Urteil des SozG Münster vom 23.04.2003

SozG Münster: unternehmen, ratio legis, restriktive auslegung, finanzielle beteiligung, rechtsform, stammkapital, bgf, markt, luftfahrt, flughafen

Sozialgericht Münster, S 13 U 276/00
Datum:
23.04.2003
Gericht:
Sozialgericht Münster
Spruchkörper:
13. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
S 13 U 276/00
Sachgebiet:
Unfallversicherung
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
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Die Klägerin begehrt die Übernahme in die Zuständigkeit des
Gemeindeunfallversicherungsverbandes Westfalen-Lippe - GUVV - (Beigeladenen zu
1)).
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Die am 00.00.1999 gegründete Klägerin - G N P B T GmbH - mit Sitz in H nahm ihre
Tätigkeit am 00.00.1999 auf. Gemäß § 2 des Gesellschaftsvertrages ist Gegenstand des
Unternehmens die Erbringung land- und luftseitiger Abfertigungsleistungen mit dem
Schwerpunkt der Flugzeugabfertigung sowie sonstiger zur Förderung dieser Zwecke
erforderlicher Dienstleistungen. Das Stammkapital der Klägerin in Höhe von 250.000,00
Euro wurde in voller Höhe von der GNP N1-P1 GmbH übernommen. Gegenstand
dieses Unternehmens ist die Einrichtung und der Betrieb des Verkehrflughafens N1-P1
sowie die Förderung der zivilen Luftfahrt und des Flugsportes. Das Stammkapital beträgt
00.000.000,00 DM. Gesellschafter dieses Unternehmens sind: Stadtwerke N1 GmbH,
Stadtwerke P1 AG, Beteiligungsgesellschaft des Kreises T1 mbH, H Verkehrs GmbH, C
Beteiligungs- und Vermögensgesellschaft mbH, Landkreis P1, Kreis X, Kreis C1, Kreis
D, Landkreis C2, Industrie- und Handelskammer zu N1, Industrie- und Handelskammer
P1, Handwerkskammer N1, Handwerkskammer P1, G N P M GmbH H.
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Die Klägerin ist Mitglied der Berufsgenossenschaft für Fahrzeughaltungen - BGF -
(Beigeladene zu 2)). Mit Schreiben vom 12.05.1999 beantragte sie die Übernahme in
die Zuständigkeit der GUVV nach § 129 Abs. 3 SGB VII. Zur Begründung wurde
ausgeführt: Alleinige Gesellschafterin der Klägerin sei die G N P N1-P1 GmbH, deren
Stammkapital mehrheitlich von Kommunen und deren Gesellschaften gehalten würde.
Insofern sei eine überwiegende Beteiligung der öffentlichen Hand im Sinne der obigen
Vorschrift gegeben. Die G N P N1-P1 GmbH sei Mitglied des GUVV. Durch Erlass des
Innenministers NRW am 03.10.1967 (III. A4 - 1677/67) sei sie als ein Unternehmen im
Sinne des § 657 Abs. 1 Nr. 2 RVO bezeichnet worden. Träger der Unfallversicherung
sei der GUVV. Nach dem Unternehmensgegenstand der Klägerin würden
ausschließlich logistische Dienstleistungen für die "Muttergesellschaft" G N P N1-P1
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GmbH ausgeübt; Tätigkeiten, die diese bislang selbst wahrgenommen habe. Ein
Engagement an über diesen gesamtunternehmerischen Bereich hinausgehenden
Märkten erfolge nicht. Insofern liege eine vorrangig der Gewinnerzielungsabsicht
dienende, erwerbswirtschaftliche Betätigung nicht vor. Gemäß der Richtlinie 76/67/EG
des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 15.10.1996 seien die Mitgliedstaaten
zu einer Öffnung des Marktes der Bodenabfertigungsdienste auf den Flughäfen der
Gemeinschaft verpflichtet. Diese Richtlinie sei in Deutschland auf Basis der
gesetzlichen Ermächtigung in § 32 Abs. 1 Nr. 3 a des Luftverkehrsgesetzes durch die
Bodenabfertigungsdienst-Verordnung (BADV) vom 10.12.1997 umgesetzt worden. Die
BADV regele den freien Zugang zum Markt der Bodenabfertigungsdienste. Sie
unterscheide zwischen Selbstabfertigungen und Dienstleistungen von
Bodenabfertigungsdiensten. Als Dienstleister von Bodenabfertigungsdiensten könnten
nunmehr neben den Bodenabfertigungsdiensten der Flughafengesellschaften zukünftig
die Luftverkehrsgesellschaften als Selbst- oder Drittabfertiger oder dritte Dienstleister
auftreten. Voraussetzung für die Ausübung von Bodenabfertigungsdiensten durch
Dienstleister oder Selbstabfertigung sei der Abschluss eines Vertrages über die
Nutzung des Flughafens und seiner Einrichtungen, soweit dies zur Ausübung des
jeweiligen Bodenabfertigungsdienstes erforderlich sei. Für die Flughäfen bestehe
insoweit Abschlusszwang. Dienstleister oder Selbstabfertiger dürften nicht
ungerechtfertigt am freien Zugang zum Markt der Bodenabfertigungsdienste gehindert
werden (§ 9 Abs. 2 BADV). Diese rechtlichen Rahmenbedingungen hätten die G N P
N1-P1 GmbH in eine Wettbewerbssituation gebracht, in der sie aufgrund der von den
Flughäfen angewendeten Tarifverträgen nicht nur den Verlust von Aufträgen, sondern
insbesondere auch den Wegfall von Arbeitsplätzen habe befürchten müssen. Zur
Sicherung der Arbeitsplätze sei daher das Unternehmen der Klägerin gegründet
worden. Die Personalverwaltung der Klägerin werde aber weiterhin durch die G N P N1-
P1 GmbH wahrgenommen. Auch praktische Gründe, nämlich nur einen
Unfallversicherungsträger als Ansprechpartner zu haben, würden daher dafür sprechen,
dass der GUVV der zuständige Unfallversicherungsträger auch für die Klägerin sei.
Mit Bescheid vom 03.08.2000 hat es der Beklagte abgelehnt, die Klägerin in die
Zuständigkeit der GUVV zu übernehmen. Zur Begründung wurde ausgeführt:
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1. Gemäß § 129 Abs. 3 SGB VII könne ein in selbstständiger Rechtsform betriebenes
Unternehmen in die Zuständigkeit eines Unfallversicherungsträgers im kommunalen
Bereich übernommen werden, wenn Gemeinden oder Gemeindeverbände allein oder
zusammen mit dem Land an dem Unternehmen überwiegend beteiligt seien oder auf
seine Organe einen ausschlaggebenden Einfluss ausüben würden. Bei Unternehmen in
privater Rechtsform sei stets eine überwiegende finanzielle Beteiligung der öffentlichen
Hand erforderlich, während der ausschlaggebende Einfluss auf das Unternehmen nur
für öffentlich-rechtliche Unternehmen maßgebend sein könne. Dies ergebe sich bereits
aus der bisherigen Auslegung des Begriffs der "überwiegenden Beteiligung" zu § 653
Abs. 1 Nr. 2 RVO und dem Unfallversicherungsneuregelungsgesetz (UVNG) aus dem
Jahre 1963. Das SGB VII habe an dieser Rechtslage nichts geändert. Die wirtschaftliche
Abhängigkeit eines rechtlich selbstständigen Unternehmens bedeute die Abhängigkeit
durch die überwiegende Beteiligung der Gemeinde oder des Landes mit
Haushaltsmitteln an dem Kapital des Unternehmens. Die Haushaltsmittel müssten dem
zu übernehmenden Unternehmen in der Regel direkt zufließen; allerdings reiche auch
ein mittelbarer Zusammenhang aus, insbesondere wenn die öffentlichen Hände das
Unternehmen mit eigenen Haushaltsmitteln überwiegend finanziere oder am
Unternehmenskapital überwiegend beteiligt sei. Das Stammkapital der Klägerin werde
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zu 100 % von der G N P N1-P1 GmbH gehalten. Eine unmittelbare überwiegende
Beteiligung der öffentlichen Hand mit Haushaltsmitteln am Kapital des Unternehmens
der Klägerin sei also nicht gegeben. Die Ermittlungen des Beklagten hätten allerdings
ergeben, dass eine überwiegende Beteiligung der öffentlichen Hand mit
Haushaltsmitteln am Kapital des Unternehmens der Klägerin mittelbar gegeben sei, so
dass die tatbestandliche Grundvoraussetzung für eine Übernahme der Klägerin
vorliege.
2. Unter der Voraussetzung des Vorliegens der tatbestandlichen Grundvoraussetzung
habe eine Übernahmeentscheidung durch die hierfür zuständige Stelle nach
pflichtgemäßem Ermessen zu erfolgen. Bei der Ermessensausübung sei allerdings zu
beachten, dass Unternehmen, die erwerbswirtschaftlich betrieben würden, nicht
übernommen werden sollen. Gemäß § 2 des Gesellschaftsvertrages sei Gegenstand
des Unternehmens der Klägerin die Erbringung land- und luftseitiger
Abfertigungsleistungen mit dem Schwerpunkt der Flugzeugabfertigung sowie sonstiger
zur Förderung dieser Zwecke erforderlicher Dienstleitungen. Durch die Richtlinie
96/97/EG des Rates der Europäischen Gemeinschaft sei der Markt der
Bodenabfertigungsdienste im Luftverkehr geöffnet worden. Das Unternehmen der
Klägerin stehe daher nunmehr im Wettbewerb mit anderen Unternehmen. Dieses
Wettbewerbsverhältnis gebe den Ausschlag dafür, dass die Klägerin
erwerbswirtschaftlich im Sinne des § 129 Abs. 3 Satz 2 SGB VII betrieben werde.
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3. Die ermessenslenkende Funktion der tatbestandlichen Voraussetzung
"Erwerbswirtschaftlichkeit" habe zur Folge, dass ein Abweichen von der dort
vorgesehenen Rechtsfolge nur bei einer sog. "atypischen Sachlage" möglich sei.
Derartige Vorschriften seien im Grundsatz ebenso verbindlich wie Muss-Vorschriften.
Ausnahmefälle wegen besonderer Umstände ließen jedoch ein Abweichen zu.
Eingeräumt werde lediglich eine enger Ermessensspielraum, so dass die Annahme
einer Erwerbswirtschaftlichkeit in der Regel zur Ablehnung des Antrages auf
Übernahme führe. Eine abweichende Entscheidung könne sich in Ausnahmefällen
dadurch ergeben, wenn der zuständige GUVV eine bessere Prävention gewährleisten
könne. Derartige Gründe seien aber weder vorgetragen worden noch erkennbar.
Insbesondere sei nicht erkennbar, dass besonders gewichtige und bedeutsame
organisatorische und fachliche Gründe für eine Betreuung und somit für eine
Versicherungspflicht durch den GUVV sprechen würden. Der Klägerin aber ohne
sachlichen Grund mögliche Wettbewerbsvorteile durch günstigere
Versicherungsbeiträge zu gewähren, sei rechtspolitisch nicht vertretbar. Bei Abwägung
der für eine Zuordnung zur gemeindlichen Unfallversicherung vorgetragenen
Gesichtspunkte mit denen, die für einen Verbleib bei der Fach-Berufsgenossenschaft
sprechen, bestehe somit kein Raum von der Regel-Zuständigkeit der gewerblichen
Berufsgenossenschaft abzuweichen. Träger der gesetzlichen Unfallversicherung sei die
BGF.
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Hiergegen hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 24.08.2000 Widerspruch eingelegt und
wie folgt vorgetragen: Soweit die ablehnende Entscheidung damit begründet werde,
dass die Klägerin erwerbswirtschaftlich betrieben werde, sei dies nicht richtig. Richtig
sei vielmehr, dass zwar durch die EG-Richtlinie 96/67/EG über den Zugang zum Markt
der Bodenabfertigungsdienste auf den Flughäfen der Gemeinschaft eine
Wettbewerbsituation auf der Luftseite der Flughäfen angestrebt werde. Die Öffnung des
Marktes sei jedoch an bestimmte Fluggast- bzw. Frachtaufkommensschwellen
gebunden. Nach § 1 Nr. 2 BADV würden die Bestimmungen für Dienstleister ab dem
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01.01.1999 (2.000.000 ab 01.01.2001) nur für solche Flugplätze gelten, die entweder
jährlich mindestens 3.000.000 Fluggäste oder 75.000 Tonnen Fracht zu verzeichnen
hätten. Ausweislich der Verkehrsergebnisse habe jedoch der Flughafen N1-P1 im Jahre
1999 ein Passagieraufkommen von knapp 1,6 Millionen Passagiere sowie ein
Frachtvolumen von rund 13.200 Tonnen aufzuweisen gehabt. Der Flughafen N1-P1
werde auch in den Jahren 2000 und 2001 diese vorgegebenen Schwellenwerte nicht
erreichen. Ein Wettbewerb finde daher in absehbarer Zeit nicht statt.
Mit Bescheid vom 23.11.2000 hat der Beklagte den Widerspruch der Klägerin als
unbegründet zurückgewiesen und zur Begründung ergänzend ausgeführt: Der Begriff
der Erwerbswirtschaftlichkeit müsse ohne Rücksicht auf Differenzierungen in anderen
Rechtsbereichen nach der unfallversicherungsrechtlichen Zielsetzung des § 129 Abs. 3
SGB VII ausgelegt werden. Danach sei als "erwerbswirtschaftlich" jedes in
selbstständiger Form betriebene kommunale Unternehmen anzusehen, dass in einem
Wettbewerb zu privatwirtschaftlichen Unternehmen trete oder treten könne. Das treffe zu
für alle Unternehmen und Einrichtungen, die auch von Privaten mit der Absicht der
Gewinnerzielung betrieben werden könnten. Gemäß § 2 des Gesellschaftsvertrages sei
der Gegenstand des Unternehmens der Klägerin die Erbringung land- und luftseitiger
Abfertigungsleistungen mit dem Schwerpunkt der Flugzeugabfertigung sowie sonstiger
zur Förderung dieser Zwecke erforderlicher Dienstleistungen.
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Dieser Unternehmensgegenstand werde sowohl mit der Absicht der Gewinnerzielung
betrieben als auch im Wettbewerb mit privaten Anbietern. Die in der BADV
angegebenen Schwellenwerte würden lediglich die zwingende Vergabe im Wettbewerb
von Bodenabfertigungsdiensten regeln. Die erwerbswirtschaftliche Ausrichtung des
Unternehmens i. S. d. § 129 Abs. 3 SGB VII bleibe hiervon unberührt. Dies würde auch
durch die tatsächlich bestehenden Verhältnisse in diesem Bereich bestätigt. Acht
Unternehmen seien allein von der BGF angeführt worden, die derartige
Dienstleistungen anbieten würden. Insofern hätten die in der Verordnung angegebenen
Schwellenwerte keine Aussagekraft hinsichtlich der Erwerbswirtschaftlichkeit eines
Unternehmens.
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Hiergegen hat die Klägerin am 20.12.2000 vor dem erkennenden Gericht Klage
erhoben.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 03.08.2000 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 23.11.2000 zu verurteilen, die Klägerin unter Beachtung
der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beigeladene zu 1) hat keinen Antrag gestellt.
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Der BGF teilt die Auffassung des Beklagten, wonach es sich bei der Klägerin um ein
erwerbswirtschaftlich betriebenes Unternehmen i. S. d. § 129 Abs. 3 SGB VII handele.
Der Gesellschaftsvertrag der Klägerin stelle sich nicht anders dar, als bei allen anderen
erwerbswirtschaftlich tätigen Unternehmen, lediglich mit der Besonderheit, dass
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Gesellschafter über die G N P N1-P1 GmbH die öffentliche Hand sei. Dem steigenden
Fluggastaufkommen sei dadurch Rechnung getragen worden, dass zwischenzeitlich
eine Erweiterung des Flughafens durchgeführt worden sei. Die Ausgliederung der
Bodendiensttätigkeiten für Luftfahrtunternehmen sei daher ein weiteres Indiz dafür, sich
den steigenden Anforderungen an diesen Regionalflughafen und seinen
Dienstleistungen im Abfertigungsbereich zu stellen. In den hier die Strategie verfolgt
werde, sich den steigenden Anforderungen zu stellen, entstehe zweifellos eine
Wettbewerbssituation auch für das Unternehmen der Klägerin. Die Tatsache, dass es
sich bei dem Gegenstand des Unternehmens um einen hochtechnischen,
kostenintensiven und vom Wettbewerbsgefüge beeinflussten Wirtschaftszweig handele,
lasse die Annahme, es handele sich bei dem Unternehmen der Klägerin um ein nicht
erwerbswirtschaftliches Unternehmen als nicht begründbare Behauptung erscheinen.
Selbst wenn zur Zeit ein direkter Wettbewerb auf dem Flughafen N1-P1 aufgrund der
bisher noch nicht erreichten Schwellenwerte nicht stattfinde, könne dies im
Umkehrschluss lediglich nur bedeuten, dass eine Wettbewerbssituation auf dem
Flughafen N1-P1 zwischen der Klägerin und weiteren Bewerbern grundsätzlich möglich
sei.
Von der BGF werde auch die optimale Präventionsarbeit erbracht. Die BGF sei der
zuständige Unfallversicherungsträger für sämtliche Fluggesellschaften und die mit der
Luftfahrt verbundenen Bodendienste. Sie habe die für die gesamte Luftfahrt
einschließlich der Abfertigung richtungsweisende Unfallverhütungsvorschrift "Luftfahrt"
erarbeitet und erlassen, die von den Unfallversicherungsträgern der öffentlichen Hand
nachträglich übernommen worden sei. Die BGF sei sowohl auf nationaler als auch auf
internationaler Ebene in verschiedenen Gremien und Ausschüssen vertreten bzw.
federführend, welche sich mit der Luftfahrt und seinen weiteren Einrichtungen
beschäftigten. Sie verfüge daher aufgrund ihrer langjährigen Erfahrungen über
qualifizierte und spezialisierte Technische Aufsichtsbeamte, deren Vorhandensein beim
GUVV nicht in Abrede gestellt werde, aber bezweifelt werde, da sich die besondere
Qualifikation über die lediglich regionale Zuständigkeit nicht ergeben könne.
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Die Beigeladene zu 2) beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Wegen des Sachverhalts im übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den der
Verwaltungsakten des Beklagten und der Beigeladenen zu 1), die Gegenstand der
mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist nicht begründet.
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Der Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, die Klägerin in die Zuständigkeit des GUVV zu
übernehmen.
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Nach § 121 Abs. 1 SGB VII sind die gewerblichen Berufsgenossenschaften für alle
Unternehmen (Betriebe, Verwaltungen, Einrichtungen, Tätigkeiten) zuständig, soweit
sich nicht aus dem Zweiten und Dritten Unterabschnitt eine Zuständigkeit der
landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften oder der Unfallversicherungsträger der
öffentlichen Hand ergibt. Auch für in privater Rechtsform betriebene Unternehmen der
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öffentlichen Hand ist generell die Zuständigkeit einer gewerblichen
Berufsgenossenschaft gegeben ist. Gemäß § 129 Abs. 3 Satz 1 SGB VII kann das Land
aber ein Unternehmen, dass in selbstständiger Rechtsform betrieben wird, aus der
Zuständigkeit einer gewerblichen Berufsgenossenschaft in die Zuständigkeit eines
Unfallversicherungsträgers im kommunalen Bereich übernehmen, wenn Gemeinden
oder Gemeindeverbände allein oder zusammen dem Land an dem Unternehmen
überwiegend beteiligt sind oder auf seine Organe einen ausschlaggebenden Einfluss
haben. Leitbild des Gesetzgebers für die Übertragung der Versicherungszuständigkeit
auf Gemeinden und Gemeindeverbände war das privatwirtschaftliche Unternehmen, das
von seinen kommunalen Trägern mit Haushaltsmitteln überwiegend finanziert wird. Bei
Unternehmen, die in einer Rechtsform des privaten Rechts betrieben werden, liegt eine
überwiegende gemeindliche Beteiligung dann vor, wenn die Gemeinde am Kapital des
Unternehmens überwiegend beteiligt ist. Es ist die wirtschaftliche Abhängigkeit eines
rechtlich selbstständigen Unternehmens von der Gemeinde, die den Gesetzgeber
veranlasst hat, eine besondere Zuständigkeitsregelung zu treffen. Das bedeutet die
wirtschaftliche Abhängigkeit durch die überwiegende Beteiligung der Gemeinde mit
Haushaltsmitteln an dem Kapital des Unternehmens (vgl. BSG Urteil vom 24.02.1988,
Band 63, 62 ff. m. w. N.).
Das Unternehmen der Klägerin wird in selbstständiger Rechtsform des Privatrechts
betrieben. Maßgebend ist demnach, ob Gemeinden oder Gemeindeverbände allein oder
zusammen mit dem Bund oder einem Land bei der Klägerin eigene Haushaltsmittel
eingesetzt haben. Das Stammkapital der Klägerin wird zu 100 % von der G N P N1-P1
GmbH gehalten. Eine unmittelbare überwiegende Beteiligung der öffentlichen Hand mit
Haushaltsmitteln am Kapital des Unternehmens ist demnach nicht gegeben. Es ist aber
allgemein anerkannt, dass die geforderte überwiegende Beteiligung von kommunalen
Institutionen nicht stets ausschließlich unmittelbar sein muss, sondern auch mittelbar
über Zwischeninstitutionen gegeben sein kann. Der Gesetzeswortlaut spricht die
Beschaffenheit des Beteiligungsverhältnisses nicht an. Insofern kann auch eine
mittelbare Beteiligung nicht einfach ausgeschlossen werden. Es ist also das Gesetz
dahingehend auszulegen, wie die Qualität des erforderlichen Beteiligungsverhältnisses
näher zu bestimmen ist. Voraussetzung für eine Gleichsetzung unmittelbarer und
mittelbarer Beteiligung ist somit deren Gleichwertigkeit nach dem Sinn und Zweck des
Gesetzes (vgl. BSG a. a. O., Seite 64).
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In Übereinstimmung mit den Beteiligten ist auch die Kammer der Auffassung, dass eine
überwiegende Beteiligung der öffentlichen Hand mit Haushaltsmitteln am Kapital der
Klägerin zumindest mittelbar besteht. So wird das Stammkapital der Klägerin zu 100 %
von der G N P N1-P1 GmbH gehalten; deren Stammkapitalanteile wiederum zu 93, 94
% von den Gesellschaften Stadtwerke N1 GmbH (35,22 %), Stadtwerke P1 AG (17,28
%), Beteiligungsgesellschaft des Kreises T1 mbH (30,42 %), H Verkehrs GmbH (5,92 %)
und C Beteiligungs- und Vermögensgesellschaft mbH Landkreis P1 (5,10 %). Das
Stammkapital dieser Gesellschaften wiederum wird jeweils zu 100 % von der Stadt
Münster, dem Kreis Steinfurt, der Stadt Greven und dem Landkreis Osnabrück gehalten.
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Ist demnach die tatbestandliche Grundvoraussetzung "überwiegende Beteiligung"
gegeben, hat eine Übernahmeentscheidung nach pflichtgemäßem Ermessen zu
erfolgen. Dabei ist jedoch zu beachten, dass gemäß § 129 Abs. 3 Satz 2 SGB VII
Unternehmen die erwerbswirtschaftlich betrieben werden, nicht übernommen werden
sollen.
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Der Begriff "erwerbswirtschaftlich" ist nach der unfallversicherungsrechtlichen ratio legis
des § 129 Abs. 3 Satz 2 SGB II auszulegen. Ratio legis dieser Vorschrift ist es, zu
verhindern, dass für kommunale Betriebe, die in selbstständiger Rechtsform betrieben
werden, ein anderer Unfallversicherungsträger zuständig ist als für privatwirtschaftliche
Konkurrenten. Die Vorschrift will Wettbewerbsvorteile ausschließen, die sowohl der
Kommunalwirtschaft als auch der Privatwirtschaft aus der Zuständigkeit
unterschiedlicher Unfallversicherungsträger erwachsen können (vgl. Ricke in Kasseler
Kommentar, Sozialversicherungsrecht, § 129 RdNr. 12, § 125, RdNr. 7; Heintzen in NZS
1999, 209, 210 ff.). Demgemäss ist als "erwerbswirtschaftlich" jedes in selbstständiger
Rechtsform betriebene kommunale Unternehmen anzusehen, das in einen Wettbewerb
zu privatwirtschaftlichen Unternehmen tritt oder treten kann. Das trifft zu für alle
Unternehmen und Einrichtungen, die auch von Privaten mit der Absicht der
Gewinnerzielung betrieben werden können. Maßgebendes Kriterium ist danach das
Wettbewerbsverhältnis. Stehen Unternehmen im Wettbewerbsverhältnis, ist
Erwerbswirtschaftlichkeit jedenfalls im Zweifel zu unterstellen (Ricke a. a. O.).
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Diese Voraussetzungen erfüllt die Klägerin. Gemäß § 2 des Gesellschaftsvertrages ist
der Gegenstand des Unternehmens der Klägerin die Erbringung land und luftseitigen
Abfertigungsleistungen mit dem Schwerpunkt der Flugzeugabfertigung sowie sonstiger
zur Förderung dieser Zwecke erforderlicher Dienstleistungen. Durch die Richtlinie
96/67/EG des Rates der Europäischen Union vom 15.10.1996 über den Zugang zum
Markt der Bodenabfertigungsdienste auf den Flughäfen der Gemeinschaft erfolgte eine
Öffnung des Zugangs zum Markt der Bodenabfertigungsdienste. Insoweit ist auch der
Klägerin die Möglichkeit eröffnet worden, mit anderen vergleichbaren Unternehmen in
Wettbewerb zu treten. Die Klägerin steht demnach grundsätzlich in Konkurrenz zu
Unternehmen wie Aerogate Stuttgart GmbH, Aerogate Düsseldorf GmbH oder Swissport
Berlin GmbH, die vergleichbare Leistungen erbringen.
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Der "erwerbswirtschaftlichen" Tätigkeit der Klägerin steht nicht entgegen, dass zur Zeit
auf dem Flughafen N1-P1 ein Wettbewerb unter den Bodenabfertigungsdiensten nicht
zugelassen ist, da die in § 1 Abs. 1 Nr. 2 BADV festgelegten Schwellenwerte nicht
erreicht werden. Insoweit regelt die Verordnung nur die Voraussetzungen für eine
zwingende Zulassung des Wettbewerbs unter den Bodenabfertigungsdiensten. Die
Erwerbswirtschaftlichkeit eines Unternehmens bzw. seine wettbewerbsmäßige
Ausrichtung kann durch solche Wettbewerbs-Zulassungsvoraussetzungen aber weder
festgestellt noch ausgeschlossen werden.
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Ebenso war die Intention für die Schaffung des eigenständigen Unternehmens der
Klägerin von der Anlage her gesehen eindeutig auf Wettbewerb und
Erwerbswirtschaftlichkeit ausgerichtet. Die rechtlichen Rahmenbedingungen der BADV
machten die Gründung der Klägerin und den Eintritt in den Wettbewerb nach eigenen
Bekundungen notwendig. So wurde eine mögliche und zwingende Ausschreibung
durch die G N P N1-P1 GmbH hinfällig und für einen möglichen späteren Wettbewerb
Vorsorge getroffen.
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Es liegt auch kein "atypischer Fall" im Falle des Unternehmens der Klägerin vor, der es
rechtfertigen könnte, eine abweichende Entscheidung zu treffen. Da die Vorschrift zu
Gunsten des Staates den Grundsatz durchbricht, dass wirtschaftliche Verflechtungen
rechtlich selbstständiger Unternehmen für die Zuständigkeit bedeutungslos sind, ist eine
restriktive Auslegung geboten. In Betracht zu ziehen sind danach nur in der
Durchführung der Unfallversicherung selbst liegende Gründe.
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Der von der Klägerin angeführte "Verwaltungsaufwand" stellt danach keinen solchen
Grund dar. Die daneben angeführten Aspekte der Unfallverhütung können in seltenen
Ausnahmefällen einen sachlich zureichenden Grund für eine Übernahme darstellen. Ob
dieser Grund auch bei erwerbswirtschaftlichen Unternehmen greift, ist angesichts des
Wettbewerbs-Normzwecks äußerst zweifelhaft (Ricke a. a. O.). Letztlich kann diese
Frage aber offen bleiben, da vorliegend solche Aspekte der Unfallverhütung im Sinne
eines atypischen Falles nicht greifen. Die Fach-Berufsgenossenschaften haben in
jahrzehntelanger Arbeit in den Versorgungsunternehmen fachspezifisch
Unfallverhütung betrieben mit dem Ergebnis einer beträchtlichen
Kompetenzakkumulation. Dies auf andere Unfallversicherungsträger in kurzer Zeit und
ohne Wirkungsverluste zu übertragen, ist aber ausgeschlossen. Ein
Zuständigkeitsänderung würde die Nutzung vorhandener Kapazitäten der
unterschiedlichsten Art bei den Fach-Berufsgenossenschaften sinnlos beenden. Sich
diese Kapazitäten erst selbst zu verschaffen, würde einen Aufwand an Zeit und Arbeit
bedingen, den die Fach Berufsgenossenschaften über Jahrzehnte erbracht haben, der
also ökonomisch sinnwidrig wiederholt werden müsste. Ergänzend darf insoweit auf die
überzeugenden Ausführungen der Beigeladenen zu 2) verwiesen werden.
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Nach alledem war daher die Klage mit der Kostenfolge der §§ 183, 193 SGG
abzuweisen.
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