Urteil des SozG München vom 21.04.2010

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Sozialgericht München
Urteil vom 21.04.2010 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht München S 33 EG 81/09
I.Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 2.2.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom
13.3.2009 verurteilt, der Klägerin Elterngeld für den 6. Lebensmonat in Höhe von 1.671,43 EUR und für den 7. bis 12.
Lebensmonat in Höhe von je 1800.- EUR monatlich zu gewähren.
II.Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits der Klägerin.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Gewährung von Elterngeld für ihre 2008 geborene Tochter, wobei sie im Hinblick auf noch bis
in den 6. Lebensmonat der Tochter hineinreichende Zahlungen von Dienstbezügen im Zusammenhang mit
Mutterschaftsurlaub und Abgeltung von Jahresurlaub für den 6. Lebensmonat einen anteiligen Betrag und für den 7.
bis 12. Lebensmonat die Gewährung des monatlichen Höchstbetrags von 1800,- EUR geltend macht. Die Klägerin ist
Bedienstete des Europäischen Patentamts in M., sie wurde im Jahre 2006 zur Beamtin auf Lebenszeit des
Europäischen Patentamts ernannt. Sie hat ihren Wohnsitz in F.
Der Beklagte lehnte mit Bescheid vom 2.2.2009 die Gewährung von Elterngeld mit der Begründung ab, dass für
Bedienstete des Europäischen Patentamts grundsätzlich kein Anspruch auf Elterngeld bestehe, da dieser
Personenkreis einem eigenständigen Sozialsystem angehöre und somit von der Anwendung der deutschen
Rechtsvorschriften über die soziale Sicherheit und damit auch von der Anwendung des Bundeselterngeldgesetzes
ausgenommen sei.
Mit hiergegen erhobenem Widerspruch verwies die Klägerin darauf, dass die Anwendung des Gesetzes zum
Elterngeld und zur Elternzeit (Bundeseltengeld- und Elternzeitgesetz – BEEG) für Bedienstete des Europäischen
Patentamts nicht gemäß § 30 Sozialgesetzbuch Eins (SGB I) ausgeschlossen sei. Die Begründung, wonach
Bedienstete des Europäischen Patentamts einem eigenständigen Sozialsystem angehörten und deshalb ihnen kein
Elterngeld zustünde, beruhe auf keiner Vorschrift des Sozialgesetzbuches der Bundesrepublik Deutschland. Auch
sehe das Europäische Patentamt keine dem Elterngeld vergleichbaren sozialen Leistungen für seine Bediensteten
vor.
Mit gegen den ablehnenden Widerspruchsbescheid vom 13.3.2009 erhobener Klage begehrt die Klägerin weiter
Gewährung von Elterngeld. Mit Schriftsatz vom 16. Januar 2010 weist sie darauf hin, dass ihrerseits die
Anspruchsvoraussetzungen nach § 1 BEEG erfüllt seien. Der Anspruch sei auch nicht ausgeschlossen. Dies sei nur
dann der Fall, wenn dies spezialgesetzlich oder durch zwischen- oder überstaatliches Recht angeordnet sei. Denn
nach dem in § 31 SGB I niedergelegten Gesetzesvorbehalt dürften u.a. Ansprüche auf Elterngeld nur durch Gesetz
oder aufgrund eines Gesetzes (oder durch vorrangiges Recht im Sinne von § 30 Abs. 2 SGB I) aufgehoben oder
eingeschränkt werden. Sie verweist hierzu auf Ausführungen im Urteil des Sozialgerichts Frankfurt vom 30.9.2009,
Az.: S 22 EG 6/09, nicht rechtskräftig. Allgemeine Erwägungen über die Zugehörigkeit der Beamten des Europäischen
Patentamts zu einem anderen (zwischen- oder überstaatlichen) Sicherungssystem reichten hierfür nicht aus. Eine
Spezialvorschrift oder eine Regelung des über- oder zwischenstaatlichen Rechts im Sinne von § 30 Abs. 2 SGB I,
welche zu einer Unanwendbarkeit des Bundeselterngeldgesetzes auf Beamte des Europäischen Patentamts führen
könnte, existiere jedoch nicht. Im Übrigen sei auch der seit 1. Dezember 2009 geltende Artikel 14 des
Immunitätenprotokolls der Europäischen Union auf Beamte des Europäischen Patentamts nicht anwendbar, da das
Europäische Patentamt kein Organ der Europäischen Union sei, sondern vielmehr ein Organ der Europäischen
Patentorganisation, einer eigenständigen zwischenstaatlichen Organisation, die durch das 1977 in Kraft getretene
Europäische Patentübereinkommen gegründet worden sei. Sie verweist weiter darauf, dass für Beamte des
Europäischen Patentamts das Protokoll über Vorrechte und Immunitäten der Europäischen Patentorganisation (BGBl.
II 1976, S. 985 ff.) gelte. In Art. 18 dieses Protokolls sei eine Befreiung der Bediensteten des Europäischen
Patentamts von Pflichtbeiträgen an staatliche Sozialversicherungsträger genannt, sofern die Organisation ein eigenes
Sozialversicherungssystem errichte. Diese Vorschrift beziehe sich ausdrücklich nur auf die Sozialversicherung. Auch
aus einem Umkehrschluss zu § 3 Abs. 3 BEEG ergebe sich eine Anwendbarkeit des Bundeselterngeldgesetzes auf
Beamte des Europäischen Patentamts. Hierbei würden dem Elterngeld vergleichbare Leistungen, auf die eine nach §
1 berechtigte Person außerhalb Deutschlands oder gegenüber einer zwischen- oder überstaatlichen Einrichtung
Anspruch habe, auf das Elterngeld angerechnet, soweit sie für denselben Zeitraum zustünden und die auf der
Grundlage des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft erlassenen Verordnungen nicht anzuwenden
seien. Wäre im Falle von Ansprüchen gegen eine zwischenstaatliche Organisation die Anwendbarkeit des
Bundeselterngeldgesetzes ausgeschlossen, so wäre § 3 Abs. 3 2. Alternative überflüssig. Im Übrigen sehe Art. 45
des Status der Beamten des Europäischen Patentamts (im folgenden: Statut) unbezahlten Urlaub aus persönlichen
Gründen – etwa wegen Betreuung eines minderjährigen unterhaltsberechtigten Kindes – für höchstens ein Jahr vor. In
diesem Zeitraum erhalte der Beamte keine Zahlungen durch das Europäische Patentamt. Ferner sehe das Statut in
Art. 45 a Elternurlaub vor. Danach habe ein Beamter für jedes unterhaltsberechtigte Kind Anspruch auf bis zu 120
Arbeitstage Elternurlaub, die vor dem 12. Geburtstag des Kindes zu nehmen seien. Es bestehe in dieser Zeit kein
Anspruch auf Dienstbezüge, sondern auf eine monatliche Vergütung in Höhe von etwa 900,- EUR. Der Elternurlaub
und die monatliche Vergütung nach Art. 45 a des Statuts seien daher mit der Elternzeit und dem Elterngeld nach dem
deutschen Bundeselterngeldgesetz nicht vergleichbar.
Im Verwaltungsverfahren hatte die Klägerin Gehaltsmitteilungen vorgelegt, die ein Grundgehalt und davon
vorzunehmende Abzüge für Beitrag zum Versorgungssystem, Krankenversicherung, Todesfallversicherung,
Invaliditätsversicherung und Pflegeversicherung vorsahen und für die Monate September 2007 bis August 2008
monatliche Auszahlungsbeträge in Höhe von 3.153,28 EUR bis 4.406,71 EUR enthielten.
Das Gericht hat ergänzend hierzu von dem Europäischen Patentamt Angaben bezüglich von im Zeitraum September
2007 bis August 2008 an die Organisation abgeführte Steuern sowie über die Höhe der Leistungen, die die Klägerin im
Zeitraum 15.9.2008 bis 14.9.2009 erhalten hat, angefordert. Mit Bescheinigung vom 20.1.2010 bestätigte das
Europäische Patentamt Nettobezüge im Zeitraum September 2007 bis August 2008 in Höhe von 40.619,23 EUR
sowie interne Steuern für diesen Zeitraum in Höhe von 13.223,- EUR. Weiter seien für den Zeitraum vom 15.9.2008
bis zum 16.2.2009 Nettobezüge in Höhe von 23.861,29 EUR geleistet worden, die internen Steuern für diesen
Zeitraum hätten 4.938,- EUR betragen. Vom 17.2.2009 bis zum 30.9.2009 habe sich die Klägerin in unbezahltem
Urlaub befunden.
Von der Klägerin wurden ihre Jahresgehaltsmitteilungen für die Jahre 2007 bis 2009 vorgelegt. Auf den
Jahresgehaltsmitteilungen für das Jahr 2007 und 2008 war jeweils ein Grundgehalt ausgewiesen, es waren
Abzugsbeträge für Versorgungssystem, Kranken-, Todesfall-, Invaliditäts- und Pflegeversicherung aufgeführt und ein
entsprechend sich ergebender Auszahlungsbetrag genannt. Sodann waren die vom Europäischen Patentamt
geleisteten Beiträge zum Versorgungssystem, Kranken-, Todesfall-, Invaliditäts- und Pflegeversicherung genannt
sowie ein Betrag für interne Steuer. Auf der Jahresgehaltsmitteilung für das Jahr 2009 ist ein Bruttogehalt
ausgewiesen, zuzüglich Haushalts-, Unterhaltsberechtigten- und Geburtenzulage. Als Abzugsbeträge sind genannt:
Interne Steuer, Beitrag Versorgungssystem, Kranken-, Todesfall-, Invaliditäts- und Pflegeversicherung. Sodann ist
unter Berücksichtigung dieser Abzüge ein Gesamtbetrag ermittelt. Des Weiteren sind die Beiträge des Europäischen
Patentamts zu dem genannten Versorgungssystem sowie den genannten Versicherungen aufgeführt.
Mit Schriftsatz vom 15.3.2010 verwies der Beklagte auf seine Rechtsauffassung, wonach für Mitarbeiter des
Europäischen Patentamts kein Anspruch auf Elterngeld bestehe. Im Übrigen seien jedenfalls während des
Mutterschaftsurlaubs geleistete Dienstbezüge gem. § 3 Abs. 1 BEEG auf etwaig zustehendes Elterngeld
anzurechnen. Mit gerichtlichem Schreiben vom 23.3.2010 wurde auf den Umstand hingewiesen, dass bezüglich der
Gehaltszahlungen in den Jahren 2007, 2008 die interne Steuer nicht als Abzugsbetrag sondern als sonstiger weiterer
Posten aufgeführt war.
In der mündlichen Verhandlung vom 21.4.2010 legte die Klägerin dar, dass sie Elterngeld für den Zeitraum nach
Beendigung der Auszahlung von Dienstbezügen, mithin anteilig für den 6. Lebensmonat und sodann für den 7. bis 12.
Lebensmonat beanspruche.
Die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen, ihr unter Aufhebung des Bescheids vom 02.02.2009 in Gestalt
des Widerspruchsbescheids vom 13.03.2009 Elterngeld für den 6. Lebensmonat in Höhe von 1671,43 Euro und für
den 7. bis 12. Lebensmonat in Höhe von je 1800 Euro zu gewähren.
Die Beklagtenvertreterin beantragt, die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage erweist sich als begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf Gewährung von Elterngeld, wobei ihr
für den 7. bis 12. Lebensmonat Elterngeld in Höhe von 1800,- EUR monatlich zu gewähren ist sowie für den 6.
Lebensmonat in Höhe von 1.671,43 EUR.
Ein Anspruch auf Elterngeld ist für die Klägerin als Bedienstete des Europäischen Patentamts nicht ausgeschlossen,
sie erfüllt die Anspruchsvoraussetzungen des § 1 BEEG in den Lebensmonaten, für die sie Elterngeld begehrt.
Gemäß § 68 Nr. 15 a SGB I stellt der erste Abschnitt des BEEG materielles Sozialrecht dar. Die betreffenden
Vorschriften gelten gemäß § 30 Abs. 1 SGB I für alle Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im
entsprechenden Geltungsbereich haben. Die Regelungen des über- und zwischenstaatlichen Rechts bleiben unberührt,
§ 30 Abs. 2 SGB I. Gemäß § 31 SGB I dürfen Rechte und Pflichten in den Sozialleistungsbereichen dieses
Gesetzbuchs nur begründet, festgestellt, geändert oder aufgehoben werden, soweit ein Gesetz es vorschreibt oder
zulässt. Wie im Urteil des Sozialgerichts Frankfurt vom 30.9.2009, Az.: S 22 EG 6/09, bezüglich der dort zu
entscheidenden Frage eines Elterngeldanspruchs für Bedienstete der Europäischen Zentralbank (EZB) zutreffend
ausgeführt, dehnt § 31 SGB I den Vorbehalt des Gesetzes auch auf den Leistungsbereich aus ("Rechte"). Das
Gericht stimmt weiter mit dem Sozialgericht Frankfurt dahingehend überein, dass der persönliche Anwendungsbereich
des BEEG durch § 1 BEEG grundsätzlich abschließend geregelt ist und deshalb nur dann keine Anwendung finden
könnte, wenn dies in einer dem Gesetzesvorbehalt genügenden Spezialregelung vorgeschrieben wäre oder sich aus
über- oder zwischenstaatlichem Recht ergeben würde. Vorliegend schließen jedoch weder Regelungen des über- oder
zwischenstaatlichen Rechts, vgl. § 30 Abs. 2 SGB I, noch eine spezialgesetzliche Regelung, vgl. § 31 SGB I, einen
Anspruch der Klägerin auf Elterngeld aus. Das Bundessozialgericht führte im Urteil vom 29.8.1991, Az.: 4 REg 5/91,
bezüglich des Anspruchs auf Bundeserziehungsgeld aus, dass bezüglich des über- und zwischenstaatlichen Rechts
Art. 18 des Protokolls über die Vorrechte und Immunitäten der Europäischen Patentorganisation, BGBl. II 1976, S.
985 ff., die einzige Vorschrift darstelle, die sozialrechtlichen Inhalt habe und deshalb im vorliegenden Zusammenhang
in Betracht kommen könne. Wie auch die Klägerin zutreffend ausgeführt hat, sind nach diesem unverändert auch
heute noch geltenden Art. 18 des o. g. Protokolls Bedienstete des Europäischen Patentamts von sämtlichen
Pflichtbeiträgen an staatliche Sozialversicherungsträger befreit, sofern die Organisation ein eigenes
Sozialversicherungssystem errichtet. Wie auch vom Bundessozialgericht betont, sind jedoch damit – unabhängig
davon, welche Rechtswirkungen dieses Protokoll entfalten kann – Bedienstete des Europäischen Patentamts lediglich
hinsichtlich derjenigen Systeme der sozialen Sicherheit von der Anwendung (hier: deutschen) staatlichen Rechts
ausgenommen, die durch Pflichtbeiträge finanziert werden. Das Bundessozialgericht stellte weiter klar, dass zu
diesen Systemen das Bundeserziehungsgeldgesetz nicht gehöre. Gleiches gilt zur Überzeugung des Gerichts für das
Bundeselterngeldgesetz, nach dem die Leistungen dieses Gesetzes ebenfalls nicht durch Pflichtbeiträge finanziert
werden, sondern aus Steuermitteln.
Weitere Normen des über- oder zwischenstaatlichen Rechts, die eine Anwendung des Bundeselterngeldgesetzes
vorliegend ausschließen könnten, sind nach Auffassung des Gerichts auch nach heutigem Rechtsstand nicht
ersichtlich.
Vorschriften betreffend Beamte von EU-Organisationen sind nicht einschlägig. Die Europäische Patentorganisation ist
eine zwischenstaatliche Einrichtung, die auf der Basis des Europäischen Patentübereinkommens, BGBl. II 1976, 826
ff., gegründet wurde. Das Europäische Patentamt und der Verwaltungsrat, der die Tätigkeit des Amts überwacht,
stellen die beiden Organe dieser Patentorganisation dar. Auf die Klägerin als Beamtin des Europäischen Patentamts
ist damit das Statut der Beamten des Europäischen Patentamts anzuwenden. Ob das Statut der Beamten des
Europäischen Patentamts, das vom Verwaltungsrat der Europäischen Patentorganisation gestützt auf das
Europäische Patentübereinkommen, insbesondere auf Art. 33 Abs. 2 Buchst. b, erlassen worden ist, eine die
Anwendbarkeit des ersten Abschnitts des BEEG ausschließende Rechtswirkung entfalten könnte, kann offen bleiben,
da jedenfalls in diesem Statut kein Ausschluss der Anwendbarkeit von Normen des materiellen (deutschen)
Sozialrechts enthalten ist. Wie vom Beklagten zutreffend angesprochen, enthält dieses Statut zwar eine Reihe von
Regelungen bezüglich Leistungen im Zusammenhang mit der sozialen Lage von Bediensteten des Europäischen
Patentamts wie insbesondere auch die Regelung von Elternurlaub in Art. 45 a des Statuts und Urlaub aus familiären
Gründen in Art. 45 b des Statuts. Nach Art. 45 a des Statuts haben Beamte des Europäischen Patentamts Anspruch
auf Elternurlaub, der bis zu 120 Arbeitstage, für Alleinerziehende im doppelten Umfang, zusteht und vor dem 12.
Geburtstag des Kindes zu nehmen ist. Als Vergütung für diesen Elternurlaub ergeben sich unter Berücksichtigung der
Gehaltstabellen Beträge von ca. 900,- EUR bis 1200,- EUR. Art 45 a des Statuts enthält keinerlei Regelung in Bezug
auf einen nach nationalem Recht zustehenden Anspruch auf Elterngeld oder ähnliche Leistungen. Die Regelung stellt
erkennbar eine eigenständige (Sozial-)Leistung des Europäischen Patentamts für Bedienstete bezüglich der
Gewährung von ggf. auch abschnittsweise in Anspruch zu nehmendem Elternurlaub bis zum 12. Geburtstag des
Kindes dar. Eine Regelung in Bezug auf nationale Sozialleistungen im Zusammenhang mit Elterngeldgewährung ist
darin nicht zu erkennen.
Auch besteht keine sonstige spezialgesetzliche Regelung, die gemäß § 31 SGB I zum Ausschluss des
Elterngeldanspruches führen würde.
Wie dargelegt, könnte sich aber ausschließlich aus über- oder zwischenstaatlichem Recht bzw. einer
spezialgesetzlichen Norm die Nichtanwendbarkeit des Bundeselterngeldgesetzes für die Klägerin ergeben. Eine vom
Beklagten vorgetragene Zugehörigkeit der Klägerin zu einem eigenen sozialen Sicherungssystem kann dies hingegen
nicht bewirken.
Der dem Grunde nach bestehende Anspruch auf Elterngeld ist nach Überzeugung des Gerichts gem. § 2 Abs. 1, Abs.
7 BEEG in seiner konkreten Höhe unter Heranziehung der in den zwölf Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt
der Tochter der Klägerin erhaltenen Nettobezüge der Klägerin zu ermitteln.
Gemäß § 2 Abs. 1 BEEG ist Elterngeld in Höhe von 67 % des in den zwölf Kalendermonaten vor dem Monat der
Geburt des Kindes durchschnittlich erzielten monatlichen Einkommens aus Erwerbstätigkeit bis zu einem
Höchstbetrag von 1800,- EUR monatlich für volle Monate zu zahlen, in denen die berechtigte Person kein Einkommen
aus Erwerbstätigkeit erzielt. Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 BEEG ist als Einkommen aus Erwerbstätigkeit die Summe der
positiven Einkünfte u.a. aus nichtselbständiger Arbeit im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) zu berücksichtigen.
Zwar unterliegen die Einkünfte der Klägerin nicht der Besteuerung nach dem deutschen Einkommensteuergesetz, sie
sind aber nach Auffassung des Gerichts gleichwohl gem. § 2 Abs. 1 BEEG zu berücksichtigen.
Gemäß Art. 16 Abs. 1 des Protokolls über die Vorrechte und Immunitäten der Europäischen Patentorganisation,
BGBl. II 1976, S. 985 ff., ist die Klägerin von der staatlichen Einkommensteuer befreit. Sie ist zu Gunsten der
Organisation steuerpflichtig. Damit sind ihre Bezüge aufgrund eines zwischenstaatlichen Übereinkommens nicht nach
dem deutschen Einkommensteuergesetz zu versteuern. Es kommt lediglich die Berücksichtigung dieser Bezüge im
Rahmen des Progressionsvorbehalts, § 32 b Abs. 1 Nr. 4 EStG, bei Festlegung des Einkommensteuertarifs, § 32 a
EStG, für im Übrigen zu versteuerndes Einkommen in Betracht, vgl. auch Art. 16 Abs. 1, S. 3 des o.g. Protokolls.
Gemäß den Ausführungen im Urteil des Bundessozialgerichts vom 25.6.2009, Az.: B 10 EG 9/08 R, verweist § 2 Abs.
1 Satz 2 BEEG mit der Wortwahl "Summe der Einkünfte" nicht nur auf die dort genannten Einkunftsarten, sondern auf
die nach steuerrechtlichen Bestimmungen ermittelten Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 1 und 2 EStG (Rz 20). Das
Bundessozialgericht führt weiter aus, dass nach § 3 EStG steuerfreie Positionen damit nicht umfasst seien. Nachdem
die Bezüge der Klägerin von der staatlichen Einkommensteuer aufgrund der vorgenannten Bestimmung des
zwischenstaatlichen Rechts befreit sind, stellt sich die Frage, ob es sich bei den Einkünften um nach
steuerrechtlichen Bestimmungen ermittelte Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 1 und 2 EStG handelt. Zwar zeigen die
Gehaltsmitteilungen der Jahre 2007 und 2008, dass es sich bei der dort genannten internen Steuer zumindest bis zu
diesem Zeitpunkt lediglich um einen Verrechnungsposten gehandelt hat, der das gegenüber der Klägerin genannte
Grundgehalt offensichtlich nicht beeinflusste und nicht davon in Abzug gebracht wurde. Erst ab der
Jahresgehaltsmitteilung für das Jahr 2009 wird ein Bruttogehalt ausgewiesen. Solche Umstände, auf die die Klägerin
im Übrigen keinen Einfluss hat, vermögen jedoch nicht die grundsätzlich zu Gunsten der Organisation bestehende
Steuerpflicht in Frage zu stellen. Das Gericht ist damit der Auffassung, dass die Dienstbezüge der Klägerin zu den
nach steuerrechtlichen Bestimmungen ermittelten Einkünften gehören, da sie zumindest nicht außerhalb jeder
Besteuerung stehen und damit nicht als gänzlich steuerfrei anzusehen sind.
Die weitere Einkommensermittlung richtet sich nach § 2 Abs. 7 BEEG. Nachdem die Voraussetzungen des § 2 Abs. 7
Satz 5 und 6 BEEG vorliegend nicht erfüllt sind, ist zur Einkommensermittlung vor Geburt der Zeitraum September
2007 bis August 2008 heranzuziehen. Wie sich aus den auf den Gehaltsmitteilungen ausgewiesenen
Auszahlungsbeträgen, die bereits Abzüge für Versorgungsbeiträge und die o.g. Versicherungen berücksichtigen und
von denen keine Steuern mehr in Abzug zu bringen sind, ergibt, erreicht die Klägerin jedenfalls einen
Einkommensbetrag, aus dem sich ein grundsätzlicher Elterngeldanspruch in Höhe des Höchstbetrags von 1800,- EUR
monatlich errechnet.
Der Klageantrag richtet sich nicht auf die Gewährung von Elterngeld für den 1. bis 5. Lebensmonat. Die Klägerin hatte
in diesem Zeitraum noch Dienstbezüge im Zusammenhang mit Mutterschaftsurlaub und Abgeltung von Jahresurlaub
erhalten. Es sei lediglich angemerkt, dass nach Ansicht des Gerichts in diesem Zeitraum auch kein Elterngeld
zustehen würde, da die Anrechnung der Vergütung von Mutterschaftsurlaub für 14 Wochen nach Geburt, Art. 61 des
Statuts, für die Zeit des Beschäftigungsverbots gemäß §§ 14, 6 Abs. 1 des Gesetzes zum Schutz erwerbstätiger
Mütter (MuSchuG) sich gemäß § 3 Abs. 1, S. 3 BEEG und bezüglich der Zeit außerhalb von einem
Beschäftigungsverbot als vergleichbare Leistung gemäß § 3 Abs. 3 S. 1 BEEG ergibt. Im 5. Lebensmonat ist
außerdem aufgrund Gewährung von Jahresurlaub die Voraussetzung des § 1 Abs. 6 BEEG nicht erfüllt, da eine
durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit in diesem Lebensmonat von über 30 Wochenstunden anzunehmen ist.
Im 6. Lebensmonat, der 2009 beginnt, wurden noch für den 15.2. und 16.2.2009 Dienstbezüge für die Abgeltung von
Jahresurlaub gezahlt. Diese Zahlungen sind als Erwerbseinkommen anzurechnen, § 2 Abs. 3 BEEG. Weitere
Leistungen des Arbeitgebers hatte die Klägerin ausweislich der Bestätigung vom 20.1.2010 im Zeitraum bis zum Ende
des 12. Lebensmonats ihrer Tochter nicht erhalten. Für den 6. Lebensmonat errechnet sich damit ein Betrag von
1.671,43 EUR. Für den 7. bis 12. Lebensmonat steht Elterngeld in Höhe von 1800,- EUR monatlich zu.
Ein Ruhen dieses Elterngeldanspruchs gem. § 3 Abs. 3 S. 2 BEEG tritt nach Ansicht des Gerichts nicht ein. Diese
Regelung sieht ein solches Ruhen bis zur möglichen Höhe einer vergleichbaren Leistung, auf die außerhalb
Deutschlands oder gegenüber einer zwischen- oder überstaatlichen Einrichtung Anspruch besteht, § 3 Abs. 3 S. 1
BEEG, für den Fall vor, dass eine solche Leistung nicht beantragt wird. Damit soll sichergestellt werden, dass
Berechtigte zunächst eine solche vergleichbare Leistung in Anspruch nehmen, vgl. BT-Drucksache vom 20.6.2006,
16/1889, S. 23. Die Klägerin hatte im Bezugszeitraum des Elterngelds, hier 6. bis 12. Lebensmonat, keinen Antrag
gem. Art. 45 a des Statuts auf Elternurlaub gestellt und demzufolge auch keine dementsprechende Vergütung für
Zeiten von Elternurlaub erhalten. Wie oben dargelegt steht mit der Leistung nach Art. 45 a des Statuts den Beamten
des Europäischen Patentamts ein flexibles Instrument zur Inanspruchnahme von Elternurlaub bis zum 12. Geburtstag
des Kindes zu. Dieser Elternurlaub wird für bis zu 120 Arbeitstage bzw. bis zu 240 Arbeitstage gewährt und kann auch
abschnittsweise bzw. wie in Art. 45 a Abs. 2, S. 3 des Statuts geregelt auf Halbzeitbasis in Anspruch genommen
werden. Die Zugehörigkeit zum System der sozialen Sicherheit (u.a. Kranken- und Invaliditätsversicherung) bleibt
dabei unter Beitragstragung durch das Europäische Patentamt erhalten, Art. 45 a Abs. 3 des Statuts. Die monatliche
Vergütung beträgt ca. 900 bis 1200 EUR, bei Elternurlaub auf Halbzeitbasis verringert sie sich entsprechend.
Insbesondere mit der Variabilität bis zum 12. Geburtstag des Kindes unterscheidet sich die Leistung gem. Art. 45 a
des Statuts wesentlich von dem maximal in den ersten 14 Lebensmonaten bestehenden Elterngeldanspruch. Die
Zielrichtung des Elternurlaubs nach Art. 45 a des Statuts bezieht sich auf die Ermöglichung flexibler, gegebenenfalls
auch mehrerer Arbeitspausen im Umfang von insgesamt bis zu 120 bzw. 240 Arbeitstagen in den ersten 12
Lebensjahren des Kindes, um so nach individuellen Bedürfnissen das Kind betreuen zu können. Dagegen ist mit dem
Elterngeld explizit eine Unterstützung von Eltern in der Frühphase der Elternschaft beabsichtigt, um ihnen so einen
Schonraum des Hineinfindens in das Familienleben zu eröffnen, vgl. BT-Drs. 16/1889, S. 2. Ein gegebenenfalls
teilweises Ruhen des Elterngeldanspruchs gemäß § 3 Abs. 3 Satz 2 BEEG im Zusammenhang mit einer
unterbliebenen Antragstellung auf Elternurlaub nach Art. 45 a des Statuts kommt deshalb angesichts dieses erheblich
voneinander abweichenden Anspruchszeitraums nach Auffassung des Gerichts nicht in Betracht.
Nach alledem war der Klage stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).