiesen worden ist.
§ 63 SGB X ist auf den Fall direkt anzuwenden, dass eine Behörde einen den Bürger
belastenden Verwaltungsakt auf Grund dessen Widerspruchs im Widerspruchsverfahren
zurücknimmt und eine für ihn günstige Widerspruchsentscheidung trifft. Die
Kostenerstattung für den vorliegenden Fall, in dem Drittbeteiligte ein
Widerspruchsverfahren in Gang setzen können, und so ein für den Beigeladenen zu 1)
begünstigender Verwaltungsakt im Widerspruchsverfahren in einen für ihn belastenden
hätte umgewandelt werden können, ist im Gesetz nicht geregelt.
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Die Interessenlage eines erfolgreich Widerspruch Einlegenden entspricht aber
derjenigen des Beigeladenen zu 1), der mit seinem Rechtsbegehren, nämlich den
Widerspruch des Klägers zurückzuweisen, obsiegt hat, so vollständig, dass eine
Ungleichbehandlung nicht gerechtfertigt wäre. Vielmehr gebietet die Gleichheit der
Interessenlage die analoge Anwendung des § 63 SGB X auf den vorliegenden Fall (vgl.
BSG vom 18.12.1996 - 6 RKa 33/95 -).
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Verpflichtet zur Kostenerstattung ist nicht der Beklagte oder der Zulassungsausschuss.
Sie haben übereinstimmend für den Beigeladenen zu 1) positiv entschieden und dessen
Kosten im Widerspruchsverfahren nicht veranlasst. In einem derartigen Fall ist es
gerechtfertigt, dass derjenige, der das Widerspruchsverfahren veranlasst hat, dem
erfolgreichen Widerspruchsführer die Kosten erstattet (vgl. BSG aaO).
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Es ist kein Grund dafür ersichtlich, dass dies unterschiedlich sein soll, je nach dem ob
Krankenkassen oder ein Mitbewerber Widerspruch gegen eine Zulassung eingelegt
haben, zumal auch im gerichtlichen Verfahren der Kläger verpflichtet werden kann, dem
Beigeladenen, also dem Mitbewerber, gegen dessen Zulassung er sich gewandt hat,
Kosten zu erstatten, und die Kosten eines notwendigen Vorverfahrens zu den
erstattungsfähigen Kosten i.S. des § 193 SGG gehören.
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Entgegen der Meinung des Klägers ist die Kostenentscheidung auch nicht ungenau. Sie
bezieht sich auf die Kosten des Beigeladenen zu 1) im Widerspruchsverfahren, nicht
dagegen auf dessen Kosten in dem Verfahren betreffend vorläufigen Rechtsschutz - S 2
Ka 113/97, für das das Gericht eine Kostenentscheidung getroffen hat.
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Nach alle dem ist die Klage insgesamt unbegründet.
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Der Antrag des Beigeladenen zu 1) und des Beklagten, den Sofortvollzug wieder
anzuordnen, ist aber nicht begründet, weil die sofortige Vollziehung der Entscheidung
des Beklagten aus Gründen des öffentlichen Interesses nicht geboten ist.
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Wie sich aus § 97 Abs. 1 Ziff. 4 SGG ergibt, hat die Klage gegen eine Entscheidung der
Zulassungsgremien in Zulassungssachen in der Regel aufschiebende Wirkung.
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Zwar kann der Beklagte gem. § 97 Abs. 4 SGB V die sofortige Vollziehung seiner
Zulassungsentscheidung anordnen, wenn er dies im öffentlichen Interesse für geboten
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hält. Da sich sowohl aus den Vorschriften des SGB V als auch aus § 97 SGG ableiten
lässt, dass der Sofortvollzug die Ausnahme bei einer Zulassungsentscheidung ist, ist
ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung Voraussetzung,
welches über dasjenige hinausgeht, das den Verwaltungsakt rechtfertigt (so
ausdrücklich BVfGE 69, 233, 245).
Ein besonderes öffentliches Interesse an der Vollziehung der Zulassung des
Beigeladenen zu 1) vor Rechtskraft der Entscheidung besteht nicht, wie das Gericht
bereits in dem Beschluss vom 04.06.1998 (S 2 KA 19/98 ER) entschieden hat. Auf die
Gründe dieses Beschlusses wird Bezug genommen.
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Gründe öffentlichen Interesses sind nach wie vor nicht ersichtlich. Wenn ohne die
Zulassung des Beigeladenen zu 1) bereits ein Versorgungsgrad von über 100 % für das
Fachgebiet Radiologie in Münster gegeben war, so ist die Versorgung der versicherten
Bevölkerung durch die übrigen in dem Planungsbereich niedergelassenen Ärzte für
Radiologie sichergestellt.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus den §§ 193, 183 SGG, insbesondere aus § 193
Abs. 4 SGG, und berücksichtigt, dass der Kläger bezüglich der Hauptsache, der
Beigeladene zu 1) und der Beklagte bezüglich des Antrages, die sofortige Vollziehung
wieder anzuordnen, unterlegen sind.
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