Urteil des SozG München vom 15.03.2006

SozG München: einkünfte, erwerbstätigkeit, versicherungspflicht, forstwirtschaft, krankenversicherung, landwirtschaft, unternehmer, beruf, vergleich, aufwand

Sozialgericht München
Urteil vom 15.03.2006 (rechtskräftig)
Sozialgericht München S 47 KR 844/05 LW
I. Die Klage gegen den Bescheid vom 20.05.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.07.2005 wird
abgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Versicherungspflicht des Klägers in der landwirtschaftlichen Kranken- und Pflegekasse
Franken und Oberbayern.
Der 1953 geborene Kläger ist als Landwirt tätig. Er hat eine forstwirtschaftliche Fläche von 4,43 ha, eine
landwirtschaftliche Fläche von 39, 51 ha, wovon ca. 28.5 ha als Futterfläche für 60-70 Stück Vieh dienen, sowie 2,95
ha Geringstland. Für die Bewirtschaftung fallen ca. 70 Stunden wöchentlich an.
Daneben erzielt er aus einer Beteiligung an der J. M. GmbH & Co KG Einkünfte, die als Einkünfte aus Gewerbebetrieb
versteuert werden. Gesellschafter sind die J.M. GmbH als Komplementärin sowie als Kommanditisten der Kläger und
eine Schwester. Sitz der Gesellschaft ist in W ... Gegenstand sind laut Gesellschaftsvertrag vom 21.09.1990 die
Verwaltung und Nutzung von eigenem Grundbesitz, der Erwerb und gegebenenfalls die Bebauung von Grundstücken,
deren Anmietung und Vermietung sowie die Beteiligung an ähnlichen Unternehmen. Die Geschäftsführung liegt in der
Hand der persönlich haftenden Gesellschafterin. An der J. M. GmbH wiederum waren zunächst neben dem Kläger
dessen Vater, zwei Schwestern und eine Nichte beteiligt. Nach dem Tod des Vaters wurde der Kläger am 15.09.2004
zum Geschäftsführer bestellt. Für die Tätigkeit bezieht der Kläger nach seinen Angaben kein Gehalt. Beschäftigte
gebe es keine.
Im Einkommenssteuerbescheid (EStB) 2003 des Klägers werden Einkünfte aus der Land- und Forstwirtschaft in Höhe
von 24.035 EUR ausgewiesen. An Einkünften aus Gewerbebetrieb aus Beteiligungen werden 51.880 EUR genannt.
Daneben stehen 1.104 EUR Einkünfte aus Einzelunternehmen ("Photovoltaik"). Im EStB 2004 sind die Einkünfte aus
der Land- und Forstwirtschaft mit 12.685 EUR, die Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit 1.479 EUR aus
Einzelunternehmen und 33.312 EUR aus Beteiligungen, insgesamt 34.691 EUR, angegeben.
Der Kläger hatte in einem Fragebogen der Beklagten zur Überprüfung der Versicherungspflicht als landwirtschaftlicher
Unternehmer am 15.08.2004 angegeben, dass er aus Beteiligungen höhere Einkünfte als aus der Landwirtschaft
erziele. Mit Schreiben vom 15.02.2005 hörte die Beklagte den Kläger nach § 24 SGB X an: Seine Hauptberuflichkeit
liege nicht in der Landwirtschaft, sondern in der selbständigen Tätigkeit. Daher werde sie die Versicherungspflicht zum
31.12.2004 beenden. Eine Weiterversicherung sei dann nur noch im Rahmen der freiwilligen Versicherung möglich.
Mit Schreiben vom 21.02.2005 trug der Kläger vor, dass er den von seinen Eltern übernommenen landwirtschaftlichen
Betrieb allein betreibe, den Beruf des Landwirts erlernt und mit dem Gesellenbrief abgeschlossen habe. Er habe die
landwirtschaftliche Unternehmertätigkeit nicht beendet. Die Beteiligungen beinhalteten keine sonstige oder
gewerbliche Tätigkeit.
Sein Prozessbevollmächtigter führte weiter aus, dass es sich bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb lediglich um
solche aus gewerblicher Vermögensverwaltung im Rahmen von Beteiligungen handele. Damit sei keine physisch
messbare Tätigkeit und Arbeitszeit verbunden. Es handele sich nicht um eine aktive Beteiligung am
Wirtschaftsverkehr. Er verwies auf den Leitfaden der Beklagten zur Beurteilung der Voraussetzungen über den
Ausschluss der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung der Landwirte nach § 2 Abs. 4 a. KVLG 1989 vom
30.6.2004. Danach liege eine hauptberufliche selbstständige Erwerbstätigkeit außerhalb der Land- und Forstwirtschaft
nur dann vor, wenn sie von der wirtschaftlichen Bedeutung und dem zeitlichen Aufwand her die landwirtschaftliche
Erwerbstätigkeit deutlich übersteige oder den Mittelpunkt der Erwerbstätigkeit darstelle. Dass hier die Beteiligung als
Gewerbebetrieb eingestuft werde, habe ausschließlich steuerrechtliche Gründe. Demgegenüber stehe die Tätigkeit in
der Land und Forstwirtschaft im Vordergrund, sie gehe über eine Nebenerwerbslandwirtschaft weit hinaus. Bei der
Gegenüberstellung der Einkünfte sei zu berücksichtigen, dass Ersatzinvestitionen und Abschreibungen die
steuerlichen Einkünfte aus der Landwirtschaft minderten. Außerdem würden die gewerblichen Einkünfte
voraussichtlich im Laufe der Jahre geringer werden. Für das Jahr 2004 ergäben die Beteiligungen ein geringeres
Ergebnis als zuvor, da der Hauptmieter (die Firma M.) die Verträge um 30% reduziert habe.
Die Beklagte erließ am 20.5.2005 einen Bescheid, wonach die Mitgliedschaft des Klägers als landwirtschaftlicher
Unternehmer am 28.2.2005 ende. Ab 1.03.2005 komme keine Mitgliedschaft zustande, da der Kläger außerhalb der
Land und Forstwirtschaft hauptberuflich selbständig erwerbstätig sei. Dies sei der Fall, wenn die Arbeitszeit in der
außerlandwirtschaftlichen Tätigkeit überwiege oder diese von der wirtschaftlichen Bedeutung her die
landwirtschaftliche Tätigkeit deutlich übersteige oder den Mittelpunkt der Erwerbstätigkeit darstelle. Der Kläger erfülle
ab 01.03.2005 diese Kriterien. Das entstandene Beitragsguthaben werde erstattet.
Den am 7.6.2005 erhobenen Widerspruch, in dem erneut die Argumente des Klägers dargestellt wurden, wies die
Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21.07.2005 zurück. Der Begriff der selbständigen Erwerbstätigkeit ergebe
sich indirekt aus § 15 des IV. Buches Sozialgesetzbuchs (SGB IV). Aus dieser Rechtsvorschrift ergebe sich die
uneingeschränkte Maßgeblichkeit des Einkommenssteuerrechts sowohl für das Vorliegen als auch für die Höhe von
Arbeitseinkommen. Der Begriff der selbständigen Tätigkeit umfasse damit die nach § 2 Abs. 1 Nr. 1-3 EstG
genannten Einkünfte, also auch die Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Es möge zwar sein, dass der Kläger insoweit
keine physische Arbeit verricht, es läge aber dennoch eine Beteiligung am wirtschaftlichen Verkehr vor. Die
Prüfungskriterien des zeitlichen Aufwands und der wirtschaftlichen Bedeutung seien kumulativ zu berücksichtigen.
Hinsichtlich der Arbeitszeiten sei zweifelsfrei ein eindeutiges Überwiegen zu Gunsten des landwirtschaftlichen
Unternehmens festzustellen. Hinsichtlich der Ermittlung der Einkünfte sei auf die Einkommensteuerbescheide
zurückzugreifen. Sowohl in der Vergangenheit als auch vorausschauend überwögen die Einkünfte aus Gewerbebetrieb
deutlich. Der Kläger bestreite den Lebensunterhalt überwiegend aus den Gewerbeeinkünften. Der Schwerpunkt liege
somit beim Gewerbebetrieb. Dies entspreche dem Sinn und Zweck der Regelung. Ansonsten würde die
Missbrauchsabwehr verfehlt.
Dagegen erhob der Kläger am 03.08.2005 Klage vor dem Sozialgericht München. Er wies u.a. auf die Entscheidung
des BSG vom 29.09.1997 (10 RK 2/97) hin, wonach die Prüfkriterien kumulativ zu berücksichtigen seien. Da hier
keine Arbeitszeit für die gewerblichen Einkünfte eingebracht würde, könne schon deshalb keine Hauptberuflichkeit
vorliegen. Die Beendigung der Versicherungspflicht sei vorliegend unangemessen. Im Übrigen vertritt er in
nachfolgenden Schriftsätzen weiter die Auffassung, dass beim Vergleich der ermittelten Einkünfte zu berücksichtigen
sei, dass die Betriebsausgaben in einem landwirtschaftlichen Betrieb wesentlich höher seien. Ohne Nettoinvestitionen
wäre die Nachhaltigkeit des Unternehmens gefährdet. Bei der Arbeit in der Landwirtschaft handele es sich zudem um
eine Tätigkeit, die 7 Tage in der Woche ausgeführt werde.
Die Beklagte wies darauf hin, dass in den genannten Urteilen die hier nicht gegebene Abgrenzung der
landwirtschaftlichen Unternehmertätigkeit von der abhängigen Beschäftigung behandelt worden sei. Diese
Rechtsprechung zu der Parallelvorschrift des § 5 SGB V könne dennoch herangezogen werden. Sie wies erneut auf
die Maßgeblichkeit des Steuerrechts hin. Im Gesamtbild halte sie die wirtschaftliche Komponente für die
bedeutendere. Die Auslegung diene der Missbrauchsabwehr. Es solle verhindert werden, dass es zu einer
vergleichsweise günstigen Pflichtversicherung komme, wenn der Lebensunterhalt aus der außerlandwirtschaftlichen
selbstständigen Tätigkeit komme.
In der mündlichen Verhandlung am 15.03.2006 teilte der Beklagtenvertreter mit, dass der Kläger derzeit freiwillig
krankenversichert mit einem Beitrag von 516,77 Euro sei, der Betrag für die Pflichtversicherung läge bei ca. 303 EUR.
Der Kläger erklärte, dass er für die GmbH unter Mithilfe seiner Schwester nur das Notwendigste an Schriftverkehr
erledige. Es wende ca. eine halbe Stunde in der Woche auf.
Der Klägerbevollmächtigte stellte den Antrag, den Bescheid vom 20.05.2005 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheids vom 21.07.2005 aufzuheben und festzustellen, dass eine Versicherungs- und Beitragspflicht
als landwirtschaftlicher Unternehmer zur landwirtschaftlichen Krankenkasse wegen Hauptberuflichkeit in der
Landwirtschaft über den 28.02.2005 hinaus besteht.
Der Vertreter der Beklagten beantragte, die Klage abzuweisen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Verwaltungs- sowie die Gerichtsakte einschließlich des Protokolls zur
mündlichen Verhandlung verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Kläger ist nicht mehr bei der Beklagten versicherungspflichtig. Der
Bescheid vom 20.05.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.07.2005 ist nach Ansicht der erkennenden
Kammer rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Dies gilt unabhängig von der Frage, ob die
Pflichtmitgliedschaft bereits kraft Gesetzes endete.
Ein Unternehmer der Land- und Forstwirtschaft, dessen Unternehmen auf Bodenbewirtschaftung beruht und wie das
des Klägers unstrittig eine Mindestgröße erreicht, ist zwar grundsätzlich in der Krankenversicherung der Landwirte
nach § 2 Abs. 1 des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte (KVLG 1989)
versicherungspflichtig.
Nach § 2 Abs. 4a KVLG 1989 gilt dies nicht für den, der außerhalb der Land- und Forstwirtschaft hauptberuflich
selbstständig erwerbstätig ist. Die Auslegung dieser Vorschrift entscheidet über den vorliegenden Rechtsstreit. Es
liegt hier die Konstellation vor, dass die persönliche Arbeitszeit des Klägers mit 7 Tagen pro Woche eindeutig die Zeit
für die Beteiligung an der GmbH, die der Kläger mit ca. 2 Stunden pro Monat einschätzt, überwiegt. Hinsichtlich der
Einkünfte überwiegen jedoch klar diejenigen aus der Beteiligung. Die absoluten Zahlen gingen zwar im Jahr 2004
gegenüber dem Jahr 2003 zurück, dennoch sind sie aber noch mehr 2,5 mal so hoch wie die Einkünfte aus der Land-
und Forstwirtschaft und würden alleine dem Kläger eine angemessene Lebensführung ermöglichen.
Der Wortlaut der Vorschrift erklärt nicht näher, was unter Hauptberuflichkeit zu verstehen ist. In der
Gesetzesbegründung zum Agrarsozialreformgesetz 1995, mit dem § 2 Absatz 4a eingeführt wurde (BT Drs. 12/5700
S.95), heißt es dazu: "Der Grundsatz, dass sich die Versicherungspflicht nach dem Schwerpunkt der beruflichen
Tätigkeit richtet, der in § 5 Abs. 5 SGB V bereits für das Zusammentreffen von abhängiger Beschäftigung und
selbständiger Tätigkeit maßgeblich ist, soll auch für die landwirtschaftliche Krankenversicherung insbesondere beim
Zusammentreffen von landwirtschaftlicher Unternehmertätigkeit und anderer selbstständiger Tätigkeit
ausschlaggebend sein. Hauptberuflich ist eine selbstständige Tätigkeit dann, wenn sie von der wirtschaftlichen
Bedeutung und dem zeitlichen Aufwand her die übrigen Erwerbstätigkeiten zusammen deutlich übersteigt oder den
Mittelpunkt der Erwerbstätigkeit darstellt."
Die Erläuterung des Begriffs der Hauptberuflichkeit entspricht damit wortgleich der Begründung zu § 5 Abs. 5 SGB V
beim Gesetzentwurf des Gesundheits-Reformgesetzes von 1988 (BT Drs. 11/2237 S. 159). Dort wird weiter zum Sinn
und Zweck ausgeführt: "Dadurch wird z.B. vermieden, dass ein versicherungsfreier Selbstständiger durch Aufnahme
einer versicherungspflichtigen Nebenbeschäftigung versicherungspflichtig wird und damit den umfassenden Schutz
der gesetzlichen Krankenversicherung erhält."
Die genannten Kriterien werden auch von der höchstrichterlichen Rechtsprechung herangezogen, die sich mit Fragen
zur Hauptberuflichkeit des landwirtschaftlichen Unternehmers befasste. Soweit ersichtlich erging diese überwiegend
zu der Vorschrift des § 5 Abs. 5 SGB V (vgl. BSG v. 29.09.1997 10RK 2/97; v. 29.04.1997 10/4 RK 3/96; v.
16.11.1995 4 RK 2/94). Sie stellt in diesen Entscheidungen auf den Missbrauchszweck der Vorschrift ab. Es solle
verhindert werden, dass Haupterwerbslandwirte, die in der landwirtschaftlichen Krankenversicherung
versicherungspflichtig sind, wegen einer abhängigen Nebenbeschäftigung den Schutz der allgemeinen
Krankenversicherung (mit niedrigeren Beiträgen) erlangen. Zugleich dürfe aber auch nicht durch eine weite Auslegung
die grundsätzliche Nachrangigkeit der landwirtschaftlichen Unternehmerversicherung gegenüber anderen
Versicherungspflichttatbeständen (vgl. 3 Abs. 1 KVLG 1989) ins Gegenteil verkehrt werden. Zu den
Auslegungskriterien wurde ausgeführt, dass der "Mittelpunkt der Erwerbstätigkeit" kein eigenständiges drittes
Kriterium sei. Vielmehr weise es auf die notwendige Gesamtschau, die Zufallsergebnisse vermeidet, wenn ein
geringes Zurückbleiben bei einem Kriterium mit einem deutlichen Übersteigen beim anderen Kriterium zusammentrifft.
Als Beispiel wird das Ausbildungsverhältnis genannt (vgl. BSG v. 29.09.1997). Für das Kriterium der wirtschaftlichen
Bedeutung sind Arbeitseinkommen und Arbeitsentgelt in vorausschauender Betrachtungsweise zu vergleichen. Nach
§ 15 Abs. 1 SGB IV ist für das Arbeitseinkommen der nach dem Einkommenssteuerrecht ermittelte Gewinn
maßgeblich. Ausdruck steuerlicher Leistungsfähigkeit sei das wirtschaftliche Ergebnis der Erwerbstätigkeit. Für die
Steuerzahlung unmaßgeblich, weil nicht verfügbar, sei der Teil der erwirtschafteten Bezüge, der im Zusammenhang
mit der Erwerbstätigkeit wieder ausgegeben werden muss (BSG v. 29.04.1997 aaO).
Der Leitfaden der Beklagten zur Beurteilung der Voraussetzungen über den Ausschluss der Versicherungspflicht in
der Krankenversicherung der Landwirte nach § 2 Abs. 4a KVLG 1989 vom 30.06.2004 weist darauf hin, dass die
Prüfkriterien zeitlicher Aufwand" und wirtschaftliche Bedeutung" kumulativ zu berücksichtigen seien. Beide Kriterien
müssten in der außerhalb der Landwirtschaft ausgeübten selbstständigen Erwerbstätigkeit deutlich überwiegen (Nr. 3
Leitfaden). Dem Kriterium Mittelpunkt der Erwerbstätigkeit" falle nur in bestimmten Fallgruppen Bedeutung zu. Dies
sei etwa der Fall bei Personengruppen, bei denen ein Vergleich des zeitlichen Aufwandes unmöglich sei, wie z.B. bei
einem versicherungspflichtigen Altenteiler, der eine außerlandwirtschaftliche selbstständige Erwerbstätigkeit weiter
ausübe (Nr. 6 Leitfaden). Im Einzelfall könne es auch unangemessen sein, beim Zusammentreffen von zwei
hauptberuflichen Erwerbstätigkeiten von einer Beendigung der Versicherungspflicht auszugehen.
Die Interessenlage des Klägers erklärt sich insbesondere daraus, dass die Beitragsbemessung von
versicherungspflichtigen landwirtschaftlichen Unternehmern - anders als bei freiwillig Versicherten - lediglich das
Einkommen aus Land- und Forstwirtschaft zugrundelegt, also das Einkommen aus dem Gewerbebetrieb nicht
berücksichtigt (§§ 39, 40 KVLG). Unterschiede bestehen auch im Leistungsumfang: Der Anspruch auf Betriebhilfe (§ 9
KVLG 1989), der dem alleinstehenden Kläger wichtig ist, steht nur versicherungspflichtigen Unternehmern zu.
Vor dem Hintergrund dieser Auslegungshilfen und Gesichtspunkten nimmt die erkennende Kammer hier eine
außerlandwirtschaftliche hauptberuflich selbstständige Tätigkeit an. Sie geht davon aus, dass nicht beide Kriterien
"Einkünfte" und "Arbeitszeit" jeweils für sich in der außerlandwirtschaftlichen Tätigkeit überwiegen müssen. Dies liest
sie aus dem zusammenfassenden Merkmal des Mittelpunkts des Erwerbslebens. Ihm mag zwar weder im genannten
Regelfall noch sonst eine eigenständige Bedeutung zukommen. Eine Gesamtwertung wird aber sowohl von der
Rechtsprechung wie auch von Gesetzesbegründung als angemessen angesehen. Auch in der Verwaltungsvorschrift
wird etwa für Altenteiler dieser Gedanke für maßgebend gehalten. Die Kammer interpretiert die Kriterien daher im
Sinne eines "beweglichen Systems" (vgl. Bydlinski, Hrsg, Das bewegliche System im geltenden und künftigen Recht,
1986). Damit führt das Kriterium "Mittelpunkt der Erwerbstätigkeit" keine weiteren Abwägungselemente ein, aber es
erlaubt eine Gewichtung der beiden Einzelkriterien wie in einem System von "kommunizierenden Röhren". Während im
Regelfall beide Kriterien überwiegen müssen, um von einer Hauptberuflichkeit gegenüber einer anderen Tätigkeit
ausgehen zu können, werden somit auch Fälle erfasst, bei dem zwar ein Kriterium leicht unterliegt, das andere dafür
klar überwiegt (vgl. BSG aaO, vgl. auch Kasseler Kommentar, Peters, § 5 SGB V, Rz. 152 ff) ). Die Kammer sieht
aber auch im vorliegenden Fall, in dem das Kriterium der Arbeitszeit deutlich unterliegt, dafür aber das Kriterium der
Einkünfte um mehr als die Hälfte überwiegt, den Ausschlag zugunsten der außerlandwirtschaftlichen Tätigkeit. Zwar
wird dem Kriterium des Zeitaufwands teilweise die grundsätzlich höhere Bedeutung beigemessen (vgl. Kasseler
Kommentar, Peters, § 5 Rn. 157, auch Wolfgang Rombach, Alterssicherung der Landwirte: Das neue Recht nach dem
Gesetz zur Reform der Agrarsozialen Sicherung 1995, Rudolf Haufe Verlag, 1995). Gleichwohl wird aber vertreten,
dass keine hauptberufliche landwirtschaftliche Tätigkeit vorliegt, wenn aus der außerlandwirtschaftlichen Tätigkeit
oder Beschäftigung weit höheres Einkommen erzielt wird (vgl. Kasseler Kommentar, § 5 Rn 157; so auch Wolfgang
Rombach, aaO S. 35 f). Dies gilt insbesondere dann, wenn der außerlandwirtschaftliche Beruf - wie hier - in annähernd
gleichem Maß zur Bestreitung des Lebensunterhalts beitragen konnte und beigetragen hat wie bei Personen, die
alleine aus diesem Beruf ihren Lebensunterhalt bestreiten müssen (vgl. Rombach aaO).
Dieses Ergebnis entspricht auch dem gesetzgeberischen Ziel der finanziellen Stabilisierung der landwirtschaftlichen
Krankenkasse. Das Agrarsozialreformgesetz 1995 bezweckte gerade, das Problem einer "gerechteren Ausgestaltung
und finanziellen Stabilisierung des agrarsozialen Sicherungssystems" (Drs. 12/5700 Gesetzesvorblatt: A. Problem) zu
lösen. Wie das BSG zur Verfassungsmäßigkeit des § 2 Abs. 4a KVLG ausführte (BSG v. 09.12.1997 10 RK 1/97), ist
nur die Gewährleistung eines den Einkommensverhältnissen entsprechenden existenzsichernden
Versicherungsschutzes verfassungsrechtlich geboten. Da der Kläger die Möglichkeit der freiwilligen Versicherung hat,
erscheint das Ergebnis hier auch nicht unangemessen.
Eine engere Auslegung der "Hauptberuflichkeit" ist nach Ansicht der Kammer nicht geboten. Das systematische
Argument des grundsätzlichen Vorrangs der allgemeinen gegenüber der landwirtschaftlichen KV, das nach der
genannten Rechtsprechung gegen eine weite Auslegung bei § 5 Abs. 5 SGB V spricht, ist hier nicht zu
berücksichtigen.
Das Argument der Klägerseite, dass es sich bei der Beteiligung an der GmbH nur aus steuerlichen Gründen um
Einkünfte aus Gewerbebetrieb handele und tatsächlich dem Zweck der Gesellschaft entsprechend - Einkünfte aus
Vermietung und Verpachtung vorliegen, überzeugt die Kammer nicht. Hier liegen steuerrechtlich gerade Einkünfte aus
Gewerbebetrieb vor. Nach § 15 Abs. 1 Satz 2 SGB IV obliegt auch die inhaltliche Prüfung, welche Einkunftsart
vorliegt, den Finanzbehörden. Dies entspricht auch der Intention des Gesetzgebers, der eine Verwaltungserleichterung
bei den Sozialversicherungsträgern bezweckte (BT Drs. 12/5700 S. 92, vgl. BSG 07.10.2004 B 13 RJ 13/04 R).
Diesen sollte eine eigenständige und mitunter schwierige Prüfung der Zuordnung und Ermittlung der Höhe von
Arbeitseinkommen erspart bleiben. Der Gesetzgeber ist zu Pauschalierungen berechtigt. Die Kammer hält es daher
für richtig, an der formalen steuerrechtlichen Einordnung anzusetzen (vgl. LSG Schleswig-Holstein v. 13.01.2004 L 1
KR 11/03 - wenn auch für den umgekehrten Fall). Dies gilt auch für das Argument, dass der landwirtschaftliche
Betrieb stark durch Investitionen geprägt sei. Zwar mögen sich die Auswirkungen erst in den Gewinnen von
Folgejahren zeigen. Die Minderung des Roh-Gewinns durch Abzug von Ausgaben wird aber auch bei
Gewerbeeinkünften steuerrechtlich vorgenommen. Aus § 15 Abs. 2 SGB IV ergibt sich hier nichts anders, da die
Gewinnermittlung des Klägers wegen des Umfangs seines landwirtschaftlichen Betriebs nicht nach § 13a EStG
erfolgt. Jedenfalls solange der Unterschied der Einkünfte eine derartige Höhe aufweist, hält die Kammer die Annahme
der außerlandwirtschaftlichen Hauptberuflichkeit für angemessen. Bei einer Annäherung der Einkünfte kann daher der
Vergleich wieder zugunsten der Versicherungspflicht ausschlagen. Konkret absehbar oder belegbar ist dies derzeit
nicht. Trotz der Verringerung der Gewerbeeinkünfte im Jahr 2004 blieb die Differenz erheblich.
Dass im Selbstverständnis des Klägers der Beruf des Landwirts ganz im Vordergrund steht, ist verständlich. Dieses
Kriterium ist jedoch nicht ausschlaggebend (vgl. BSG vom 29.09.1997, aaO. s.o.). Im modernen Wirtschaftsleben ist
es nicht ausgeschlossen, dass auch geringer zeitlichen Einsatz bei der Verwertung hochwertiger Wirtschaftsgüter
hohe Einkünfte mit sich bringt. Beim Vergleich mit körperlich intensiver Arbeit kann daher zwar der Zeitfaktor
wesentlich abweichen. Der Schwerpunkt der Tätigkeiten muss aber - zumal bei derartig unterschiedlichen Tätigkeiten -
nach Ansicht der Kammer im vorliegenden Fall nicht daran ausgerichtet werden.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 193 SGG abzuweisen.