Urteil des SozG München vom 25.04.2007

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Sozialgericht München
Urteil vom 25.04.2007 (rechtskräftig)
Sozialgericht München S 22 SO 364/06
I. Die Klage wird abgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Höhe von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung.
Die im Jahre 1972 geborene Klägerin erhielt bis 31.12.2004, ergänzend zu einer Rente wegen voller
Erwerbsminderung, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Grundsicherungsgesetz. Seit
01.01.2005 sind an die Stelle dieser Leistungen solche der Grundsicherung nach dem Vierten Kapitel des Zwölften
Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) getreten. Am 28.02.2005 beantragte der Betreuer der Klägerin für diese eine
Erhöhung des Regelsatzes, da sie übergewichtig sei und somit ihr individueller Bekleidungsbedarf durch den normalen
Regelsatz nicht abgedeckt werden könne. Mit Bescheid vom 03.03.2005 lehnte die Beklagte diesen Antrag ab und
setzte mit einem weiteren Bescheid vom gleichen Tage die Leistungen für die Zeit vom 01.03.2005 bis zum
31.12.2005 auf 215,72 EUR monatlich fest. Gegen beide Bescheide erhob die Klägerin Widerspruch und machte mit
Schreiben vom 21.03.2005 zusätzlich geltend, die Vornahme eines Abzugs von Warmwasseranteilen von den Kosten
der Unterkunft bei der Bemessung der Leistung sei nicht rechtmäßig. Mit Bescheid vom 21.06.2006 wies die
Regierung von Oberbayern den Widerspruch zurück mit der Begründung, die Aufwendungen für Bekleidung seien aus
dem Regelsatz anzusparen. Da im vorliegenden Fall keinerlei Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass infolge des
Übergewichts der Klägerin überdurchschnittlich hohe laufende Kosten entstünden, komme eine abweichende
Festsetzung des Regelsatzes nicht in Betracht. Die Kosten für Warmwasser seien in die Energiepauschale des
Regelsatzes eingerechnet und damit abgegolten; ein pauschaler Abzug von 1/6 der Heizkosten sei gerechtfertigt, da
eine Ermittlung der tatsächlichen Kosten für Warmwasser in jedem Einzelfall nur mit einem unverhältnismäßigen
Aufwand und im Nachhinein vorgenommen werden könnte.
Hiergegen richtet sich die am 24.07.2006 eingegangene Klage, mit der die Klägerin ihren im Verwaltungsverfahren
geltend gemachten Anspruch weiter verfolgt; die Klagebegründung im Einzelnen ist Blatt 13 bis 15 der Gerichtsakte
zu entnehmen.
Die Klägerin beantragt, den Bescheid der Beklagten vom O3.O3.2OO5 nebst den umsetzenden Folgebescheiden
sowie in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Regierung von Oberbayern vom 21.O6.2OO6 teilweise
aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin für die Zeit vom O1.O3.2OO5 bis zum 25.O4.2OO7
Leistungen der Grundsicherung unter Einbeziehung einer höheren monatlichen Regelleistung zu gewähren sowie unter
Abzug einer Warmwasserpauschale in Höhe von nicht mehr als 6,23 Euro.
Die Vertreterin der Beklagten beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Kammer lagen die Behördenakten der Beklagten bei ihrer Entscheidung vor.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf höhere Leistungen der Grundsicherung.
Zur näheren Begründung kann im Wesentlichen auf die zutreffenden Ausführungen der Regierung von Oberbayern im
Widerspruchsbescheid vom 21.06.2006, welche sich die Kammer zu Eigen macht (§ 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz
- SGG), verwiesen werden, um Wiederholungen zu vermeiden.
Auch die Kammer sieht keine rechtliche Grundlage für eine Erhöhung des Regelsatzes. Eine solche würde gem. § 42
Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII voraussetzen, dass ein Bedarf besteht, der im Einzelfall
unabweisbar seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht. Hierfür gibt es im hier zu
entscheidenden Fall keine konkreten Anhaltspunkte. Im Hinblick auf die weite Verbreitung von Übergewicht in den
Industrieländern kann dafür insbesondere nicht ausreichen, dass auch die Klägerin davon betroffen ist. Vielmehr kann
eine abweichende Festsetzung des Regelsatzes, die nur unter den oben genannten engen Voraussetzungen
vorgenommen werden darf, allenfalls dann in Betracht kommen, wenn ein massives Übergewicht besteht, weil nur in
diesen Fällen davon ausgegangen werden kann, dass möglicherweise kein ausreichendes Angebot an preiswerter
Bekleidung auf dem Markt (der sich längst auf die steigende Nachfrage nach Bekleidung in Übergrößen eingestellt
hat) vorhanden ist. Im vorliegenden Fall fehlt es an jedem Hinweis dafür, dass ein solcher Fall vorliegen könnte. So
wurden bis zum Abschluß der mündlichen Verhandlung von der Klägerseite zu keinem Zeitpunkt Körpergewicht und
Körpergröße der Klägerin angegeben oder sonstige konkrete Angaben gemacht. Somit bestand aber auch für die
Beklagte ebenso wie für das Gericht kein Anlaß für weitere Ermittlungen von Amts wegen. Zu Ermittlungen "ins Blaue
hinein" sind die zuständigen Behörden und Gerichte nicht verpflichtet (vgl. von Wulffen in: von Wulffen, SGB X,
Kommentar, 5. Aufl. 2005, § 20 Rn. 6 a.E.; Leitherer in: Meyer- Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, Kommentar, 8. Aufl.
2005, § 103 Rn. 16).
Der Abzug einer "Warmwasserpauschale" in Höhe von 1/6 der gesamten Heiz- und Energiekosten von den Kosten der
Unterkunft ist gleichfalls rechtlich nicht zu beanstanden (vgl. auch Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom
14.09.2006 - L 7 AS 97/06). Die Pauschalierung erscheint sachgerecht. Ihre Bemessung beruht auf Erkenntnissen
darüber, wie hoch der Anteil der in der Regelleistung enthaltenen Haushaltsenergie (das betrifft in erster Linie das
Warmwasser) an den gesamten Energiekosten üblicherweise ist. Die Argumentation der Klägerin, wonach lediglich ein
Betrag in Höhe von 6,23 EUR für Warmwasser in den Regelsatz eingestellt sei, trifft aus der Sicht der Kammer nicht
zu. Vielmehr beträgt der regelsatzrelevante Anteil für den Bereich "Wohnung, Energie, Wohninstandhaltung" sowohl
nach der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) 1998, als auch nach der EVS 2003 jeweils insgesamt ca.
24,00 EUR, von denen 19,34 EUR bzw. 21,75 EUR auf "Strom", d.h. Haushaltsenergie, entfallen (siehe BT-
Drucksache 16(11)286 vom 15.06.2006). In der genannten "Ausschussdrucksache" heißt es dazu wörtlich: "Die
regelsatzrelevanten Anteile entsprechen den Werten von 1998. Bei der Position "Strom" wird der Abschlag von 15 %
beibehalten. Dieser Abschlag erfolgt, um die in dieser Position enthaltenen Ausgaben für Heizungsstrom zu
berücksichtigen. Eine getrennte Erfassung von Heizungs- bzw. Haushaltsenergie ist nicht möglich. Die Kosten für
Haushaltsenergie sind damit grundsätzlich in vollem Umfang berücksichtigt. Mit einem durchschnittlichen Betrag von
21,75 EUR im Monat können bei wirtschaftlichem Verhalten die Kosten für Haushaltsenergie gedeckt werden" (aaO.,
S. 10). Vor diesem Hintergrund wird die Klägerin nicht in unzulässiger Weise benachteiligt, wenn die Beklagte einen
monatlichen Pauschalbetrag von 15,84 EUR von den ihr gewährten Leistungen für Unterkunft und Heizung absetzt
(vgl. dazu auch Lang in: Eicher/Spellbrink, SGB II, Kommentar, 2005, § 20 Rn. 29, wonach der Anteil des Bedarfs für
"Wohnung (ohne Mietkosten), Strom" am Regelbedarf mit ca. 8 % angesetzt wird; das sind ca. 27,60 EUR).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.